Schlagwort: ARD

Hademar Bankhofer, der Melissa-Mann

Ich mag Professor* Hademar Bankhofer. Es hat immer so etwas beruhigendes und aufmunterndes, ihm zuzusehen, wenn er mit seinem freundlichen Lächeln, seinem weichen österreichischen Dialekt und seinen bunten Einstecktüchern im Fernsehen steht (und er steht ungefähr immer gerade irgendwo im Fernsehen) und mit einer ansteckenden Euphorie von Wasser, Körnern, Bewegung oder Kräutern schwärmt. Okay, das Wort „ansteckend“ ist ein bisschen irreführend, weil es bei mir meistens nicht einmal dazu reicht, die Chipstüte aus der Hand zu legen, aber meistens sitze ich seltsam angerührt vor dem Fernseher und freue mich, dass es Menschen gibt, die sich mit einer solchen Begeisterung in den Dienst der guten Sache stellen, und sei die gute Sache auch nur irgendein Kraut.

Ich fürchte, dieses wohlige Gefühl wird sich nicht mehr einstellen. Denn es scheint, als stünden er und seine bunten Einstecktücher oft genug nicht im Dienst einer guten Sache, sondern bloß im Dienst eines gut bezahlenden Unternehmens. Das Blog „Stationäre Aufnahme“ hat für Boocompany.com einige Beispiele aus Auftritten Bankhofers zusammengeschnitten, und die vielleicht offenkundigste Geschichte ist die, dass Bankhofer seit Jahren (u.a. als Gesundheitsexperte der einschlägig bekannten ARD) die Vorzüge der „Klostermelisse“ preist.

Die „Klostermelisse“ aber ist keine Pflanzenart. Die Pflanze heißt Melisse oder Zitronenmelisse. „Klostermelisse“ ist ein eingetragenes Markenzeichen der Maria Clementine Martin Klosterfrau Vertriebsgesellschaft mbH. Wer „Klostermelisse“ empfiehlt, empfiehlt ein konkretes Markenprodukt — tatsächlich und natürlich vor allem in den Köpfen der Zuhörer und Zuschauer, die den Namen leicht mit dem richtigen Produkt assoziieren. Denn: Nur „Klosterfrau Melissengeist“ enthält die „echte Klostermelisse“.

Ganz ähnlich ist es mit der von Bankhofer gerne empfohlenen „Königsartischocke“. Auch sie ist ein Markename, und wer konkret nach ihr fragt oder sucht, wird zielgenau zu einem Produkt geführt, in diesem Fall „Hepar-SL® forte mit der Königs-Artischocke®“ (man beachte das zweite „®“).

Mehr zum Thema bei Boocompany und in der Stationären Aufnahme.

*) Professor Hademar Bankhofer trägt den Titel Professor völlig zurecht, er bedeutet aber nicht, was man als Nicht-Österreicher denken könnte. Es handelt sich um einen Ehrentitel. Bankhofer hat weder Medizin studiert, noch promoviert oder habilitiert.

[via ix]

ARD beharrt auf Schleichwerbe-Recycling

Im Ersten läuft gerade die 400. Folge der Krankenhaussoap „In aller Freundschaft“. In verschiedenen ostdeutschen Zeitungen sind deshalb heute Jubelartikel erschienen. Die „Sächsische Zeitung“ hat in ihren eine kleine Journalismusattrappe in Form folgender Sätze eingebaut:

Gelegentlich musste die Serie auch Kritik einstecken. Vorwürfe wegen unerlaubter Schleichwerbung in mehreren Folgen wurden laut.

Ist das nicht niedlich? Vorwürfe „wurden laut“. Dass sie bestätigt sind, die Vorwürfe; dass ganze Handlungsstränge in dieser im Auftrag des MDR produzierten Krankenhausserie von der Pharmaindustrie bezahlt wurden, und dass die ARD darauf beharrt, diese von der Pharmaindustrie geschriebenen Handlungsstränge leicht retuschiert weiterhin auszustrahlen, das steht da nicht.

Ich muss mich ein bisschen nachaufregen. Darüber, wie die ARD auf die Frage reagiert hat, warum sie immer noch Schleichwerbefolgen ausstrahlt wie die, die für das (inzwischen vom Markt genommene) Medikament Vioxx wirbt. Der MDR hat, wie berichtet, nur die Namen von Medikament und Wirkstoff nachträglich geändert, aber die Handlung unverändert gelassen. Alle paar Wochen läuft die Folge in irgendeinem Dritten Programm, und alle paar Wochen fleht wieder der Patient die Ärzte an, ihm das Wundermedikament zu geben, und die ganze Zeit wird die Pharmabranche als Synonym für Barmherzigkeit, Erlösung und Selbstlosigkeit gepriesen.

NDR-Sendersprecher Martin Gartzke sagte auf Nachfrage von epd Medien: Dadurch, dass per Nachvertonung der Wirkstoffgruppenname „COX-2-Blocker“ durch den fiktiven Namen „RAG-2-Blocker“ ersetzt worden sei, lasse sich kein Bezug zu dem Medikament herstellen. Das ist falsch. Der ganze Handlungsstrang ist maßgeschneidert auf Vioxx und seine Anwendungsgebiete.

