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Brigitte Nielsen

Parodontose. Brigitte Nielsen hat Parodontose. Fiese Parodontose und Zahnverfärbungen, wie eine RTL-Sprecherin sagt, die hinzufügt, dass das ja auch kein Wunder sei, wenn man ihren Lebenswandel kenne.

Wenn sie das gewusst hätten, die CDU-Frauen, die gegen die Ausstrahlung der vierteiligen Reihe „Aus alt mach neu“ demonstriert haben, in der Ärzte und Spezialisten versuchen, mit aufwändigen Um- und Rückbauten den Zustand der, äh, Schauspielerin vom Ende der achtziger Jahre zu rekonstruieren, dann hätten sie stattdessen Fördermittel der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung organisiert. Das, liebe Kinder, passiert, wenn ihr so ein Lotterleben führt wie diese Promis, die ihr für Vorbilder haltet: schlechte Zähne! Und das ist der wahre Grund, warum die Männer im Fernsehen der Nielsen immer so angestrengt auf ihre Brüste schauen: um nicht ihre Zahnfleischentzündung sehen zu müssen.

Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte im Vorfeld hyperventiliert, dass Nielsens Grundrenovierungs-Soap „eine neue Dimension des Reality-Fernsehens“ darstelle. Vermutlich haben die Kollegen sehr lange nicht mehr ferngesehen und zum Beispiel verpasst, wie RTL vor vier Jahren eine Brustvergrößerung live übertrug (kommentiert von Markus Lanz, der heute beim ZDF ist). Nein, auf Bekenntnisse zu Schönheits-OPs, Sex- und Drogen-Exzessen kann sich heute kein Prominenter mehr ausruhen. Zahnfleischbluten ist das letzte Tabu. Was wir brauchen, sind mehr prominente Menschen wie Brigitte Nielsen, die sich gemeinsam hinstellen und auf einem „Stern“-Cover (jeder mit einem angebissenen grünen Apfel in der Hand) mutig zugeben: Ja, wir haben Parodontose.

Niedlich auch, dass die CDU-Frauen zu glauben scheinen, dass die Reduzierung von Brigitte Nielsen auf ein „sanierungsbedürftiges Bauwerk“ Schönheitsoperationen für junge Mädchen attraktiv erscheinen lassen könnten. Das klingt nicht ganz so, wenn die RTL-Sprecherin beschreibt, dass die Eingriffe bei der vom Arzt als „vorzeitig gealterten“ beschriebenen 44-Jährigen teilweise nicht nur kosmetischer Natur, sondern auch medizinisch notwendig seien: Nach 18 Jahren hätten zum Beispiel bei den Brustimplantaten der Nielsen „nicht schöne Verwachsungen stattgefunden“.

OP-Aufnahmen will RTL nicht zeigen. Für Kinder oder zarte Gemüter ist die Reihe dennoch nichts: Der Sender schließt nicht aus, Großaufnahmen der Gesichter von Nielsens zweitem Ehemann Silvester Stallone und womöglich sogar seiner Mutter zu zeigen.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Matze Knop

Gut, man kann natürlich nicht eine ganze Europameisterschaft nur wegen Matze Knop absagen. Schon weil sich auch die Fußball- und Fernsehwelt nicht erpressbar machen darf. Aber hätte man nicht, auch im Sinne Barack Obamas, wenigstens sprechen müssen mit ihm, ohne Vorbedingungen? Vielleicht hätte Knop sich ja doch auf einen Handel eingelassen, irgendeinen Deal im Ausgleich für die Zusage, wenigstens an einzelnen Tagen während dieser EM nicht mit einer lustigen Fußballerparodie aufzutreten.

Am 24. Januar 2008 hatte Knop nach eineinhalb Jahren relativer Medienabstinenz in einer Presseerklärung bekannt gegeben, „wieder in die Rolle des Kaisers“ zu schlüpfen. In „guter alter Tradition“ werde er an der Seite von Oliver Pocher Franz Beckenbauer spielen – eine Formulierung, in deren Zynismus sich die ganze Skrupellosigkeit der Branche audrückt. Die Ankündigung stand, nicht zufällig, am Anfang dieses EM-Jahres, und nun ist er überall, der Matze Knop als Beckenbauer.

Es ist, zugegeben, nicht seine schlechteste Nummer – aber das ist natürlich eine Formulierung, die bei jemandem, der als „Supa Richie“ bekannt wurde, vergleichsweise wenig Aussagekraft hat. Er hat sich diverse Sprech-Marotten, die man für die von Franz Beckenbauer halten kann, so sehr angeeignet, dass er schnell und spontan reagieren kann, ohne aus der Rolle zu fallen. Das Problem ist nur, dass der Witz (wenn wir ihn mal der Einfachheit so nennen wollen), allein aus diesen Marotten besteht: Guck mal, da ist wieder dieser Mann, der so tut, als wäre er Beckenbauer. Irgendeine wechselnde Idee darüber hinaus gibt es nicht. Das ist von großer Einfalt – und wird gerade endlos vervielfältigt. (Klar, vermutlich wird es bis zur WM 2010 wieder dünn im Auftragsbuch von Matze Knop, da muss man mitnehmen, was man kann.)

