9Live hat Zuschauerschutz schon aktiviert

Aus Gründen der „Fairness“ und zum „Schutze“ des Verbrauchers hat die ProSiebenSat.1 Media AG bekanntlich vorgeschlagen, dass in den Call-in-Shows zukünftig nur noch nach Begriffen gesucht werden darf, die mindestens 100 Treffer bei Google haben.

Heute hat der ProSiebenSat.1-Sender 9Live einmal anschaulich gemacht, wie wirkungslos eine solche Vorschrift wäre.

Bei den üblichen Wortfindungsspielen gab 9Live diesmal vorher an, wie oft der gesuchte Begriff bei Google vorkommt. Gefragt ist zum Beispiel ein Wort mit der Endung „-haus“, das „mehr als 500.000 Einträge bei Google“ hat. Entsprechend leicht ist die Lösung: Schulhaus.

Das nächste Rätsel scheint noch leichter zu sein. Gesucht ist ein Wort, das auf „-tag“ endet und sogar auf „mehr als 1.000.000 Einträge“ kommt.

Anrufer versuchen es mit Namenstag, Todestag, Schultag, Vatertag… alles falsch. Auf die richtige Lösung kommt keiner, obwohl der Moderator kurz vor Schluss noch sagt: „Diesen Tag kennen alle, jung und alt“ und auf die Tafel neben den verdeckten Begriff „*EINFACH*“ geschrieben hat. Erst nach Stunden, einer Unterbrechung und einem Moderatorenwechsel wird das Spiel aufgelöst. Der gesuchte Tag ist:

WEBTAG.

Ja.

Was für eine abwegige Idee, mit diesen Leuten über Transparenz, Fairness und Verbraucherschutz diskutieren zu wollen.

Quelle: call-in-tv.de, mit Dank an Marc für die Screenshots!

Nachtrag. Und hier der Verlauf zum Selberschauen und Staunen, auch für die Landesmedienanstalten, falls noch welche wach sein sollten:

Heiteres Promiraten mit vanityfair.de

Schön an Blogs ist auch, dass jeder Depp mit der entsprechenden Software oder auf entsprechenden Plattformen einfach losbloggen kann. Man braucht keine technischen Vorkenntnisse, keine Internetagentur, keine Berater. Man braucht, zum Beispiel, nicht einmal zu wissen, was ein RSS-Feed ist — die Blog-Software macht das automatisch, und Menschen, die wissen, was ein RSS-Feed ist, können ihn nutzen.

Man kann, andererseits, wenn man zum Beispiel eine scheinambitionierte, möchtegernelitäre Zeitschrift ist, aber natürlich trotzdem (mutmaßlich) viel Geld für eine Internetagentur und Berater ausgeben und wochenlang frickeln, um am Ende ein Internetangebot zu haben, das sich von all diesen Amateur-Internetseiten absetzt. vanityfair.de setzt sich zum Beispiel insofern ab, als die Seite mit in Flash programmierten überflüssigen Gimmicks so überladen ist, dass sie den ganzen Computer lahmlegen kann. Und ihr RSS-Feed unbrauchbar ist. Die zentrale Information, von wem ein Artikel handelt, steht bei vanityfair.de nämlich nicht in der Überschrift, sondern in der Dachzeile. Und die steht nicht im RSS-Feed. Das Ergebnis sind hundertfache Lückentexte wie aktuell diese:

(Man kann den Fehler natürlich umgekehrt als Bonus-Feature interpretieren. Häufig sind die Artikel selbst nicht halb so spannend wie das Ratespiel: Um welchen Promi mag es sich hier wohl handeln? Auflösung unten!)

Und nun kann man natürlich mit einigem Recht sagen, dass wenig auf der Welt egaler ist als der RSS-Feed von vanityfair.de. Hinter dieser Kleinigkeit steckt aber eine allgemeines Phänomen: Mit einfachsten Bordmitteln kann jeder, der etwas publizieren will, das plötzlich in einer ansprechenden und funktionstüchtigen Form tun, die sich vor den teuer aufgeblasenen Auftritten etablierter Medien nicht verstecken muss — im Gegenteil.

(von oben nach unten: Alec Baldwin, Bettina Zimmermann, Kate Hudson, Ibrahim Tatlises und William H. Macy.)

Wer Internet-Fundstücke groß rausbringt

Es war, sagt stern.de-Chefredakteur Frank Thomsen, „für stern.de der größte Scoop der letzten Zeit“: das „Motherfucker“-Bundeswehr-Video. Dabei war die Recherche eher unspektakulär. Der Film war seit Monaten auf myvideo zu sehen, und dann gab irgendwer stern.de einen Tipp.