Die ARD, der NDR und der MDR müssen mir das natürlich nicht glauben. Sie könnten es aber zum Beispiel dem Deutschen Rat für Public Relations (DRPR) glauben, der sich mit dem Thema befasst hat. In einem offenen Brief forderte er den ARD-Vorsitzenden Fritz Raff am 20. Juni zu weitergehenden Schnitten auf, und schrieb: „Der interessierte Zuschauer kann den konkreten Produktbezug im Anschluss an die thematische Rezeption unschwer selbst herstellen. Dies ist in vielen Fällen sogar eine wirkungsvollere Methode als eine leichter zu durchschauende genaue Produktnennung.“

Die „Magdeburger Volksstimme“ zitierte Matthias Rosenthal, den stellvertretenden DRPR-Chef und Vorsitzenden der Beschwerdekammer für TV-Schleichwerbung mit den Worten: „Der Sender hat sich bemüht, etwas zu verändern. Aber die betreffenden Passagen zu übertünchen, reicht natürlich nicht aus.“

MDR-Sprecherin Birthe Gogarten aber sagte laut „Volksstimme“: Es „lässt sich kein Bezug zu irgendeinem Medikament herstellen.“ Sie hat Unrecht.

Anstelle von Raff antwortete dem DRPR der MDR-Fernsehdirektor Wolfgang Vietze. Laut epd-Medien vom 21. Juni erklärte er, die schon erfolgte Bearbeitung sei intensiv gewesen: „Das ging von der Retusche bis hin zu Neusynchronisierung — ein arbeitsintensiver, teurer und aufwendiger Vorgang.“ Das halte ich an sich schon für einen Skandal: Dass die ARD Rundfunkgebühren dafür ausgibt, in einem „teuren“ Verfahren eine Billigserie oberflächlich von den Schleichwerbespuren zu beseitigen, anstatt den Müll einfach wegzuwerfen. Aber die Argumentation ist vor allem entlarvend: Das war teuer, was wir gemacht haben, also muss es auch gut gewesen sein und jetzt gefälligst reichen.

Vietze erklärte weiter, die Wiederholungen seien hinsichtlich Themen- und Product-Placement „bearbeitet und bereinigt“ worden. Nach der Bearbeitung seien alle Folgen noch einmal geprüft und von der Revision freigegeben worden. „Es gab keinerlei Beanstandung mehr, so dass nichts gegen eine Wiederholungsausstrahlung einzuwenden war.“ Außer natürlich, möchte man ihm antworten, wenn die Themen-Placements nicht beseitigt wurden. Sie wurden nicht beseitigt.

Die ARD beharrt auf ihrem Recht, teuer und schlecht überarbeitete, acht Jahre alte Folgen einer Serie auszustrahlen, deren Drehbücher die Pharmaindustrie bezahlt oder geschrieben hat und wundert sich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland Legitimationsprobleme hat.

In der vergangen Woche lief „In aller Freundschaft“ insgesamt 36-mal in den verschiedenen ARD-Programmen.

[Nichts in diesem Eintrag ist neu. Aber es war mir ein Bedürfnis, die Entwicklungen der vergangenen Wochen in dieser Sache nachzutragen.]

Wie die ARD Schleichwerbung recycelt

29-mal pro Woche zeigt die ARD zur Zeit ihre Krankenhausserie „In aller Freundschaft“. Das liegt daran, dass die Sendung gerade EM-Pause macht, sonst sind es natürlich ein paar Ausstrahlungen mehr. Der RBB wiederholt gerade täglich mittelalte, NDR und SWR ganz alte und das HR-Fernsehen relativ neue Folgen.

Es gibt gute Gründe, „In aller Freundschaft“ nicht zu wiederholen. Die Handlungsstränge, Dialoge und schauspielerischen Fähigkeiten sind der offensichtlichste. Die Rolle der Serie in einem der ganz großen Schleichwerbeskandale der letzten Jahre wäre ein weiterer.

Im Juni 2005 enthüllte der Branchendienst „epd Medien“, dass die ARD-Produktionsfirma Saxonia in mindestens neun Fällen bezahlte Pharmawerbung in der im Auftrag des MDR hergestellten Serie unterbringen ließ. Die Industrie gab konkrete Anregungen über gewünschte Geschichten, die Drehbuchautoren machten daraus Dialoge. Bis zu 30.000 Euro pro Folge zahlten die Firmen dafür, dass zu bestimmten Krankheitsbilder passende Medikamente — oder wenigstens ihre Wirkstoffe genannt wurden.

Vor zwei Wochen rügte der Deutsche Rat für Public Relations sieben namhafte Pharmahersteller für diese Praxis. Damit schien die Sache als erledigt.

