Schlagwort: Amoklauf

Charlie Brooker über Winnenden-TV

Gerade erst gesehen, dass sich auch der britische Fernsehkritiker Charlie Brooker in seiner BBC-Show „Newswipe“ der Berichterstattung über den Amoklauf von Winnenden vorgenommen hat.

Er zeigt unter anderem ein Interview mit dem Psychologen und Kriminologen Park Dietz, in dem der erzählt:

Seit 20 Jahren habe ich zu CNN und den anderen Medien immer wieder gesagt: Wenn ihr nicht dazu beitragen wollt, dass es weiterer Massenmorde gibt, fangt Eure Geschichten nicht mit dem Geheul der Sirenen an, zeigt keine Fotos des Mörders, macht daraus keine 24-Stunden-Live-Berichterstattung, vermeidet es soweit wie möglich, mit der Zahl der Toten aufzumachen, stellt den Mörder nicht als eine Art Anti-Helden dar, macht stattdessen aus der Berichterstattung eine lokale Geschichte für die betroffenen Gemeinden und macht den Fall so langweilig wie möglich für alle anderen Märkte. Denn jedesmal, wenn wir ausufernde, intensive Berichterstattung über einen Massenmord haben, erwarten wir ein oder zwei Nachahmungstäter innerhalb einer Woche.

So, wie Brooker die Sätze geschnitten hat, werden sie allerdings ungleich eindrucksvoller:

Ist es nicht erstaunlich, wie ein ganzer Berufsstand es kollektiv und grenzüberschreitend abzulehnen scheint, Verantwortung für die Folgen seiner Arbeit zu übernehmen?

[via Mind Hacks]

RTL lässt Winnenden-Video löschen

RTL möchte lieber nicht, dass die Menschen sich ein Bild von der journalistischen Kompetenz des Senders machen können, und hat einen Ausschnitt aus „Punkt 12“ bei YouTube entfernen lassen. Er zeigte einen Teil der Live-Berichterstattung vom Amoklauf in Winnenden: Eine hoffnungslos überforderte Reporterin vor Ort plapperte aufgeregt von den vielen „blinkenden Lichtern“ und dem „Chaos vom Feinsten“.

YouTube teilte mir am Dienstagabend mit, man habe den Zugriff auf das Video deaktiviert, „da uns von RTL interactive GmbH gemeldet wurde, dass dieses Material eine Urheberrechtsverletzung darstellt“. Das war insofern überraschend, als RTL zuvor auch auf wiederholte Nachfrage beteuert hatte, man habe nichts damit zu tun, dass bereits eine frühere Fassung dieses Videos bei YouTube entfernt wurde. Das entsprach nicht der Wahrheit.

RTL-Sprecher Matthias Bolhöfer erklärte mir nun auf die neue Sperrung bezogen:

Es ist richtig, dass wir den Beitrag auf You Tube haben löschen lassen, um so die Urheber- und Nutzungsrechte zu schützen. Das ist ein ganz normales Prozedere — in diesem Fall auch vor dem Hintergrund, dass sich die „Panorama“-Redaktion in der vergangenen Woche offensichtlich via You Tube den Beitrag besorgt hat, um die Reporterin noch einmal öffentlich vorzuführen.

Natürlich geht es RTL nicht um die Urheber- und Nutzungsrechte (auf die der Sender ohnehin scheipfeift, wenn es darum geht, private Fotos zum Beispiel von Verbrechens-Opfern zu zeigen). YouTube ist voller Ausschnitte aus RTL-Sendungen, auch von „Punkt 12“, auch vom Tag des Amoklaufs, die der Sender nicht entfernen lässt. Und noch eine Woche zuvor hatte Bolhöfer mir gegenüber auch genau das bestätigt: RTL lasse nur Videos von einer Handvoll Shows wie „Deutschland sucht den Superstar“ systematisch löschen.

Der Verweis auf den „Panorama“-Beitrag sagt alles: Der Ausschnitt, den das ARD-Magazin von dem RTL-Debakel zeigte, ist exakt 14 Sekunden lang. RTL glaubt, „Urheber- und Nutzungsrechte“ geltend machen zu können, um zu verhindern, dass eine selbstverständlich durch das Zitatrecht gedeckte 14-Sekunden-Szene bei der Konkurrenz erscheint.

Treffend ist hingegen die Formulierung, dass „Panorama“ die RTL-Reporterin „noch einmal“ öffentlich vorführte. Denn die ersten, die dies taten, waren die Möchtegernjournalisten des RTL-Magazins „Punkt 12“, die die Entscheidung trafen, dass so ein Amoklauf ein guter Anlass wäre, eine Frau ohne jede Erfahrung live ins Programm zu nehmen — und minutenlang auf dem Sender zu lassen und auch später, als der letzte im Sender gemerkt haben müsste, wie überfordert diese „Reporterin“ war, noch mehrmals zu ihr zu schalten.

Keine Frage, dass es nicht schön ist für die junge Frau, dass so öffentlich offenbar wurde, wie falsch ihre Berufswahl war. Aber bloßgestellt wird durch den Ausschnitt vor allem der Sender — und seine behauptete Informationskompetenz.

Und ich finde, damit muss er leben:

Sevenload: „Punkt 12 in Winnenden“

Nachtrag, 7. April. Dafür, dass RTL zunächst bestritten hat, solche Videos überhaupt zu löschen, sind sie inzwischen erstaunlich fleißig: Auch Sevenload hat den Film nun nach einem Einspruch des Senders gesperrt. Ich denk mir was aus.

Nachtrag, 21. April.

„Fragen stellen ist nun mal unser Beruf“

Wenn in Zukunft jemand fragt, was das eigentlich ist, was wir in Deutschland anstelle eines Nachrichtensenders haben, wird man ihm nur diesen Ausschnitt zeigen müssen.

Es ist fast, als hätte ein Satiriker ein Drehbuch geschrieben, um in knappster Form all die Katastrophen dieser Art von „Berichterstattung“ bloßzustellen — bis hin zu der Ironie, dass n-tv, während der Mann am Telefon davor warnt, sofort unkommentierte Bilder vom Tatort zu zeigen, in der Dauerschleife unkommentiert Bilder vom Tatort zeigt.

[via Alexander Svensson, dem auch ein Detail im Laufband aufgefallen ist]

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Der ähnlich eindrucksvolle Live-Bericht einer RTL-Reporterin aus Winnenden bei „Punkt 12“ („Es ist Wahnsinn, hier blinken die Lichter. Man hat nicht erwarten können, dass ein solches Großereignis hier heute eintritt. Es ist hier ein Chaos vom Feinsten!“) ist bei YouTube übrigens nicht mehr zu sehen. Stattdessen heißt es:

Das Merkwürdige daran ist, dass RTL beteuert, keine Löschung veranlasst haben. Bei YouTube heißt es dagegen, der Hinweis, der anstelle des Videos angezeigt wird, sei korrekt. Genauere Auskünfte gibt die Firma Google, zu der YouTube gehört, traditionell nicht. Auch auf nochmalige Frage kann man sich bei RTL den Vorgang nicht erklären.

Vielleicht könnte jemand, der den Ausschnitt zufällig hat, ihn nochmal hochladen? (Oder einfach mir schicken.)

Nachtrag, 17.50 Uhr. Georg hat mir freundlicherweise den Auftritt geschickt, so dass man ihn sich jetzt wieder ansehen kann:

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Unbedingt in Erinnerung blieben sollte von der medialen Aufbereitung dieses Ereignisses auch die „ZDF-Reportage“ zum Thema, die nicht unter den hektischen Bedigungen einer Livesendung entstand, sondern am darauffolgenden Sonntag ausgestrahlt wurde.

Sprecher: Tim K., der Amokläufer. Wenig erfährt man über ihn und seine Familie in den Tagen nach der Tat. Die meisten Menschen in Winnenden sind Reportern gegenüber sehr zurückhaltend. Das Elternhaus von Tim K. am Abend nach dem Amoklauf. (…) Die Familie wird als wohlhabend und eher zurückhaltend beschrieben. Bei Nachbarn wollen wir nachfragen.

Reporter: Bei dieser Wohnung, wo da noch Licht brennt, ist das Ihre Wohnung? Dann würde ich da natürlich nicht nochmal klingeln wollen.

Nachbarin: Nein, Sie dürfen im ganzen Haus nicht klingeln. Ich verbiete Ihnen des.

Sprecher: Distanz überall.

Reporter: (an einer Tür) … okay, gut, dann entschuldigen Sie die Störung, ich Danke Ihnen.

Sprecher: Reporterschicksal. Winnenden will Ruhe. Aber Fragen stellen ist nun mal unser Beruf.

Reporter: (an einer anderen Tür) … natürlich. Danke schön.

Sprecher: Deutschland will daheim am Fernseher Neuigkeiten sehen, aber in Winnenden möchte keiner von Reportern an der Haustür belästigt werden. Auch wir spüren den Unmut der Nachbarn.

Reporter: (an einer weiteren Tür) …gut, dann haben wir nicht länger gestört, danke schön.

Sprecher: Rechtschaffene Leute seien Tims Eltern, hören wir, als die Kamera nicht läuft. Ein paar Kilometer vom Wohnort hat der Vater einen Zulieferbetrieb für Verpackungen. Damit schirmen die Mitarbeiter jetzt die Fenster ab. Niemand möchte sich zeigen oder gar mit ihnen sprechen.

Reporter: (zu einem Mann, der gerade mit dem Auto vor dem Haus geparkt hat) Schönen guten Tag, dürfen wir Sie ganz kurz stören? Sie sind sicherlich ein Kunde des Hauses.

Passant: Ich geb dazu keine Antwort.

Reporter: Wie geht’s Ihnen heute mit der Situation?

Die Sendung kann man sich in der ZDF-Mediathek ansehen — dieser Ausschnitt ab ca. 13.15 Minuten.

Der Kulturkampf gegen das Web 2.0

Nach dem Amoklauf in Erfurt mussten sich die Medien noch fragen lassen, was denn ihre Verantwortung für solche Ereignisse sein könnte. Die Fernsehsender sollten sich sogar auf Wunsch von Bundeskanzler Gerhard Schröder um einen Runden Tisch zum Thema Gewalt in den Medien setzen.

Diese Zeiten sind vorbei. Denn es gibt ja jetzt das Internet, in dem jedermann selbst publizieren kann. Seit die professionellen Medien das Monopol auf die Veröffentlichung zweifelhafter, persönlichkeitsrechtsverletzender oder gefährlicher Inhalte verloren haben, können sie sich hemmungslos über die Veröffentlichung derselben zweifelhaften, persönlichkeitsverletzenden oder gefährlichen Inhalte durch andere empören. Wenn Laien das tun, ist das offenbar viel schlimmer.

Die Medien schaffen es, das sogenannte Mitmachnetz dafür verantwortlich zu machen, dass auf YouTube ein Video von den letzten Minuten des Amokläufers zu sehen ist, und dabei auszublenden, dass dieses Video von RTL exklusiv gekauft und verbreitet wurde. Sie schaffen es, sich darüber aufzuregen, dass auf Twitter das Haus der Familie des Amokläufers gezeigt wird, und dabei auszublenden, dass ihr eigenes Medium dieses Haus groß als Aufmacherbild zeigt.

Ich hatte das zunächst für die Deformation einzelner Kollegen gehalten. Inzwischen bin ich überzeugt: Das hat System. Journalisten nutzen das Internet, um die berechtigte Kritik an ihrem eigenen Vorgehen systematisch auf die Amateur-Publizisten zu projizieren. Womöglich hat das nicht nur eine strategische, sondern auch eine psychologische Komponente und hilft irgendwie, den unterschwelligen Selbsthass zu kompensieren.

Den vorläufigen Tiefpunkt bildet ein Artikel, den „Welt am Sonntag“-Chefredakteur Thomas Schmid am vergangenen Wochenende als Kulturaufmacher über den Amoklauf veröffentlicht hat. Er benutzt das Thema nicht nur, um, wie immer, gegen „linke [beliebiges Substantiv]“ zu wettern. Er benutzt es auch, um dem Web 2.0 eine Mitschuld zu geben.

Der Vorspann seines Artikels geht so:

Die Unsterblichkeit des Amok-Täters: Tim K. wusste wohl, dass er schon Stunden nach seiner Tat auf immer in die Hall of Fame des Verbrechens eingehen würde. Mit seiner Tat hat er die große Erzählung vom Amok weitergesponnen. Dass er das konnte, ist auch eine Folge von medialer Demokratisierung.

Schmid beschreibt geradezu verführerisch, wie attraktiv so ein Amoklauf in Zeiten der Massenmedien ist:

Mit ein paar Schüssen wird einer, der bisher ein gänzlich Unbekannter oder gar ein Gehänselter und Verlachter war, zu einem, der schon zwei Stunden nach den ersten Schüssen auf allen Fernseh- und Internetkanälen des Globus präsent ist. (…) Er betritt eine Hall of Fame, der er auf immer angehören wird, aus der niemand ihn vertreiben kann.

Nun könnte man schon fragen, ob das angemessene Formulierungen angesichts der sehr realen Gefahr von Nachahmungtstätern ist. Und vor allem müsste man fragen, was die Medien dagegen tun könnten, auf diese Weise zu posthumen Werkzeugen der Mörder zu werden. Das müssten die Medien nicht zuletzt sich selbst fragen (der „Spiegel“ zum Beispiel, der dem Mörder gerade ein hübsches Titelbild-Denkmal gesetzt hat) — das müssen sie aber nicht mehr, denn es gibt ja den publizierenden Pöbel im Internet. Und genau dorthin biegt Thomas Schmid zum Finale seines Artikels ebenso konsequent wie unvermittelt ab:

Letztlich aber sind es nicht einmal, wie die linke Kulturkritik meint, „die“ Medien, die dem Täter zum Ruhm verhelfen. Es sind Krethi und Plethi, die das (oft mit medialer Hilfestellung) besorgen. Und das ist, wenn man will, ein Demokratisierungserfolg. Konnten früher medial nur die Privilegierten, also die journalistischen Fachleute, mithalten, hat das weltweite Netz, das alle mit allen verbinden kann, im Prinzip jeden Einzelnen zum Wirklichkeitsdeuter und -bildner gemacht. Dass Tim K. heute eine populäre, in der ganzen Welt bekannte Gestalt ist, ist auch eine Folge von user generated content.

In vielen digitalen Galerien wird die Tat von Tim K. aufbewahrt, wird die Erinnerung an ihn gepflegt werden. Seine Motive mögen die gleichen sein wie die eines Attentäters von 1907. Neu ist, dass man heute mit Taten wie diesen binnen Stunden den Laufsteg der Unsterblichkeit betreten (und sich von der Mühsal des Alltags verabschieden) kann. Vielleicht besitzt dieses Angebot, an dem Millionen von usern mitweben, eine metaphysische Anziehungskraft. Ist es vorstellbar, dieses wahrhaft massenmediale Angebot wieder zurückzuziehen?

Was für ein hanebüchener Unsinn: Nicht die Massenmedien verhelfen dem Täter zum verführerischen Ruhm, wenn sie in Millionenauflage über ihn berichten und einen nicht enden wollenden Strom von Bildern, Illustrationen, Videos, Fakten und Scheinfakten produzieren, sondern Krethi und Plethi (wie der „Pöbel“ offenbar mit Vornamen heißt), die dieses ganze Material dann verlinken, in ihr StudiVZ-Profil stellen und auf YouTube mit kitschiger Musik unterlegen?

So unverschämt ist das Heilsversprechen beim Kampf gegen die digitale Revolution selten formuliert worden: Wenn wir nur die Zahnpasta zurück in die Tube brächten und das Publizieren wieder den Profis überließen, könnte die Welt eine bessere sein. (Und den Journalisten ginge es auch besser.)

Um dieses Ablenkungsmanöver in all seiner dreisten Verlogenheit würdigen zu können, muss man allerdings sehen, wie der Artikel des „Welt am Sonntag“-Chefredakteurs in der Zeitung aufgemacht war.

So:


(Verpixelung von mir.)

Testfrage: Wen zeigt das große Foto neben den Worten „Die Unsterblichkeit des Amok-Täters“, das keinen weiteren Bildtext hat?

Nein, es zeigt nicht den „Amok-Täter“ Tim K. Der Junge auf dem großen Foto, den der unbefangene „Welt am Sonntag“-Leser für den Amokläufer halten muss, ist ein namenloser trauernder Junge bei einem Gottesdienst für die Opfer in Winnenden.

Diese Medien haben allen Grund, von ihrer eigenen Verantwortung abzulenken.

[via „Medium Magazin“]

„Es gibt nichts, was ihr hättet tun können“

(…) 16 seiner 16 männlichen Klassenkameraden, schätzte am Donnerstag der Gymnasiast Johannes Struzek bei „Hart aber fair“, spielen „Counterstrike“.

(…) Die Obsession aber, mit der immer wieder Computerspiele als Ursache in die Debatte gebracht werden (und neuerdings verstärkt das Internet), ist nicht nur die Folge von Unkenntnis und Kulturpessimismus, sondern letztlich auch nur das Erbe des abendländischen Ursachenfetischismus, der glaubt, man müsse nur lange genug graben, bohren, fragen oder hinhören, um am Ende einen Grund, ein Motiv, einen Ursprung zu finden.

Zu welch grotesken Folgen dieser Aufklärungsfanatismus führt, erkennt man nirgends besser als an der Panne der Ermittler, die nicht warten konnten, der Öffentlichkeit Beweise mit der Chiffre „Internet“ vorzulegen. Dass sich der Hinweis, der Mörder habe seine Tat in einem Internetforum angekündigt, mittlerweile als Falschmeldung herausgestellt hat, ist gar nicht der Skandal: Viel schlimmer ist dabei der verzweifelte Wunsch, dieser Ankündigung überhaupt irgendeine Aussagekraft abzugewinnen. „Das Motiv hängt mit dem Internet zusammen“, orakelte ein Polizeisprecher vor der Präsentation der falschen Beweise, als wäre der Mörder von seiner eigenen Absichtserklärung angestiftet worden, und zwar vor allem deshalb, weil er sich dazu einen virtuellen Darkroom ausgesucht hatte. Man muss sich die dürftige Logik dieser Beweisführung vor Augen halten, weil sie zum Prinzip eines Medienwirkungsgequatsches geworden ist, dessen Popularität erstaunlicherweise kaum unter der Alltäglichkeit der Technik leidet, die sie so hartnäckig verteufelt. Längst müsste man sich allenfalls Sorgen um einen Siebzehnjährigen machen, der keine Spuren „im Internet“ hinterlässt. Und trotzdem schämen sich weder Polizisten noch Journalisten, den trauernden Angehörigen den nichtssagenden Befund der Zeitgenossenschaft des Mörders als Antwort auf all ihre Fragen zu präsentieren. „Das Internet ist schuld“: Von allen Antworten, mit denen die hilflosen Deuter der Tat einen Sinn verleihen wollen, ist dies die erbärmlichste.

Schreibt Harald Staun in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Der Ausgangspunkt seines unbedingt lesenswerten Artikels ist das gerade bei Eichborn erschienene Buch „Ich bin voller Hass — und das liebe ich“, in dem Joachim Gaertner Dokumente, Tagebuch- und Interneteinträge der beiden Schüler zusammengestellt hat, die vor zehn Jahren das Massaker an der Columbine High School verübten. Die Überschrift stammt aus einem der Videos, die die beiden von sich gedreht haben.

„Leider nicht wirklich eine Satire“

Hanno Zulla hat die Amok-Berichterstattung von ARD und ZDF gesehen und hinterher seinen Frust zu einem Blog-Eintrag gerinnen lassen:

Guten Abend, meine Damen und Herren, Sie sehen die Abendnachrichten.

Es hat einen Amoklauf an einer Schule gegeben. Schrecklich, schrecklich. Wir zeigen Ihnen nun grausame Bilder.

Im Anschluss daran eine Live-Schaltung zu unserem Reporter vor Ort. Wie grausam war es denn, Herr Kollege? „Oh, es war schrecklich. Hier ein paar weinende Mitschüler, die ich vor die Kamera gezerrt habe. Und hier spreche ich mit geschockten Eltern. Und jetzt ein Straßeninterview mit verschiedenen Anwohnern, die nichts zum Fall sagen können, aber alle sehr betroffen sind.“

(…)