Aber war Parodie nicht mal so etwas wie Notwehr? Ein Ventil? Ausgleich und kleine Rache für die Omnipräsenz und Nervigkeit der prominenten Fernseh- und Fußballfiguren? Irgendetwas muss schiefgelaufen sein, wenn plötzlich die Parodien allgegenwärtiger und nerviger sind als das Original – und man sich schon deshalb über jede echte Pressekonferenz der Nationalmannschaft freut, ganz ungebrochen, unironisch.

Denn der Witz der Parodien ist längst auf eine Meta-Meta-Ebene geflohen: Ist das lustig, wie Harald Schmidt Oliver Pocher sagt, dass seine Jogi-Löw-Parodie miserabel ist. Vielleicht hätte man die EM doch absagen müssen.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Ina Müller

Und plötzlich, wie ist aus dem Nichts, ist sie ein Fernsehstar.

Das stimmt natürlich gar nicht. Erstens steht Ina Müller seit fast fünfzehn Jahren auf der Bühne, spielt Kabarett und singt. Und zweitens ist sie noch kein Fernsehstar, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass sie vor einem Millionenpublikum die Showtreppe herunterkommt. Aber mit einem Mal ist sie überall. Sitzt bei Kerner und in „Zimmer frei“, moderiert im NDR-Fernsehen Sendungen wie „Inas Norden“ und „Land und Liebe“ und seit letztem Jahr sogar eine eigene Late-Night-Show. In einer engen Kneipe am Hamburger Hafen empfängt sie Gäste und singt und trinkt mit ihnen und schafft es regelmäßig, die Atmosphäre eines wunderbar ausgelassenen Abends zu schaffen, bei dem man am nächsten Tag das Gefühl hat, dass der Alkohol nicht unwesentlich zum Gelingen beitrug, aber nicht nur im negativen Sinne. Denn neben all der ungebremsten Albernheit gibt es darin besondere Momente, vor allem wenn die Gäste gemeinsam musizieren und man allen Beteiligten anmerkt, dass das der Grund ist, warum sie Künstler geworden sind: dieses Glück, mit anderen Menschen zusammen zu spielen. Und plötzlich passiert es, und man fragt sich, warum darauf nicht vorher schon jemand gekommen ist: Diese tolle Frau in eine winzige Kneipe auf St. Pauli zu stellen, mit Annett Louisan zu singen und sich von einem Wildecker Herzbuben live auf der Trompete begleiten zu lassen, während ein Shanty-Chor vor dem Fenster auf seinen Einsatz wartet. Es sind Kombinationen, die es nur gibt, weil das Fernsehen da ist, bei denen aber keiner wirkt, als macht er das fürs Fernsehen.

Man kann den Zauber von Ina Müller schlecht beschreiben, ohne das abgegriffene A-Wort zu benutzen: Authentizität. Sie hat eine jahrelang auf der Bühne geschulte Natürlichkeit, und auch wenn man weiß, dass ihre Antworten, die sie bei Kerner auf die elende Frage gibt, ob sie, als Frau über 40, denn keiner Kinder will, aus ihrem Bühnenprogramm stammen, ändert das nichts daran, dass man ihr jedes Wort glaubt. Unverstellt und unkalkuliert wirkt sie, und unverkrampft besonders. Und bei aller lauten Energie und sichtbaren Lust, als Entertainerin auf der Bühne und vor der Kamera zu stehen, scheint sie merkwürdig entspannt und ohne jeden Druck, sich zu produzieren.

In der Sendung am Freitag hat sie mit Ingo Pohlmann „Wenn jetzt Sommer wär“ gesungen, nur begleitet von der Gitarre und einem Cellisten, die meiste Zeit war sie nicht einmal im Bild, und es war kleines Fernsehen, so groß, wie es das Große ungefähr nie hinbekommt.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Polylux

Auf Erstaunen stieß bei vielen die Entscheidung des RBB, in seinem Sparzwang ausgerechnet „Polylux“ einzustellen: Das sei doch für den RBB eine imageprägende Sendung. Dabei ist das nun wirklich der beste Grund für einen Sender, „Polylux“ einzustellen.

Am besten funktionierte „Polylux“ zuletzt als Maßeinheit für verspätet entdeckte Zeitgeistthemen. Sie entspricht dem ungefähr doppelten Abstand zwischen einem tatsächlichem Trend und seinem Auftauchen im Fernsehen, funktioniert aber auch als Gradmesser, um das Ende eines Trends zu bestimmen: „Ist XY eigentlich noch angesagt oder hat ‚Polylux‘ schon was drüber gemacht?“