Nur wiederholt die ARD munter alte Folgen von „In aller Freundschaft“, auch Folgen, in deren Inhaltsangabe auf der offiziellen, vom MDR verantworteten Homepage Sätze wie diese stehen:

„In der Sachsenklinik gibt es eine weitere Neuigkeit: Die Forschungsergebnisse für COX-2-Blocker, die bei Arthrose helfen sollen, sind so vielversprechend, dass das Medikament bald zugelassen werden kann.“
[Folge 82]

„Die Forschungsarbeiten an dem COX-2-Blocker stehen unmittelbar vor dem Abschluss, das Mittel kurz vor der Zulassung. Die Testpatienten vertragen das Mittel hervorragend.“
[Folge 85]

Kein Wunder also, dass das renommierte kritische Pharma-Blog „Stationäre Aufnahme“ vergangene Woche Alarm schlug und titelte: „NDR strahlt Pharma-Schleichwerbung weiter aus“.

Dabei ist die Sache nicht so schlimm, wie sie scheint. Sie ist anders schlimm.

Der NDR teilte mir auf Anfrage mit:

Der NDR sendet überarbeitete Fassungen der Folgen, in denen alle Namensnennungen des Medikaments Vioxx per voice over durch ein fiktives Präparat ersetzt wurden. Die Originalfolgen sind gesperrt.

Nach der heute (zum elften Mal) wiederholten Folge 85 zu urteilen, stimmt das — macht es aber nicht weniger unfassbar, dass die ARD diese Folgen überhaupt noch ausstrahlt.

In der Folge geht es um einen Arthrose-Patienten, der wegen seiner Medikamente unter heftigen Magenschmerzen leidet und darum bettelt, eine neuartige Alternative ausprobieren zu dürfen. Um die Handlung und ihren Werbecharakter im Jahr der Erstausstrahlung 2000 würdigen zu können, muss man wissen, was das Revolutionäre an der Wirkungsweise des (inzwischen wegen dramatischer Nebenwirkungen vom Markt genommenen) Schmerz- und Entzündungshemmers Vioxx war. Herkömmliche Mittel wie Aspirin blockieren nicht nur das Enzym Cox-2, das schmerzvermittelnde Botenstoffe bildet, sondern auch das ganz ähnliche Cox-1, das aber die Magenschleimhaut schützt. Arthrose-Patienten, die dauerhaft Schmerzmittel nehmen mussten, litten daher häufig unter Magenschmerzen. Vioxx dagegen verschonte „das gute“ Enzym Cox-1 und griff nur „das böse“ Cox-2 an.

Und jetzt schauen Sie sich bitte an, wie um diese frohe Werbebotschaft ein ganzer Handlungsstrang in der ARD-Serie „In aller Freundschaft“ gestrickt wurde, Happy-End und allgemeine nette Botschaften über die Pharma-Industrie, die sich um unser aller Wohlergehen sorgt, inklusive.

Link: sevenload.com

Erstaunlich daran ist — abgesehen davon, wie penetrant und plump die Botschaft in der Serie untergebracht wurde und wie willen- oder skrupellos die Fernsehleute gewesen sein müssen — dass Vioxx und die Pharmafirma MSD Sharp & Dohme (Merck & Co., Inc.) bislang noch gar nicht öffentlich im Zusammenhang mit dem ARD-Schleichwerbeskandal genannt wurden (auch nicht in der Rüge des PR-Rates).

Der aktuelle Skandal ist für mich aber ein anderer: Die ARD hat sich also, nachdem die Schleichwerbegeschäfte ihrer Tochtergesellschaften aufgeflogen waren, dafür entschieden, die alten Folgen durchzugucken und mühsam einzelne Sätze mit Markennamen nachzuvertonen? Sie hat sich nicht daran gestört, dass die Dramaturgie ganzer Handlungsstränge nicht durch die inneren Gesetze einer Seifenoper bestimmt sind, sondern allein durch die (überholten) Werbebotschaften Dritter? Sie hat sich nach der notwendigen Ansicht der Folgen nicht dafür entschieden, diesen Schrott einfach nie wieder auszustrahlen, sondern füllt mit ihm die Lücken zwischen „Sturm der Liebe“ und „Meerschweinchen, Nacktnasenwombat & Co.“?

Nachtrag, 12. Juni, 16:30 Uhr. Um Missverständnisse zu vermeiden: In der überarbeiteten Fassung, die der NDR zeigte, ist natürlich nicht nur der Markenname „Vioxx“ ersetzt worden, sondern auch der Begriff „COX-2-Blocker“. Aus dem Enzym „COX-2“ wurde, wie im Video zu sehen, „RAG-2“.

Der NDR hat in seinen Internetseiten vor wenigen Tagen die Hinweise auf „COX-2“ aus den Sendungsbeschreibungen entfernt. Auf der vom MDR verantworteten offiziellen Seite zur Sendung sind jetzt die Inhaltsangaben ganz verschwunden.

[via BooCompany, Stationäre Aufnahme]

Panorama

Wenn sie schlau sind, die Lobbyisten der Verlage und Privatsender, stellen sie ihre eigene PR-Arbeit im Kampf für Beschränkungen öffentlich-rechtlicher Aktivitäten im Internet ein und überlassen sie vollständig den Fernsehmachern der ARD.

