Autor: Stefan Niggemeier

Knut

Ich wäre dann gestern Morgen fast wieder bereit gewesen für neue Nachrichten. Hatte mich bei dem Gedanken ertappt, dass in diesen Tagen, in denen ich meine ganze Aufmerksamkeit auf die Niedlichkeit von diesem Knut gerichtet habe, etwas passiert sein könnte in der Welt. Dass vielleicht in der Zwischenzeit in einem anderen Zoo in einem anderen Land ein anderes Tier geboren worden sein könnte, das von einer anderen Mutter verstoßen wurde und nun von einem anderen Tierpfleger von Hand aufgezogen wird, ganz anders, aber genau so niedlich. Aber dann lief im Ersten diese neue Doku-Soap über Knut und die hatten Babyfotos von Knut, die ich noch gar nicht gesehen hatte, und einmal knabbert der Knut total süß in die Plastikschüssel, in der er gewogen wurde, und ich hatte vorher nur gesehen, wie er an den Gummistiefeln von seinem Pfleger und in seine Schmuse- und Trockenrubbeldecke knabberte, und vor allem war da diese Szene, in der der Pfleger Knut tropfnass aus der Badewanne hob und unter den Schultern packte und ausschüttelte und das war wirklich das Goldigste, was ich in meinem ganzen Leben gesehen habe.

All das darf uns aber nicht daran hindern, kritische Fragen an die Medien zu stellen. Zum Beispiel: Wäre ein Rumpelsender wie N24 technisch und personell dafür gerüstet, notfalls die Live-Übertragung der ersten Pressekonferenz von Knut zu unterbrechen, wenn gleichzeitig ein Nacktnasenwombatwaisenkind im Zoo von Münster erstmals seine Augen öffnet? Kann ich mich darauf verlassen, dass mich n-tv, wenn dort gerade nur Knut-Bilder vom Vortag wiederholt werden, wenigstens im Laufband aktuell über den Grad von Knuts Niedlichkeit informiert? Wo sind die kritischen Hintergrundberichte? Wer prangert den Skandal an, dass immer noch, Tag für Tag, irgendwo in der Wildnis potentiell unfassbar niedliche Flauschzottel unter Ausschluss der Öffentlichkeit geboren werden? Wann ändert Sabine Christiansen ihr Programm und fragt nach dem Verantwortlichen dafür, dass unermessliche Niedlichkeits-Ressourcen in entlegenen Regionen ungenutzt verkümmern? Wird Volker Panzer oder Peter Sloterdijk das „ZDF-Spezial“ zur philosophischen Frage moderieren, ob ein niedliches Tier, das niemand sieht, überhaupt niedlich ist? Und: Wenn Knut in ein paar Jahren zu Reinhold Beckmann in die Talkshow geht und der ihn fragt, wie er sich fühlte, damals, als ihn seine Mutter verstieß, wie groß ist die Chance, dass er ihn statt einer Antwort auffrisst?

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Warum tut denn keiner was? (1)

Die Bayerische Landeszentrale für Neue Medien (BLM), die u.a. für 9Live zuständig ist, versteht sich traditionell weniger als Kontrollbehörde denn als Lobby der Privatsender.

Im August 2004 gab die BLM gemeinsam mit den Kollegen aus Baden-Württemberg einen „Leitfaden für TV-Gewinnspiele“ [pdf] heraus (seit 2005 gibt es eine überarbeitete Fassung aller Landesmedienanstalten [pdf]). Darin steht ein verräterischer Satz:

Um die Akzeptanz der Call-in-Formate für die Zukunft zu erhalten, ist auf die Aufforderung zu wiederholtem Anrufen zu verzichten.

Es geht also nicht darum, die Zuschauer davor zu schützen, ihr ganzes Geld zu vertelefonieren. Es geht darum, „die Akzeptanz der Call-in-Formate für die Zukunft zu erhalten“.