Diese Woche unternahm das Magazin den Versuch, den Hype um „Sex and the City“ zu erklären. Nun ist es eigentlich nicht so schwer, einen Gesellschaftstrend von Film-PR zu unterscheiden, aber die „Polylux“-Leute fahndeten unbeirrt nach Experten, die ihnen das plötzliche Interesse an diesen Frauen erklärten. Sie fragten die Schauspielerinnen am roten Teppich, Menschen auf der Straße und Irina von Bentheim, die deutsche Stimme von Carrie Bradshaw, die in diesem Zusammenhang erst 387.100 Mal gefragt wurde. „Vor ‚Sex and the City‘ haben Frauen nicht so offen ihren Dildo oder Vibrator auf den Tisch gelegt“, sagte die brav, und selbst wenn das stimmen sollte: „Vor ‚Sex and the City'“ bedeutet in Deutschland vor 2001. „Polylux“ hatte sogar noch eine Gegnerin aufgetrieben, die Botschaft der Serie „gefährlich“ fand. Sehen Sie nächste Woche in „Polylux“: Wie der Erfolg der „Golden Girls“ gerade das Bild älterer Frauen verändert.

„Polylux“ hat es in elf Jahren nicht geschafft, sich neu zu erfinden, was für ein solches Magazin schon einiges aussagt. Gut, es gab halt jede Woche irgendeine neue Sache, die junge Menschen machten: dichten, tanzen, Drogen nehmen, keine Drogen nehmen, und alles ließ sich abfilmen, bunt zusammenschneiden und mit Texten versehen, die man bald auswenig mitsprechen konnte. Man muss den aufgeregten Gesichtsausdruck von Moderatorin Tita von Hardenberg gesehen haben, wenn sie den „Fightclub“ ansagt — ein langes und sehr vorhersagbares „Pro und Contra“, das es der Sendung ermöglicht, keine Stellung beziehen zu müssen — um zu wissen, dass irgendwann in diesen zwölf Jahren etwas schrecklich schief gelaufen sein muss.

Der „Sex and the City“-Beitrag endete mit den Worten: „Die Emanzipation haben sie also nicht gerade erfunden. Aber vielleicht wollten die ‚Sex and the City‘-Mädels das auch gar nicht. Also, Mädels, schnallt euch die High-Heels unter, und ab ins Kino.“ Vielleicht war das schon eine Bewerbung für „Brisant“ und das Sat.1-Frühstücksfernsehen.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Panorama

Wenn sie schlau sind, die Lobbyisten der Verlage und Privatsender, stellen sie ihre eigene PR-Arbeit im Kampf für Beschränkungen öffentlich-rechtlicher Aktivitäten im Internet ein und überlassen sie vollständig den Fernsehmachern der ARD.

Nachdem Thomas Leif, der Chefreporter des Südwestrundfunks, vor zwei Wochen eine große, nein: lange Dokumentation zum Thema gemacht hat, die man wohlwollend als kontraproduktiv bezeichnen kann, übernahmen jetzt die Kollegen vom NDR-Magazin „Panorama“. Es ging eigentlich um die Frage, wie lange und unter welchen Bedingungen ARD und ZDF in Zukunft ihre Filme im Internet zeigen dürfen. Aber man kann es den Zuschauern nicht übel nehmen, die im Forum zur Sendung hinterher davon sprachen, das, was Verleger und Politik vorhätten, sei ja eine Art „Bücherverbrennung“. Tatsächlich taten die Autoren Britta von der Heide und Dietmar Schiffermüller immer wieder so, als gehe es nicht um Ausstrahlungsrechte, sondern die Vernichtung von Material: „Käme das neue Rundfunkgesetz, müssten diese Szenen im Extremfall gelöscht werden.“ Oder: „Dieser ‚Panorama‘-Klassiker müsste nach dem neuen Gesetz, wenn es in aller Schärfe umgesetzt würde, wohl gelöscht werden.“

Ungefähr jeder Satz war irreführend. Moderatorin Anja Reschke prahlte von den „echten Schätzen“, den „Zeitdokumenten“ und „Klassikern“, die sich im „Panorama“-Online-Archiv finden ließen: „wir senden seit 47 Jahren!“ – dabei ist das älteste Online-Dokument von 1996.

Ähnlich erschreckend wie die Bereitschaft zur Manipulation war die Wahl der Mittel: Grobschlächtig wie eine „Aktuelle Kamera“ pries „Panorama“ sich endlos selbst für seine wunderbare, unvergleichliche, unersetzliche Panoramahaftigkeit im selbstlosen Einsatz für das Lebensglück der Zuschauer. In einem von drei Ausschnitten aus älteren Sendungen war Helmut Kohl zu sehen, wie er zu einem Reporter sagt: „‚Panorama‘? Das hat doch mit Journalismus nichts zu tun.“ Es ist an dieser Stelle nicht ganz leicht, ihm zu widersprechen.

ARD und ZDF haben gute Argumente gegen viele Forderungen ihrer privaten Konkurrenz; Forderungen, die nur kommerziellen Interesse dienen und nicht der Allgemeinheit. Vielleicht ist die beschämendste Erkenntnis aus der ARD-Propaganda die: Dass die Verantwortlichen offenkundig nicht an die Kraft der Argumente und den Wert des seriösen Journalismus glauben, deren Garant sie sein sollen und als deren Aushängeschilder sich gerade Thomas Leif und die Leute von „Panorama“ gerne profilieren. Es ist – gerade für diejenigen, die sich starke Öffentlich-Rechtliche auch im Internet wünschen – zum Heulen.