Nachdem Thomas Leif, der Chefreporter des Südwestrundfunks, vor zwei Wochen eine große, nein: lange Dokumentation zum Thema gemacht hat, die man wohlwollend als kontraproduktiv bezeichnen kann, übernahmen jetzt die Kollegen vom NDR-Magazin „Panorama“. Es ging eigentlich um die Frage, wie lange und unter welchen Bedingungen ARD und ZDF in Zukunft ihre Filme im Internet zeigen dürfen. Aber man kann es den Zuschauern nicht übel nehmen, die im Forum zur Sendung hinterher davon sprachen, das, was Verleger und Politik vorhätten, sei ja eine Art „Bücherverbrennung“. Tatsächlich taten die Autoren Britta von der Heide und Dietmar Schiffermüller immer wieder so, als gehe es nicht um Ausstrahlungsrechte, sondern die Vernichtung von Material: „Käme das neue Rundfunkgesetz, müssten diese Szenen im Extremfall gelöscht werden.“ Oder: „Dieser ‚Panorama‘-Klassiker müsste nach dem neuen Gesetz, wenn es in aller Schärfe umgesetzt würde, wohl gelöscht werden.“

Ungefähr jeder Satz war irreführend. Moderatorin Anja Reschke prahlte von den „echten Schätzen“, den „Zeitdokumenten“ und „Klassikern“, die sich im „Panorama“-Online-Archiv finden ließen: „wir senden seit 47 Jahren!“ – dabei ist das älteste Online-Dokument von 1996.

Ähnlich erschreckend wie die Bereitschaft zur Manipulation war die Wahl der Mittel: Grobschlächtig wie eine „Aktuelle Kamera“ pries „Panorama“ sich endlos selbst für seine wunderbare, unvergleichliche, unersetzliche Panoramahaftigkeit im selbstlosen Einsatz für das Lebensglück der Zuschauer. In einem von drei Ausschnitten aus älteren Sendungen war Helmut Kohl zu sehen, wie er zu einem Reporter sagt: „‚Panorama‘? Das hat doch mit Journalismus nichts zu tun.“ Es ist an dieser Stelle nicht ganz leicht, ihm zu widersprechen.

ARD und ZDF haben gute Argumente gegen viele Forderungen ihrer privaten Konkurrenz; Forderungen, die nur kommerziellen Interesse dienen und nicht der Allgemeinheit. Vielleicht ist die beschämendste Erkenntnis aus der ARD-Propaganda die: Dass die Verantwortlichen offenkundig nicht an die Kraft der Argumente und den Wert des seriösen Journalismus glauben, deren Garant sie sein sollen und als deren Aushängeschilder sich gerade Thomas Leif und die Leute von „Panorama“ gerne profilieren. Es ist – gerade für diejenigen, die sich starke Öffentlich-Rechtliche auch im Internet wünschen – zum Heulen.

Wenn sie schlau sind, die Lobbyisten der Verlage und Privatsender, sorgen sie dafür, dass zumindest dieser „Panorama“-Beitrag für alle Zeiten im Internet zu finden sein wird.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Stephen Frys Plädoyer für die BBC

ARD und ZDF sind nicht die einzigen Sender, die sich kniffligen Fragen stellen müssen nach dem Selbstverständnis öffentlich-rechtlichen und gebührenfinanzierten Rundfunks in der neuen Medienwelt. Die BBC ist in einer ähnlichen Situation — die britische Medienaufsicht Ofcom untersucht gerade, in welcher Form Public Service Broadcasting (PSB) in Zukunft organisiert und finanziert werden kann und soll.

Als Beitrag zur öffentlichen Debatte hat die BBC eine Vorlesungsreihe ins Leben gerufen. Zum Auftakt sprach die Fernsehlegende Sir David Attenborough, am vergangenen Woche der große Stephen Fry.

Sein 40-minütiger Vortrag ist außerordentlich sehenswert — nicht nur, weil ungefähr alles, was Fry macht, klug und unterhaltsam und außerordentlich sehenswert ist.

Manche seiner Gedanken sind vielleicht nur vor dem besonderen Hintergrund der (von mir heißgeliebten) britischen Kultur verständlich. Etwa wenn er über den Wert von Comedy für die Gesellschaft spricht:

Comedy had been my rock and roll as a child and now I was allowed to do it for a living. There is an argument that comedy is a greater public service than any other genre of art or culture: it heals divisions, it is a balm for hurt minds, it binds social wounds, exposes real truths about how life is really led. Comedy connects. The history of BBC comedy in particular is almost a register of character types, a social history of the country. Hancock, Steptoe, Mainwaring, Alf Garnett, Basil Fawlty, Baldrick, Victor Meldrew, Alan Partridge, Ali G, David Brent, the matchlessly great General Melchett — it is much harder to list character types from serious drama who have so penetrated the consciousness of the nation and so closely defined the aspirations and failures of successive generations. A public service broadcasting without comedy is in danger of being regarded as no more than a dumping ground for worthiness. Seriousness is no more a guarantee of truth, insight, authenticity or probity than humour is a guarantee of superficiality and stupidity. Angels can fly because they take themselves lightly.

