Ich habe gezögert, das hier jetzt schon wieder aufzuschreiben, weil es immer ein bisschen so aussieht, als würde man sich als Blogger reflexartig über Journalisten empören, die kritisch über Blogger schreiben. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass ausgerechnet jene Journalisten, die sich den Bloggern in Anstand / Wissen / Glaubwürdigkeit / Recherchestärke für meilenweit überlegen halten, es regelmäßig nicht schaffen, fair oder wenigstens korrekt über Blogs zu berichten.
Und damit wären wir bei der „Welt am Sonntag“ (deren Titelseite heute übrigens so wie hier rechts aussieht, aber das nur am Rande) und bei Marco Stahlhuts Artikel von über die re:publica. Er trägt diese Überschrift:

Okay. Ich würde zwar sagen, dass die Überschrift genauso treffend wäre, wenn man „ein Blog“ durch „ein Büro“, „eine Wohnung“, „ein Auto“ oder „einen Platz im Kino“ ersetzte, aber das macht sie ja noch nicht falsch. Im Gegensatz zur Dachzeile. Ich bin mir nicht sicher, was die re:publica genau wollte, aber ich mir ganz sicher: Manieren wollte sie (wem eigentlich) nicht beibringen.
Der Artikel beginnt mit einer Beschreibung, wie nervös Johnny Haeusler gewesen sei, „weil jedes Wort, das er sagt, sofort live von den Zuhörern per SMS kommentiert werden kann“, was mir sehr unwahrscheinlich erscheint, aber gut.
Stahlhut schreibt weiter:
Um das „Leben im Netz“ soll es bei der Re:publica gehen. Und weil das manchmal wie ein Leben in der Gosse aussieht, geht eine Diskussionsrunde der staatstragenden Fragestellung „Wie viel Verantwortung braucht die Freiheit?“ nach. Seit Internetnutzer ihre Bilder und Texte unkontrolliert auf extra dafür geschaffene Webseiten stellen können, scheint die Moral im Netz endgültig erodiert. Gewaltvideos und selbst gedrehte Pornos sind besonders beliebt. Auf Blogs, eine Art von Internettagebüchern und Kommentarseiten, beschimpfen sich User gegenseitig als Idioten oder drohen einander Schläge an.
Hui, da weiß man doch gar nicht, wo man anfangen soll. Von welchen „extra dafür geschaffenen Webseiten“ reden wir, Herr Stahlhut? YouTube zum Beispiel? Haben Sie mal versucht, da einen Porno hochzuladen zu finden? Schicken Sie mir den Link? Und Gewaltvideos? Reden wir von Bären, die aus Hängematten plumpsen? Oder von Kindern, die sich mit dem Fahrrad hinlegen? Herr Stahlhut? Helfen Sie mir! Und Ihre Definition von Blogs… Nein, ich merke gerade, ich habe nicht einmal Lust, mir dazu eine treffende Formulierung auszudenken.
Die Diskussion (bei der ich auch auf dem Podium saß) fasst Stahlhut so zusammen:
Am Ende einigt man sich darauf, keine neue Ethik für das Webzeitalter zu brauchen, es würde ausreichen, wenn Leute ihre gute Erziehung nicht mit dem Einschalten des Computers ausschalten. Ja, das wäre schön.
Ja, Himmel. Ich würde mir auch wünschen, dass Leute ihre gute Erziehung nicht mit dem Einsteigen in eine volle U-Bahn ausschalten. Oder mit dem Betreten einer Kneipe. Oder mit dem Benutzen eines Autos.
Später geht’s um den Kommerz:
Ein Amerikaner schreibt ein spezialisiertes Blog über ein einziges Handymodell. Er verdient so rund 30 000 Dollar im Monat.
Echt? Wusste ich gar nicht. Kennt das jemand? Die „Welt am Sonntag“ hat leider vergessen, den Namen dieses Blogs zu recherchieren hinzuschreiben, mit dem man sich in drei Jahren quasi zum Millionär bloggt. Aber Stahlhut hat auch ein deutsches Beispiel:
Ein privates Blog zu „Deutschland sucht den Superstar“ hat täglich mehr Besucher als die offizielle Seite von RTL. Ein paar Tausend
Euro monatlich soll der Betreiber mit Werbung einnehmen.
Auch hier fehlt der Name, aber eigentlich kann es sich dabei nur um dsds-news.de handeln — das Blog, das ein paar Mal an den Tagen nach der Sendung auf Platz 1 der Blogscout-Charts landete. Es hatte an diesen Tagen (und auch nur an diesen Tagen) knapp 50.000 Besucher. RTL.de hatte im März täglich 1.000.000 Besucher.
Bei Welt Online ist der Artikel bislang übrigens noch nicht aufgetaucht. Womöglich hat der Autor sich das verbeten. Wollte nicht neben diesen ganzen Idioten-Blogs stehen.