Callactive mahnt das Wort „angeblich“ ab

In dem Gesellschaftsspiel „Tabu“ geht es darum, Begriffe zu umschreiben, ohne eines von mehreren besonders naheliegenden Wörtern zu benutzen. Wem doch eines herausrutscht, der hat verloren.

Die Callactive-Variante dieses Spiels unterscheidet sich von der bekannten Partyversion dadurch, dass es um viel Geld geht. Und dass der zu umschreibende Gegenstand immer der gleiche ist: die Tatsache, dass es in den von der Firma produzierten Anrufsendungen („Money Express“ auf Viva, Comedy Central, Nick) zu einer merkwürdigen Häufung von grotesken Falschanrufen kommt, und zwar immer dann, wenn es relativ viel zu gewinnen gäbe.

Die sicherste Variante dieses Spiels besteht darin, es gar nicht erst zu spielen. Dann hat Callactive zwar automatisch gewonnen, aber man selbst zumindest nichts verloren.

Ebenfalls ohne Risiko ist es, zur Umschreibung der verdächtigen Abfolge von Falschanrufern ausschließlich Wörter wie „Zufall“, „Glück“ oder „Pech“ zu benutzen. Auf diese Weise kann man zwar nicht verlieren, aber auch nicht gewinnen, da kaum jemand, der die Sendungen kennt, darauf käme, dass man ein Phänomen, das sich so genau vorhersagen lässt, mit diesen Wörtern treffend beschreiben könnte.

Das Forum call-in-tv.de spielt seit ein paar Monaten die riskanteste Form von „Callactive-Tabu“, und verliert eine Runde nach der nächsten. Anfangs sprechen die Nutzer von „Fake-Anrufern“. Callactive geht erfolgreich dagegen vor. Dann sprechen die Nutzer von „verwirrten Anrufern“. Callactive geht erfolgreich dagegen vor. Nun sprechen die Nutzer von „angeblichen Falschantwortern“. Und Callactive geht dagegen vor

Die Firma, eine Endemol-Tochter, die in Deutschland für Sender von MTV Networks arbeitet, ließ den Betreiber Marc Doehler wegen des Gebrauchs des Wortes „angeblich“ abmahnen. Beispielhaft erwähnen die Anwälte u.a. die Stellen in einem Sendungsprotokoll auf call-in-tv.de, in denen es um ein Spiel geht, bei dem Wörter in ein Gitter eingetragen werden, sich die Buchstaben in den einzelnen Spalten sich aber nicht wiederholen dürfen:

[Anruferin] Regine wusste angeblich nicht, das sich die Buchstaben in den Spalten nicht wiederholen dürfen!

Später behauptete die Regie in einer der in „Money Express“ häufiger zu beobachtenden Laienspieldarbietungen mit der Moderatorin, selbst keine richtige Antwort mehr zu wissen, und der Protokollant notierte:

Regie hat angeblich kein Wort mehr will aber dennoch ne Runde spielen.

Die Anwälte von Callactive schreiben, call-in-tv.de verbreite mit solchen Folrmulierungen den Verdacht, die Firma „manipuliere“ die Sendung, „setze gezielt Fake-Anrufe ein“ und „täusche Zuschauer über die Mitmachvoraussetzungen“. Sie fordern von Doehler eine strafbewehrte Verpflichtungserklärung, diesen Verdacht nicht mehr zu verbreiten, insbesondere nicht durch den Einsatz des Wortes „angeblich“ bei der Beschreibung von Vorgängen in der Sendung.

Das ist erstaunlich. Denn „Money Express“ täuscht die Zuschauer ununterbrochen über die Mitmachvoraussetzungen. Die Moderatorin tut so, als sei das Spiel schwer, dabei ist es leicht. Die Moderatorin tut so, als sei das Spiel gleich zuende, dabei dauert es noch ewig. Die Moderatorin tut so, als rufe niemand an, dabei rufen Hunderte an und werden nur nicht durchgestellt. „Money Express“ nimmt sich das Recht heraus, die Zuschauer (angeblich im Dienst der Unterhaltung!) in die Irre zu führen, und demonstriert dies durch ein kleines Laufband, auf dem unter anderem steht:

Ein Spiel dauert maximal bis Sendungsende! Das Sendungsende hängt nicht vom Moderator ab und kann variieren! Sie entscheiden, ob die gestellten Aufgaben leicht oder schwierig sind. Der Moderator ersetzt nicht die Mitmachregeln! Countdowns gehören zum Spannungsbogen der Show. Sie müssen nicht unbedingt das Auslösen des Hot Buttons bedeuten! Der Zeitpunkt der Durchstellung ist ungewiss und kann zu einem beliebigen, auch deutlich später liegenden Zeitpunkt erfolgen.

