Dass eine Professionalisierung der deutschen Blogosphäre ins Haus steht, kann niemand ernsthaft bezweifeln.
Das hat Sascha Lobo geschrieben, einer der zwei Menschen hinter adical, der Firma, die neuerdings auch dieses Blog vermarktet.
Das war ungeschickt formuliert, denn natürlich gibt es zu jedem beliebigen Thema Menschen, die auch das Offenkundigste oder am gründlichsten Bewiesene ernsthaft bezweifeln. Und insofern hat Don Alphonso Recht, wenn er Lobo antwortet:
Kann niemand? jeder kann. Das hier sind Blogs. Bloggen heisst können.
Stimmt. Das Schöne an Blogs ist (und ich meine das ohne Ironie), dass auch der Ahnungsloseste seinen Senf zum Thema abgeben kann. Seine Ahnungslosigkeit hat Don Alphonso für mich in diesem Fall bewiesen, als er vor ein paar Tagen behauptete, Tausenderkontaktpreise von 20 bis 60 Euro seien „absolute Mondpreise“. Sagen wir so: Entweder hat Don Alphonso Unrecht. Oder ich kenne nun schon zwei Vermarkter, die es geschafft haben, Werbekunden dazu zu bewegen, „absolute Mondpreise“ zu bezahlen, die dann zu meinem Lebensunterhalt beitragen.
Ich bin sehr dafür, dass wir darüber streiten, was sich verändert, wenn man mit dem Bloggen Geld verdient. Welche Auswirkungen das möglicherweise auf das eigene Bloggen hat, auf die Blogkultur, die sogenannte Blogosphäre insgesamt. Mit welchen Chancen Werbung auf Blogs verbunden ist und mit welchen Risiken. Und viele Blogger, die meisten, wollen mit ihren Blogs sicher auch gar kein Geld verdienen, und das ist gut so. Aber ich hoffe, dass die anderen, die es doch gerne täten, nicht auf Don Alphonso hereinfallen, wenn er ihnen einreden will, sie müssten sich mit ein paar Euro von Google Adsense zufrieden geben, wenn sie sich nicht auf dubiose Schleichwerbeangebote einlassen wollen, und faire Preise als „absolute Mondpreise“ diffamiert.
Don Alphonso ist nicht der einzige, der bezweifelt, dass eine Professionalisierung der deutschen Blogosphäre ansteht. Ich fürchte, dass sich keiner dieser Zweifler die Mühe gemacht hat, nachzuschauen, was „Professionalisierung“ bedeutet. „Professionell“ ist zum Beispiel nicht das Gegenteil von „arm, peinlich, dumm“.
In der Wikipedia heißt es:
Unter Professionalisierung im weiteren Sinne versteht man die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem Beruf (entspricht: Verberuflichung).
Bertelsmanns Wörterbuch definiert „professionalisieren“ als
zur Erwerbsquelle, zum Beruf machen
Tatsache ist: Es sind noch wenige Menschen, die in Deutschland ganz oder teilweise vom Bloggen leben, die das Bloggen gar zum Beruf gemacht haben, aber es gibt sie. Und es werden mehr. Es gibt sie zum Beispiel bei BILDblog und bei Spreeblick, und bestimmt gibt es eine Reihe kommerzieller Blogger, deren Art, aus dem Bloggen ein Geschäft gemacht zu haben, mir womöglich nicht gefällt, das ist aber auch nicht die Frage. Die Frage ist, ob es zunehmend Leute geben wird, für die das Bloggen eine Erwerbsquelle ist. Ich bin sicher: Das wird so sein.
Das ist nicht zwangsläufig eine gute Entwicklung. Im Gegenteil: Ein möglicher Gegensatz zur „Professionalisierung“ ist die „Liebhaberei“, und das ist doch genau so ein Wort, das man gerne mit Blogs und der Blogosphäre assoziiert. Das wird auch in Zukunft so sein, hoffe ich. Das widerspricht auch nicht der Professionalisierung. Die Tatsache, dass es die Möglichkeit gibt, das Kochen zum Beruf zu machen, heißt ja nicht, dass Millionen Hobby-Köche nun auch mit dem Kommerzkochen anfangen müssen.
Aber ich glaube, es wird neben Millionen reinen Liebhaberblogs auch Blogs geben, die aus rein kommerziellen Gründen geführt werden, und Blogs, die um des Inhalts, des Publizierens, der Kommunikation, der Sache Willen geführt werden und trotzdem eine Einnahmequelle für ihre Betreiber darstellen. Wenn alles gut geht, werden Vermarkter wie adical in Zukunft Bloggern aus dieser letzten Gruppe die Möglichkeit verschaffen, sich noch mehr um die Themen zu kümmern, die sie und ihre Leser interessieren, noch mehr Zeit zu investieren, noch bessere Ideen zu entwickeln, kurz: noch besser zu werden.
Das wäre die positive Konsequenz der Professionalisierung. Das wird nicht automatisch passieren, und es lohnt sich, darüber zu diskutieren, was dabei hilfreich und was schädlich ist.
Und natürlich kann jeder, der will, ernsthaft bezweifeln, dass eine Professionalisierung der deutschen Blogosphäre ins Haus steht. Es ist sogar ganz leicht. Er muss nur die Augen zumachen.