Warum sorgt sich eine Landesmedienanstalt darum, dass die „Call-in-Formate“ von den Zuschauern akzeptiert werden sollen? Weil sie diese sogenannten Telefon-Mehrwertdienste den Sendern als Einnahmequelle ans Herz legt. Im Februar 2005 legte sie dazu eine Studie vor. BLM-Chef Wolf-Dieter Ring erklärte:

„Eine wichtige Intention dieser Studie ist, gerade den lokalen und regionalen Hörfunk- und Fernsehanbietern zu zeigen, dass Mehrwertdienste auch in ihrem Bereich ein nicht zu unterschätzendes zusätzliches Instrument der Wertschöpfung darstellen können.“

Die Studie ist gut zwei Jahre alt und wirkt im Rückblick erschütternd naiv:

Die bislang häufig verfolgte Strategie des „hit & run“ wird langfristig keinen Erfolg bringen. (…)

Die Qualität der angebotenen Dienste [wird sich] — vor allem im Hinblick auf deren inhaltlichen Programmbezug und die Transparenz — in Zukunft weiter deutlich erhöhen. (…)

Die vorgestellten und diskutierten Ansätze lassen erwarten, dass der Zuschauer und Hörer künftig noch stärker in den Mittelpunkt von Call Media-Anwendungen rücken wird.

Im letzten Satz muss es natürlich heißen, „…dass das Geld der Zuschauer und Hörer künftig noch stärker in den Mittelpunkt rücken wird…“, aber das ist sicher nur ein Tippfehler.

Am 26. Oktober 2005 sagte Ring in der Münchner „Abendzeitung“:

Abendzeitung: Es gibt immer wieder Kritik, dass die Zuschauer im Femsehen abgezockt werden.

Ring: Ich habe schon immer — zum Beispiel bei der Diskussion um Neun Live — gesagt, wir müssen über die Regeln sprechen. Es ist wichtig, dass man den Verbraucher nicht irreführt. Aber der Zuschauer muss auch ein Stück eigene Verantwortung wahrnehmen. Inzwischen ist Neun Live ein akzeptables Geschäftsmodell.

Ein „akzeptables“ Geschäftsmodell? Vermutlich meinte Ring: Ein von der BLM akzeptiertes Geschäftsmodell. Ich habe keine Hinweise gefunden, dass sich daran seitdem etwas geändert hätte.

Medienaufsicht kritisiert Gesamtsituation

Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet heute, die nordrhein-westfälische Landesmedienanstalt LfM habe eine Konferenz angesetzt:

Am 3. Mai sollen die Regeln für Call-In-Formate besprochen werden (…). Seitens der Sender mangelt es nach Ansicht der Landesmedienanstalten an der konsequenten Umsetzung der Richtlinien, die von Medienwächtern und TV-Anbietern 2004 und 2005 erarbeitet wurden. Zwar hätten sich in letzter Zeit weniger Zuschauer beschwert, dennoch sei man „mit der Gesamtsituation unzufrieden“, sagt Peter Widlok, Pressesprecher der LfM (…).

Bei der Konferenz wollen die Medienanstalten mit allen Sendern, die Call-In-Formate im Programm haben, sowie mit den beteiligten Produktionsfirmen die bestehenden Regeln überarbeiten. Es geht auch um strengere Einhaltung.

Sind 9Live-Moderatoren Betrüger?

„Das ist ja Betrug“, sagt man als juristischer Laie schnell, wenn man sich ansieht, wie in Anrufsendungen auf 9live, Sat.1, ProSieben, Kabel 1, DSF, Nick, Viva, Comedy Central und anderen Sendern den Zuschauern mit allerlei Täuschungen das Geld aus der Tasche gezogen wird. Aber ist es das wirklich? Im juristischen Sinne?

Die drei Kölner Juristen Moritz Becker, Martin Ulbrich und Johannes Voß haben sich nur einen Aspekt aus der ganzen Problematik herausgegriffen: Die dauernde Suggestion der Moderatoren, man habe beim sogenannten „Hot Button“-Spiel bessere Gewinnchancen, wenn man zu einer bestimmten Zeit / möglichst früh / jetzt „ganz schnell“ anrufe. In Wahrheit geht es natürlich keineswegs um Geschwindigkeit, sondern nur darum, den Zeitpunkt zu erwischen, im dem ein Redakteur einen Anrufer auswählen und ins Studio stellen lässt.

