Super-Symbolfotos (30)

Verlassen wir vorübergehend die trüben Niederungen des Symbolfoto-Alltags in Online-Medien und beschäftigen uns stattdessen mit der Hohen Kunst des Hochglanz-Symbolfotos.

Stellen Sie sich vor, Sie müssten einen Artikel über Kastraten als Stars und Sex-Symbole bebildern. Denken Sie da ruhig einmal ein paar Sekunden drüber nach, bevor Sie sich anschauen, wie es die neue Lifestyle-Zeitschrift „intelligent life“ des „Economist“ gemacht hat.

Nämlich so.

[Vielen Dank an Pavel!]

Im Copyshop von Online-Artikel.de

Es scheint, als hätte die Firma Art2Digital bei ihrem Internetangebot Online-Artikel.de sensationelles Pech mit ihren Benutzern, die dort Artikel veröffentlichen.

Da ist nicht nur der eine, der sich „Tapian“ nennt und dort reihenweise Artikel veröffentlicht, die aus Zeitschriften wie „Horizont“, „Capital“ oder „Internet Business World“ stammen — offenbar ohne Erlaubnis, ohne Quellengabe und ohne Vergütung (mehr dazu beim Peer).

Da ist auch ein Benutzer namens „Matthias Klein“, der einen Artikel „SEO – SEM: Suche nach dem Umsatz von morgen“ schreibt, der eins zu eins aus „Horizont“ vom 13.09.2007 kopiert ist. Schon im Mai veröffentlichte „Matthias Klein“ bei Online-Artikel.de ein Stück „Was Online-Werbung erfolgreich macht!“, das ihn relativ wenig Rechercheaufwand gekostet haben dürfte, da es einfach aus dem Newsletter zur Online-Messe OMD stammt. „Matthias Klein“ hat bei Online-Artikel.de seinen Namen auch unter den Artikel „„Studie: Marketing schlecht abgestimt“ gesetzt, der im Original in der Ausgabe 18/2007 der Zeitschrift „Internet Business World“ erschienen ist. Dort übrigens mit einer ganz ähnlichen Grafik (links), die „Matthias Klein“ nur einem kleinen Detail verändert hat (rechts):

In der Grafik, die „Baerbel_B“ in ihren Artikel über Web 2.0 eingebaut hat (und in dem sie einen gewissen Cone Tanriverdio, Geschäftsführer von A2D InterMedia zitiert), fehlt dagegen nichts. Sie ist nur gegenüber dem Original [pdf] (links) an entscheidender Stelle erstaunlich unscharf (rechts):

Dann ist da noch Online-Artikel.de-Userin „Jaqueline Berndt“, die unter ihrem Namen einen Artikel von Anja Schnake aus der Zeitschrift „Direkt Marketing“ (Ausgabe 04/2007) mit dem Titel „Corporate Blogs: Ein neuer Begriff von Dialog“, äh, zweitverwertet.

Dieselbe Quelle nutzte „Baerbel_B“, um — vermutlich in Sekunden — einen eigenen Artikel „Jugendmarketing – Catch me if you can!“ zu veröffentlichen, den eigentlich Otto Geißler verfasst hatte.

Während „ArminG“ „seinen“ Artikel „Privatkäufer gesucht: Der Markt für Neuzulassungen schwächelt“ einfach Wort für Wort aus „Horizont“ vom 13.09.2007 übernommen hat, bediente sich „Magda Dietrich“ bei „ihrem“ Stück „Dr. Oetker reagiert auf Tierschutz-Kampagne“ bei der Konkurrenz von „werben & verkaufen“.

„Lina Hagen“ scheint sich weniger für Marketing zu interessieren und gibt lieber Reisetipps. „Ihr“ Artikel „Orient und Okzident: Insider-Tipps Istanbul“ scheint allerdings Wort für Wort (und, wie es aussieht, auch Foto für Foto) aus der Zeitschrift „Freundin“ zu stammen.

Also…

entweder hat die Firma Art2Digital bei ihrem Internetangebot Online-Artikel.de, das sogar eine Quelle in Google News darstellt (!), sensationelles Pech mit ihren Benutzern, die zwar verschiedene Namen tragen, aber die Verachtung für das Eigentum anderer teilen und sogar dieselben Quellen bevorzugen…

oder das Geschäftsmodell von Cone Tanriverdio und seiner Firma beruht darauf, im großen Stil widerrechtlich Inhalte aus anderen Medien zu kopieren und unter verschiedenen Schein-Benutzer-Namen zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen.

Nachtrag, 16.00 Uhr. Bei online-artikel.de sind jetzt alle hier verlinkten Artikel gelöscht worden, anscheinend aber auch nur die. Unverändert online ist zum Beispiel dieser Artikel, der offenbar aus der Zeitschrift „Capital“ geklaut wurde.

„… und Web 2.0 ;)“

Also, mal angenommen, ich hieße Cone Tanriverdio und hätte eine Firma Art2Digital Intermedia und würde ein merkwürdiges Portal namens Online-Artikel.de betreiben und würde dort unter dem Pseudonym „Taipan“ Zeitschriften-Artikel anderer Leute ohne deren Einverständnis, ohne Quellenangabe und natürlich ohne Honorar veröffentlichen, und wenn einer der eigentlichen Urheber sich beschwerte, würde ich sagen: Oh sorry, aber der Autor, der das bei uns eingestellt hat, ist gar kein Mitarbeiter von uns, man kann das ja unmöglich alles überprüfen heutzutage, Web 2.0 und so.

Also, angenommen, ich wäre so dreist, all das zu tun, dann wär ich doch nicht so dumm, ein Pseudonym zu wählen, das man öffentlich unmittelbar mit meinem Namen als Seitenbetreiber in Verbindung bringen kann, oder?

Beim Peer steht die ganze Geschichte.

Nachtrag. Herr Tanriverdio scheint seine „Weltklimawandel“-Seite mit seinem Pseudonym, von der der Screenshot stammt, plötzlich gelöscht zu haben. Im Google-Cache ist sie noch.

Sprengen und ’ne Wiese hinmachen

Ich mag ja Johann König nicht so. Ich kann dem nicht zuhören. Was ein Fehler war, am vergangenen Samstag, als er (ausgerechnet neben Oliver Pocher, den ich auch nicht so mag) beim Deutschen Fernsehpreis einer von ganz wenigen Leuten war, bei denen sich das Zuhören lohnte.

Auf mehrfachen Wunsch deshalb hier also Johann Königs Beitrag zum Fernsehpreis 2007 im Wortlaut:

Fernsehen ist ja ’ne tolle Sache. Wenn man damit umgehen kann. Ich selber bin oft überfordert, wenn ich Fernsehen gucke, wenn ich heute Fernsehen gucke, mir geht’s so, ich weiß manchmal, ich weiß manchmal, ich weiß es manchmal selber nicht. Kennt ihr das? Ich weiß manchmal überhaupt nicht, was das ist, was ich da gucke. Und es ist mir aber auch egal. Bevor ich’s verstanden hab, hab ich schon wieder umgeschaltet.

Das war vor ein paar Jahren noch viel einfacher mit dem Fernsehen. Noch vor ein paar Jahren zumindest nachmittags, war es sehr einfach. Nachmittags, überall gab’s Talkshows, die hatten immer ein ganz bestimmtes Thema. Was weiß ich: Du Sau. Du hast mich schwul gemacht. Mach, dass das wieder weggeht. Oder, was weiß ich: Hilfe, mein Tattoo läuft mir den Rücken runter. Ja, aber da wusste man zumindest Bescheid, oder? Wenn man das Thema der Sendung gelesen hat, da wusste man Bescheid, da war ganz klar: Ja, da kommt’n Haufen Asis, und die reden sich da um den Verstand, den sie sich vorher geliehen haben.

Wenn man heute Fernsehen guckt, ist es viel komplizierter. Häufig ist es so: Man macht den Fernseher an, und als erstes sieht man eine Wohnung, und oft denk‘ ich: Ja, ’ne schöne Wohnung ist das auch nicht, ne? Ist hoffentlich ’ne Renoviersendung. Und dann geht’s aber weiter. Irgendwann tauchen auch mal Kinder auf, und man denkt: Ou, ou, ouuuuu, da werden doch hoffentlich die Kinder renoviert, also. Das ist doch hoffentlich so ’ne Erziehungssendung, so ’ne Erziehungssendung, wo immer die eine kommt, die hier auch sitzt, die immer abends die Kinder repariert. Aber es geht noch weiter, irgendwann tauchen auch die Eltern auf, und man denkt, ouuuuu, was ist das denn? Und dann tun einem fast die Kinder schon wieder leid.

Und mir geht es so, wenn ich das alles zu lange gucke, denk ich irgendwann: Von mir aus können sie das auch ruhig alles mal sprengen. Und dann da ’ne Wiese hin machen. Erstmal 20 Jahre nur Wiese dahin machen, damit sich das alles mal erholen kann.

Und arte überträgt nur die Wiese.

Die gute Bildergalerie

Das Furchtbare an den Bildergalerien der Online-Medien ist ja nicht die Bildergalerie an sich, sondern die Tatsache, dass da einfach wahllos sämtliches verfügbares Material ausgekippt wird — bei Extrem-Klickmaschinen wie sueddeutsche.de* gerne auch ohne Zusammenhang zum Text.

Dass es anders geht, zeigt „Focus Online“ mit einer Galerie aus grandiosen Schwarz-Weiß-Fotos, die Fabian Mohr beim CSU-Parteitag gemacht hat.

*) Lesenwert dazu: Thomas Mrazeks Artikel „Qualitätsjournalismus nach sueddeutsche.de-Art“ in der Zeitschrift „Berliner Journalisten“ [pdf]

So schön war’s beim Fernsehpreis

Und? Wie fand das Saalpublikum die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises 2007?

Och Gott ja…






…fragen Sie mal den Niki Lauda:

Und falls Sie sich wundern, wie Heiner Lauterbach sich den unfassbaren Unsinn, den er erzählt hat, auswendig merken konnte, dann schauen Sie mal hier ins Publikum:

Einen der vielen sprachlichen Höhepunkte des Abends, Sonja Zietlow über ihren Mann und Autor, hat „Leonard da Quirm“ so illustriert:

Und der Peer macht sich schon wieder über Marco Schreyl lustig.

Uwe Wesp

Nun ist er weg und hat uns mit Ben Wettervogel allein gelassen.

Ben Wettervogel mag ein fähiger Meteorologe sein, man kann das ja als Laie schlecht beurteilen. In diesem Fall kommt erschwerend hinzu, dass immer, wenn er im ZDF-Morgenmagazin auftaucht, ich vollauf damit beschäftigt bin, zu denken, wie albern das ist, dass da jemand das Wetter vorhersagt, der sich „Ben Wettervogel“ nennt. Und es ist nicht so, dass er aus einer Dynastie der Wettervogels käme und wegen seines Namens Meteorologe geworden wäre. Er hieß Benjamin Vogel, und hat sich seinen Künstlernamen in seinen Pass eintragen lassen.

Das ist ein bisschen beunruhigend, aber irgendwie typisch — glücklicherweise anscheinend nur für Wetterleute, solange sich Barbara Salesch noch nicht in Babs Justiztante umbenannt hat und Ulrich Klose in Bericht R. Statter. „Man muss sehen, dass man auf keinen Fall zum Kasper wird“, hat Wettervogel einmal gesagt. Genau.

Das Nervige an den den Wetter-„Berichten“ heute sind nicht die Kachelmänner, die versuchen, die Wetterphänomene mit Begriffen, Grafiken und Gimmicks anschaulich und attraktiv zu machen. Sondern die Quatschmacher, die irgendwo in der Welt herum stehen, Passanten auf der Straße befragten, Spiele mit Kindern machen, sich am Strand räkeln und nebenbei kurz noch, wenn es sich nicht ganz vermeiden lässt, die Höchsttemperaturen von morgen nennen.

Uwe Wesp, Dr. Uwe Wesp, war immer ein Mann fürs Studio. Ganz der Typ Freundlicher Beamter, korrekt, verlässlich, ein bisschen skurill, ein bisschen provinziell, und auf eine sympathisch hölzerne Art locker. Er soll zwar einmal eine Platte aufgenommen haben „Azorenhoch! Das kommt schon noch“, aber wenn das überhaupt stimmt, war es so lange vor den Zeiten YouTubes, dass sich keine Spuren davon mehr finden lassen, was vermutlich für alle Beteiligten am besten ist.

32 Jahre lang hat Dr. Uwe Wesp das Wetter im ZDF vorhergesagt, und wenn es nach ihm (und mir) gegangen wäre, hätte er noch nicht aufgehört, nur weil er jetzt 65 ist. Vielleicht hat er mehr mit seinem Dauergegner Kachelmann gemein, als es scheint. Denn anders als der Wetterbericht in der „Tagesschau“ früher, in dem sich allabendlich unverständliche Substantivmassen auftürmten, mit Nordflanken, auf denen der Zustrom milder Meeresluft nach Mitteleuropa anhielt, und Ausläufern von Azorenhochs, die in den nächsten Tagen wetterbestimmend wirkten, kam der ZDF-Wetterbericht hyper-didaktisch daher, als Mini-Vorlesung mit Zeigestöckchen und selbstgemalten Symbolen, die schon nach Blumenkohlwolken aussahen, als Kachelmann das Wort noch gar nicht kannte. Dass die ZDF-Meteorologen (mit der großen Dr. Carla Wege) die Bilder nicht erst in der Sendung aufmalten, lag nur daran, dass die Kreide zu sehr gequietscht hätte.

Eine ernste Sache sei das Wetter, hat Wesp immer gesagt. Dabei schien er sie, wie er mit nüchterner Stimme und den weichen Konsonanten seines Darmstädter Dialekts sprach, nicht halb so wichtig zu nehmen wie all die Kollegen heute, die aus jedem Regengebiet, das ausgerechnet am Wochenende über uns hinwegzieht, ein Drama machen.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Programmhinweis

Heute abend wird zum 9. Mal der Deutsche Fernsehpreis verliehen. Und ich blogge das ab kurz vor acht live vom Sofa — drüben beim Fernsehlexikon.

2005 war ich übrigens selbst mal in der Jury. Ich war da nicht sehr glücklich, wie man meinem FAZ-Artikel von damals entnehmen kann, und habe sie danach verlassen.

Nachhilfe von ddp (3)

Joachim Widmann, Chefredakteur der Nachrichtenagentur ddp, schreibt zu dieser Debatte:

Lieber Herr Niggemeier,

ich hoffe, dass wir uns bei all dem Furor, der in dieser Sache mittlerweile glüht, auf eines einigen können: Wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht. Wir sind bei ddp sorgfältig darauf bedacht, Fehler zu vermeiden. Jeder ist gehalten, an seinem Platz perfekt zu arbeiten. Wir stellen das mit einer mehrstufigen Produktion sicher – so sicher, wie das eben geht. Dennoch kommt es, wie in jedem Handwerk, trotz aller Sorgfalt gelegentlich zu Fehlern, die ja niemand absichtlich verursacht oder übersieht.

Entscheidend ist der professionelle Umgang mit einer Fehlleistung. Daher habe auch ich mich über die zweite Meldung zu dem fehlerhaften „Bild“-Vorab geärgert. Da hätte sinngemäß klar stehen müssen, dass die Bafin sich gegen eine falsche Darstellung der „Bild“-Zeitung stellt. Sie dürfen mir glauben, dass diese Meldung intern bei uns ausgewertet wurde. Sie hat gegen unsere eiserne Regel verstoßen, dass erkannte Fehler umgehend transparent korrigiert werden müssen. Hier wurde zwar der Fehler irgendwie korrigiert, jedoch unklar und nicht transparent. Da das auch ohne Ihr Zutun leider jeder gesehen hat, muss das nicht weiter öffentlich debattiert werden. Was sollen wir noch dazu sagen?

Ich schreibe in etwas ungelenkem Deutsch „erkannte Fehler“, weil es in der Natur unerkannter Fehler liegt, nicht korrigiert zu werden. Das kommt bei täglich Hunderten ddp-Meldungen aber sehr, sehr selten vor. Die allermeisten Fehler erkennen wir selbst, bevor eine Meldung gesendet wird. Im anderen Fall sind wir sehr dankbar für einen Hinweis. Dieser wird dann geprüft, und bei Bestätigung des Fehlers machen wir die Korrektur. Unter Profis ist das eine selbstverständliche Dienstleistung, die unseren Kunden unsere Verlässlichkeit beweist.

Herr Höhling hat versucht, das gegenüber dem Leserbriefschreiber deutlich zu machen Angesichts eines Leserbriefs, der ohne große Umschweife unterstellt, hier sei schlampige Arbeit die Regel, war er nicht einmal besonders scharf. Der inquisitorische Ton des Briefes war der Sache nicht angemessen.

Sie wissen als erfahrener Journalist sehr gut, dass mit fehlerhaften oder überdrehten Vorabmeldungen das ungeschriebene Gesetz unseres Handwerks gebrochen wird, dass man Nachrichtenagenturen nicht für die eigene PR missbraucht, weil dies das gegenseitige Vertrauensverhältnis zwischen Medien und Agenturen in für alle Seiten sehr unangenehmer Weise belastet. Mit der Verifikation (oder Falsifikation) solcher Meldungen gelangt man nachts oder am Wochenende, wenn besonders viele Vorabmeldungen eingehen, beim Versuch, bei den Akteuren nachzufragen, an natürliche Grenzen. Daher teile ich Ihr Unbehagen – unser Dilemma liegt darin, dass die große Mehrzahl der Vorabs stimmt, was aber ebenfalls selten gleich geklärt werden kann. Bei einer Meldung zu einem relevanten Thema, die nicht schon auf den ersten Blick unplausibel wirkt, bleibt uns nichts als der handwerklich korrekte Hinweis darauf, dass eine Verifikation zunächst nicht möglich gewesen ist, was nichts anderes heißt als: Diese Meldung muss nicht, aber kann ganz oder in Teilen falsch sein, sie ist jedenfalls vorerst unbestätigt. So haben wir das bei der ersten Meldung zu dem „Bild“-Vorab auch gemacht.

Verdrehte oder falsche Vorabmeldungen sind für uns ein Thema, das auf bestimmte Medien nicht eingegrenzt werden kann, und auch bei den gelegentlich Betroffenen ist derlei unserer Erfahrung nach nicht die Regel und nicht erklärte Absicht. Ich bitte daher um Verständnis dafür, dass wir an einer öffentlichen Debatte nicht teilnehmen können und wollen, in deren Rahmen einzelnen Medien unterstellt wird, vorsätzlich zu lügen. Am richtigen Ort, zur richtigen Zeit und gegenüber dem richtigen Gesprächspartner wird ein solcher Lapsus ohne Scheu von uns angesprochen. Aber zu einer Stellungnahme im „Bildblog“ sind wir nun wirklich nicht verpflichtet. Wir bleiben auch da unserer publizistischen Rolle gemäß neutral – was bitte nicht mit Indifferenz oder Verschlafenheit verwechselt werden möge.

Ihr Ansinnen abzulehnen, Herrn Höhlings persönliche Mails in dem Blog zu publizieren, die als öffentliche Stellungnahme nicht gedacht waren, ist daher statthaft und kein Zeichen von Arroganz. Er übt damit genau das Recht aus, über die eigene Publizität zu bestimmen, dessen Verletzung Sie der „Bild“-Zeitung immer wieder vorwerfen. Interessant ist, dass Sie darauf, dass wir unser Schweigen brechen sollten, in dieser Schärfe und Empörung insistieren und Herrn Höhling, gegen dessen ausdrücklichen Wunsch, gewissermaßen „über Bande“ dennoch zitieren. Das erinnert mich doch sehr an das Gedicht über die Elche und deren schärfste Kritiker…

Herzliche Grüße

Joachim Widmann
Chefredakteur
ddp Deutscher Depeschendienst

Lieber Herr Widmann,

vielen Dank für die ausführliche Stellungnahme!

Ich möchte diese Debatte nicht zu hoch hängen, und die Diskussion über Tonfall und Inhalt der Mails von Herrn Höhling, die ich unfassbar finde, ist schon deshalb schwierig, weil die Leser keine Möglichkeit haben, sich ein eigenes Bild zu machen.

In einigen Punkten muss ich dennoch widersprechen: Es geht nicht um „persönliche“ Mails von Herrn Höhling. Es geht um Mails, die Herr Höhling in seiner Funktion als Stellvertreter des Chefredakteurs von ddp an Leser geschrieben hat, die Anfragen an die E-Mail-Adresse [email protected] geschickt haben. Es handelt sich insofern um offizielle Antworten von ddp, und ich glaube, Sie müssten auch damit leben, wenn jemand diese Antworten im Wortlaut veröffentlicht. Aus Gründen der Fairness habe ich es nicht getan.

Ich habe auch Herrn Höhlings Bitte entsprochen, seine Antwort auf meine journalistische Anfrage nicht zu veröffentlichen. Und ich habe seiner Bitte entsprochen, nicht einmal in meinen eigenen Worten wiederzugeben, ob ddp nun der Meinung ist, einen Fehler gemacht zu haben oder nicht, was ich schon eine erstaunliche Bitte fand.

Sie sagen nun, bei ddp seien Fehler passiert. Ja, darauf können wir uns sofort einigen: Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler (und diese waren sicher nicht die schlimmsten). Interessant ist, dass dieser Gedanke in den E-Mails, die ich kenne und mit denen ddp auf die (berechtigten!) Leserbeschwerden reagierte, fehlt. Der Stellvertreter des ddp-Chefredakteurs hat den Schreibern gesagt, dass ddp sich nichts, aber auch gar nichts vorwerfen lassen muss, und teilweise mit dem Anwalt gedroht.

Natürlich haben Sie das Recht, an einer Debatte über mögliche Fehlleistungen von ddp oder das Problem der Vorabmeldungen nicht teilzunehmen. Aber wenn der ddp Lesern gegenüber unbestreitbare Fehlleistungen bestreitet und ihnen unverhohlen droht, muss er damit leben, dass das öffentlich gemacht und darüber diskutiert wird.

Finde ich.

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Niggemeier