Wenn sie schlau sind, die Lobbyisten der Verlage und Privatsender, sorgen sie dafür, dass zumindest dieser „Panorama“-Beitrag für alle Zeiten im Internet zu finden sein wird.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Natascha Zuraw

Das merkwürdige an vielen Fernsehsendungen heute ist, dass sie sich nicht von ihrer eigenen Parodie unterscheiden lassen. Schalten Sie mal kommende Woche um kurz vor drei RTL ein und schauen sich unbefangen den Vorspann zu „Natascha Zuraw“ an. Diese Moderatorin, die sich da in eine Pose stellt, die vermutlich nachdenklich aussehen soll, aber wirkt, als habe ihr jemand gerade zugerufen: „Ich sag’s zum letzten Mal, Natascha, Hand unters Kinn, Natascha, UNTERS KINN, daskanndochnichtsoschwersein“ – ist das eine richtige Moderatorin oder eine Figur von Anke Engelke? Dieses Arrangement, wie sie erst den Kopf wirft, um die Haare fliegen zu lassen, dann angestrengt kritisch nach unten in die Kamera guckt und schließlich ungelenk in ihren Karten blättert – ist das der Vorspann für eine richtige Talkshow oder die satirische Variante von „Switch“? Jede Wette: Wenn Sie nicht wissen, dass das ernst gemeint ist – Sie kommen nicht drauf.

Ein anderes lustiges Spiel, das man mit „Natascha Zuraw“ machen kann, geht so: Machen Sie die Augen zu und versuchen Sie zu erraten, wer von den Leuten, die Sie da hören, wie sie sich in ihren halbgaren Gedanken und Sätzen verheddern, die Moderatorin ist. Ja, das ist nicht leicht.

Alternativ kann man mit Freunden auch eine Wettparty machen und am Anfang jeder Gesprächsrunde vorhersagen: Wer wird die besseren Argumente haben? Die 17-jährige, die sagt, sie haut jedem, der ihr blöd kommt, in die Fresse? Oder die Moderatorin der Sendung? (Kleiner Tipp: Nie auf die Moderatorin setzen. Auf die Frage, ob es nicht klüger sei, mit Worten zu reagieren, erwidert die Schlägerin überzeugend: Die Zeit, in der sie redete, würde ihr Gegenüber nutzen, um ihr gleich mal eine zu schallern. Immerhin fügt sie später hinzu, dass sie das Zuschlagen meist hinterher bereut, was Frau Zuraw mit größter Erleichterung zur Kenntnis nimmt: Dann könne sie beruhigt schlafen.)

Am Freitag war Werner, 62, zu Gast. Anmoderiert wird er mit den Worten: „Röstfrisch müssen die Mädels sein. Werner sagt: Je jünger, desto besser.“ Der alte Mann erklärt seine sexuelle Vorliebe damit, dass die Haut da noch „schön frisch und stramm“ sei, und Apfelsinen seien ja auch besser frisch aus dem Supermarkt als nach einer Woche rumliegen lassen. So ein junges Mädchen sei „williger“ und „macht, was man sagt“. „Das reizt mich einfach, das Junge dabei“, sagt Werner. „Das kann ich verstehen“, sagt Natascha. „So’n junges Schmusedeckchen, das ist doch was“, sagt Werner. „Das lass ich mal so im Raum stehen“, sagt Natascha.

Wenn das keine Parodie ist, lässt es sich jedenfalls nicht parodieren.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Die Sendungen von „Natascha Zuraw“ sind kostenlos bei RTLnow verfügbar.

Lindenstraße

Das Beste an der „Lindenstraße“ ist, dass sie sich auch Leute mit langsamsten Internetverbindungen problemlos online ansehen können. Die Inszenierung ist so statisch, dass man zeitweise genau hingucken muss, um zu erkennen, dass es sich wirklich um einen Film handelt, und nicht um eine vertonte Diashow. Und die Charaktereigenschaften der Figuren sind ohnehin so grob und starr gezeichnet, dass sie sich noch in der kleinsten Auflösung gut erkennen lassen.

Heute heiraten jedenfalls Tanja und Suzanne. Das ist nicht mehr so ein politisches Spektakel wie die Hochzeit von Carsten und Theo 1997, als Hella von Sinnen vorbeikam, aber persönlich für die beiden doch ein großer Schritt, für Tanja vor allem. Tanja? Sie wissen schon: Die, deren Mutter Selbstmord begangen hat, deren Schwester an Leukämie gestorben ist und deren Vater betrunken auf der Straße erfor. Die, die erst das Geschäft mit Sex, dann die Esoterik entdeckt hat, sich erst in den 200 Jahre älteren Doktor Dressler, dann in die drogenabhängige Sonia verliebt hat (die dann quasi von Dressler umgebracht wird). Die, die sich scheiden ließ, in ihrer Wohnung über Monate von Webcams gefilmt und im Internet ausgestellt wurde, sich in die damals noch heterosexuelle Suzanne verliebte, mit ihr im Ausland eine Spermaspende bestellt, durch künstliche Befruchtung ein Kind bekommen und die Wohnung durch einen Hausbrand durch einen Adventskranz verloren hat … genau: die Tanja.

Das ist, andererseits, schwer irreführend, den Lebenslauf einer solchen typischen „Lindenstraßen“-Figur zu wenigen Zeilen zu raffen, denn in Wahrheit hat sich über all die Jahre natürlich exakt nichts verändert. Was nicht nur am Personal liegt (Sybille Waury spielt die Tanja seit 1168 Folgen und über 22 Jahren). Es ist vor allem immer noch die gleiche linke Spießigkeit, die durch alle Poren dieser Serie sickert, das gut gemeinte Aufklärungsfernsehen von Hans W. Geißendörfer, in dem ununterbrochen wichtige Themen behandelt werden, jeder Handlungsstrang eine Botschaft hat und der erhobene Zeigefinger schon fest in alle Bühnenbilder eingebaut ist. Die „Lindenstraße“ ist in einem fast beunruhigenden Maße betulich und berechenbar, bieder und banal – eigentlich alles, was mit „B“ anfängt, sogar: beliebt. Die Quoten sinken zwar kontinuierlich, und Geißendörfers vor ewigen Zeiten gegebenes Versprechen, aufzuhören, wenn es deutlich weniger als sechs Millionen Zuschauer sind, ist graue Geschichte. Aber ausgerechnet bei den jungen Leuten, die sonst alles verschmähen, was ARD und ZDF für sie produzieren, selbst die richtig schönen Sachen, holt die „Lindenstraße“ immer noch sehr ordentliche Quoten.

Vielleicht versetzt sie sie in einen tiefen, erholsamen, von bizarren Träumen erfüllten und süchtig machenden Halbstundenschlaf. Anders kann ich es mir nicht erklären.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Uschi Glas

Sie hat Arschloch gesagt. Uschi Glas hat Arschloch gesagt. Ganz oft. Gut, das stimmt nicht, sie hat es nur einmal gesagt, aber das ZDF hat es immer wieder gezeigt. Und ein Sprecher erklärte aus dem Off: „Uschi Glas – charmant wie immer, überraschend wie nie.“ Fast wirkte es, als wolle das ZDF seine neue Serie „Zur Sache, Lena“ verkaufen als „Die Serie, in der Uschi Glas Arschloch sagt“.

Hat sie dann ja auch. War aber ein bisschen enttäuschend.

Es war kein Wutausbruch, kein plötzliches Aufbrechen der Emotionen, bei dem man vor dem Fernseher sitzt und mitgeht und innerlich „Yessss!“ sagt oder etwas Ähnliches. Sie ist nicht einmal aus ihrer Rolle gefallen. Im Gegenteil: Sie ist Uschi Glas geblieben. Die Lena sah aus wie Uschi Glas, die etwas sagt, von dem sie weiß, dass die Leute es nicht von ihr erwarten: ein bisschen angestrengt, konzentriert und sehr geplant.

Und so sind die Zeiten dann auch nicht mehr und das Verhältnis der Nation zu Uschi Glas, dass das schon reichen würde, uns zu schocken. (Nur die „Bild“ konnte es nicht fassen, dass die Lena sich in einer Szene übergibt, und schrieb darüber mit unfreiwilliger Komik: „Uschi Glas bricht mit ihrer Vergangenheit.“) Aber wie schön wäre das wirklich gewesen: Eine Serie mit einer unbekannten, ganz anderen Uschi Glas. Die Chance wäre da – gerade (so uncharmant das klingen mag) in ihrem Alter jetzt. Eine fiese ältere Frau könnte sie spielen, die ihren Charme skrupellos einsetzt. Sie könnte gerissen sein statt patent, böse statt gutherzig, verrückt statt vernünftig. Aber richtig verrückt, nicht so Heute-nehm-ich-mir-den-Vormittag-mal-frei-verrückt.

Das wäre auch deshalb wichtig, weil es inzwischen eines ziemlichen Kraftaktes bedarf, in das Gesicht von Uschi Glas zu schauen und dort die Rolle zu sehen und nicht die Frau, die von ihrem Mann auf besonders demütigende und öffentliche Weise verlassen wurde, oder die Frau, die im Home-Shopping-Sender steht und vor Gericht für den guten Ruf ihrer Faltencreme kämpft.