Auch Thomsen scheint an dem Scoop eine andere Leistung von stern.de interessanter zu finden, als die Recherche — die Verbreitung. Gegenüber medienhandbuch.de sagt er:

Etwas online stellen, heißt noch lange nicht, dass es gefunden wird. Dieses Video stand seit Januar bei myvideo. Jeder hat es sehen können. Dadurch, dass man alles sehen kann, sieht man nichts. Das Internet ist wie ein riesiger Brei, in dem man nichts mehr findet. Journalistische Marken wie der Stern dagegen werden viel stärker wahrgenommen.

Das ist sicher nicht ganz falsch. Und über stern.de ist das Thema ja zweifellos zu einer großen Mediengeschichte geworden. Aber für das Aufspüren und Bekanntmachen von interessanten Klümpchen im Internet-Brei gibt es längst Marken, die mindestens so gut funktionieren.

Thomsen sagt stolz, die stern.de-Artikel zum Thema hätten „bisher ca. 200.000 Zugriffe“ gehabt. Zum Vergleich: Als die schlichte, politisch etwas weniger brisante Galerie von bizarren Kloschüsseln aus dem Job- und Karriereblog von Marcus Tandler auf der Startseite von digg.com auftauchte, zählte er nach eigenen Angaben über 120.000 Besucher in 14 Stunden. Auch heute, fünf Wochen später, ist sein Blog noch weit vorne in den einschlägigen Charts.

Ich will stern.de den Erfolg gar nicht madig machen, aber ich glaube, die großen Medienmarken sollten sich nicht darauf verlassen, dass wir sie auch in Zukunft als Wegweiser, Trüffelschwein, Suchscheinwerfer, Verstärker oder Lupe brauchen. Wir brauchen sie, um die Sachen herauszufinden, zu bewerten und ins öffentliche Bewusstsein zu bringen, die nicht einfach im Internet herumliegen und nur auf ihre Entdeckung warten.

Knut, ungeschminkt

Seit heute sitze ich mit jemandem im Büro, der Knut live gesehen hat.

Er hat auch Fotos gemacht.

Aber egal, wie nah man ranzoomt.

Ich werde den Verdacht nicht los, dass die weiße, fluffige, süße Version, die wir aus den Medien kennen, ein Ergebnis heftigen Photoshoppens ist.

Kurz verlinkt (5)

Nebenan beim Fernsehlexikon feiert mein Co-Autor Michael Reufsteck den 65. Geburtstag von Frank Elstner unter anderem mit dem Satz:

Frank Elstner hat eine Show erfunden, die so originell, so stimmig, so zeitlos und so allüberstrahlend ist, dass Thomas Gottschalk noch heute als guter Moderator gilt.

Und mit einem Original-Dialog:

In Flieg mit Air-T-L fragte Frank Elstner den Kandidaten Roland: „Lars, was hast du für Hobbys?“ Roland verbesserte ihn: „Roland.“ Elstner: „Aha, und du, Anette?“

Das obere Bloggerhundert

[Disclaimer: Ich schreibe regelmäßig für die Sonntagszeitung der FAZ.]

Die „Frankfurter Allgemeine“ kommt spät mit ihrem Artikel zur re:publica, aber dafür ist ihr Bericht (aus der Print-Ausgabe vom Mittwoch) im Gegensatz zu anderen lesens- und diskutierenswert. Dabei ist das Fazit von Martin Schöb durchaus vernichtend — sowohl was die Veranstaltung angeht, als auch Blogs insgesamt:

Was die deutschsprachige Blogosphäre nicht nur für Werbetreibende uninteressant macht, ist ihr beklagenswerter und in erster Linie selbstverschuldeter Zustand: Neben der Menge weitgehend unbekannter, nicht selten lesenswerter Blogs gibt es eine zweistellige Zahl prominenter A-Blogs. Diese drehen sich derart raumgreifend um sich selbst, dass für die anderen kein Vorbeikommen ist. (…)

Ohne Selbstbezüge und ohne die Bezugsgröße Print würden die meisten meinungsführenden Blogs — und zwar nur diese — in sich zusammenfallen wie ein Heißluftballon ohne Flamme. Bis es so weit ist, bleibt der Blog-Olymp für Neulinge nahezu unzugänglich; dort kennt man sich, man zitiert und kommentiert sich, spricht denselben Jargon, schreibt über sich und die Medien und bleibt so konsequent unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle all jener Leser, die ihr Leben nicht im Netz verbringen.