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Multimedia und Recht“ (MMR 3/2007) kommen die Experten zu dem Ergebnis, das Verhalten der Moderatoren könne durchaus den Straftatbestand des Betrugs nach Paragraph 263, Absatz 1 des Strafgesetzbuches erfüllen. Die Moderatoren täuschten die Anrufer über die „Geschäftsgrundlage des Spiels“. Es handele sich bei ihren Versprechungen auch nicht nur um „reklamehaft übertriebene Redewendungen und Floskeln“, die allgemein die Sendung und die Gewinnchancen anpreisen, wodurch der Straftatbestand des Betruges nicht erfüllt wäre. Die Moderatoren spiegelten den Anrufern vor, für ihre 50 Cent Einsatz bekämen sie eine andere Gegenleistung, eine andere Chance auf einen Gewinn, als sie tatsächlich bekommen. Schließlich handelten die Moderatoren vorsätzlich und mit der Absicht, einen Dritten (den Fernsehsender) zu bereichern.

Das Fazit der Autoren:

Die Grenze zwischen anrüchigem Geschäftsgebahren und strafrechtlich relevanter Übervorteilung ist hier überschritten.

Mit anderen Worten: Anna Heesch, Alida-Nadine Lauenstein, Khadra Sufi, Max Schradin, Stefan Pollak, Norman Magolei, Thomas Schürmann, Martin Scholz und all die anderen können sich durch ihre Moderationen des Betrugs strafbar machen.

Sicher wäre es übertrieben zu sagen, sie stünden mit einem Bein im Knast. Ich mag die Vorstellung trotzdem.

Es lebe die Doppelmoderation!

Die Moderatoren Fearne Cotton und Terry Wogan geben bekannt, wen die BBC-Zuschauer zum britischen Vertreter beim Eurovision Song Contest gewählt haben — Scooch oder Cindy:

BBC-Chef Mark Thompson sagte hinterher:

„I think they were trying so hard to get the phones right that something else must have gone wrong. I’ll find out tomorrow morning exactly what but whoever’s fault it was I’m sure it wasn’t Terry Wogan’s.“

(via MediaGuardian)

Fehlende Reflexe

Vorgestern schreibt der ehemalige Microsoft-Blogger Robert Scoble in seinem Blog „Scobleizer“:

Microsoft’s Internet execution sucks (on whole). Its search sucks. Its advertising sucks (…).

Die britische „Sunday Times“ findet das bemerkenswert und schreibt heute einen Artikel darüber („‚Microsoft sucks‘, says top blogger“).

Ein Redakteur aus dem „Multimedia“-Ressort von „Spiegel Online“ liest den „Sunday Times“-Artikel, findet die Geschichte ebenfalls bemerkenswert, schreibt ebenfalls einen Artikel darüber („‚Microsoft sucks‘ — Top-Blogger rechnet mit Microsoft ab“) — kommt aber offenbar nicht auf die Idee, dass er durch eine schlichte Google-Suche das entsprechende Blog und den entsprechenden Eintrag finden könnte.

Stattdessen verlässt er sich ausschließlich auf die Sekundärquelle und schreibt:

„Microsofts Internet-Anwendungen, die Suche und die Werbung sind Mist“, erklärte Scoble nach Angaben der „Sunday Times“.
(Hervorhebung von mir.)

Himmel! Wenn heute noch selbst ein fürs Internet zuständiger Redakteur eines Internet-Mediums nicht reflexartig in einem solchen Fall die Originalquelle aufsucht und sich dort ein eigenes Bild macht (geschweige denn, sie für seine Leser gleich zu verlinken) und nicht einmal merkt, wie absurd es ist, eine Zeitung als Quelle für den Inhalt eines Blogs (!) anzugeben, wie viele Jahre mag es noch dauern, bis es die breite Masse der Kollegen begreift?

Nachtrag. „Spiegel Online“ hat inzwischen den Verweis auf die Zeitung entfernt und verlinkt direkt auf das Blog. Dort können sich die Leser ja dann direkt davon überzeugen, dass Scoble gar nicht meint, dass Microsoft insgesamt saugt, wie „Spiegel Online“ und „Sunday Times“ in ihren Überschriften behaupten.

