Die „Welt“ geht auf den Strich

Auf dem Nachrichtensender n-tv läuft zur Zeit dieser Werbespot der „Welt“, einer der „führenden Zeitungen Europas“:


„Wenn ein Auto, das edles Design …

… und technische Intelligenz miteinander vereint, jetzt zusätzlich mit dem neuen Modell Passat BlueMotion …

… einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leistet und ab 2,9 Prozent effektiven Jahrezins bequem zu finanzieren ist, …

… dann nennen wir das: WELT-KLASSE.“

Der richtige Text hätte natürlich gelautet:

Wenn eine Zeitung, die seit vielen Jahren publizistische Tristesse und wirtschaftliche Erfolglosigkeit miteinander vereint, seit einigen Monaten zusätzlich mit dem neuen „Crossmedia-Werbeformat“ für „Premiumprodukte“ „Welt-Klasse“ auch noch die letzten Reste von Haltung und Selbstachtung aufgibt und ihre journalistische Glaubwürdigkeit ab 500.000 Euro Brutto-Werbevolumen verkauft, dann nennen wir das: BANKROTT.

[via ms 6950]

jon stewart und bill moyers

in diesem interview von bill moyers mit jon stewart kann man wahrscheinlich mehr über politik, journalismus und humor (von mir aus auch patriotismus) lernen als in 20 jahren henri nannen schule (man beachte das „wahrscheinlich“).

jon stewart im interview mit bill moyers

jon stewart hat zwar wahrscheinlich einen furchtbar behaarten rücken (tut nix zur sache ich weiss), ist aber gleichzeitig einer der ganz wenigen menschen die es immer wieder schaffen politikern die maske vom gesicht zu reissen und ihnen ihre floskeln aus den händen zu reissen. das faszinierenste an ihm ist nicht nur seine unfassbare schlagfertigkeit und die fähigkeit komplexe zusammenhänge einfach zu erklären oder zu hinterfragen, sondern die völlige abwesenheit von selbstbeweihräucherung und profilierungssucht. ich habe nie das gefühl, dass er in seiner sendung (oder dem interview) politiker oder seine gäste blossstellen will, sondern nur ihre lügen, ihre rhetorik entlarven und zerstören will. seine fähigkeit nutzt er nicht um zuzustossen, sondern um zu entblättern, um zu erklären, zweifel zu sähen und um köstlich zu amüsieren. bill moyers erklärte das in bezug auf stewarts interview mit john mccain so:

So many people seem to want just what you did, somebody to cut through the talking points, and get our politicians to talk candidly and frankly.

stewart brachte etwas später die misere der politik auf den punkt (ich denke das gilt nicht nur für die USA):

Because I don’t think politics is any longer about a conversation with the country. It’s about figuring out how to get to do what you want. The best way to sell the product that you want to put out there, but not necessarily for the products on you know, it– it’s sort of like, when a dishwashing soap you know, they want to make a big splash, so they decide to have more lemon, as though people are gonna be like, „That has been the problem with my dishes! Not enough lemon scent!“

ich habe mich schon öfter gefragt, warum es in deutschland kaum einer schafft die dinge so auf den punkt zu bringen, dass die politiker ihre lügen, ihre hohle rhetorik, ihre sprechblasen um die ohren gehauen bekommen. ich vermute gar nicht, dass es am inzestuösen verhältnis von politik und journalismus liegt, daran, dass journalisten furcht haben die zugänge zu politikern, hintergrundgesprächen oder sonstwas zu verlieren, sondern es liegt vornehmlich an mangelndem talent. nicht nur, dass es journalisten an humor fehlt, schon bei der grundlegensten fähigkeit mangelt es ihnen: politik so zu erklären, dass man nicht gelangweilt oder überfordert abschaltet. ich kenne nicht viele journalisten, aber bei denen die ich kenne fällt mir nur einer ein, der den blick für das wesentliche hat und die fähigkeit besitzt schwierige und komplexe situationen so zu durchdringen und so zu erklären, das man am ende ein aha-erlebnis beim lesen hat. er heisst stefan niggemeier, ist heute aus dem urlaub zurückgekommen und leider nicht witzig und schlagfertig genug um zu einem deutschen jon stewart zu werden.

noch eine frage: warum schaffen es die mit gebührengeldern gemästeten öffentlkich rechtlichen anstalten eigentlich nicht wie die pbs ihre interviews zu transkribieren?

kochen

eigentlich koche ich sehr gerne. ich schreinere auch sehr gerne. aber für beides braucht man werkzeuge und geeignete räume. und zeit. für das schreinern fehlt mir vor allem werkzeug (eine kreissäge, eine abrichte, pressen, zwingen, schleifbänder) und ein geeigneter raum. für das kochen hätte ich einen geeigneten raum, nur fehlt mir das werkzeug (ein kühlschrank, pfannen, gewürze) zeit und lust. also kaufe ich fertig geschreinertes und fertig gekochtes.

neuerdings steht mir, wenn ich die beifahrerin in hamburg besuche, regelmässig eine küche mit ausstattungsgegenständen zur verfügung die ich zuhause nicht habe. zum beispiel ein kühl- und gefrierschrank, eine knoblauchpresse, eine reibe, ein zauberstab, ein mixer und nicht zu vergessen, ein geschirrspüler. also koche ich dort regelmässig. meistens, weil die beifahrerin total drauf steht, kalorienarmes zeug, was man meist fertig auch gar nicht kaufen kann. möhrenrohkost zum beispiel, 10 karotten („wurzeln“ nennen die beifahrerin und ihr kind das) fein gerieben, ein bis zwei äpfel fein gerieben, ein dicker schuss honig und der saft aus zwei bis drei zitronen. das ergebniss sieht eklig bis breiig aus, schmeckt aber köstlich.

letztes wochenende habe ich eine 300gramm-packung tiefgefrorener heidelbeeren (frisch aus der tiefkühltruhe!) mit einem halben liter kalorienarmen jogurt und einem esslöffel flüssigem süssstoff mit dem zaberstab fein püriert. das ergibt eine eisartige, zähflüssige, dunkelrote, köstliche masse. eine erfindung, auf die ich ziemlich stolz bin (geht auch mit tiefgefrorenen himbeeren). das einzige problem, beim letztenmal sagte das kind: „lecker: und wer hat es erfunden?“ ich so: „ich!“. die beifahrerin: „ich!“ das kind „falsch: ich wars.“ ich fürchte ich muss die beiden mal abmahnen.

vor dem heidelbeer-jogurt-eis-nachtisch gab es übrigens einen feingeschnittenen wirsing-kopf, den ich zuerst in glasig angebratenen scharlottenwürfeln und fein gewürfelten schinkenstückchen anbriet und dann mit ein bisschen brühe ablosch um am ende noch ein paar kross angebratene, kleingeschnittene hühnerbruststückchen und eine kleine packung h-sahne reinzukippen. das essen war insgesamt so kalorienarm, dass sowohl das kind, als auch die beifahrerin nach 30 minuten klagten, sie hätten hunger. vielleicht sollte ich das essen demnächst schreinern um die beiden satt zu bekommen?

„big swinging dick man“

lesenswert fand ix roger boyes kai diekmann-portrait aus diesem buch in der netzeitung. eigentlich kommt boyes schon auf der ersten seite zum fazit als er diekmann nach seinem gehalt fragt und der peinlich betreten ausweicht und sich darauf beruft, dass es „in diesem land“ nicht üblich sei über gehälter zu reden:

Aha. Scheinheiligkeit ist also die Quintessenz des Boulevards. Es ist offenbar in Ordnung, über die Gehälter von Ex-Bundeskanzler Schröder zu mutmaßen, es ist beinahe schon obligatorisch sich über das Sexleben von Berühmtheiten auszulassen, aber Spekulationen über Führungskräfte von Zeitungen – Mitglieder derselben Borchardt- und Bocca-di-Bacco-Tischgesellschaft –, die sollen gefälligst ausbleiben. (quelle)

sammeln. und dann?

diese ganzen filme, artikel, zeitungen, bücher, wir fressen tonnen davon täglich in uns rein. was dabei herauskommt wenn wir uns ohne ende obst, gemüse oder fleisch reinstopfen ist bekannt.

was kommt heraus, wenn wir bücher, zeitungen, blogs oder was auch immer lesen, filme oder fernsehserien gucken? man lernt dazu, klar, man wird unterhalten und bekommt neue erinnerungen. aber kommt auch wieder was raus?

was habe ich davon, dass ich mir die erste staffel „boston legal“ auf dvd angeguckt habe, ausser dass ich mich königlich amüsiert habe, unglaublich gewundert habe wie man so gute, unfassbar leichte und auf den punkt geschriebene drehbücher verfassen kann, die dem ensemble auch noch wie auf den leib geschrieben sind. und alles was dabei rauskommt ist dass ich ab und zu, auf dem weg zum klo „denny crane“ vor mich hin brabble oder ein, zwei zeilen bei stefan-niggemeier.de darüber schreibe?

bleibt da was anderes hängen? wenn man sein ganzes leben lang romane liest, kann man dann selbst besser geschichten erzählen? wird man als experte ins fernsehen eingeladen, wenn man ganz viele sachbücher zu einem thema gelesen hat? wird man wie stefan niggemeier, wenn man in jeder freien minute fernsehen guckt?

ich esse weil ich hunger habe und danach (manchmal) satt bin. aber warum gehe ich ins kino? und was bin ich wenn ich aus dem kino wieder rauskomme? satt? ich lese täglich in ein paar hundert blogs und webseiten, lese ein bis zwei zeitungen und ziemlich viele emails und ich unterhalte mich mit einem haufen leute. was bleibt davon übrig? an was erinnere ich mich, was tropft wieder aus mir raus? welche wirkung hat das was ich mich reinstopfe auf mich?

ist der sinn des lesens und guckens, des lebens gar, dass ich wie ein schwamm informationen, geschichten und unterhaltung aufsauge, ein paar tropfen wieder verteile, aber mit dem grossteil der angesammelten, gespeicherten information die ich im leben angesammelt habe, in einem sarg verwese?

so richtig kann ich über die frage auch gar nicht nachdenken, ich will gleich „pippi langstrumpf auf takka-tukka-land“ auf dvd gucken und vorher noch ein paar blogs lesen.

Vice Magazin kriegt keinen Presseausweis wegen Startanimation

DJV heisst Deutscher Journalisten-Verband und ist eigentlich eine Gewerkschaft. Gleichzeitig entscheidet diese Gewerkschaft aber auch über die Vergabe von Presseausweisen. Nun ja. Mal abgesehen davon, dass in der Satzung die Rede ist von der Vertretung der ‚Interessen der hauptberuflich für Presse, Hörfunk, Fernsehen und andere Publikationsmittel tätigen Journalistinnen und Journalisten‚, was eventuell ein wenig über Journalisten und das Internet verrät, steht dort auch drin (§2, Abs. 2a), dass der DJV sich die Aufgabe gestellt hat, ‚die Freiheit und Eigenständigkeit von Presse und Rundfunk sowie die geistige Unabhängigkeit der journalistischen Arbeit zu sichern‚.

Das ist gut und richtig und soll bewirken, dass die Pressefreiheit gestärkt wird. Zum Beispiel gegen Menschen, Organisationen und Institutionen, die glauben, was Ihnen nicht in den Kram passt oder sie nicht verstehen, sollte nicht veröffentlich werden. Da ist es um so erstaunlicher, dass die bekannte Zeitschrift „Vice“ folgende Absage bekommen hat, als der Chefredakteur beim DJV einen Presseausweis beantragen wollte:

Ablehnungg_DJV

Gemeint ist hier, dass auf Viceland.de (wie auf Viceland.com auch), nach einigen Sekunden eine Animation beginnt, bei der Flugzeuge in den USA starten, in Richung Irak fliegen und dann Bomben abwerfen:

bombenflieger

Vollkommen klar, das so etwas gegen die „ethisch-journalistischen Grundsätze“ verstösst. US-Flugzeuge bombardieren den Irak. Pff. Wer sich sowas ausdenkt, der hat wahrhaftig keinen Presseausweis verdient.

im geschäftlichen verkehr normal

der neue geschäftsführer von transparency international, christian humborg, räumt im interview bei poltik-digital ein, in der vergangenheit fehler gemacht zu haben. so suggeriert es zumindest die überschrift. auf die frage was man aus dem fall gelernt habe, in dem transparency international mittels eines rüden briefes des transparency justiziars und ethikbeauftragten von der bloggerin moni verlangte einen text aus dem internet zu nehmen, antwortet humborg:

Das erste, was viele daraus gelernt haben, ist die Dimension, die Blogs inzwischen haben. Das war vielen bis zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst. Das zweite, dass man gelernt hat, ist, dass auch der Umgang ein anderer ist, als man das – übertrieben gesprochen – im geschäftlichen Briefverkehr hätte.

mit anderen worten, der ton den der justiziar von transparency in dem brief anschlug, sei im „geschäftlichen briefverkehr“ von transparency international irgendwie ganz normal. zur erinnnerung, der brief den transparency an die bloggerin schickte „ersparte“ sich „einzelheiten“ und lästige details, drohte aber umso unverholener mit konsequenzen:

Sollte das nicht erfolgen, kündige ich Ihnen schon jetzt eine strafbewehrte Unterlassungserklärung und ggf. eine einstweilige Verfügung an. Ich gehe davon aus, dass Sie sich über die rechtlichen, aber auch finanziellen Konsequenzen, die sich daraus für Sie ergeben werden, klar sind.

so kommuniziert transparency also im geschäftlichen verkehr, ausser der empfänger hat irgendwie eine „dimension“, ist also gross genug um sich gegen solche angriffe öffentlich oder juristisch zu wehren. genau dann also, ist so ein ton und unfaires verhalten ein fehler.

immerhin schiebt humborg nach der zweiten frage eine etwas zerknirschter klingende und fast als entschuldigung zu wertende antwort nach:

Es ist ja auch so, dass wir gesagt haben, in der Form und im Vorgehen haben wir einen Fehler gemacht. Das war nicht richtig, was wir gemacht haben. Wie wir gehandelt haben, das würden wir nicht noch mal so machen.

irgendwie habe ich schwierigkeiten das zu glauben. rein ethisch dürfte sich bei transparency nicht allzuviel verändert haben.

[nachtrag 28.04.2006]
christian humborg widerspricht in einem kommentar meiner interpretation seiner aussagen. find ix ok.

sponterview

gut ding will weile haben. wenn ich mich recht erinnere, hat stefan die ersten fragen für dieses interview vor drei wochen beantwortet. das zu dem mythos, spiegel-online sei ein schnelles medium.

Zu dementierende Gerüchte

Oft wird Blogs vorgeworfen, unsachlich, übersubjektiv und vor allem quellenlos gerüchteverseucht zu sein. Ich kann das bestätigen. Mir werden praktisch ständig – fast immer anonym – Gerüchte zugetragen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, diesem zum Grossteil widerwärtigen, hanebüchenen und hinterhältigen Gerede ein für alle Mal eine deutliche Absage zu erteilen.

Am deutlichsten möchte ich mich von dem unfairen Gerücht distanzieren, Peter Turi sei „ein aufgeblasener Windbeutel“, der „vor Selbstherrlichkeit kaum laufen“ könne und „aus dem richtigen Winkel“ könne man „durch sein eines Ohr rein durchs andere Ohr hinaus auf die andere Seite sehen“. Eine glatte Unverschämtheit. Mir ist das nun mehrfach zugetragen worden, ich muss widersprechen, denn als ich Turi das letzte Mal sah, konnte er sehr wohl laufen. Ob aus Selbstherrlichkeit oder anderen Gründen konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht nachprüfen.

Aber auch das Gerücht, dass der Kress Report mit seiner angeblichen Abmahnung von verschiedenen Bloggern „kackdackelhaft gehandelt“ habe, damit „unsouveräne Unsouveränität bewiesen“ habe und sich sowieso „auf einem gladbachartig absteigenden Ast“ befinde, halte ich in dieser rohen Form ausgedrückt für explizit falsch, gemein und generell unflauschig gesprochen (auch Borussia Mönchen-Gladbach gegenüber).

Das von Harald Martenstein in die Welt gesetzte Gerücht, Adolf Hitler sei „innerlich … ein Gegner des NS-Regimes“ gewesen, kann ich so ebenfalls nicht bestätigen. Ganz im Gegenteil habe ich den schrecklichen Verdacht, dass Hitler Antisemit gewesen sein könnte.

Beinahe ebenso ärgerlich ist das aktuelle Gerücht, Stefan Niggemeier habe Felix Schwenzel und mich als Urlaubsvertretung engagiert, um im Kontrast zu unseren „käsekuchigen Bloggerscherzchen“ seinen „Qualitätsjournalismus in Blogform“ besonders deutlich herausstechen zu lassen. Niggemeier habe sich letztlich nur „wegen einer Mischung aus Ekelfaszination und Experimentierfreude an der Grenze zur Selbstverachtung“ darauf eingelassen, werde sich aber „nach einer Woche Dauerplattitüden zweier noch nicht mal witziger Witzfiguren“ als „Qualitätserlöser“ feiern lassen.

Um ehrlich zu sein, denke ich unter dem Einfluss von einer solchen Vielzahl von Abscheulichkeiten doch wieder über einen Blogger-Kodex nach und könnte mir inzwischen sogar die Einführung eines Zwangssmileys für ironische Beiträge vorstellen.