Noch einmal langsam und zum Mitdenken: Die Moderatorin darf den falschen Eindruck erwecken, man müsse nur möglichst schnell die richtige Leitung treffen, um ins Studio durchgestellt zu werden – der Zuschauer darf ihre Behauptungen nicht ernst nehmen, weil es nur ein Spiel ist. Nimmt er sie aber tatsächlich nicht ernst und distanziert sich durch das Wort „angeblich“ konsequent von sämtlichen schwer zu glaubenden behaupteten Vorgängen bei „Money Express“, ist das nach Ansicht von Callactive auch unzulässig.

Die schlechte Nachricht ist: Es ist nicht völlig auszuschließen, dass Callactive damit vor Gericht durchkommt. Nach dem Stolpe-Urteil reicht es, wenn von mehreren möglichen Interpretationen einer Formulierung eine unzulässig ist, und womöglich lässt sich ein Hamburger Gericht finden, das der Meinung ist, unbedarfte Leser könnten unter „angeblich“ nicht das verstehen, was der Duden sagt („wie behauptet wird“, „vermeintlich“, „nicht verbürgt“), sondern soviel wie: „stimmt gar nicht“.

Es scheint übrigens verschiedene Gewinn-Varianten für Callactive im „Tabu“-Spiel zu geben. Eine besteht im Bankrott des Gegners. Eine andere darin, die deutsche Sprache erfolgreich von sämtlichen Wörtern gereinigt zu haben, die das, was der Sender im Auftrag von MTV Nacht für Nacht produziert, angemessen beschreiben.

[Kommentare aufgrund des juristischen Vorgehens von Callactive gegen mich geschlossen.]

Thomas Kausch

Er läuft durch etwas, das wie eine große Röhre aus Beton aussieht, oder genauer: wie ein Fernsehsstudio, das aussehen soll, als wäre es eine große Röhre aus Beton. Da die Sendung „Geheimnis Geschichte“ heißt, soll das womöglich irgendeine Art von Zeittunnel symbolisieren, vielleicht ist es aber auch ein Ärmel des Mantels der Geschichte, was aber alles nicht diesen komischen Fächer an der Rückwand erklärt und vor allem: warum Thomas Kausch vor ihm wegläuft, nicht schnell, aber unaufhörlich.

Kausch läuft, während er moderiert. Das sieht schon bei den Reportern affig aus, die in Nachrichten oder Magazinen auf der Straße immer sieben Schritte auf die Kamera zugehen müssen, um irgendwelche Dinge aufzusagen, aber bei Kausch sprengt es jedes bekannte Maß an Affigkeit: Er bewegt seine Arme nicht mit beim Gehen, weil er mit beiden Händen die Moderationskarten hält, von denen er nicht abliest. Er läuft nicht nur beim Moderieren, sondern auch beim Gucken, wenn auf die „Beton“-Wand neben ihm Filmaufnahmen projiziert werden und schaut dann auf eine groteske Art nicht in die Richtung, in die er läuft, was aber auch egal ist, weil er sich ohnehin nicht vom Fleck bewegt, sondern offenkundig auf einem Laufband steht, damit Kausch beim Moderieren und Gucken laufen kann und beim Laufen moderieren und gucken.

Manchmal, wenn man seine Füße nicht sieht, wirkt es, als laufe er nicht, sondern stampfe Wein. Oder treibe auf eine altmodische Art einen Generator an, der die Kameras mit Strom versorgt. Und während sein Oberkörper steif bleibt und sein Unterkörper in Bewegung, sagt er Sätze wie: „Wenn jemand glaubt, dass unter den Nazis doch nicht alles schlecht war, zum Beispiel die Rolle der Mütter, dann irrt er, oder er lügt“, und ich habe seit langer Zeit nichts gesehen im an bizarrem Schwachsinn nicht armen deutschen Fernsehen, das derart bizarr und schwachsinnig war wie diese Inszenierung.

Das scheint Strategie zu sein, bei der ARD, sich nicht durch Inhalte, sondern durch merkwürdige Inszenierungen von der Konkurrenz abzusetzen: Auch Denis Schecks Büchermagazin setzt darauf, und bei „W wie Wissen“ moderiert Ranga Yogeshwar aus einer gewollt gleißenden Kunstwelt. Aber das hat auch faszinierende, gelungene Momente und ist nichts im Vergleich zu diesem Herumgelaufe von Herrn Kausch, der schon unbewegt hinter einem Schreibtisch gekünstelt wirkt, und eher nur versehentlich bei Sat.1 zu einem Inbegriff für journalistische Kompetenz wurde.

Jeder Hamster mit einem Funken Restrespekt hätte sich geweigert, sich auf dieses Laufband zu stellen. Und ich soll mir von jemandem, der sich für so einen Unsinn hergibt, Geschichte erkären lassen?

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Kurze Pause

Ich bin für einige Tage unterwegs (nennen wir es: Kurzurlaub). In dieser Zeit sind die Kommentare hier geschlossen. Das Verhalten der Firma Callactive, die in vielfacher Weise gegen mich und dieses Blog vorgeht, zwingt mich leider zu diesem Schritt. Ich bitte um Ihr Verständnis.

Nachtrag, 19. Dezember. Bin wieder da.

Überraschungsparty

Pssssst, Herr Niggemeier ist gerade … Zigaretten holen. Er kommt gleich wieder, deshalb muss das jetzt alles ganz schnell gehen.

Also: Das „Medium Magazin“ (das ist kein Fachblatt für Steakzubereitung, hahaha) hat Stefan Niggemeier gestern zum „Journalisten des Jahres“ ernannt. Ich denke, das ist schon eine außergewöhnliche Auszeichnung und Ehre. Möglicherweise nicht ganz so spektakulär wie die „Bravo Otto“-Wahl, aber vielleicht können wir ja später unseren Enkeln mal erzählen, dass wir sein Blog schon vorher gelesen haben. Äh, ich schweife ab …

Ich schlage vor, wir stellen uns jetzt alle mal ganz leise hier unter dieses selbstgeklöppelte Transparent und wenn er gleich wiederkommt, brüllen wir alle: „Überraschung!“

Geht das klar?

Okay.

Herzlichen Glückwunsch!

Spendenaufruf

Ich habe in den vergangenen Tagen einige Mails bekommen von Menschen, die mir nicht nur Solidarität, sondern sogar finanzielle Unterstützung in der juristischen Verteidigung gegen die Firma Callactive und ihren Geschäftsführer Stephan Mayerbacher zugesagt haben. Das ist außerordentlich nett, aber (zumindest vorläufig) nicht notwendig.

Ich möchte Sie aber bitten, trotzdem zu spenden. Nicht für mich, sondern für Marc Doehler und das von ihm betriebene Forum call-in-tv.de. Er braucht das Geld, und er hat jede Unterstützung verdient.

Es ist leicht, die Leute für Verrückte zu halten, die sich dort im Forum Tag für Tag (und Nacht für Nacht) über die Anrufsendungen austauschen, die in anderen europäischen Ländern längst Vergangenheit sind, bei uns aber immer noch täglich auf 9live, Tele 5, Das Vierte, Viva, Comedy Central, Nick und im DSF laufen. Akribisch führen sie Protokoll über all die Merkwürdigkeiten und Ungeheuerlichkeiten, die sich da Tag für Tag ereignen. Anscheinend braucht es in diesem Land Verrückte, die das tun, denn die theoretisch dafür zuständigen Aufsichtsbehörden, die wir mit unseren Rundfunkgebühren bezahlen, sind entweder nicht willens oder nicht in der Lage, ihrer Aufgabe nachzukommen.

Es ist schwer, sich länger diese Sendungen anzuschauen, die mit unterschiedlich verwerflichen Methoden arbeiten und den Zuschauer fortwährend in die Irre führen über Spielabläufe, Schwierigkeitsgrade und Gewinnchancen, und nicht in Rage zu geraten. Sich nicht fiese Synonyme auszudenken für die Menschen da auf dem Bildschirm, die sich womöglich für Moderatoren halten, aber dafür bezahlt werden, durch stundenlanges Lügen die Zuschauer zum Anrufen zu animieren. Nicht die Anrufer mit grotesk falschen Antworten, die in einigen dieser Sendungen immer wieder an erstaunlich passenden Stellen durchgestellt werden, als das zu beschreiben, was sie so deutlich zu sein scheinen, aber bis zu einem eventuellen entsprechenden Beweis nicht sind: Fälschungen. Sich nicht von den immer gleichen Abläufen, die durch Zufall kaum und durch Betrug sehr gut zu erklären wären, dazu verleiten zu lassen, den unbewiesenen Verdacht als Tatsache zu formulieren.

Das Forum bietet dadurch immer wieder Angriffspunkte für ein juristisches Vorgehen. Die Firma Callactive, eine Endemol-Tochter, deren Sendungen (derzeit: „Money Express“ auf den MTV-Sendern Viva, Comedy Central und Nick) immer wieder ganz besonders auffällig sind, nutzt ungefähr jeden sich bietenden Vorwand, um rechtlich gegen call-in-tv.de vorzugehen. Und dabei geht es nicht nur um vermeintliche oder tatsächliche Schmähungen, sondern zum Beispiel auch um die Veröffentlichung von Screenshots und Ausschnitten der Sendung.

In der Tat: Die Verrückten von call-in-tv.de bedrohen das Geschäftsmodell von Callactive und MTV Networks. Allerdings meiner Meinung nach nicht durch eventuelle Beleidigungen, sondern dadurch, dass sie die systematischen Verstöße gegen die gerade mit großem Tamtam neu aufgelegten Regeln der Landesmedienanstalten dokumentieren. Dadurch, dass sie zum Beispiel die berüchtigten Fässerrätsel dokumentieren, bei denen sich der Veranstalter, wenn er wollte, zu demselben Spiel täglich eine neue richtige Lösung ausdenken könnte, je nachdem, welche Antworten tatsächlich gegeben wurden. Dadurch, dass sie dokumentieren, wie die Häufung von Anrufern mit falschen Antworten oder ganz ohne Antwort, bestimmten, unerklärlichen Mustern folgt. Dadurch, dass sie sogar zu einem Stimmenvergleich einladen, bei dem man staunen kann, dass einige der angeblich echten Anrufer mit falschen Antworten bei „Money Express“ zwar unterschiedliche Namen, aber ganz ähnliche Stimmen haben.

Callactive, Endemol und MTV Networks haben allen Grund, diese Öffentlichkeit zu fürchten, und meiner Meinung nach ist das — und nicht der Ärger etwa über eine nach wenigen Minuten unaufgefordert gelöschte Äußerung eines Forumsteilnehmers — der Grund für Callactive, massiv juristisch gegen call-in-tv.de vorzugehen. In einem Fall, der gerade in zweiter Instanz verhandelt wird, fordert Callactive immer noch rund 35.000 Euro Strafe von call-in-tv.de. Für mich steht deshalb außer Frage, dass es darum geht, die Kritiker mundtot zu machen, und im Fall von call-in-tv.de hat die Firma Callactive das fast erreicht: Marc Doehler ist am Ende seiner Kräfte, auch finanziell.

Ich fürchte, dass die Firma MTV Networks gut damit leben könnte, wenn der Betreiber eines Forums, das sich kritisch mit einer ihrer Sendungen auseinandersetzt, in den Ruin getrieben wurde. Ich fürchte, dass die Landesmedienanstalten nicht einmal Kenntnis davon nähmen, die schon mit der Verwaltung ihrer Verwaltung fast völlig ausgelastet sind. Und ich fürchte, dass bestimmte deutsche Gerichte auch sagen würden, dass Doehler ja selbst schuld sei: Er müsste ja das Forum nur zumachen und hätte seine Ruhe. Das hat eine bestechende Logik, denn wenn das, was in den „Money Express“-Sendungen und bei der Konkurrenz passiert, wirklich rechtlich bedenklich wäre, hätte es ja längst ein Gericht verboten, da müssen sich besorgte Laien nicht unnötig verausgaben.

Es hilft also alles nichts: Marc Doehler und call-in-tv.de brauchen Geld. Ich bitte Sie deshalb herzlich um Spenden. Es geht ums Prinzip. Und es geht darum, dass Firmen mit einem Geschäftsethos wie Callactive nicht mit allem durchkommen.

CALL-IN-TV.DE
Kontoinhaber: MARC DOEHLER
Konto: 4779072008
Bank: Noris Bank Berlin
Bankleitzahl: 76026000
IBAN: DE35760260004779072008
SWIFT-BIC: NORS DE 71
PayPal: marc.doehler@call-in-tv.de

Weitere Blog-Einträge zum Thema Callactive

Leserstreik bei sueddeutsche.de

Mensch trifft Mensch im Internet — das ist (…) das Prinzip von „sued-café“, der neuen Leser-Lounge von sueddeutsche.de. (…) Online-Communities sind zur sozialen Realität vieler geworden. Hier will sueddeutsche.de neue Akzente setzen. Das Angebot wird stetig weiterentwickelt — deshalb sind wir auf Reaktionen der Nutzer gespannt.

Chefredakteur Hans-Jürgen Jakobs, der diese Zeilen im März schrieb, benutzte sogar das Wort „Debattierclub“ in einem positiven Sinne. Kein Dreivieljahr später kommt dieses Wort für seinen Stellvertreter Bernd Graff nicht nur im Alphabet kurz hinter „Cholera“.

Anstelle eines distinguierten Clubs englischen Stils, mit erlesenem Publikum, geistreichen Gesprächen und Anstand und Sitte, den Jakobs und seine Kollegen sich wohl erträumt hatten, war das Südcafé, oh Pardon: sued-cafe, anscheinend eine ordinäre Kneipe, in der einer große Reden schwingt, einer rülpst, eine Gruppe Betrunkener versaute Lieder grölt, ein Penner immer wieder vor die Tür gesetzt werden muss und ein paar Gäste, die hart im Nehmen sind, sich inmitten des Chaos wunderbar vergnügen und unterhalten.

Aber bei sueddeutsche.de hatte man jetzt keine Lust mehr, immer wieder das Erbrochene wegzuwischen, und machte den Laden lieber dicht. Also, nicht ganz, nur dann, wenn die Leute gern in die Kneipe gehen: nach der Arbeit, abends, auch mal am Wochenende. Auf sueddeutsche.de kann seit vergangener Woche nur noch montags bis freitags von 8 bis 19 Uhr kommentiert werden.

Was für eine Bankrotterklärung. Wäre ihnen diese Community wirklich wichtig, würden sie natürlich einen anderen Weg finden. Fehlt bei sueddeutsche.de das Geld für ein, zwei unterbezahlte Hilfskräfte, die abends ein bisschen moderieren? Oder der Mut, auszuprobieren, ob sich nicht in der Community selber Moderatoren finden, die mithelfen, womöglich sogar kostenlos, weil ihnen an diesem Debattierclub etwas liegt?

Nein: Wer ist überhaupt auf die Idee gekommen, dass der Online-Auftritt der Zeitung, die das Internet für eine der größten Geißeln der Menschheit hält und bei der aus jedem Artikel zum Thema die Verachtung für die wild durcheinanderplappernde Masse sickert, die nicht die Legitimation eines Hausausweises des Süddeutschen Verlages oder wenigstens eines Presseausweises hat, wer ist auf die Schnapsidee gekommen, dass diese Zeitung eine Online-Community haben sollte?

Jetzt spielen sich unter den Artikeln erschütternde Szenen ab: Massenhaft scheinen die aktiven Nutzer in einen Generalstreik getreten zu sein. Diskutiert wird nicht mehr das Thema des jeweiligen Artikels, sondern nur noch die als „Zensur“ empfundene Beschränkung der Diskussion durch sueddeutsche.de. Auf welchen Artikel man auch klickt, überall das gleiche Bild: Nutzerlogos mit „Zensur“-Balken, reichlich Kommentare, die von sueddeutsche.de nicht veröffentlicht wurden, immer wieder der gleiche Protesttext (rechts zum Großklicken als ebenso eindrucksvolles wie typisches Beispiel: sämtliche Kommentare unter einem SZ-Artikel über die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Russland).

Auf den Boykottaufruf hat einer der Moderatoren so geantwortet:

wir haben Ihren Aufruf zum Boykott zur Kentniss genommen. Das ist selbstverständlich Ihr gutes Recht. Wir möchten Sie an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir unseren usern, die diesen Boykott nicht unterstützen, auch weiterhin die Möglichkeit erhalten möchten in Ruhe zu kommentieren. Deshalb wurden von uns auch die ständigen cross-posts und verschiedensten Boykottaufrufe gelöscht.

Wir bitten Sie um Verständnis für diese Politik.

Wie wird es weitergehen?

Wird sueddeutsche.de das sued-cafe entnervt schließen? Wird es zu Verhandlungen kommen über verlängerte Öffnungszeiten? Wird sich das Problem von alleine lösen, weil das Volk (der Mob) weiterzieht zu einem anderen Debattierclub?

Oder wird sueddeutsche.de ein Panel bilden aus, sagen wir, einem Dutzend handverlesener Menschen, die den Ansprüchen der „Süddeutschen Zeitung“ an ihr Publikum genügen und anstelle der Idioten unter den Artikeln der verehrten Journalisten für eine Illusion von Debatte sorgen? Weiß jemand, ob der Süddeutsche Verlag schon wieder eine Stellenanzeige beim Verein der Freunde der deutschen und tschechischen Kultur aufgegeben hat, diesmal vielleicht etwa: „Onlinedienst sucht brave Leser mit Tagesfreizeit“?

[via Sprblck]

Kloppen und klicken

Erstaunliche Zitate hat Thomas Mrazek für die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Journalist“ von den Verantwortlichen führender deutscher Online-Medien eingesammelt. Hans-Jürgen Jakobs, Chefredakteur von sueddeutsche.de, sagt auf die Frage nach den berüchtigten Bildergalerien seines Angebotes:

„Die Bildergalerien sind ein genuines Element des Internets. Wir können hier Geschichten über Bilder erzählen. Mit Klicks kann man sich verschiedene Erfahrungswelten erwandern — das ist Internet.“

(Meine Lieblingswanderung durch die Erfahrungswelten von sueddeutsche.de der vergangenen Monate führt übrigens durch eine Umfrage, die 237 Gründe für Sex ermittelt hat. Auf sueddeutsche.de sind sie vollständig dokumentiert, und raten Sie mal, wie oft Sie klicken müssen, um sie alle zu lesen.)

Der Chef vom Dienst bei sueddeutsche.de, Carsten Matthäus, sagt:

„Es gibt hier nicht die Devise: Macht jetzt Klicks — egal wie. Wir bemühen uns sehr darum, Qualität zu produzieren.“

Ganz ähnlich formuliert es „Spiegel Online“-Chef Mathias Müller von Blumencron:

„Es ist eine Unterstellung, dass uns nicht an Qualität, sondern an Klicks liegt.“

Okay, wenn es nicht um Klicks geht, vielleicht könnte jemand der „Spiegel Online“-Redaktion regelmäßige Betriebsausflüge ins Bordell spendieren? Oder, alternativ, kalte Duschen im Büro installieren?



(Ein interessanter Versuch ist in diesem Zusammenhang auch das Spiel von Lukas, in dem man versuchen muss, Artikel-Überschriften von „Spiegel Online“ und Bild.de der richtigen Quelle zuzuordnen.)

Blumencron kritisiert im „Journalist“ eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung über die Abwege der Onlinemedien. In „Klicks, Quoten, Reizwörter: Wie das Web den Journalismus verändert“ kommen die Journalisten Steffen Range und Roland Schweins u.a. zu folgendem Schluss:

Wie in Trance folgen die meisten Online-Redaktionen dem Leitmedium „Spiegel Online“ und seinem Kanon eines neuen, leichtlebigen, unterhaltenden, tendenziösen Netzjournalismus. Dabei geben die Journalisten ohne Not jahrzehntelang bewährte journalistische Prinzipien preis. Sie begehen Selbstmord aus Angst vor dem Tode. Denn die meisten werden den Internet-Konzernen nicht Paroli bieten können, selbst wenn sie noch so viele Rätsel, Bildergalerien und Telefon-Tarifrechner auflegen. Das Massengeschäft gehört längst Google und den Unterhaltungsportalen.

Blumencron erwidert im „Journalist“:

„Die Autoren haben schlecht recherchiert. Sie haben nie Kontakt mit uns aufgenommen, dabei sind unsere Türen immer offen.“

Er wirft der Untersuchung vor, sich auf veraltete Quellen aus den Jahren 2001 und 2003 zu stützen — zweifellos eine ungerechtfertigte Kritik. Die Autoren reagierten darauf ausgesprochen aufgebracht und fordern in ihrem Blog eine Entschuldigung von Blumencron.

Ich fürchte, die werden sie nicht bekommen. Ich habe Blumencron gefragt, ob er mir ein Beispiel für schlechte Recherche schicken und erklären mag, wie er das mit den veralteten Quellen meint. Statt einer Antwort leitete er er mir eine Mail weiter, die er bei Erscheinen der Studie an die Verfasser und die Stiftung geschickt habe. Darin heißt es u.a.:

[…] Meinen wir, wenn wir von Spiegel Online reden, wirklich dieselbe Web-Site?

In munterer Sprache ziehen Sie über die Online-Redaktionen her und da wir bereits im Vorwort sehr prominent erwähnt werden, kann der Leser gar nicht umhin, Ihre Aussagen auch auf unsere Site zu beziehen. Sie haben uns sogar ein eigenes Kapitel gewidmet, nur frage ich mich: Warum ist keiner von Ihnen während der Recherchen zu Ihrer — immerhin als gewichtige Studie gepriesenen — Ausarbeitung bei uns vorbeigekommen, um sich ein Bild von unserer Arbeit zu machen? Vielleicht hätten Sie dann einen Teil der gravierenden Fehlaussagen vermeiden können, die Ihre Studie kennzeichnen. […].

Sie schreiben, der Leser würde kurze Meldungen den ausgefeilten Analysen, Reportagen und Hintergrundstücken vorziehen – und deshalb würde die Formenvielfalt des klassischen Journalismus bei uns nicht stattfinden. Das Gegenteil ist der Fall – und Sie hätten es leicht an unserem Produkt und unserer Statistik überprüfen können. Gerade auf diese Formen legen wir großen Wert, mehr als die meisten Tageszeitungen. Warum schicken wir sonst Reporter nach Bangla Desh, um vor Ort zu recherchieren, wie die Menschen dort der drohenden Überflutung ihres Landes entgegensehen?

Warum waren wir sofort in Kunduz und haben dort mit Reportagen nicht nur über die Stimmung im Bundeswehr-Lager berichtet, sondern auch als einzige über die von deutschen Medien galant übersehenen afghanischen Opfer des Anschlags? Warum setzen wir ein ganzes Team daran, das Abkassieren der Versorger beim Trinkwasser zu untersuchen, was umgehend zu hektischen Aktivitäten von Kartellwächtern und Politikern führte? (Alles Beispiele aus den vergangenen Tagen).

Warum installieren wir eine feste Korrespondentin in Beirut? Und warum besteht ein Großteil unserer Aufmacher gerade nicht aus News, sondern aus politischer Analyse, aus Autorenstücken, etliche davon von Spiegel-Kollegen? Sind das wirklich die Merkmale eines „zerstreuenden Journalismus“?

Natürlich sind wir noch lange nicht perfekt. Natürlich vergreifen wir uns mal mit einer Headline im Ton. Natürlich liegen wir mal mit einem Thema daneben, wo kommt das nicht vor. Und ja, wir bekennen uns zur Unterhaltung, dafür haben wir ein Ressort Panorama, in dem fünf unserer über sechzig Redakteure arbeiten. Ist das wirklich eine Ressourcenverteilung, die sich am „Primat der Unterhaltung“ orientiert?

Sie schreiben, dass wir unsere Reichweite (die Sie merkwürdigerweise an der Zahl der Klicks messen) krampfhaft mit Bilderstrecken hochtreiben würden — wiederum falsch beobachtet. Die Reichweite — also die Zahl unserer Leser — wird von der Agof und von Allensbach mittlerweile konservativ, aber recht verlässlich ermittelt. Sie hat nichts, aber auch gar nichts mit der Zahl der Klicks zu tun. Auch für das Werbegeschäft sind die meisten Bilderstrecken irrelevant — sie sind schlicht nicht vermarktbar und werden dem Kunden auch nicht als vermarktbare Klicks kommuniziert. Warum leisten wir uns dennoch eine Bildredaktion aus drei Kollegen und bauen ein gemeinsames achtköpfiges Video-Team mit SpiegelTV auf? Weil wir ein visuelles Medium sind und etliche Sachverhalte über Bilder besser deutlich machen können, als mit tausend Worten.

Der schlimmste Vorwurf indes ist jener, dass wir munter die Grenzen zwischen Werbung und Inhalt verwischen. Sie hätten sich überzeugen können: Bei uns sind Vermarktung und Redaktion scharf getrennt, kein Redakteur textet bei uns auch nur eine Zeile im Auftrag eines Werbekunden. Dagegen habe ich selbst Verträge etlicher renommierter Tageszeitungen gesehen, in denen Interviews, Reportagen und Gefälligkeitsdienste für den Kunden ausdrücklich zugesichert wurden. […]

Falls Sie sich also weiterhin mit Spiegel Online befassen wollen — etwa in Ihrem „Blog für Qualitätsjournalismus“ — lade ich Sie nach Hamburg ein. Dort können Sie sich gern davon überzeugen, dass unsere Redaktion kein „Totenschiff“ ist, sondern die derzeit am schnellsten wachsende Qualitätsredaktion in Deutschland, eine hoch motivierte, gut ausgebildete, gut bezahlte und selbstbewusste Mannschaft. […]

Diese Mail ist inzwischen mehrere Monate alt. Ich dokumentiere sie — mit freundlicher Genehmigung von Herrn Blumencron — trotzdem, weil ich glaube, dass die Grundsatzdiskussion interessant und relevant ist. Am Konflikt hat sich ohnehin wenig geändert, und die Schere zwischen der Kritik an den Seiten vermeintlicher Qualitätsmedien und ihrer Selbstdarstellung wird gerade eher noch größer.

Das liegt sicher auch daran, dass wir Kritiker uns manchmal zu sehr in den Bildergalerien und Sexgeschichten verhaken und darüber tatsächliche und fundamentale Qualitätssteigerungen übersehen.

Andererseits: Wie ernst kann man Blumencrons Empörung über den Vorwurf der Vermischung von Werbung und Inhalt nehmen, wenn „Spiegel Online“ seit Jahren nicht gekennzeichnete Werbelinks wie diesen hier innerhalb der redaktionellen Menuleiste anbietet:

Oder versuchen Sie mal, in der fröhlich als „Angebote“ markierten Linksammlung auf der Startseite von „Spiegel Online“ redaktionelle Links, Eigenwerbung und bezahlte Angebote auseinander zu halten:

Diese Mischung ist nicht nur ethisch zweifelhaft, sondern auch juristisch: Das Berliner Kammergericht urteilte im vergangenen Jahr, dass ein Besucher vor dem Klick wissen müsse, ob er auf eine Werbeseite kommt. Müsste das nicht eine Selbstverständlichkeit sein für ein Qualitätsmedium?

Bemerkenswert ist auch, was Martin Rieß, Verkaufsleiter beim „Premiumvermarkter“ Quality Channel (u.a. sueddeutsche.de, „Spiegel Online“) auf dem Medienforum Mittweida gesagt hat. Er wurde angesprochen auf redaktionell gestaltete Seiten, die Werbekunden glücklich machen sollen, so zum Beispiel die berüchtigten Rubriken Sommerreifen-Spezial und Winterreifen-Spezial, die während der Reifenwechselzeiten von Continental gesponsert werden und für die zunächst bei „Spiegel Online„, heute noch bei sueddeutsche.de (pseudo-)journalistische Artikel vom Fließband produziert werden mussten. Rieß sagte:

Rieß: „Die Meßbarkeit im Internet ist Fluch und Segen zugleich. […] Es ist natürlich ein Fluch, weil wir dann sehen, dass beispielsweise drei Tage vor Ablauf des Winterreifenspezials eben noch sehr viel [an Klicks] fehlt, und dann versuchen wir schon mit den Redaktionen, da Möglichkeiten zu finden, noch …“

Moderatorin: „Das würde uns näher interessieren. Das heißt, Sie nehmen dann Einfluss auf die Redaktionen?“

Rieß: „Nein, naja, wir versuchen, ihn zu nehmen. Die Redaktionen sind natürlich, je nachdem, wie selbstbewusst oder stark die sind, in der Lage zu sagen: Ist uns völlig egal, ob das Winterreifenspezial unterliefert oder nicht. Aber wir weisen darauf hin, dass es Probleme gibt, was Leistungserfüllung anbelangt. Und man kann dann natürlich einen Artikel auf die Homepage nehmen oder auch ein bisschen verstecken. Das kann jede Redaktion für sich entscheiden, aber man kann natürlich so steuern, dass sich die Werbekunden da… eher… .“

Hier endet der Satz.

Das ist der Stand der Dinge: Die Online-Medien mischen Werbung und Redaktion und zwingen ihre Leser dazu, dutzendfach zu klicken, um einen einzigen Artikel zu lesen, und empören sich darüber, dass man ihnen vorwirft, Werbung und Redaktion zu mischen und ihre Leser als Klickvieh zu missbrauchen.

Claus Kleber

Ganze Dossiers werden in den nächsten Tagen noch veröffentlicht mit klug und informiert erscheinenden Analysen über die strategischen, politischen und persönlichen Gründe dafür, dass ausgerechnet Claus Kleber neuer Chefredakteur des „Spiegel“ werden soll. Geschrieben werden die allerdings von Leuten, die in den vergangenen Wochen in genauso klug und informiert erscheinenden Analysen dasselbe für jeden Kandidaten außer Claus Kleber getan haben, und deshalb ist diese Erklärung so gut wie ihre:

Es war der Abend des 2. Dezember, im „Spiegel“ brannte noch Licht. Ein paar Strippenzieher saßen beim Wein zusammen, verwarfen Namen und schauten nebenbei, in einer komplizierten Mischung aus Trotz und Selbsthass, den Jahresrückblick „Menschen“ im ZDF, mit Johannes B. Kerner, dessen Talkshow von einer „Spiegel“-Tochter produziert wird. Während sie saßen und tranken, wurde Claus Kleber live aus Moskau zugeschaltet, und er begann mit den Sätzen: „Es ist Mitternacht in Moskau und bitterkalt und eine spannende Nacht.“ Kindlich rein und klar schienen ihnen diese Sätze, so unprätentios wie nichts, das sie je in ihrer Zeitschrift gelesen oder geschrieben hätten. „Das ist ein Riesenland“, fuhr Kleber fort, und als sie sich gerade fragten, ob es vielleicht ein Fehler war, dass sie all die Jahre richtige Verben und sogar Nebensätze benutzt hatten, fügte er hinzu: „Im Osten geht bereits wieder die Sonne auf – so groß ist dieses Land, das Putin heute noch einmal fester unter seine Kontrolle bekommen wollte.“ Das war nun von großer Anschaulichkeit, aber fehlte da nicht ein bisschen die kritische Analyse? Sie fehlte nicht mehr lange, denn Kleber, der nicht hemdsärmlig war wie der Mann, den sie sonst oft auf dem Bildschirm sahen und in ihren Konferenzen, sondern dick in einen Mantel eingepackt war, was ihn noch staatsmännischer aussehen ließ im eisigen Wind, und der, ganz ohne Podest, hinter einem Tisch zu stehen schien und eine Hand lässig darauf ablegte, fuhr fort: „Es ist in einem so riesigen Gebiet auch dann schwierig, eine faire und gerechte Wahl zu machen, wenn man es ernsthaft versucht. Die Frage ist: Ob das heute probiert worden ist. Und es sieht nicht danach aus.“

Das war kritisch und auf den Punkt und doch so ganz anders als diese miesepetrige, zynische, nicht nur immer alles besser wissende, sondern vor allem immer schon alles gewußt habende Haltung, die sie von ihrem Chef und aus ihren Fernsehmagazinen und aus ihrer Illustrierten kannten, die früher einmal ein Nachrichtenmagazin war. Es war weder zynisch noch naiv, sondern auf eine fremde Art pädagogisch und menschenfreundlich.

Und einem der „Spiegel“-Leute fiel plötzlich ein, dass er ein paar Tage zuvor schon gesehen hatte wie dieser Claus Kleber mit Kurt Beck gesprochen hatte, der gerade Olaf Scholz zum Arbeitsminister gemacht hatte und sich augenscheinlich vorgenommen hatte, nicht ganz so offen und zugänglich auf die Fragen zu antworten wie es ein Stück Granit getan hätte. Kleber aber blieb entspannt und fragte mit der freundlichsten Boshaftigkeit, die man sich vorstellen kann: „Sehen Sie verborgene Qualitäten in Olaf Scholz?“ Nachdem der „Spiegel“-Mensch das erzählt hatte, durchzuckte es alle: Sowas wollten sie auch.

Genau so war das.

Und solange die Redaktionskonferenzen nicht vollständig live übertragen werden, sehe ich überhaupt keine Veranlassung, warum der blöde „Spiegel“ seinen Willen bekommen und dieser Mann dem Fernsehen verloren gehen soll.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung