Im Gipfelblog berichten Philipp Dudek, Sebastian Gerhard, Marco Maas und Fiete Stegers aus Heiligendamm. Nicht dass es hinterher wieder heißt, in Blogs steht nur so selbstreferentielles Zeugs.
Im Gipfelblog berichten Philipp Dudek, Sebastian Gerhard, Marco Maas und Fiete Stegers aus Heiligendamm. Nicht dass es hinterher wieder heißt, in Blogs steht nur so selbstreferentielles Zeugs.
Ich habe gezögert, mich zu dem Thema zu äußern (mal abgesehen davon, dass dieser Eintrag auf der nach oben offenen Selbstreferenz-Skala rekordverdächtig punktet). Ich bin selbst für den Grimme-Online-Award nominiert. Man kann mir also vorwerfen, befangen und unaufrichtig zu sein oder auch einfach die für mich bequemste Haltung zu dem Thema einzunehmen. Andererseits erzähle ich den Leuten dauernd, dass es sich im Internet auszahlt, offen zu sein und auf Kritik einzugehen. Also wollte ich nicht kneifen.
Wie sehr die Debatte um den diesjährigen Grimme-Online-Award entglitten ist, kann man an vielen Stellen sehen. Zum Beispiel an der heutigen sonntäglichen Wochenschau, die Detlef Borchers alias Hal Faber für Heise Online schreibt. Er zitiert aus der Stellungnahme des Grimme-Institues:
„Im Unterschied zu anderen Medienpreisen, bei denen fachkundige Beobachter und Kritiker in einer Jury nicht unbedingt selbst Akteure sind, ist eine solche Überschneidung beim Medium Internet nicht auszuschließen.“
Hal Faber nennt diese Erklärung „seltsam“ und fügt höhnisch hinzu:
Das muss ja höllisch kompliziert sein, dieses Internet.
Nur geht es weder in der Stellungnahme Grimmes noch bei dem Streit überhaupt um die Frage, wie „kompliziert“ „dieses Internet“ ist. Es geht um die Frage, wie eng die Nominierten und die, die über die Nominierungen und die Auszeichnungen entscheiden, miteinander verbandelt sind.
In der Jury des Grimme-Fernsehpreises sitzen Menschen, die über das Fernsehen schreiben. Das sind in aller Regel keine Menschen, die Fernsehen machen. Diese Trennung zwischen Kritikern und Machern gibt es Internet fast nicht. Wer über das Internet berichtet, publiziert in der Regel auch im Internet. Deswegen sind die meisten Jurymitglieder beim Grimme-Online-Award (anders als beim Grimme-Fernsehpreis) potentiell immer auch Preisträger. Und deswegen gibt es zwischen allen Beteiligten enge Bande.
Das ist ein Problem. Man wird das vermutlich nicht lösen können. Aber man müsste es auch nicht noch dadurch noch dramatisch verschärfen, dass die Jury ein Angebot eines Jurymitglieds für den Preis nominiert. Das geht nicht. Auch dann nicht, wenn das betroffene Jurymitglied daraufhin sofort die Jury verlässt. Das müsste eine Selbstverständlichkeit sein.
Dass die Jury dennoch den „Elektrischen Reporter“ von Mario Sixtus nachnominiert hat, war meiner Meinung nach ein Fehler. Er war, gelinde gesagt, naiv und unsensibel und schadet der Glaubwürdigkeit des Preises. (Mario Sixtus hat es vielleicht am meisten geschadet, weil die Nominierung und der eventuelle Preis nun mit einem Makel versehen ist, den sein feiner „Elektrischer Reporter“ nicht verdient hat.)
Und auch wenn man bei Grimmes anscheinend unbeirrt der Meinung ist, dass das Verfahren korrekt war, scheint die Kritik doch angekommen zu sein: Für das nächste Jahr soll eine „Änderung des Statuts“ erörtert werden, damit die „Klarheit des Verfahrens“ auch „öffentlich nachvollziehbar“ ist.
Nun kann man darüber, dass man bei Grimmes nicht gesehen hat, wie problematisch die Entscheidung der Jury war, noch länger den Kopf schütteln, wenn man will. Für mich aber ist die Sache damit erledigt. Ich war einige Male in der Jury des Grimme-Fernsehpreises. Ich habe die Arbeit dort als diskussionsfreudig, transparent, demokratisch, unabhängig erlebt und habe auch deshalb ein hohes Grundvertrauen in die Integrität des Grimme-Institutes.