Hmmm. Wenn ich jetzt darüber blogge, was die FAZ über Blogs schreibt, dreht sich die Selbstbezüglichkeitsschraube noch eine Windung weiter. Andererseits: Ich habe auch in den etablierten Medien schon immer über Medien geschrieben, bei mir ist die Selbstbezüglichkeit quasi Dauerzustand. Ich würde auch nicht fordern, endlich mit dem Meta-Geblogge aufzuhören und finde auch nichts dabei, sich seinen Blog-Heißluftballon mit diesem Stoff und der Kritik an den etablierten Medien zu befeuern. Aber in den meinungsführenden deutschen Tageszeitungen kommen auf eine Medienseite mehrere Dutzend Seiten über Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport. In den „meinungsführenden deutschen Blogs“, wenn man davon sprechen will, ist das Verhältnis deutlich anders. Warum tun sich Themenblogs in Deutschland anscheinend so schwer? Oder ist das nur eine Phase gerade, eine Selbstfindungsphase des Mediums?

Ich würde Schöb in der Absolutheit vieler seiner Aussagen widersprechen. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass Blogs für Werbetreibende uninteressant sind. Und ich glaube, man muss den Zustand der Blogosphäre schon deshalb nicht so apokalyptisch beschreiben, weil das alles im Fluss ist, weil so viel gerade erst entsteht und weil sich alles mit rasanter Geschwindigkeit ändern kann.

Aber die Fragen, die Schöb aufwirft, sind berechtigt. Und tatsächlich glaube ich auch, dass die re:publica als Klassentreffen wunderbar funktioniert hat. Aber als Kongress litt sie darunter, dass Blicke von außen fehlten, „externe Expertise aus der Wissenschaft, den Medien, der Wirtschaft“, wie Schöb schreibt:

„Das obere Bloggerhundert will anscheinend alles selbst machen, alles wissen, alles können, aber mit niemandem außerhalb des Gemeinwesens etwas zu tun haben.“

Nachtrag. Selbstreferenz galore: Martin Schöb kommentiert die Blog-Reaktionen auf seinen Artikel über Blogs in seinem Blog.

Amoklauf in USA — Knut unverletzt

Fragt man Hans-Jürgen Jakobs, den Chef von sueddeutsche.de, was die wichtigsten drei Erfolgskriterien für Zeitungen im Netz sind, sagt er gerne: „Erstens Qualität, zweitens Qualität und drittens Qualität.“

Lustig.

Auf der Panorama-Seite von sueddeutsche.de ergibt sich aktuell (von oben nach unten, siehe Ausriss) folgende Nachrichtenlage:

Blutbad in Blacksburg
Liebesdrama löste Amoklauf aus

„Ich habe noch nie so viel Angst gehabt“

Mehr als 30 Tote bei Amoklauf an US-Hochschule
Bush kommt zur Trauerfeier

Video
Der Amokläufer von Virginia

Zahnschmerzen überstanden
Knut tobt wieder im Freien

Nach Amoklauf an US-Uni
Deutsche Austauschstudenten unversehrt

Nach Amoklauf in Blacksburg
Waffengesetze – Vorbild Australien?

Nun gibt es schon länger den Verdacht, dass die Ressortseiten von sueddeutsche.de nach einem komplizierten, von Menschen schwer zu durschauenden Qualitätssicherungsmechanismus gestaltet werden, aber, öhm, da würd ich doch noch mal händisch nacharbeiten. (Notfalls Knut-Content einzeln ganz nach oben setzen.)

Der Artikel, der mit der Überschrift „Video – Der Amokläufer von Virginia“ angekündigt wird, lautet übrigens so:

Auf YouTube gibt es zahlreiche Amateur-Videos von Studenten, die beim Massaker von Virginia dabei waren.

Das ist der vollständige Artikel. Und dann hat die sueddeutsche.de-Redaktion einfach mal drei YouTube-Videos eingebaut. Ohne Kommentar, ohne Einordnung, ohne weitere Anmoderation. Kann man natürlich machen, erschwert aber möglicherweise die Teilnahme an zukünftigen Podiumsdiskussionen zum Thema „Qualitätsjournalismus als Bollwerk gegen den kontextlosen YouTube-Schrott“ o.ä.