Aber das war wohl nicht gewollt. Es sollte alles sein wie immer. Nur schlechter. Beeindruckend ungelenk wird die Geschichte etabliert. Obwohl ohnehin jeder weiß, was als Nächstes passiert, und die Figuren aufs Karikaturenhafteste gezeichnet sind, wurden sicherheitshalber überall große virtuelle Hinweisschilder in die Gegend gestellt. Und die Schauspieler scheinen sich dem Holzschnittcharakter des Ganzen aufopferungsvoll unterworfen zu haben. Irgendwann fiel mir nämlich ein, woran mich ihre Gestik und Mimik erinnerte: die Augsburger Puppenkiste.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Die erste Folge von „Zur Sache, Lena“ in der ZDF-Mediathek

Thomas Hornauer

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

„Wir sind kein Fernsehsender“, sagt der Mann auf dem Bildschirm, „wir sind ein Telekolleg für das Wassermannzeitalter. Und jeder, der zuschaut, muss zugucken, kann nicht wegschalten.“

Schwer zu sagen, ob das schon ein Beweis für die tiefe spirituelle Kraft dieses Mannes ist, aber: Er hat Recht. Fassungslos sitzt man da und wartet, dass etwas passiert. Dass der Mann endlich diese lächerliche Fisselhaarperücke abnimmt, diese abwegige Brille, das ungelenk-gefährliche Grinsen, und sich als Oliver Kalkofe zu erkennen gibt. Dass die Betreuer hereinkommen, schimpfen, die Tabletten verteilen und die Patienten sachte aus dem Studio schieben. Meistens ist aber alles, was passiert, dass wieder jemand durchgestellt wird, der sich für zwei Euro die Minute die Zukunft vorhersagen oder in ein langes, sinnloses Gespräch verwickeln lässt.

Der Mann mit den Fisselhaaren ist Thomas Hornauer, und am ehesten ist er wohl vergleichbar mit den traurigen wirren Monologisierern, die entweder in der Mitte der Fußgängerzone zur Welt predigen oder am Rand der Fußgängerzone zu ihrem Bier. Nur dass Hornauer seine Thesen per Satellit millionenfach verbreitet. „Kanal Telemedial ist bewusstseinserweiternd“, sagt er und klärt in breitem schwäbischen Dialekt auf über die Gefahren der Homosexualität: „Wenn du das Ding an der falschen Stelle reinsteckt, dann isses um.“ Lesen ist nicht seine Stärke, aber Reden, Gucken, Charisma ausstrahlen auch nicht. Richtig gut ist er nur im peinliche Momente entstehen lassen und Geld verdienen. Einem Hartz-IV-Empfänger, der verzweifelt klingt, nicht zuletzt darüber, dass er das wenige Geld nun für den Anruf bei diesem Scharlatan ausgibt, sagt er kalt, man habe halt kein Helfersyndrom und wirft ihn schließlich aus der Leitung.

„Energieausgleich? Zeigen Sie uns ihre Wertschätzung“, steht auf dem Bildschirm; Energie kann man offenbar nicht zurückschicken, aber Geld, auch ganz leicht per Telefon: Ein Anruf zehn Euro oder mehr. Seit Jahren macht Hornauer ähnliche Geschäfte, fällt durch Verbindungen zu sektenähnlichen Gruppen auf oder dadurch, dass er die Mitarbeiter des baden-württembergischen Senders B.TV, der ihm eine Weile gehörte, rufen lässt: „Du bist unser Herrscher. Du bist unser Retter.“

Und nun ist möglicherweise seine Lizenz bedroht, die aus Österreich kommt, aber auch das wird er wieder überstehen. Was einem bleibt ist nur die Hoffnung, dass das Karma irgendwann mal nachschaut, wie weit dieser Mann sein Konto bei ihm überzogen hat, und mit aller Macht zurückschlägt.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

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Hillary Clinton

Plädoyer für die Zicke. Die Regeln der Medien sind grausam: Warum Obama nur gewinnen und Hillary Clinton nur verlieren kann.

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Ist denn niemand für Hillary? Warten alle nur darauf, dass sie endlich aufgibt? Oder ist es fast schöner, sie noch länger verlieren zu sehen, Vorwahl um Vorwahl, noch ein bisschen zu rechnen, wie aussichtslos ihr Kampf längst ist, noch ein bisschen zu lästern, über den Einsatz ihres Mannes, noch ein bisschen zu zeigen, wie hinter ihr im Publikum immer ältere Leute stehen, während bei Barack Obama die Jugend, die Zukunft ist?

Fast möchte man schon deshalb für Hillary Clinton sein, um gerade nicht Teil dieser erstaunlichen Welle zu sein, von der Obama getragen wird. Und auch, um sich den Mechanismen der Medien zu widersetzen, die einen wesentlichen Anteil daran haben, dass alles gegen Hillary Clinton zu sprechen scheint.

Ganz einig sind sie sich noch nicht, ob der richtige Fachausdruck nun „Obamomentum“ oder „Obamentum“ ist. Aber dass man über den Siegeszug von Barack Obama nicht reden kann, ohne das Phänomen des „Momentums“ zu beschreiben, steht außer Frage. Das Faszinierende an diesem Phänomen ist, dass es schon dadurch entsteht, dass man seine Existenz behauptet.

Einen äußeren Anlass braucht es auch, und bei Barack Obama war einer der wichtigsten der Sieg bei den ersten Vorwahlen in Iowa. Zu gewinnen gab es dort zwar kaum Wahlmänner, aber eben: Momentum, und schon am Wahlabend konnte man zum Beispiel auf CNN sehen, wie der Schwung entsteht, den ein Kandidat angeblich durch eine solche symbolische Wahl bekommt: dadurch, dass Dutzende Kommentatoren, Moderatoren, Experten und Korrespondenten den ganzen Abend behaupten, dass dieser Sieg dem Kandidaten diesen Schwung bescheren werde.

Menschen sind eher bereit, sich zu Siegern zu bekennen. Diese Wirkung wird durch die Medien — insbesondere in einem Biotop wie der amerikanischen Vorwahl, in dem aus sehr begrenztem Material unendliche Mengen content produzieren werden müssen – so massiv verstärkt, dass sich ein Rückkopplungseffekt einstellt, der alles überlagert. Am Ende ist es egal, ob es ursprünglich wirklich ein Momentum gab: Wenn die Medien der Meinung sind, es gebe einen solchen Schwung, und das oft genug beteuern, wird es ihn auch geben.

Es gibt eine Reihe solcher sich selbst verstärkenden Effekte in diesem Vorwahlkampf, und fast alle funktionieren zugunsten von Obama. Da ist etwa die Frage, ob die Superdelegierten, die nicht durch das Votum in den Bundesstaaten gebunden sind, einen wachsenden Druck verspüren, massenhaft zu Obama überzulaufen – weil es den Wählern schwer zu vermitteln wäre, wenn sie anders stimmten als das Fußvolk. Vermutlich gab es tatsächlich, bevor auch nur ein einziges Medium diesen Gedanken formulierte, Superdelegierte, die diesen Druck verspürten. Aber so richtig entstand dieser Druck natürlich erst dadurch, dass die Medien die Frage breit diskutierten, ob es diesen Druck gebe. (Ohnehin wird in solchen Debatten gerne so getan, als gebe es eine faktische überwältigende Stimmenmehrheit und nicht nur eine wachsende, aber immer noch knappe Mehrheit – plus ein gewaltiges Momentum, natürlich.)

Die Erzählstruktur, die Dramaturgie und Rollenverteilung haben sich inzwischen so verfestigt, dass selbst Hillary Clintons Erfolge entsprechend umgedeutet werden. Sie bekam vorige Woche viel Applaus für eine Bemerkung am Ende einer Fernsehdebatte: Was immer geschehe, ihnen beiden, ihr und Barack Obama, werde es gutgehen – die Frage, um die es wirklich gehe, sei, ob es Amerika gutgehen werde. Das allgemeine Lob für diesen Moment wurde schnell vergiftet, als die ersten Kommentatoren fragten, ob das nicht ein guter Satz wäre, sich mit Würde aus dem Rennen zu verabschieden.

Der Aufstieg Obamas vom Außenseiter zum Favoriten beruht natürlich nicht ausschließlich darauf, dass ihn die Regeln begünstigen, nach denen Medien aus Entwicklungen Theaterstücke machen und aus Ereignissen Szenen darin. Obama reflektiert das echte Bedürfnis vieler Amerikaner nach einer anderen Art von Präsidenten. Und so wie sein sicheres Auftreten viele Beobachter überrascht hat, so katastrophal waren viele Fehler, die Clintons Kampagne machte. Dass die Dramaturgie in diesem Maße gegen sie spricht, ist auch ihre eigene Schuld. Sie hat versucht, die Rolle der unvermeidlichen Kandidatin zu spielen. Das hätte funktionieren und alle anderen Mitbewerber marginalisieren können. Aber schon ein einziges Ergebnis wie das in Iowa reichte aus, dieses Rollenbild als unrealistisch zu entlarven – und ihre Wunschdramaturgie zu vernichten. Fortan war Obama immer in der leichteren, attraktiveren Position: der des Herausforderers, des Underdogs, desjenigen, der aufholt. Obama konnte nur gewinnen, Clinton nur verlieren. Jeder Sieg für ihn war ein vernichtender Schlag gegen sie. Jeder Sieg für sie war das eigentlich normale Ergebnis, über das er sich nicht grämen musste.

Erstaunlicherweise hat sich diese Lesart bis heute erhalten – obwohl Obama jetzt in jeder Hinsicht führt. Clinton muss unbedingt Punkte machen, und er gewinnt schon, wenn sie ihn nicht vernichtend schlägt. Sie muss ackern, er nichts tun, außer gelegentlich ihre Angriffe abzuwehren – oder abtropfen zu lassen.

Ihre Behauptung, dass sie, im Gegensatz zu ihm, genug Erfahrung mitbringe, um vom ersten Tag der Amtszeit an das Land führen zu können, macht sie angreifbar. Schon der kleinste Fehler, wie das Stolpern über den Namen des nächsten russischen Präsidenten, genügt scheinbar als Beweis dafür, dass es mit dieser Behauptung nicht so weit her sein kann. Sie muss ihre behaupteten Qualitäten jederzeit beweisen. Ihm reicht es, wenn er gelegentlich kompetenter ist, als sie ihm unterstellt. (Und, keine Frage: Das gelingt ihm regelmäßig.)