Nicht nur deshalb finde ich die Art, wie an manchen Stellen nun über den Grimme-Online-Award diskutiert wird, hysterisch. Kritischen Fragen (auch zu anderen Themen) muss sich der Preis stellen, das hält er auch aus. Aber schon der Vorwurf der „Mauschelei“ ist abwegig: Mauscheleien sind „geheime Absprachen“; die Entscheidung der Jury, ein Bis-gerade-noch-Jurymitglied zu nominieren, geschah aber in aller Öffentlichkeit und jeder konnte sich seine Meinung dazu bilden.
Grotesk finde ich es auch, an diesem Fall nun ganze Korruptionsdebatten aufzuhängen, um den Ruf unseres Landes zu fürchten („Eine Institution, die auch außerhalb der Bundesrepublik Deutschland geachtet wird, wird durch wenige ausgenutzt, die eigene Ziele verfolgen“), eine Verbindung zum Widerstand Adolf Grimmes im Dritten Reich herzustellen etc pp. Wer so argumentiert, dem geht es, glaube ich, nicht um Grimme, sondern darum, die Grenze zwischen den vermeintlich sauberen, ehrlichen, werbefreien Bloggern und den angeblich korrupten, käuflichen, werbeverseuchten Bloggern um jeden Preis weiter zu befestigen.
(Einen Nebenkriegsschauplatz bildet seit gestern übrigens das Medienmagazin DWDL, das die außerordentlich schlechte Idee hatte, den Redakteur ein Interview zum Thema führen zu lassen, der jahrelang die Pressearbeit für den Preis gemacht hat.)
Was ich mir im konkreten Fall und grundsätzlich wünschen würde: Dass es häufiger gelingt, den Einzelfall zu kritisieren, ohne ihn immer gleich zum Beleg für den Untergang des Grimme-Instituts / der Blogkultur / des kritischen Journalismus / des Abendlandes aufzublasen. Schon weil es eine fruchtbare Diskussion über den Einzelfall so erschwert.
Kai Pflaume ist gut im Pausenmachen. Wenn er für Sat.1 „Nur die Liebe zählt“ moderiert, ist wenig so wichtig wie die Pausen. Meist sitzt dann ein eingeschüchtertes Wesen neben ihm, das gerade durch eine Videobotschaft erfahren hat, dass ein früherer Partner nicht aufhören kann, es zu lieben, trotz allem, was vorgefallen ist. Aus den meisten sprudeln dann nicht sofort detaillierte Schilderungen über das Intimleben und die eigene Gefühlslage heraus, aber Pflaume hat ja Zeit. Er muss nicht immer gleich eine neue Frage nachschieben. Er schweigt und wartet, dass das eingeschüchterte Wesen die entstehende Pause von ganz alleine füllt.
Und Pflaume macht das gut. Er macht das so, dass man nur gelegentlich das Gefühl hat, es handele sich um eine perfide Technik, die Leute dazu zu bringen, mehr zu sagen, als sie wollen, und meistens so aussieht, als sei er ernsthaft berührt und schweige aus einer Art Respekt.
Vielleicht war dieses Pausentalent der Grund dafür, dass Sat.1 Kai Pflaume zum Moderator der neuen Gameshow „Rich List“ gemacht hat — eine Sendung, die eine Stunde lang ist, aber in einen ProSieben-Werbeblock passen würde, schnitte man die Pausen heraus. Es geht darum, dass Kandidaten möglichst viele bestimmte Dinge aufzählen, zum Beispiel Formel-1-Weltmeister, und Kai Pflaume möglichst lange Pausen macht, bevor er sagt, ob ihre Antwort richtig ist. Anders als bei „Nur die Liebe zählt“ werden die Pausen nicht mit Emotionen gefüllt, sondern mit nichts (deutsche Showproduzenten verwechseln das seit einiger Zeit mit Spannung). Und anders als bei „Nur die Liebe zählt“ muss Kai Pflaume dabei aussehen, als bewerbe er sich um den Titel „Fiesester Folterknecht“ in der Disziplin „ohne Anfassen“. Das steht ihm gar nicht und lässt ihn locker zehn Jahre altern (falls nicht doch einfach die Maskenbildnerin eine schlechte Woche hatte).
Es ist aber auch nicht so leicht, als Moderator in einer Show gut auszusehen, wenn die Kategorie „Länder mit S“ heißt, die Kandidaten „Südafrika“ gesagt haben, und man nun wertvolle Sendesekunden damit füllen muss, die Ungewissheit aufrecht zu erhalten, ob „Südafrika“ ein Land ist, und, vor allem, ob es wirklich mit „S“ anfängt.
(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
Die Firma Callactive, die für MTV die tägliche Call-TV-Sendung „Money Express“ produziert, überraschte am Dienstag mit einer Pressemitteilung, in der sie erklärte, ihr Hot Button sei sauber. Es handele sich — anders als bei 9Live — um einen rein technischen Zufallsmechanismus, unbeeinflusst von irgendwelchen Mitarbeitern. Der Redakteur gebe nur die Höchstdauer einer Spielrunde vor, und der technische Mechanismus wähle dann einen beliebigen Zeitpunkt aus, zu dem er einen Anrufer auswählt und ins Studio durchstellt.
Schöne Sache. Nur für jeden, der die Callactive-Sendungen kennt, sehr unwahrscheinlich.
Anscheinend gestaltet die Firma Callactive ihre Pressemitteilungen ähnlich wie ihre Fernsehsendungen: Sie versucht, die Leute in die Irre zu führen. Wenn man genau liest, heißt es im Text nämlich:
Die Callactive GmbH, größter Senderunabhängiger Produzent von Partizipations TV im deutschsprachigen Raum und ein
Unternehmen der Endemol Gruppe, hält sich bei der Auswahl der Anrufer im sogenannten Hot-Button Modus strikt an die Anwendungs- und Auslegungsregeln für Gewinnspiele im Fernsehen der Landesmedienanstalten (GewinnSpielReg).(Hervorhebung von mir.)
Selbst wenn das so wäre: Bei „Money Express“ wird kaum im so genannten „Hot-Button Modus“ gespielt. Die weit überwiegende Zeit gilt der „Leitungs-Modus“, eine noch undurchsichtigere Variante, bei der es darum geht, bestimmte, angeblich „offene“ Leitungen, zum richtigen Zeitpunkt zu treffen. Nichts spricht dafür, dass auch dieser Zeitpunkt in Callactive-Sendungen zufällig bestimmt ist.
Die Pressemitteilung von Callactive erinnert mich an einen Zauberer, der seinem Publikum Spielkarten zeigt, damit sie sich überzeugen können, dass sie nicht gezinkt sind, und sie dann vor dem Kartentrick unauffällig gegen andere austauscht.
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Ich habe für einen FAZ-Artikel gestern per E-Mail bei Stephan Mayerbacher, dem Geschäftsführer von Callactive, nachgefragt:
Seine Antwort lautet ungekürzt:
Ihre Fragen sind angekommen, vielen Dank dafür. Grundsätzlich ist alles, was es zur Funktionsweise des Hot Button Systems, dass uns von der Fa. mass response Service GmbH bereitgestellt wird, in der Pressemitteilung bereits gesagt worden.
Meine Nachfrage:
Das heißt, ich kann davon ausgehen, dass das beschriebene System ausschließlich für Hot-Button-Runden gilt?
Seine Antwort:
sie können davon ausgehen, dass das, was in der Pressemitteilung steht, der Wahrheit entspricht.
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Mayerbacher ist nicht zimperlich, was den Umgang mit Kritikern angeht. Im Forum call-in-tv.de veröffentlichte er den Namen eines Mannes, der sich bei der Bayerischen Landesmedienanstalt (BLM) über eine „Money Express“-Sendung beschwert hatte. Am 14. Mai schrieb Mayerbacher im Forum:
Lieber [Benutzername im Forum] alias [Realname], Ihre Identität ist erwiesener Maßen bekannt. Sie heißen im echten Leben [Realname]. Sie selbst rühmen sich im Forum Call-in-TV.de am 14. April damit, über unsere Sendung MoneyExpress am 20.3. eine Beschwerde an alle LMAs übermittelt zu haben. Da es in der Folge nur eine Beschwerde an alle LMAs gab, nämlich von Ihnen Herr [Realname], ist ihre Identität mehr als klar, insofern möchte ich richtig stellen, dass es sich hier mitnichten um eine falsche Verdächtigung Ihrer Person handelt, sondern ausschließlich um denklogische Rückschlüsse.
MFG SM
Mayerbacher veröffentlichte nicht nur den Namen des Beschwerdeführers, sondern nannte auch zwei Pseudonyme, unter denen er seiner Meinung nach im Forum angemeldet sei:
Herr [Klarname] hat mit mir Kontakt aufgenommen und behauptet, er sei nur der User [Benutzername 1] im Forum call-in-tv.de, das glauben wir ihm jedoch nicht, da es sehr stichhaltige Beweise gibt, das er auch der User [Benutzername 2] ist, aber natürlich können wir uns auch irren. Herr [Klarname] hat uns nicht darauf hingewiesen, dass er anonym bleiben möchte.
Mayerbachers Vorgehen wurden von Forenbenutzern als Einschüchterungsversuche gewertet, könnten ihn nun aber in Schwierigkeiten bringen. Der Anwalt Frank Metzing, der u.a. den Betreiber des Call-in-TV-Forums vertritt, hat eine Beschwerde eingereicht und die zuständige Behörde aufgefordert, wegen Verstoß gegen das Bayerische Datenschutzgesetz gegen Mayerbacher zu ermitteln. Er habe die persönlichen Daten zu „sachfremden Zwecken“ verwendet: und den Namen des Beschwerdeführers „in unbelehrbarer Weise … mehrmals — trotz rechtlicher Belehrung — hartnäckig immer wieder gepostet“. Gegen Mayerbacher solle deshalb ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet und ein Bußgeld verhängt werden.
Aber auch gegen die zuständigen Mitarbeiter der BLM soll nach dem Willen von Anwalt Metzing ermittelt werden. Es sei nicht einzusehen, warum die Behörde die persönlichen Daten des Beschwerdeführers überhaupt an den betroffenen Produzenten weitergeleitet habe. (In der Datenschutzerklärung auf der offiziellen Seite der Landesmedienanstalten für Programmbeschwerden heißt es: „Meine Daten werden nur dann an einen Rundfunkveranstalter weitergeleitet, wenn ich dies bei Abgabe der Beschwerde ausdrücklich wünsche.“) Wenn die Menschen damit rechnen müssten, dass ihre Namen hinterher von denen, über die sie sich beschwert haben, öffentlich gemacht werden, könnte das „etwaige Beschwerdeführer davon abhalten, von ihrem Recht auf Einleitung rechtsstaatlicher Verfahren Gebrauch zu machen“, argumentiert Metzing.
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Auch „MEX“, das Wirtschaftsmagazin des hr-fernsehens, berichtet heute Abend ab 21.10 Uhr über die Call-TV-Shows. In der Sendung widerspricht der hessische Staatsminister Stefan Grüttner den Landesmedienanstalten, die beteuern, sie könnten die Verstöße der Sender nur auf der Basis unverbindlicher Vereinbarungen ahnden. „Es ist nicht nur Aufgabe der Landesmedienanstalten einmal eine Lizenz auszustellen. Sondern auch anschließend die Einhaltung der entsprechenden Vorgaben zu überprüfen“, sagte Grüttner.
Eingesandt von Sebas.
Als Gast in unserem Aufbaukurs „Metaphern für Fortgeschrittene“ begrüßen wir heute Siegfried Weischenberg, Professor für Journalistik an der Universität Hamburg, zum Thema Nicht alles, was ich nicht verstehe, ist ein Bahnhof:
(Nur fürs Protokoll: Ich jedenfalls habe nicht vorsichtshalber schon aufs Internet umgesattelt, sondern in den vergangenen Jahren die erstaunlichen neuen Möglichkeiten entdeckt, die mir das Internet zum Publizieren und Kommunizieren bietet — nicht zuletzt jene, Menschen kontinuierlich über die Arbeitsweise der „Bild“-Zeitung aufzuklären, damit mehrere zehntausend Leser täglich zu erreichen und davon sogar leben zu können. Ich kann mein Glück immer noch kaum fassen.)
(Entschuldigung, Peter, ich hab’s wieder nicht geschafft.)
Die Kollegen von n-tv.de haben wieder zugeschlagen:
Also, entweder handelt es sich um einen sehr großen Kühlergrill oder um sehr kleine Frauen. Oder doch nur um eine Fotomontage.
(Mit Dank an Lukas!)
Alle Super-Symbolfoto-Einträge anzeigen
Nachtrag: Der Herr Schrader hat auch noch was.
Aus dem Online-Angebot von „Vanity Fair“ sind nun sämtliche Artikel von Peter Turi verschwunden, der dort bis vorletzte Woche noch unter dem Titel „Turi am Sonntag“ über Medien bloggte. Wer die Seiten aufruft, erhält nur eine Fehlermeldung — und in einem Fall eine einzelne, traurige Überschrift, die wohl versehentlich stehengeblieben ist.
Ob und wie das mit der Abmahnung durch Don Alphonso zusammenhängt, der erfolgreich gegen ein Foto und eine Formulierung vorgegangen ist, oder mit der fehlerhaften Berichterstattung über einen Rechtsstreit mit anderen Beteiligten im selben Artikel oder mit Turis Weigerung, sich mit der Kritik überhaupt auseinanderzusetzen — ich weiß es nicht.
[via Blogbar]
Nachtrag, 12.20 Uhr. Der Condé-Nast-Verlag teilt mir mit:
„Der Blog wird in seiner bisherigen Form nicht weitergeführt; Peter Turi ist jedoch nach wie vor als Autor für Vanity Fair tätig.“
Auf meine Frage, warum alle bisherigen Beiträge Turis gelöscht wurden, habe ich bisher keine Antwort bekommen.
Nachtrag, 12.55 Uhr. Jetzt aber:
„Sie wurden nicht gelöscht; die wichtigsten Beiträge von Turi werden gerade in Artikel überführt, daher sind sie gerade nicht online.“
Die „Tagesspiegel“-Redakteurin Tissy Bruns, die ich für ihre Bemerkungen bei einer Diskussionsrunde vor ein paar Tagen kritisiert habe, antwortet in den Kommentaren auf meine Kritik :
Lieber Kollege Niggemeier,
nach Lektüre Ihrer Kritik am letzten Medienquartett und der folgenden Kommentare zu “Blinde…” ist mir noch etwas klarer geworden, warum die FAS vor zwei oder drei Wochen danach gefragt hat, warum die Blogger in der öffentlichen Debatte noch immer nicht die Rolle spielen, die sie selbst und andere sich davon erwartet haben.
Ich kritisiere seit ewig und drei Tagen die Selbstbezogenheit meiner eigenen Berufsgruppe öffentlich – die Blogger-Szene steht uns in dieser Hinsicht leider in nichts nach, im Gegenteil. Die Unkenntnis, die Sie mir oder Herrn Bissinger aus zwei gekürzten Passagen nachweisen, um dann die Sendung abzuschalten, ist schon von einer seltsamen Selbstverliebtheit und einem Hochmut, der weder dem Anspruch noch der Wirkung der Blogger entspricht. Herr Floto hat mich nach Leserreportern und Blogs gefragt, und ich habe so geantwortet, wie durchschnittliche Leute diese Begriffe verstehen. Ist Ihnen nicht bewusst, dass „Blogs“ in strenger Definition keineswegs landläufig bekannt sind? Die meisten Leute verstehen darunter immer noch, dass es sich um Schreiber im Internet handelt; im Verhältnis zu Zeitungen eben alle, die sich Online zu Zeitungsinhalten äußern.
Selbstverständlich kenne ich die Tagesspiegel-Blogs, die der Kollegen Wergin und Fetscher schätze ich zum Beispiel sehr. Weil ich sie kenne, weiß ich auch, dass ich sie nicht täglich lesen muss. Es lohnt sich nämlich nicht immer und das ist keine Kritik an den Kollegen, sondern eine einfache Feststellung. Täglich lese ich allerdings das Online-Echo auf die Zeitung. Und ich gestehe: Mit gemischten Gefühlen.
Ich staune, dass die mediale Avantgarde so empfindlich ist, dass sie nicht einmal 45 Minuten kritische Debatte über sich selbst aushält, dafür aber umso kräftiger austeilt. Ob das ein Gewinn für den Journalismus ist, wenn ausgeteilt wird wie im Boxverein, es beim Einstecken aber zugeht wie im Mädchenpensionat ? Da glaube ich doch lieber an die Blogger, die wirklich in die öffentliche Debatte eingreifen und empfehle, nur zum Beispiel, den Artikel über die rumänischen Blogger in der FAZ vom 28. Mai 2007.
Mit kollegialen Grüßen
Tissy Bruns
Der Morgenmoderator gerade auf Radio Berlin:
Ich hoffe, dass Sie alle einen stabilen Stuhl haben.
(Ging aber dann doch irgendwie um Möbel. Nein, ich weiß auch nicht, wieso ich den Sender überhaupt höre.)