Wirklich erschütternd aber ist die große „Reportage“ zum Thema, die sueddeutsche.de allerdings von der Seite 3 der gedruckten Zeitung übernommen hat. Sie ist sicherlich unter größtem Zeitdruck entstanden, aber das allein erklärt nicht das Ausmaß, in dem es alle Seite-3-Traditionen und Qualitätsmaßstäbe der SZ verrät. Die Sprache: eine Mischung aus schlechtem Boulevard und billigem Krimiheft. Die Überschrift: „Auf dem Campus des Todes“.

Ich halte ja Kommentare bei solchen Nachrichtenseiten für überschätzt, aber in diesem Fall bin ich froh, dass es sie gibt. Eine Auswahl:

SZ-online ist im Niveau immer mehr gesunken, und wenn man die Hauptseite öffnet, meint man, man ist bei einer Boulevardzeitung gelandet.

Schon seit längerem stelle ich fest, wie sehr sich das Niveau der SZ-Online-Ausgabe einem Bildzeitungsniveau angleicht. … Doch die Art, wie jetzt über dieses entsetzliche Massaker berichtet wird, verschlägt mir den Atem.

Im besonderen der Artikel „Auf dem Campus des Todes“ mutet mehr wie ein Abenteuer-Kriminal-Roman oder ein Action-Movie-Drehbuch an.

Die Bild-Redaktion ist stolz auf sie.

Unsäglich! Man weiß schon gar nicht mehr, welchem Artikel man all diese SZ-Kritik anbringen soll. Jeder neue Ergänzung der Berichterstattung über die Tragödie scheint nur aufs Ausschütten von Sensationsgeilheitshormonen aus zu sein. Wurde die SZ im letzen Jahr verkauft?

Wenn ich Druck auf meiner Tränendrüse oder Stellvertreterdramen wünsche, dann schaue ich eines der zahlreichen Boulevardmagazine.

Das Niveau der SZ sinkt offentsichtlich in vielerlei Redaktionen schwer. Zynischer geht es ja wohl kaum. Wie ein Horrorfilmfreak.

bitte den artikel möglichst schnell von der seite entfernen – ist ja nicht auszuhalten.

Quo vadis Süddeutsche Zeitung?

Das ist ja echt enttäuschend, da wechsle ich auf die Webseite der Süddeutschen weil ich mir dort eine seriöse Berichterstattung erhoffe und finde ein Niveau vor das noch unter dem Nachrichtenticker meines ISP liegt. Unglaublich. Was soll denn das?

Bleibt (werdet wieder) serious Leute von der SZ!!!!!!!

Reißerisch wie die Zeitung mit den vier Buchstaben. Leider hate ich diesen Eindruck in letzter Zeit häufiger.

Ich habe mich über diesen Artikel so geärgert, dass ich meine Lesegewohnheiten überprüfen werde.

die berichterstattung ist aller unterstes Niveau.

Sind wir hier bei der Sueddeutschen Zeitung oder bei Explosiv?

Gute Fragen.

[via Indiskretion Ehrensache]

Gandhi gegen Goliath

Seht ihr euch eher in der Position wie David gegen Goliath oder in der des Sisyphos?

Schultheis: Ich mag halt dieses David-Goliath-Ding nicht so gerne. Wenn die Alternative Sisyphos ist, dann lieber Sisyphos.

Niggemeier: Bei mir wäre das aber doch David gegen Goliath. Ich weiß, man muss sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen, aber ich habe wirklich nicht dieses Gefühl der Vergeblichkeit und des Nicht-Erreichens, das in dieser Figur angelegt ist. (…) Mir gefällt das schon, David gegen Goliath, was hast du denn gegen das Bild?

Schultheis: Ist mir zu gewalttätig.

Niggemeier: Ein pazifistischer David.

Schultheis: Ja, genau.

Mehr so ein Gandhi…

Niggemeier: Au ja, Gandhi gegen Goliath, das klingt auch viel besser.

Planet-Interview hat ein laaaanges Gespräch mit Christoph und mir über BILDblog geführt.

Wer betextet Google-Suchergebnisse?

Wer bei Google nach „Knut“ sucht, erhält ungefähr auf der dritten Ergebnisseite diesen Treffer:

Das ist schön, und auch die Beschreibung ist ganz treffend. Nur: Woher kommt die? Aus dem entsprechenden BILDblog-Eintrag nicht. Und irgendwo eingegeben haben wir sie auch nicht.

Woher kommt diese Beschreibung? Gibt es eine Google-Redaktion, die sich Suchergebnisse anguckt und knapp zusammenfasst? Und bei welchen Suchergebnissen macht sie sich diese Mühe? Oder wie?