Selbst wenn man all diese Regeln kennt, nach denen Medien funktionieren, und die Rollen identifiziert hat, die die Kandidaten spielen oder zugeschrieben bekommen haben (und wer wie Obama gleichermaßen mit John F. Kennedy und Ronald Reagan verglichen wird, hat fast schon gewonnen), selbst dann ist es erstaunlich, mit wie viel Häme die Kommentatoren jeden Fehler, jede Niederlage Clintons kommentieren.

Wie tragisch ist das für sie: In jedem anderen Wahlkampf hätte sie, schon weil sie eine Frau ist, als Symbol für den Wandel, für einen radikalen Wandel Amerikas gegolten. Außer natürlich im Wettbewerb mit einem Schwarzen. Wenn Clinton öffentlich davon spricht, wie sehr ihre Wahl auch bedeuten würde, dass eine Frau die „gläserne Decke“ durchbräche, erntet sie angesichts ihres Gegners und der ungleich größeren Revolution, die seine Wahl darstellen würde, vor allem Spott – was ebenso nachvollziehbar wie ungerecht ist.

Betrachtet man die Kandidatenkür der Demokraten als Wettstreit zwischen zwei Vertretern unterrepräsentierter sozialer Gruppen, ist Hillary Clinton ebenfalls im Nachteil: Jedes auch nur annähernd rassistische Argumentationsmuster ist ein starkes Tabu; sexistische Äußerungen dagegen gelten nur als nicht besonders fair – die Unzulässigkeit von solchen Sprüchen wie dem des rechten Radio-Mannes Rush Limbaugh, Amerika sei noch nicht bereit, zuzusehen, wie sein Präsident vor ihren Augen „sich in eine alte Frau verwandelt“, lässt sich verlachen.

Es muss eine besondere Genugtuung gewesen sein für Hillary Clinton, nach all den (teils selbst verschuldeten) Zumutungen durch die Medien, dass sich am vergangenen Wochenende wenigstens die traditionsreiche Comedysendung „Saturday Night Live“ auf ihre Seite schlug -– und über den merkwürdig unterschiedlichen Umgang mit den beiden Kandidaten mokierte. In einem ebenso lustigen wie offensichtlich ernst gemeinten Monolog brach Moderatorin Tina Fey eine Lanze für Clinton. Sie mokierte sich über die scheinbare Angst der Amerikaner, mit Hillary gleichzeitig einen Co-Präsidenten Bill Clinton zu wählen, und kommentierte ironisch: „Ja, das wäre furchtbar: Zwei intelligente, qualifizierte Menschen zu haben, die gemeinsam daran arbeiten, Probleme zu lösen. Warum sollte Starsky mit Hutch reden? Ich will die Show ,Starsky‘ sehen!“ Dann schwärmte sie noch davon, dass Clinton selbstverständlich eine bitch sei, eine fiese Zicke, denn Zicken erreichten etwas im Leben, und rief: „Bitch is the new black!“

Es war ein wohltuender und notwendiger Kontrast zur „Obamania“, vermutlich aber ein folgenloser. Wenn Hillary Clinton und ihre Leute nun anfangen, sich über echte und vermeintliche Benachteiligungen in der Berichterstattung zu beschweren, macht das die Sache nur noch schlimmer. Selbst berechtigte Kritik stößt auf Häme und Empörung und wird als Rundumschlag einer schlechten Verliererin gewertet. Egal, was sie tut: Es scheint unmöglich, aus ihrer Rolle herauszukommen.

James Poniewozik, der Medienkritiker von „Time“, sieht immerhin eine kleine Chance, dass es Clinton gelingen könnte, einige Wähler in den entscheidenden Vorwahlen in der kommenden Woche davon zu überzeugen, dass eine Stimme für sie eine Stimme gegen die Medien wäre und gegen die ungerechte Behandlung, die ihr zuteilwird – in schmerzhafter Erinnerung an die ungerechte Behandlung, die den Demokraten so oft zuteilwurde.

Wenn Barack Obama tatsächlich die Vorwahlen gewinnt, wird er den Gegenwind der konservativen Meinungsmacher, die es immer noch schaffen, die Tagesordnung zu bestimmen, mit voller Wucht zu spüren bekommen. Dann werden die Rollen in dem Drama neu verteilt. Obama wird nicht mehr der Underdog sein, sondern der Favorit, und anders als im innerdemokratischen Rennen werden all die Ressentiments, die sich gegen ihn und seine Herkunft wecken lassen, ins Spiel gebracht. Die ersten konservativen Radiomoderatoren laufen sich schon warm und nennen konsequent und bedeutungsschwanger Obamas zweiten Vornamen: „Hussein“!

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

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Quellen und weiterführende Links:

„Huffington Post“: „Go Hard Or Go Home? The Media Drumbeat For A Hillary Exit“

„Tuned-in“-Blog von „Time“: „Live from New York Ohio: Hillary’s SNL Defense….“

Howard Kurtz, „Washington Post“: „‚Soft‘ Press Sharpens Its Focus on Obama“

„Boston Globe“: „The Double Standard“

Tina Fey über Hillary Clinton in „Saturday Night Live“:

Hillary Clinton zu Gast in der „Daily Show“: