Kurz verlinkt (7)

This has to be the shot of the day: Paris Hilton being driven back to jail, crying and „screaming,“ according to reports, as a breathless nation watched. The photographer is one Nick Ut, longtime AP photographer — and the Pulitzer-Prize winning photog who took this iconic picture of Phan Thi Kim Phuc, the Vietnamese „napalm girl“ captured running from her village after a napalm attack, naked and horribly burned.

Wie die Huffington Post schon schreibt: „Sort of puts things in perspective.“

· · ·

First of all, I don’t want to pay for Hilton to be in jail. Let her staff cook for her. Let her people look after her. Given her crime, mandatory alcohol counseling, community service, a fine and house arrest seems fair. Or an alcohol monitor of some kind for 90 days (they have those now, strapped around the ankle, detects if you sweat alcohol). But jail? No one was injured, no one died, no thousands of dollars of damage from her crime. (…)

The fact is people are loving seeing her dragged through the mud like this. The same people that built her up are loving her downfall. And it’s sad.

Es gibt sie noch. Vernünftige, ernsthafte Artikel über Paris Hilton und das, was mit ihr gerade passiert.

· · ·

„Das Musikmagazin ‚Rolling Stone‘ zählte Spector noch 2004 zu den ‚100 großartigsten Künstlern aller Zeiten‘.“

Das Flexibilität des journalistischen Raum-Zeit-Kontinuums und andere Katastrophen: Eine „Spiegel Online“-Gerichtsreportage als schlechtes Beispiel auf der Coffee-and-TV-Journalistenschule.

· · ·

ebenfalls beeindruckend an keese: er wirkte die ganze zeit leviert, von seinen überzeugungen und abneigung gegen online-gedöns so sehr getragen, dass er zwei bis drei zentimenter über dem podium zu schweben schien. ein klarer vorteil gegenüber den zweifelnden und unsicheren „68ern“ die ihn umgaben.

ix schwitzt mit Journalisten und bangt um Zeitungen.

· · ·

Die Theokratisierung Israels schreitet unablässig voran.

Die Traummeldung für die Schwulenhasser von „Politically Incorrect“: Israelisches Parlament erlässt Gesetz stimmt für Gesetzesentwurf, wonach Gay-Pride-Paraden verboten werden können — aus religiösen Gründen oder weil sie die Gefühle der Mehrheit verletzen können. (Und ultra-orthodoxer Rabbiner belegt alle, die nächste Woche am CSD in Jerusalem teilnehmen oder ihn schützen, mit einem „Fluch“.)

Chronologie einer Falschmeldung II

Drei Tage hat die Nachrichtenagentur dpa gebraucht, ihre Falschmeldung zu korrigieren, dass ein Redner auf der Anti-G8-Kundgebung in Rostock am 2. Juni die Gewalttäter mit dem Satz angestachelt habe, man müsse den „Krieg in diese Demonstration“ bringen. Aber nach drei Tagen hat sie sich umfassend korrigiert und entschuldigt.

Und die Medien, die diese Falschmeldung weitertrugen, obwohl sie es besser hätten wissen können, und teilweise mit eigenen Details noch ausschmückten?

„Frankenpost“, „Neue Presse“ Coburg und „Südthüringer Zeitung“ brachten am Mittwoch in ihrem gemeinsamen Mantelteil immerhin folgende Meldung:

Kein Aufruf zum „Krieg“

ROSTOCK – Einen Aufruf zum „Krieg“ bei den Demonstrationen von Rostock am Samstag hat es nicht gegeben. Das hat eine Überprüfung des Redetextes gezeigt, den der Redner Walden Bello bei einer Kundgebung in Rostock vorgetragen hat. Die Deutsche Presse-Agentur dpa bedauert jetzt die fehlerhafte Berichterstattung und hat sich entschuldigt. In einem Bericht zu den Ausschreitungen während der Demonstrationen am 2. Juni hatte dpa Bello irrtümlich mit der Aufforderung zitiert, „den Krieg in die Demonstration reinzutragen“.

Und die „Stuttgarter Nachrichten“ scheinen sich zwar selbst nichts vorzuwerfen zu haben, informierten ihre Leser aber:

Panne beim Zitieren

Hamburg – In einem Korrespondentenbericht zu den Krawallen während der Demonstrationen gegen den G-8-Gipfel am 2. Juni hat die Deutsche Presse-Agentur (dpa) einen Redner mit den Worten zitiert: „‘Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. …“ Diese Formulierung ist – wie aus einem TV-Mitschnitt von „Phoenix“ ersichtlich ist – weder in der englischen Originalrede noch in der deutschen Übersetzung des Beitrags so gefallen. Die Agentur teilt mit: „Die sinnentstellte Fassung in den Meldungen der dpa ist auf einen Übermittlungsfehler zurückzuführen, für den dpa allein die Verantwortung trägt.“

Das ist bemerkenswert, weil die „Stuttgarter Nachrichten“ ihren Bericht gar nicht als dpa-Bericht gekennzeichnet hatten. Wenn alles glatt geht, lassen sie ihre Leser glauben, ihre Zeitung hätte sie so gut informiert; wenn Fehler passieren, trägt dafür allein die Agentur die Verantwortung. Nun ja.

Und sonst? Sonst bleibt es ein trauriges Lehrstück darüber, wie klein das Interesse deutscher Medien ist, ihre Leser wahrheitsgetreu zu informieren.

Der „Tagesspiegel“ verbreitete die Falschmeldung prominent auf seiner Seite 3:

Von einer Bühne herab ruft ein Redner: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“ Dann ist der Frieden nicht mehr zu retten.

Die falschen Zitate stehen unverändert online; ich habe weder unter tagesspiegel.de noch im gedruckten „Tagesspiegel“ eine Korrektur gefunden. Der Artikel beginnt übrigens mit dem schönen Satz:

Es geht bei einem solchen Spektakel auch darum, die Hoheit darüber zu gewinnen, was im Gedächtnis bleibt.

Auch die „Neue Zürcher Zeitung“, die gerne Adjektive wie „seriös“ oder „renommiert“ verliehen bekommt, sah sich bislang nicht veranlasst, ihren Online-Artikel mit dem falschen Zitat zu ändern. Genauso sieht es bei den „Braunschweiger Nachrichten“, der „Kölnischen Rundschau“ und Bild.de aus.

Eine interessante Erfahrung machte der Blogger Pantoffelpunk, als er am Dienstagvormittag n-tv.de auf das falsche Zitat hinwies. Der zuständige Redakteur der Firma, die für n-tv den Onlineauftritt redaktionell betreut und sich (vermutlich selbstironisch) „Nachrichtenmanufaktur“ nennt, antwortete kryptisch:

Im Gegensatz zu SPOn korrigieren wir keine „Korrekturen“ von anderen berichterstattenden Zuhörern, die sich verhört haben. Wir bleiben einfach bei den Fakten.

Auf eine Nachfrage kam eine noch pampigere Antwort mit dem schönen Schluss:

Ich hoffe Sie haben jetzt verstanden, dass die Meldung für uns nicht diskutabel ist.

Als dpa endlich offiziell den Fehler einräumte, verschwand die zweifellos indiskutable Bildunterschrift bei n-tv.de ohne Spur und Erklärung.

(Die Unsitte, Artikel als fortlaufenden Text über vielteilige Bilderserien zu verteilen, wäre übrigens noch einmal ein eigenes Thema. Sie führt immer wieder zu frappierenden Text-Bild-Scheren, so auch in diesem Fall, denn der gezeigte maskierte Mensch hatte, anders als es n-tv.de nahelegt, natürlich schon mal gar nichts mit dem Zitat zu tun.)

Bei der Nachrichtenmanufaktur scheint man inzwischen unglücklich über die Kommunikation mit dem Blogger, arbeitet aber immer noch an einer zitierfähigen Stellungnahme. Nach wie vor unkorrigiert ist in der Bilderserie, um die es geht, übrigens die Behauptung, 60 Polizisten hätten nach den Krawallen in Krankenhäusern behandelt werden müssen. Das hat nicht einmal die Polizei behauptet, die von 30 schwerverletzten Polizisten sprach, und selbst das ist längst widerlegt.

Ein interessanter Fall ist schließlich noch die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“, die sich die dpa-Ente in einer eigenen Reportage zu eigen machte. Eine Korrektur scheint es nicht gegeben zu haben; eine Anfrage von mir bei Ulrich Reitz, dem Chefredakteur der „WAZ“, blieb unbeantwortet.

Die WAZ hat Anfang Mai im Rahmen eines bizarren Festaktes in der Essener Philharmonie öffentlichkeitswirksam einen „Verhaltenskodex“ unterzeichnet, in dessen Präambel es heißt:

Regionalzeitungen genießen im Vergleich mit anderen Medien ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Dieses Vertrauenskapital darf nicht gefährdet werden. Der Verhaltenskodex der WAZMediengruppe legt fest, welche Regeln strikt einzuhalten sind.

In dem gesamten, über fünfseitigen Schriftwerk (pdf) steht kein Wort darüber, dass zur „Glaubwürdigkeit“ auch der Versuch gehören könnte, möglichst wahrheitsgetreu zu berichten, und die Verpflichtung, Fehler in irgendeiner Form richtigzustellen.

Ich fürchte, bei der „WAZ“ sähe man, im Gegenteil, das eigene „Vertrauenskapital“ gefährdet, wenn man offensiv und transparent mit Fehlern umginge, Verantwortung übernähme und sich zu allererst einer korrekten Information der Leser verpflichtet fühlte. Sie ist damit in Deutschlands Medienwelt in guter Gesellschaft.

Auch doof

Bisschen merkwürdig ist es schon, dass die „Welt“ heute ein Interview mit dem lustigen Franzosen Alfons bringt und ihm die Überschrift
„Manchmal bin ich auch doof“ gibt.

Nicht nur, weil dasselbe Interview, anders gekürzt, gestern schon in der „Frankfurter Rundschau“ stand. Und nicht nur, weil es auch dort schon die Überschrift „Manchmal bin ich auch doof“ hatte.

Sondern vor allem, weil der Satz „Manchmal bin ich auch doof“ in der „Welt“-Version des Interviews gar nicht vorkommt.

„Welt“-Offenheit

In Dresden beschimpfen zwei Deutsche einen indischstämmigen amerikanischen Studenten als „Kanake“ und greifen ihn und seinen deutschen Dozenten, der dazwischengeht, mit Schlägen und Tritten an.

Unter einem „Welt Online“-Artikel über den Angriff stehen, teils seit gestern Abend, Kommentare wie diese:

Kennt ihr ueberhaupt die Zahlen?
Rund 1000 Verbrechen von Rechts im jahr…
Rund 100.000 von Links im jahr
und eine Million von „Migranten“ auch als Moslems bekannt.

Und dieser Inder hatte in Deutschland sowiso nix verloren.
Warum lassen uns nicht einfach alle in Ruhe…

Als wir nach dem 2ten Weltkrieg am Boden waren, sind sie nicht zu uns gekommen und haben uns geholfen, auch nicht die Tuerken.
Als wir uns aber durch UNSERE EIGENE KRAFT aus der Scheisse gerettet haben, da wollen sie uns alle ganz doll lieb haben und wir sollen ja nicht so sein..

Ja ne is’klar.

Lasst uns alle einfahc in ruhe, dann passiert so ne scheisse auch kuenftig nicht mehr.

· · ·

Ich kann es nicht mehr hören!

WARUM, in Dreiteufelsnamen, wird nicht mit der gleichen Akribie über die durch Ausländer an Deutschen begangenen Verbrechen berichtet?

Jede verdammte Ohrfeige an einem Ausländer ist ein „rassistischer Übergriff“, worüber bis zum Erbrechen berichtet wird. Über die „dummen Kartoffeln“, die so blöde waren sich ein Messer von irgendwem mit „Migrationshintergrund“ einzufangen, liest man, wenn es hochkommt, maximal zwischen den Zeilen in den Pressemitteilungen der Polizei.

· · ·

Von den vielen weisshäutigen die täglich von Nazis (früher nannte man diese Leute Schläger oder Rocker)
verprügelt werden gibt es keine Berichterstattung .
Die wenigen Fälle wo Ausländer involviert sind werden bis zum Exzess angeprangert. Komischer weise gibt es im Ausland solche Fälle auch aber keiner reagiert so kleptomanisch wie die Deutschen. Ist doch einfach lachhaft.

· · ·

…wieso fremdenfeindlich ? (VORVERURTEILUNG durch die Presse !!)
…erstaunlich,dass Amerikaner deutsch verstehen ?!
…was war der Auslöser des Ganzen- endet das so wie der Fall Potsdam ? BITTE SERIÖSE BERICHTERSTATTUNG !!

· · ·

Ich frage mich, wo der große überregionale Bericht belibt, wenn mal wieder ein weißer Inländer von einer Horde Ausländer niedergeprügelt wird, was ja in unserem eigenen Land fast täglich vorkommt!

(Plumpe Pointen darüber, dass Meinungsbeiträge von Redakteuren bei „Welt Online“ bekanntlich aus Qualitätsgründen vor der Veröffentlichung gefiltert werden, bitte verkneifen.)

Warum Callactive versucht, Kritiker mundtot zu machen

Die Firma Callactive, die für drei Sender der MTV-Gruppe in Deutschland mehrstündige Anruf-Sendungen produziert, versucht auch weiterhin, eine kritische Auseinandersetzung mit ihren Geschäftsmethoden zu erschweren. Am Montag forderte der Anwalt des Unternehmens den Betreiber des Forums call-in-tv.de auf, die Screenshots von Callactive-Sendungen zu entfernen:

Insbesondere sind derartige Veröffentlichungen nicht von der Zitierfreiheit erfasst. (…) Bei der Durchsicht von Foren-Inhalten konnten wir keinen einzigen Screenshot identifizieren, dessen Veröffentlichung nicht Rechte der Callactive GmbH verletzt.

Schaut man sich die Screenshots an, ahnt man, warum die Firma sie ungern im Netz sieht: Viele beweisen, wie Callactive in „Money Express“ die Zuschauer systematisch in die Irre führt und gegen die Regeln der Landesmedienanstalten (pdf) verstößt.

Bei Kennern berüchtigt ist etwa das im „Money Express“ gern gespielte Rätsel „Zählen Sie alle Liter!“. Vergangene Nacht handelte es sich um eine vergleichsweise einfache Version:

Trotz Dutzender durchgestellter Kandidaten kam niemand auf die richtige Lösung, und so musste die Moderatorin am Ende selbst verraten, wie es geht.

„Und jetzt muss ich Ihnen die Lösung zeigen, was wär‘ denn wirklich rausgekommen? 352! Hier unten — haben Sie das gesehen? Ich hab’s Ihnen andauernd gesagt: Das mittlere Fass! Das eine ist leer, und da drunter, da ist noch eins. Bitte, das nächste Mal machen Sie das richtig. Das da drunter war voll, und voll und leer, da müssen Sie immer oben zählen und das was drin ist zählen, und das nächste Mal, da zählen Sie alles richtig und dann gibt’s hoffentlich auch wieder einen tollen, fünfstelligen Gewinn, eventuell.

Das Zitat ist ungekürzt, und die Sendung damit zuende. Und nun zum Vergleich die Formulierung aus den Gewinnspielregeln der Landesmedienanstalten, an die sich Callactive nach eigenen Aussagen hält:

Die an einen fairen Wettbewerb zu stellenden Voraussetzungen erfordern, dass die Spiele transparent aufgelöst werden. D. h. für den durchschnittlichen Zuschauer muss es, insbesondere auch bei schweren Spielen möglich sein, die Lösungslogik nachzuvollziehen.

Falls Ihnen die Lösungslogik trotz der Auflösung durch die Moderatorin nicht klar ist — es ist doch ganz einfach. Zuerst zählen Sie alle Zahlen mit „Liter“:

15 + 15 + 20 + 20 + 25 + 25 = 120.

Aber in „15 Liter“ steckt ja auch „5 Liter“, also:

5 + 5 + 0 + 0 + 5 + 5 = 20.

Aber Liter kann man ja auch mit „L“ abkürzen, deshalb müssen wir die beiden Summen doppelt zählen: :

120 + 120 + 20 + 20 = 280.

Nun zählen Sie den Inhalt der Fässer dazu, aber nur die vollen (also ohne Loch unten) und inklusive der verdeckten:

280 + 15 + 20 + 25 = 340.

Und die sechs einzelnen Wörter „Liter“ zählt auch jeweils als Liter, ebenso die sechs darin enthaltenen „L“, also:

340 + 6 + 6 = 352!

Ta-daa!

Aber selbst wenn Sie das jetzt verstanden haben sollten und irgendwie logisch finden, würde ich dringend davon abraten, beim nächsten „Liter“-Spiel im „Money Express“ anzurufen. Denn, wie gesagt: Dieses Spiel war vergleichsweise fair. Manchmal fehlen bei den Beschriftungen auf den Tonnen klitzekleine Ecken, dann zählen sie nicht mehr. (Auch das widerspricht übrigens den Regeln der Landesmedienanstalten.) Mal sind die Liter als „Ltr.“ abgekürzt, dann zählen sie, mal steht da nur „Ltr“, dann zählen sie nicht, also, außer das „L“ alleine, das zählt natürlich in jedem Fall als „Liter“. Deshalb kommt bei diesem Rätsel, das im „Money Express“ vor zwei Wochen gespielt wurde, natürlich auch 528 heraus, wie die Lösungsbildschirm anschaulich macht (und nicht 527, wie „Money Express“ am Tag zuvor noch behauptet hatte):

Wissen Sie jetzt, was der Grund sein könnte, dass Callactive und ihr Geschäftsführer Stephan Mayerbacher sich so dagegen wehren, dass man Screenshots von der Sendung im Netz veröffentlicht?

PS: Ich hatte versucht, ein kurzes Video, das die erstaunliche „Auflösung“ der Sendung zeigt, bei Sevenload hochzuladen. Es war innerhalb kürzester Zeit gelöscht. Sevenload scheint auf Wunsch von Callactive alle Beweisvideos entfernt zu haben.

Mit Dank an call-in-tv.de für den Lösungsweg!

Selten so Gl8!

Kleine Bemerkungen am Rande:

Im ZDF-Blog zum G8-Gipfel kann man schön sehen, wieviel Angst auch diejenigen etablierten Medien, die versuchen, sich auf die neuen Möglichkeiten der Kommunikation im Internet einzulassen, vor dem damit verbundenen Kontrollverlust haben. Links in den Kommentaren des Blogs, selbst solche wie dieser, werden entfernt. Nicht auszudenken, wenn jemand auf eine der schlimmen Seiten verlinkte, von denen man immer soviel hört.

Und dann würde ich doch gerne mal mit dem ZDF-Menschen sprechen, der die Idee hatte, die einzelnen Kapitel der interaktiven „Reise durch die Weltwirtschaft“ so zu betiteln:

Nachtrag, 6. Juni, 17.35 Uhr: Andreas Heck, Redaktionsleiter heute.de, antwortet auf die Kritik an der Entfernung des Links im ZDF-Blog:

(…) Wir möchten jedenfalls nicht auf die Form des Blogs als eine Möglichkeit in der Berichterstattung verzichten – müssen aber bei Nutzerbeteiligung durch eine Moderation sicherstellen, dass alle Inhalte neben Recht und Gesetz auch mit den Programmrichtlinien des ZDF vereinbar sind. Darüber hinaus gilt es, die Vereinbarkeit mit Jugendschutz, Anstand und guten Sitten zu gewährleisten. Da das in diesem Fall nicht das Problem ist, war es ein Fehler, die URL herauszunehmen. Nun ist sie drin.

Chronologie einer Falschmeldung

Was für ein Debakel.

Am Samstag um 18.41 Uhr bringt die Nachrichtenagentur dpa einen Bericht ihres Korrespondenten Helmut Reuter aus Rostock, in dem es heißt:

Um 17.30 Uhr werden die ersten Autos angezündet, während unweit vom Tatort auf der Kundgebungsbühne ein Redner die militante Szene noch mit klaren Worten aufstachelt: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“

Es ist eine Falschmeldung. Das Zitat ist weder wörtlich noch sinngemäß gefallen. Walden Bello hatte auf der Kundgebung um 17.17 Uhr im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg gesagt:

„Two years ago they said: Do not bring the war into the discussions. Just focus on poverty reduction. Well, we say: We have to bring the war right into this meeting. Because without peace there can be no justice.“

Und der Übersetzter auf der Bühne hatte es unmittelbar darauf so übersetzt:

„Vor zwei Jahren hat es geheißen: Wir sollen den Krieg nicht in die Diskussion mit reinbringen. Wir sollen uns nur auf Armutsbekämpfung konzentrieren. Aber ich sage: Wir müssen den Krieg hier mit reinbringen. Denn ohne Frieden kann es auch keine Armutsbekämpfung geben.“

Bellos Sätze sind im Original bereits eine halbe Stunde, nachdem er sie gesagt hat, bei MyVideo zu sehen.

Drei Tage wird dpa brauchen, den Fehler zu korrigieren. Drei Tage sind eine lange Zeit.

Samstag.

Bild.de übernimmt Teile des dpa-Berichtes:

„Auf der Kundgebungs-Bühne stachelt ein Redner die militante Szene noch auf: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration rein tragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“

„Spiegel Online“ übernimmt das falsche Zitat in seinem Live-Ticker und macht daraus die Überschrift des Artikels:

„Wir müssen den Krieg in diese Demo tragen“

Das „Spiegelfechter“-Blog beweist anhand des MyVideo-Ausschnittes, dass Bello dies nicht gesagt hat.

Um 21.39 Uhr berichtet dpa-Korrespondent Marc Herwig:

Stundenlang lieferten sich gewalttätige Autonome Straßenschlachten mit der Polizei – angestachelt von den Anfeuerungsrufen tausender Demonstranten, die zunächst friedlich gegen den G8-Gipfel kommende Woche in Heiligendamm protestiert hatten. Einer der Redner forderte über die Lautsprecheranlage sogar zum „Krieg“ gegen die Polizei auf.

Sonntag.

Die Berliner Boulevardzeitung „B.Z.“ schreibt:

Kurz darauf stachelt ein Redner der militanten Szene die Chaoten weiter auf. Von der Bühne der offiziellen Kundgebung ruft er ins Mikrofon: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“

Um 11.40 Uhr gibt Udo Pastörs, der Chef der NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, eine Presseerklärung heraus, in der er die „etablierten Parteien“ für den „entfesselten linken Mob“ verantwortlich macht:

Es sei (…) nicht hinnehmbar, daß sich unter den Augen der Versammlungsleitung in Rostock, Gewalttäter und Chaoten versammeln können, ja sogar die Kundgebungsbühne für Aufrufe wie: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“, genutzt werden darf.

Um 15.20 Uhr bringt dpa eine „Chronologie“ über die „Eskalation der Gewalt“:

17.30 – Die Stimmung schlägt um. Autos werden angezündet. Auf der Bühne stachelt ein Redner die militante Szene auf: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“

Um 15.59 Uhr verschlimmbessert dpa:

Der Aufruf zum „Krieg“, mit dem ein Redner während der Krawalle am Samstag in Rostock die militante Szene angestachelt hatte, war nach Darstellung der Protest-Organisatoren ein Übersetzungsfehler. Der zitierte Redner Walden Bello habe in seiner englischsprachigen Rede dazu aufrufen wollen, gegen den Krieg im Irak zu protestieren, teilte die globalisierungskritische Organisation Attac am Sonntag mit. In der deutschen Übersetzung wurde daraus: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“ Die Äußerung sei in diesem Zusammenhang missverständlich gewesen. Sie habe aber nicht auf Krawalle bei der Anti-G8-Demonstration abgezielt, betonte Attac.

Um 16.04 baut dpa-Korrespondent Helmut Reuter die neue, falsche Version in einen weiteren Korrespondentenbericht ein:

Auf der nahen Kundgebungsbühne spricht ein Redner – auf Englisch. Die Übersetzung stachelt die militante Szene weiter an: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“ Am Sonntag spricht Attac von einem Übersetzungsfehler.

Um 16.17 übermittelt dpa noch einmal die „Chronologie“ mit der neuen, anders falschen Version:

17.30 – Die Stimmung schlägt um. Autos werden angezündet. Auf der Bühne wird ein englischer Redner missverständlich übersetzt: «Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.» Die militante Szene fühlt sich angestachelt. Gemeint war, der Irak-Krieg müsse auch bei der Demonstration thematisiert werden.

Montag.

Korrespondent Fritz Dinkelmann berichtet aus Rostock in verschiedenen Schweizer Zeitungen:

Doch auch offizielle Demo-Redner wie etwa Walden Bello von der interventionistischen Linken hatten vorher eine Stimmung geschürt, die Grenzen verwischte zwischen friedlichen Demonstranten und jenen, die prügeln wollten: „Wir haben hier den Geist von Genua“, rief der Soziologieprofessor aus Manila in das Mikrophon (…).

In anderen Schweizer Zeitungen fantasiert Berlin-Korrespondent Helmut Uwer:

Einer der laut Polizeiangaben 3000 Militanten kletterte auf eine Bühne und gab die Parole aus: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“

In den Stuttgarter Nachrichten wird die falsche Meldung mit neuen Details angereichert:

Während ein Attac-Vertreter aufrief, Ruhe zu bewahren, heizte ein Redner der Autonomen die Stimmung noch an: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“ Viele pfiffen und buhten daraufhin.

Auch Annika Fischer, die Autorin der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“, hat die dpa-Ente ausgeschmückt:

„Wir müssen den Krieg in diese Demo tragen!“, ruft ein junger Mann ins Megafon, aber vorn an der Bühne stehen immer noch die (farben-) frohen Linken, beschwören eine „andere Welt“ und reden von einer „schönen Veranstaltung“.

Das viel gelesene islamfeindliche Hassblog „Politically Incorrect“ macht sich „auf die Suche nach den letzten Spuren der Wahrheit“ und meint, sie in der zu diesem Zeitpunkt immerhin halb dementierten ersten dpa-Version gefunden zu haben. Die ersten Korrekturen der Falschmeldung nennt „PI“ eine „entschuldigende Massenverblödung“.

Für die „Kölnische Rundschau“ berichten drei Korrespondenten, von denen offenbar keiner wusste, dass Menschen, die Reden auf englisch halten, nicht unbedingt englische Redner sind (Walden Bello ist Philippiner):

Zu der neue Eskalation nach leichter Beruhigung trug offenbar ein Übersetzungsfehler bei: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts“, sollte ein englischer Redner gesagt haben. Die militante Szene fühlte sich angestachelt. Gemeint war aber, der Irak-Krieg müsse auch bei der Demonstration thematisiert werden.

Um 18.39 Uhr nimmt sich ZDF Online des Themas an und widerlegt in seinem Blog zum G8-Gipfel mit einem Video auch die zweite dpa-Version, wonach das Zitat auf der Bühne falsch übersetzt wurde.

Die Nachrichtenagentur dpa braucht danach noch weitere 18 Stunden, bis sie endlich ihren Fehler einräumt und korrigiert.

Dienstag.

Um 12.59 Uhr meldet dpa endlich:

In einem Korrespondentenbericht zu den Ausschreitungen während der Demonstrationen gegen den G8-Gipfel in Rostock am 2. Juni (…) zitiert dpa einen Redner bei der Kundgebung mit den Worten „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“. Diese Formulierung ist – wie aus einem TV-Mitschnitt von „Phoenix“ ersichtlich ist – weder in der englischen Original-Rede noch in der deutschen Übersetzung des Beitrags so gefallen.

(…) Die sinnentstellte Fassung des Zitats in den Meldungen der dpa ist auf einen Übermittlungsfehler zurückzuführen, für den dpa allein die Verantwortung trägt. Die dpa hat den Fehler in ihren Archiven entsprechend gekennzeichnet. Wir bitten – auch mit Blick auf den betroffenen Redner Walden Bello – um Entschuldigung.

Um 14.27 Uhr wiederholt dpa noch einmal:

Einen Aufruf eines Redners zum „Krieg“ bei den Demonstrationen von Rostock am vergangenen Samstag hat es nicht gegeben. Eine Überprüfung des Redetextes hat gezeigt, dass die Ansprache des Redners Walden Bello bei einer Kundgebung in Rostock auch nicht falsch übersetzt worden war, wie die Deutsche Presse-Agentur dpa am Samstag berichtet hatte. dpa bedauert die fehlerhafte Berichterstattung und hat sich bei den Veranstaltern entschuldigt.

„Spiegel Online“ hat den Artikel mit der Falschmeldung relativ früh berichtigt und dokumentiert auch die Entstehungs- und Korrekturgeschichte. Aber das ist die Ausnahme. Die meisten Artikel, die die dpa-Ente übernommen haben, scheinen unverändert online zu sein.

Und jede Wette: Die meisten Tageszeitungen werden die Fehler, ihre eigenen und die der dpa, morgen weder berichtigen noch sich dafür bei irgendwem entschuldigen, schon gar nicht bei ihren Lesern.

Nachtrag. Sehr lesenswert: Christiane Link, die bis vor kurzem bei dpa gearbeitet hat, plaudert aus dem Nähkästchen.

Fortsetzung: II, III.