Heino Ferch

Das ist sicher immer wieder von großer Dramatik, wenn sich Sat.1 und die Produktionsfirma Teamworx zusammensetzen, um zu entscheiden, wer die männliche Hauptrolle im nächsten historischen „Event“-Zweiteiler spielen soll. Ich stelle mir das so vor, dass die für ein paar Tage alle Termine absagen und sich in ein abgelegenes Konferenzzentrum zurückziehen. Dort werden endlos Castingbänder gesichtet, Quoten ausgewertet, Honorare durchgerechnet, Grundsatzfragen erörtert, und kurz bevor es so aussieht, als müssten nicht nur Freundschaften und Karrieren, sondern das ganze Projekt begraben werden, sagt ein Serviermädchen im Hinausgehen den rettenden Satz: „Ich dachte, die nehmen eh wieder den Ferch“, und es gibt ein großes Hallo, und die Marktforscher bestätigen, dass sich ihre komplexen Zahlen auf die einfache Formel bringen lassen, dass das Sat.1-Publikum gerne Helden mag, die aussehen, sich bewegen und reden wie Heino Ferch, und verblüfft und glücklich stellen alle nach einem Anruf fest, dass Heino Ferch sich die Zeit für die Dreharbeiten schon frei gehalten hat, als hätte er es geahnt.

Die offizielle Legende lautet zwar, dass Heino Ferch selbst es war, der unbedingt den Heinrich Schliemann spielen wollte, seit er auf einem langen, langen Flug einmal ein Buch über ihn gelesen hat, aber wer weiß, ob dieses Interesse nicht auch einfach zurückdatiert wurde, wie Schliemann es mit seinem Interesse an Troja tat.

Andererseits: Vielleicht hat man sich bei Sat.1 doch sehr bewusst entschieden, gerade diese Rolle mit diesem Schauspieler zu besetzen. Denn wenn ich „Der geheimnisvolle Schatz von Troja“ (morgen und übermorgen, 20.15, Sat.1) richtig verstanden habe, geht es den Fernsehleuten darum, Schliemann als jemand zu zeigen, der nicht nur beknackt war, sondern sich auch große Mühe gegeben hat, beknackt zu wirken. Und wenn es etwas gibt, das Heino Ferch beherrscht, dann das: Einen Besessenen so zu spielen, dass es aussieht, als versuche jemand angestrengt so auszusehen, als sei er besessen. Wenn Schliemann entschlossen ist, guckt er nun wie jemand, der entschlossen aussehen will, wenn er wütend ist, wie jemand, der wütend aussehen will. Das ist womöglich die ganz große Schauspielkunst, die nur zufällig wie ihr Gegenteil erscheint.

Ich habe mir dann den zweiten Teil geschenkt. Am Ende des ersten ist Schliemann scheinbar tot, bevor er überhaupt den Schatz des Priamos entdeckt hat, und ich fand das sehr angemessen.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Das Staunen hört nie auf

Okay, es ist ein bisschen absurd, wenn ich hier Cross-Promotion für BILDblog mache. Aber weil immer wieder die Kritik kommt, dass wir doch nur Tag für Tag altbekannte Dinge aufschrieben, die jeder seit 30 Jahren wisse:

Ich wusste das zum Beispiel nicht, dass die „Bild“-Zeitung praktisch den vollständigen Inhalt einer Anzeige, die ein sehr guter Kunde im Blatt gebucht hat, einen Tag zuvor als exklusive redaktionelle Informationen aufbereiten würde. Ich wusste nicht, dass sie, wenn sie dafür vom Presserat gerügt wird, das als „massiven Angriff auf das journalistische Selbstverständnis“ werten würde. (Ein massiver Angriff auf ihr journalistisches Selbstverständnis ist es natürlich schon. Aber das ist der Pressekodex per se. Das ganze Persönlichkeitsrecht ist im Grunde ein massiver Angriff auf das journalistische Selbstverständnis von „Bild“.) Ich wusste nicht, dass der „Bild“-Chefredakteur die Rüge in einer Pressemitteilung als „völlig inakzeptabel“ bezeichnen würde und das euphorische Vorabmelden einer Anzeige als „einwandfreie journalistische Arbeit“.

Okay, dass „Bild“ bei allem werblichen Überschwang dann hinterher auch noch die Zahl der Internet-Seitenabrufe mit Bestellungen verwechseln würde, das habe ich dann fast erwartet.

[Disclaimer: Dies ist nicht das BILDblogblog. Dies ist meine persönliche Meinung.]

Großer Murks

Das Schöne am Grimme-Preis ist, dass man über ihn diskutieren darf. Dass die Jury ihre Entscheidungen begründet und es nicht nur erlaubt, sondern sogar gewollt ist, den Entscheidungsprozess in Artikeln transparent zu machen.

Insofern geht es auch völlig in Ordnung, dass Jana Hensel, die mit sieben Kollegen und mir in der neu geschaffenen Jury „Unterhaltung“ saß, nun in der „Süddeutschen Zeitung“ schreibt, unsere mehrheitlich getroffene Entscheidung sei „großer Murks“. Und natürlich kann man darüber streiten, ob denn eine Sendung wie „Extreme Activity“, die nicht mehr ist als ein lustiger Kindergeburtstag (aber, bei einer guten Folge, ein sehr lustiger Kindergeburtstag) einen Preis gewinnen soll, dem man gerne Adjektive wie „renommiert“ oder auch „alterwürdig“ schenkt. Man soll sogar darüber streiten.

Ich hatte mich eher für „Schlag den Raab“ stark gemacht, weil ich das für die mutigere Sendung halte. Andererseits hat sie nicht nur unfassbare Längen, sondern ist auch in vieler Hinsicht noch unfertig, vor allem in der Premierensendung, um die es bei Grimme ging. „Extreme Activity“ ist dagegen viel risikoloser, aber perfekt produziert. Das Tempo stimmt, die Besetzung, das Studio, die Moderation, die Spielregeln; alles ist sehr kurzweilig. Ja: flüchtig auch, da gibt es keinen, aber wirklich: keinen Anspruch jenseits dessen, die Zuschauer 60 Minuten zu amüsieren. Aber das muss man ja erst einmal schaffen.

Und dafür einen Grimme-Preis? Wie gesagt: darüber darf man streiten. Aber vielleicht müsste man nicht gleich so tun, als erschüttere diese Entscheidung den Preis in seinen Grundfesten, und über den Text schreiben: „Bisher war der Grimme-Preis in der Medienbranche gleichbedeutend mit einem Ritterschlag“, als sei das nun nicht mehr der Fall.

Frau Hensel macht noch einen Exkurs in die Geschichte:

Ein kurzer Blick zurück: Beim Deutschen Fernsehpreis hat man in der Kategorie „Unterhaltung“ Erfahrung, denn in ihr hier wird die beste Unterhaltungssendung gekürt. Als 2005 Clever und 2006 Genial daneben mit Hugo Egon Balder gewann, kommentierten die Beobachter diese Entscheidung mit den betretenen Worten, im nächsten Jahr würden diese Preisträger ohnehin vergessen sein.

Taten sie? Wer? Und warum? „Genial daneben“ gewann den Preis 2004, die Sendung war eine echte Innovation und läuft immer noch.

Weiter im Text:

Tatsächlich jedoch, und das zeigt der Grimme-Preis für Extreme Activity, hat sich das Problem längst verstetigt: In Deutschland scheint niemand zu wissen oder sagen zu können, was gute Unterhaltung ist.

Niemand, außer Frau Hensel natürlich:

Dabei wären es auch hier so simple Kategorien wie Kreativität und Innovation, die man auszeichnen könnte.

Die simple Kategorie Kreativität, soso. Na dann ist es ja einfach. Man setzt sich hin, lässt sich von einem Experten (sagen wir: Jana Hensel) erklären, welche Sendung kreativ ist, welche nur mittelkreativ und welche superkreativ, und zeichnet Letzteres aus.

Die Jury jedoch, das wurde in der internen Diskussion deutlich, tappte in die Falle. Man freute sich am meisten über die Sendungen, die die meisten Lacher produzierten, die am besten sinnfrei unterhalten konnten, so, als setze die Kategorie „Unterhaltung“ die Verabschiedung von allen analytischen, benennbaren Kategorien voraus.

Nun ist aber mal gut. Soweit ich mich erinnere, hat sich niemand in der Jury von analytischen Kategorien verabschiedet. Es gab einfach unterschiedliche Meinungen, welche „analytischen Kategorien“ entscheidend sein sollten und inwieweit sie erfüllt waren. Und die Mehrheit fand, dass Kriterien wie „Tempo“, „gute Moderation“, „gelungenes Casting“ oder „funktionierendes Spielprinzip“ in einer Jury, die sich explizit und ausschließlich mit „Unterhaltung“ auseinandersetzen sollte, durchaus relevant waren. (Und was spricht eigentlich gegen die eher empirische als analytische Kategorie: „produziert die meisten Lacher“?)

Frau Hensel war anderer Meinung. Vielleicht müsste sie uns anderen dennoch nicht gleich zu Idioten erklären.