Aber Frys Vortrag hat auch für die deutsche Debatte Relevanz.

Nun sind ARD und ZDF nicht ganz vergleichbar mit der BBC. Sie ist einerseits in einem viel stärkeren Maße eine nationale Institution Großbritanniens, die eine gemeinsame kulturelle Identität stiftet, und strahlt andererseits aufgrund der englischen Sprache (und der britischen Geschichte) viel mehr in die Welt aus. Die Kreativität dieser Organisation in den vergangenen Jahrzehnten ist einzigartig.

Aber eine Kernfrage der aktuellen Debatte ist dieselbe: Wollen uns wir in Zeiten, da es keine Knappheit mehr an Frequenzen und Kanälen mehr gibt, noch einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk leisten, der alles produziert: banale Unterhaltung ebenso wie seriöse Informationen, Gameshows ebenso wie Auslands-Reportagen? Ist es richtig, dass die BBC auch die englischen Versionen von „Let’s Dance“ und „Big Boss“ zeigt? Oder sollte sich die Gebührenfinanzierung beschränken auf jene Programme, die der Markt nicht hervorbringt? Es geht, anders gesagt, um den in Deutschland systematisch missverstandenen Begriff der „Grundversorgung“. Gemeint hat das Bundesverfassungsgericht, das ihn geprägt hat, damit alles: Das komplette Fernsehprogramm, das die Menschen sehen wollen und sollen, quer über alle Genres und Ansprüche. Benutzt wird er meist im Sinne einer Mindestversorgung: nur die Programme, die das Privatfernsehen nicht zeigt, weil sie zu teuer sind oder zu wenige Zuschauer haben, die aber irgendwie hochwertig oder wichtig oder wenigstens erwünscht sind.

Stephen Frys Antwort ist eindeutig:

(…) Even the most immoderately free market media analyst or commentator I have heard or read would concede that there is a need for good impartial news coverage; that a nation deserves access to programmes that reveal truths about themselves and the world. But mostly they would argue too that if that is what the BBC is to provide, it can be slimmed down, the corporation can lose the need to make its Doctor Who and Strictly Come Dancing, its populist forays can be taken care of by ITV, whose audience share would concomitantly rise, narrowing its dreaded gap, while money would be freed from retrenching the BBC’s ambitions in the digital world, in film‐making, in popular TV, in sporting occasions, money that could create better PSB programming and allow Channel 4 access to money that would spare us more The Boy Whose Testicles Play The Harpsichord. (…)

But what would that BBC then be? Who would watch it? How could an audience be brought to a channel that showed nothing but worthy programming, no matter how excellently produced? Isn’t the whole point of the BBC as a major channel, a real player in TV production across the spectrum of genres and demographics, isn’t the whole point of that BBC its ability to draw audiences into PSB programming by virtue of their loyalty and trust in a brand that provides entertainment, pure and simple? (…) In a sense the nature of the BBC as it is, ‚gives permission‘ to all kinds of people to watch
programmes they otherwise might not. What is the alternative, a ghettoised, balkanised electronic bookshop of the home, no stations, no network, just a narrowcast provider spitting out content on channels that fulfil some ghastly and wholly insulting demographic profile: soccer mum, trailer trash, teenager, gay, black music lover, Essex girl, sports fan, bored housewife, all watching programmes made specifically for them with ads targeting them. Is that what we mean by inclusivity? Is that what we mean by plurality? God help us, I do hope not. (…)

Do we have to make a distinction [between entertainment and public service broadcasting]? That’s the point surely. (…) I have to be personal again. I wanted to make a pair of films about bipolar disorder, did I have to believe that I was making a public service series? Could I not believe as I did, that I was making two television programmes that I hoped as many people as possible might watch, just as I would hope if I was making a drama or a comedy? Yes, those couple of films on manic depression may well have fulfilled a public service, one that could be uniquely followed up via the BBC’s resources on radio, on websites and on help‐lines, but the gratifying large audience that tuned in, did they do so because it was public service broadcasting? How insulting to everyone concerned is that? (…)

You know when you visit another country and you see that it spends more money on flowers for its roundabouts than we do, and you think … coo, why don’t we do that? How pretty. How pleasing. What a difference it makes. To spend money for the public good in a way that enriches, gives pleasure, improves the quality of life, that is something. That is a real achievement. It’s only flowers in a roundabout, but how wonderful. Well, we have the equivalent of flowers in the roundabout times a million: the BBC enriches the country in ways we will only discover when it has gone and it is too late to build it up again. We actually can afford the BBC, because we can’t afford not to.

Stephen Frys Vortrag: als Video, als Audio, als Transkript.

Leif is Leif

Weiß gar nicht, was sich alle so über Thomas Leifs Film aufregen. War doch wie immer.

Und das sind nur die letzten zwei Minuten.

(Und wenn jemand das als richtiges Memory programmieren könnte, würde er mir die größte Freude bereiten. Ach nee: ihm.)

Lindenstraße

Das Beste an der „Lindenstraße“ ist, dass sie sich auch Leute mit langsamsten Internetverbindungen problemlos online ansehen können. Die Inszenierung ist so statisch, dass man zeitweise genau hingucken muss, um zu erkennen, dass es sich wirklich um einen Film handelt, und nicht um eine vertonte Diashow. Und die Charaktereigenschaften der Figuren sind ohnehin so grob und starr gezeichnet, dass sie sich noch in der kleinsten Auflösung gut erkennen lassen.

Heute heiraten jedenfalls Tanja und Suzanne. Das ist nicht mehr so ein politisches Spektakel wie die Hochzeit von Carsten und Theo 1997, als Hella von Sinnen vorbeikam, aber persönlich für die beiden doch ein großer Schritt, für Tanja vor allem. Tanja? Sie wissen schon: Die, deren Mutter Selbstmord begangen hat, deren Schwester an Leukämie gestorben ist und deren Vater betrunken auf der Straße erfor. Die, die erst das Geschäft mit Sex, dann die Esoterik entdeckt hat, sich erst in den 200 Jahre älteren Doktor Dressler, dann in die drogenabhängige Sonia verliebt hat (die dann quasi von Dressler umgebracht wird). Die, die sich scheiden ließ, in ihrer Wohnung über Monate von Webcams gefilmt und im Internet ausgestellt wurde, sich in die damals noch heterosexuelle Suzanne verliebte, mit ihr im Ausland eine Spermaspende bestellt, durch künstliche Befruchtung ein Kind bekommen und die Wohnung durch einen Hausbrand durch einen Adventskranz verloren hat … genau: die Tanja.

Das ist, andererseits, schwer irreführend, den Lebenslauf einer solchen typischen „Lindenstraßen“-Figur zu wenigen Zeilen zu raffen, denn in Wahrheit hat sich über all die Jahre natürlich exakt nichts verändert. Was nicht nur am Personal liegt (Sybille Waury spielt die Tanja seit 1168 Folgen und über 22 Jahren). Es ist vor allem immer noch die gleiche linke Spießigkeit, die durch alle Poren dieser Serie sickert, das gut gemeinte Aufklärungsfernsehen von Hans W. Geißendörfer, in dem ununterbrochen wichtige Themen behandelt werden, jeder Handlungsstrang eine Botschaft hat und der erhobene Zeigefinger schon fest in alle Bühnenbilder eingebaut ist. Die „Lindenstraße“ ist in einem fast beunruhigenden Maße betulich und berechenbar, bieder und banal – eigentlich alles, was mit „B“ anfängt, sogar: beliebt. Die Quoten sinken zwar kontinuierlich, und Geißendörfers vor ewigen Zeiten gegebenes Versprechen, aufzuhören, wenn es deutlich weniger als sechs Millionen Zuschauer sind, ist graue Geschichte. Aber ausgerechnet bei den jungen Leuten, die sonst alles verschmähen, was ARD und ZDF für sie produzieren, selbst die richtig schönen Sachen, holt die „Lindenstraße“ immer noch sehr ordentliche Quoten.

Vielleicht versetzt sie sie in einen tiefen, erholsamen, von bizarren Träumen erfüllten und süchtig machenden Halbstundenschlaf. Anders kann ich es mir nicht erklären.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Grimme-Kandidaten gucken (3)


Foto: BR/teamWorx/Stelter

Die Überschrift ist nur noch so halb sinnvoll, weil die diesjährigen Grimme-Preisträger ja längst feststehen. Ich möchte trotzdem darauf hinweisen, dass das Erste morgen den bezaubernden Fernsehfilm „Rose“ zeigt, der nominiert war — und den Preis auch verdient gehabt hätte. Corinna Harfouch spielt eine alleinerziehende Mutter, die sich nach bewegten Zeiten als Hausbesetzerin vor vielen Jahren aufs Land zurückgezogen hat, vom Schreiben von Groschenromanen lebt und in einem manchmal sympathischen, manchmal bedrohlichen Chaos mit ihren drei schon ziemlich großen Kindern lebt. An der Geschichte, wie diese Familie ihre Sollbruchstellen findet, ist das Besondere, wie vollständig sie durch die Liebe zu ihren Figuren alle Klischees meidet. Sie ist leicht, ohne schlicht zu sein.

„Rose“, ausgezeichnet mit dem Deutschen Fernsehpreis 2007 als bester Fernsehfilm, Mittwoch, 20.15 Uhr, im Ersten.

Bowling for „Tagesschau“

Das Video kommt daher mit dramatischer Musik und in einem Tonfall, als würde es beweisen, dass die ARD Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen im „Tagesschau“-Studio versteckt hatte. Gedehnt auf zwölf lange Minuten und mit dem Impetus einer Michael-Moore-Dokumentation prangert Robin Meyer-Lucht einen Beitrag der „Tagesschau“ vom 24. April 2007 an. (Video und weitere Dokumente hier.)

An diesem Tag hatte die EU-Kommission bekannt gegeben, dass sie das Verfahren gegen die Bundesrepublik wegen der Rundfunkgebühren eingestellt habe. In der jetzigen Form sei die Finanzierung von ARD und ZDF zwar nicht mit EU-Recht vereinbar, die Bundesregierung habe sich aber verbindlich zu den nötigen Korrekturen bereit erklärt. Angestrengt hatte das Verfahren der Lobbyverband der Privatsender (VPRT).

Die „Tagesschau“ hatte ihren Beitrag zu dem Thema mit folgenden Worten anmoderiert:

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist mit europäischem Recht vereinbar. Die EU-Kommission stellte eine vor Jahren angestrengte Beihilfe-Untersuchung jetzt ein. Zugleich machte Brüssel aber Auflagen. So müssen die Bundesländer unter anderem den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konkretisieren. Mit der Entscheidung ist der Streit zwischen der EU und Deutschland über die Rundfunkgebühren für ARD und ZDF beigelegt.

Ungefähr an jeder einzelnen Formulierung nimmt Robin Meyer-Lucht Anstoß. Er sieht in ihnen einen Beweis dafür, dass die „Tagesschau“ nicht unabhängig berichtet, sondern ihre eigene Interpretation als objektive Nachricht ausgibt. Der erste Satz erinnert ihn sogar an Propaganda im Stil der „Aktuellen Kamera“.

Interessant nur, dass dieser erste Satz, der angeblich reine ARD-Propaganda ist, fast wörtlich aus einer dpa-Meldung vom selben Tag stammt. Sie beginnt so:

Jetzt haben es ARD und ZDF Schwarz auf Weiß: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist mit europäischem Recht vereinbar.

Auch hätte die „Tagesschau“ nach Meyer-Luchts Ansicht nicht formulieren dürfen, dass die Auflagen „zugleich“ erfolgten — die Auflagen selbst stellten ja den erzielten Kompromiss dar. Aber auch diese Formulierung findet sich in den Agenturmeldungen vom selben Tag — konkret bei AP:

Die Kommission stellte zwar ihre Untersuchung zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein, forderte zugleich aber die Bundesländer auf, die Verwendung der Gebühren schärfer zu kontrollieren.

Sogar dass die „Tagesschau“ formuliert, der Streit sei damit „beigelegt“, findet Meyer-Lucht irreführend und propagandistisch. So sah es allerdings zum Beispiel auch AFP:

Streit um Gebühren für ARD und ZDF beigelegt.

Meyer-Lucht erweckt den Eindruck, die „Tagesschau“ habe eine Niederlage der ARD in einen Sieg uminterpretiert. Aber auch das der besonderen Sympathie für öffentlich-rechtliche Sender unverdächtige „Handelsblatt“ wählte am nächsten Tag die Überschrift:

ARD gewinnt in Brüssel.
EU-Kommission lässt Investition der öffentlich-rechtlichen Sender in neue Geschäftsfelder zu.

Selbst der VPRT sah das offenbar so. Das „Handelsblatt“ zitierte dessen Präsidenten Jürgen Doetz mit den Worten:

„ARD und ZDF kommen mit einem blauen Auge davon. Sie können nun einen Sieg feiern.“

Meyer-Lucht kritisiert weiter, dass die Gegenseite in dem „Tagesschau“-Beitrag nicht zu Wort kam. Sicher wäre es besser gewesen, wenn sich die ARD diese Blöße nicht gegeben und einen VPRT-Vertreter zitiert hätte. Aber aus ARD-Sicht ist auch die EU-Kommission die Gegenseite — und die kam durchaus zu Wort.

Dass die Berichterstattung der ARD in eigener Sache häufig zu wünschen übrig lässt und der Beitrag auch in diesem Fall weniger angreifbar hätte formuliert sein können, ist keine Frage. Aber das Video von Robin Meyer-Lucht baut einen Popanz auf und verzerrt den Fall bis ins Lächerliche. Vor allem dient es wohl, massenhaft an Blogger verschickt, der Eigen-PR für Meyer-Luchts Firma „Berlin Institute“.

Und das funktioniert: Von erklärten Gegnern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie dem „Handelsblatt“-Blogger Thomas Knüwer, der seine Ahnungslosigkeit bei diesem Thema durch Zorn zu kompensieren versucht, wird das Video bereits ungeprüft für wahr erklärt.

Muss ja stimmen. Weiß man doch, wie die sind bei ARD und ZDF.

Geht sterben (2)

Um 10.25 Uhr hat gestern ein Leser die Redaktion des Online-Angebotes der „Rheinischen Post“ darauf hingewiesen, dass es sich bei ihrer von AFP übernommenen und (wie bei „RP Online“ üblich) zum Eigenbericht umdeklarierten Meldung über das geplante EU-Verbot von Synchronisationen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen um eine Falschmeldung handelte:

Er fügte als Beweis einen Link zur Homepage des Europaparlamentes bei und fasste seinen Kommentar sicherheitshalber mit den Worten zusammen:

Nochmal: Niemand im EP hat vor, Synchronisierungen zu verbieten.

Vier Minuten später kommentierte ein anderer Leser an der gleichen Stelle:

Vielleicht hat die RP hier etwas missverstanden?

(…) Wer sich die Pressemitteilung des Parlaments einmal anschaut, wird schnell feststellen, um was es dabei wirklich geht: darum, TV-Informationen generell mit Untertiteln für Hörgeschädigte zu versehen. (In ARD und ZDF ist das bei vielen Sendungen auch jetzt schon üblich.) Dass man dies so interpretiert, als wolle das Europäische Parlament die Synchronisierung von Filmen verbieten, ist … tja, was? Dummheit? Böse Absicht?

Am Fuß der Presseinfo http://www.europarl.europa.eu/news/expert/… ist ein Link zum Text der Erklärung. Einfach mal nachlesen. :)

Und was machten also die Leute von „RP Online“ mit diesen sachdienlichen Hinweisen? Was sie ungefähr immer machen: Sie ignorierten sie.

Und als dann am Nachmittag um 16:40 Uhr die Agentur AFP ihre Falschmeldung endlich zurückzog, was machten die Leute von „RP Online“ dann? Was sie ungefähr immer machen: Sie löschten kommentarlos die ganze Seite, mitsamt den Hinweisen. Stattdessen steht da nur noch eine Fehlermeldung:

Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Umgang mit Kritik bei den beiden hilfreichen Kommentatoren und denen, die ihre Kommentare gelesen haben, das Ansehen der „Rheinischen Post“ gemehrt hat. Aber das ist sicher ohnehin nur eine verschwindend kleine Minderheit. Sicher kann die „Rheinische Post“ auf diese paar Leute als Leser gut verzichten. Sie macht dann halt ein Medienangebot für all die Ahnungslosen, Unkritischen, Desinteressierten. (Und für diejenigen, natürlich, denen es vor allem wichtig ist, dass ein „Artikel“ über ein angebliches Sex-Video mit Shakira nicht weniger als vier Fotogalerien enthält. Ich schweife ab.)

Es sind nicht alle so. Der „Spiegel“ hat seinen Gaga-Artikel über die angeblichen EU-Pläne immerhin korrigiert und mit einem ausführlichen Hinweis auf die Korrektur versehen. Das Medienmagazin „DWDL“ hat seine Meldung (ohne Erklärung) überarbeitet und sich im Redaktionsblog entschuldigt.

Hier enden die positiven Beispiele.

Die „Bild“-Zeitung hat den Fehler, den sie gestern auf ihrer ersten Seite verbreitete, der Einfachheit halber gar nicht korrigiert.

Das erscheint mir allerdings fast weniger unanständig als das, was „WAZ“-Autor Heiko Kruska heute zu schreiben gefiel:

Die Diskussion um EU-Pläne, deutsche Synchronisation abzuschaffen, löste sich am Donnerstag in Luft auf. Eine Nachrichtenpanne in Brüssel hatte Öffentlich-Rechtlichen und der Synchronbranche die Sprache verschlagen.

Das Europaparlament will TV-Filme in öffentlich-rechtlichen Sendern nur noch als Original ohne deutsche Synchronübersetzung laufen lassen, hieß es am Mittwochnachmittag aus Brüssel. Eine glatte Fehlmeldung, wie sich gestern herausstellte. Eine Nachrichtenagentur hatte sich verzettelt – was indes einige Politiker nicht davon abhielt, ernsthaft zur fiktiven Materie Stellung zu beziehen. (…)

Die „Nachrichtenpanne“ einfach mal klar in Brüssel zu verorten, weit weg vom „WAZ“-Sitz in Essen — soviel Schönung ist vielleicht normal. Aber wie sehr muss man seinen Lesern (und sich selbst) etwas vormachen wollen, wenn man sich über „einige Politiker“ mokiert, die „ernsthaft zur fiktiven Materie Stellung“ bezogen, und nicht erwähnt, dass das Verzetteln einer Nachrichtenagentur „indes“ ihn selbst nicht davon abhielt, einen schwachsinnigen Kommentar zum Thema zu verfassen und per Pressemitteilung in die Welt zu pusten — wo er hoffentlich auf alle Zeit als Mahnmal für die Dämlichkeit und Verlogenheit von Herrn Kruska ergoogelt werden kann.

Natürlich ist der Fehler auch im sogenannten Korrekturblog des „WAZ“-Onlineportals „Der Westen“ nicht korrigiert. Um das zu wissen, hätte ich dort aber auch nicht nachgucken müssen. Nachdem dort in den letzten fünf Monaten kein einziger Fehler korrigiert wurde: Könnte man diesem Blog vielleicht endlich den Gnadenschuss verpassen?

Rührend auch die Kollegen von „Welt Online“. Die haben sogar gestern nachmittag noch einen eigenen Beitrag zur Ente veröffentlicht:

Als irgendjemandem schließlich auffiel, dass ARD und ZDF zu Recht ein Missverständnis vermuteten, wurde der Artikel einfach wieder entfernt. Ohne Kommentar, ohne Erklärung, ohne Ersatz. Mit anderen Worten: Der Journalisten von „Welt Online“ sehen sich nicht in der Lage, dieses Missverständnis aufzuklären. Sie können den Fehler nur entweder verbreiten oder ihn nicht verbreiten.

Was für eine Bankrotterklärung.