Autor: Stefan Niggemeier

Springers Kommunikationskultur

Ich vermute, sie haben lange gefeilt bei Springers, an der offiziellen Stellungnahme der Axel Springer AG zu Alan Poseners gelöschtem Blog-Eintrag zu Kai Diekmann auf „Welt Debatte“. Bemerkenswert finde ich diesen Satz:

Der Beitrag von Alan Posener über Kai Diekmann ist ohne Wissen der Chefredaktion in den Weblog von Alan Posener gestellt worden.

Mal abgesehen von der lustigen Passiv-Konstruktion, die irgendwie die Möglichkeit nicht auszuschließen scheint, dass Unbefugte den Beitrag in Poseners Blog gestellt haben: Was heißt das: „ohne Wissen der Chefredaktion“?

Zunächst einmal heißt das natürlich: Christoph Keese ist nicht Schuld. Keese ist Chefredakteur von „Welt Online“ und Chefredakteur der „Welt am Sonntag“, wo Posener das Kommentarressort leitet, und die Axel Springer AG teilt mit: Er kann nichts dafür, er wusste von nichts. Das ist eine wichtige Information. Vor allem für Christoph Keese.

Aber wenn man Springer-Sprecherin Edda Fels beim Wort nimmt (und es gibt keinen Grund, das nicht zu tun), müssen die „Welt“-Blogger vor dem Bloggen brav der Chefredaktion Bescheid sagen.

Lieber Daniel Fiene,
lieber Don Dahlmann,

ist das so? Was bedeutet es, auf „Welt Online“ zu bloggen? Bloggt Ihr nur Dinge, mit denen Christoph Keese einverstanden ist? Habt Ihr die Springer-Leute darauf hingewiesen, dass sie Euch durch die Formulierung in eine unmögliche Situation bringen? Habt ihr da eine Freiheit beim Bloggen oder seid Ihr den gleichen, sagen wir: verlagspolitischen und arbeitsrechtlichen Einschränkungen ausgesetzt wieder jeder festangestellte „Welt“-Journalist?

Könnte es die „Unternehmenskultur“ von Axel Springer mit ihrem „Meinungspluralismus“ aushalten, wenn Daniel Fiene in seinem Medienblog (!) auf „Welt Online“ die Diskussion um den Vorfall aufgriffe? Sachlich, pointiert, wie auch immerß Und wenn er es täte: Würde dann Keese den Beitrag, bevor er in Fienes Blog „gestellt wird“, redigieren?

Die Reaktion auf die Debatte um die (Selbst-)Zensur bei Springer finde ich fast aufschlussreicher als den Akt selbst. Wie erbärmlich ist das: Die einzige Reaktion, die der Axel Springer AG auf die heftige Debatte einfällt, ist sich totstellen. So zu tun, als gebe es sie nicht.

Aber es gibt sie. Auch die „Welt Online“-Leser kennen sie. Aktuell sind die beiden meistgelesenen und meistkommentierten Blog-Einträge auf Welt Debatte zwei Einträge von Posener. Darunter diskutieren die Leser den aktuellen Fall von (Selbst-)Zensur. Aber sie diskutieren unter sich. Von Springer, von der Welt, von „Welt Online“, von „Welt“- „Debatte“ diskutiert niemand mit.

Seit drei Wochen hat Christoph Keese sein eigenes Blog. Er scheint nicht so viel zu erzählen zu haben, aber das wäre doch mal ein guter Anlass. Wofür ist sein Blog da, wenn nicht zur Kommunikation mit den Lesern? Warum kann ein Chefredakteur, dessen Beruf es theoretisch ist, zu kommunizieren (auch wenn er mir vor kurzem in anderem Zusammenhang mitgeteilt hat, weitere Kommunikation sei wegen meiner „impertinenten Unterstellungen“ und meiner „selbstgerechten Vorwürfe“ „nicht erwünscht“), warum kann dieser Chefredakteur sich nicht dem Dialog, der „Debatte“ mit seinen Lesern stellen? Warum kann er ihnen nicht erklären, warum es seiner Meinung nach die richtige Entscheidung war, Poseners Beitrag zu löschen?

Ich fürchte, bei Springers glauben sie wirklich, wenn sie Themen nur konsequent genug totschweigen, seien sie tatsächlich tot.

Sie werden sich noch wundern.

Die Grand-Prix-Wette — jetzt aber!

Es gab ein paar technische Probleme mit dem Abstimmformular. Deshalb konnte bisher leider keine Stimme gezählt werden.

Jetzt sollte aber alles funktionieren. Also: Bitte hier entlang und noch einmal (oder zum ersten Mal) tippen.

Entschuldigung für das Durcheinander!

Nachtrag:

Das NDR-Fernsehen überträgt das Halbfinale heute ab 21 Uhr. Richtige Tipps, die abgegeben werden, bevor feststeht, wer sich fürs Finale qualifiziert hat, werden besonders positiv bewertet. Die Teilnahme an der Wette ist aber noch bis zum Beginn der Punktevergabe im Finale am Samstag möglich.

Helsinki Calling

Drei kleine Punkrocker aus Andorra, sechs Möchtegerntenöre aus Lettland, ein sprechsingender Transvestit aus der Ukraine — jawoll: Es ist wieder Grand-Prix. Morgen findet in Helsinki das Halbfinale statt, in dem 28 Länder (darunter erstmals Georgien) um zehn Plätze im Finale am Samstag kämpfen. 14 Länder sind schon gesetzt.

Erstaunlicherweise gibt es kaum unmittelbare Nachahmer der Monster-Ästhetik, mit der Lordi im vergangenen Jahr haushoch gewonnen haben, aber doch überdurchschnittlich viele rockige Töne. Neben dem osteuropäischen Ethno-Trend, der schon seit einiger Zeit den Wettbewerb mitprägt, erwarten uns eine Retro-Welle mit Funk-, Swing- und Blues-Standards, einige Ausflüge in Richtung Camp und Trash und sogar ganz vereinzelte Versuche, mit zeitgemäßer Pop- oder Dancemusik zu überraschen.

Zusammen mit Lukas Heinser von „Coffee And TV“, der sich — im Gegensatz zu mir — auch mit Musik auskennt und sogar selbst welche macht, habe ich versucht, die Spreu von der, äh, anderen Spreu zu trennen. Unser Wegweiser durch die 42 Kandidaten steht hier.

Und weil man sich alle Kandidaten schon vorab im Internet anschauen kann, habe ich mir ein Tipp-Spiel ausgedacht, bei dem Grand-Prix-Kenner und die, die sich dafür halten, ihre wahrsagerischen Qualitäten unter Beweis stellen können. Inspiriert ist es durch den ehemaligen Grand-Prix-Chef Jürgen Meier-Beer, der das im privaten Rahmen schon länger macht. (Und, sagen wir mal so: Für manche Teilnehmer kam der Sieg von Lordi im vergangenen Jahr nicht überraschend, jahaa!).

Der große Grand-Prix-Führer 2007

Die kleine Grand-Prix-Wette 2007

Viel Vergnügen!

der spuk ist vorbei

ich könnte jetzt viel schreiben darüber, wie erstaunt ich war, dass das letzte tabu in diesem land offenbar nichts mit sex, gewalt oder drogen zu tun hat, sondern mit kleinschreibung. mach ich aber nicht.

Ex-9Live-Mitarbeiter packen aus

Das ARD-Wirtschaftsmagazin „Plusminus“ hat zwei ehemalige 9Live-Mitarbeiter aufgetan, die über ihre Arbeit beim „Vorreiter für transparentes, chancengleiches und faires Call TV“ gesprochen haben.

Beide sprachen über die offensichtliche Praktik der Call-TV-Sender, nicht den Zufall entscheiden zu lassen, wann ein Kandidat durchgestellt wird, sondern das willkürlich selbst zu bestimen:

Plusminus: Wenn ich bei Neun Live anrufe während eines Hot Button-Spiels. Wovon hängt es denn ab, wann der Hot Button zuschlägt?

Ehemaliger Moderator: Vom Redakteur selber. Der Redakteur selber entscheidet, wann der Hot Button zuschlägt. Wenn der Redakteur der Meinung ist auf Grund der gegebenen Umstände, das passt jetzt, das ist okay jetzt, jetzt kann ich einen reinlassen, dann entscheidet der Redakteur und lässt einen Anrufer durchstellen.

Ehemalige Redakteurin: Wenn man als Anfängerredakteur da oben sitzt und man möchte spontan, weil gerade so viele Leute anrufen jemanden vom Call Center durchstellen lassen, dann steht immer ein erfahrener Redakteur hinter einem und sagt: „Bist du blöd. Mach das nicht. Lass die kommen. So lange wie das steigt, jeden mitnehmen.“ Das heißt: Alle, die gerade anrufen, betrügt man um ihr Glück, und erst wenn sie das Interesse verlieren, schaltet man einen rein.

Die ehemalige 9Live-Frau behauptet, es gebe auch andere Formen von Betrug:

Ehemalige Redakteurin: Fingierte Anrufe wurden schon mal eingesetzt, wenn so gar keiner angerufen hat und man wirklich ein paar Minuten mit einem leeren Peak da saß, dann wurde der Hot Button einfach per Sound eingespielt und der Moderator hat dann gesagt: Ups, da hat wohl wieder jemand aufgelegt. In Wirklichkeit hat aber niemand angerufen.

Plusminus: Und das haben Sie auch so gemacht?

Ehemalige Redakteurin: Ja, das habe ich auch gemacht.

Dank an Marc Doehler!

Video des Grauens

„Grausige Bluttat in Sülz – ein Vater brachte wohl seinen Sohn um, sägte ihm den Kopf ab! Hier das erste Video vom Tatort!“

Für exklusive, unkommentierte Aufnahmen von ein- und ausparkenden Fahrzeugen in der Nähe des Tatorts schalten wir nun live zu Express-TV-aktuell.

[via Torsten Kleinz]

Netzeitungs-Reklamationen

Ich finde, die beiden Chefredakteure der „Netzeitung“ (NZ) sollten viel häufiger Interviews geben. Schon das von Michael Angele vor sechs Wochen bei onlinejournalismus.de hatte legendäre Momente. Zum Beispiel diesen:

„‚Vor Ort recherchiert‘ heißt bei uns [neben der Recherche am PC] primär: Telefonieren, telefonieren, telefonieren — wir machen ja sehr viele Interviews –, heißt, schauen, schauen, schauen (TV) und lesen, lesen, lesen (alles, was uns in die Finger kommt).

Oder die Stelle, als Angele gefragt wird, warum die „Netzeitung“ ihre Besucherzahlen nicht von der IVW messen lässt, wie es Standard ist in Deutschland:

„Das ist eine Entscheidung der Geschäftsführung. Es steht mir nicht an, sie hier zu kommentieren.“

Jetzt sprach die „taz“ mit der NZ-Chefredaktion und brachte folgende Geschichte mit:

Matthias Ehlert atmet tief durch. Die Frage war, wozu es seine „Netzeitung“ eigentlich braucht. Ein Standardanfang für ein Interview, einer, bei dem Chefredakteure erst einmal frei über ihre Wünsche und Visionen reden können. Doch Ehlert muss überlegen. Er sitzt im blauen Couchsessel seines Büros nahe der Berliner Friedrichstraße. Vor dem Fenster im zweiten Stock ruckelt alle paar Minuten die S-Bahn vorbei. Währenddessen überlegt Ehlert weiter. Auf dem Tonband sammelt sich eine halbe Minute Stille an, dann hat der 40-Jährige eine Antwort gefunden: „Nachrichten schlägt jeder um. Für mich gilt daher das Kioskprinzip. Es ist eine emotionale Entscheidung, welche Internetseite ich ansurfe.“

Hach. Die beiden scheinen ja noch euphorisierter und euphorisierender zu sein als ihre beiden Porträt-Fotos vermuten lassen.

Die „taz“ hat auch nach der Rubrik „Marktplatz“ gefragt, die hier kürzlich ein Thema war, weil sie so schön auch direkt neben dem „redaktionellen Kodex“ steht, gegen den sie verstößt. Während NZ-Chef Michael Angele hier sagte, der redaktionelle Kodex sollte „rasch überarbeitet werden“, zäumt NZ-Chef Matthias Ehlert in der „taz“ das Pferd von der anderen Seite auf und nennt den Marktplatz „eine Unsauberkeit, die wir demnächst lösen wollen“. (Man sieht, wie clever die Entscheidung ist, sich auch als finanziell schwachbrüstiges Unternehmen zwei Chefredakteure zu leisten.)

Inzwischen hat die „Netzeitung“ eine neue Form nicht gekennzeichneter Werbung akquiriert. Zwischen dem Kopf und den Artikeln liegt eine Art Menuleisten-Imitation von Microsoft Office:

Wenn man mit der Maus darüberfährt, klappt sie sich aus und zeigt anhand der redaktionellen Artikel darunter, wie leicht sich mit dem aktuellen MS Word Texte formatieren lassen:

Toll, oder?

Nachzutragen wäre noch, dass die NZ den zusammengestümperten Artikel über Second Life unauffällig nachbearbeitet hat: Fehler wurden korrigiert, schwierige Stellen gestrichen. Dagegen scheinen N24.de und sat1.de nun dauerhaft mit der grottigen Originalversion leben zu müssen, die ihnen die „Netzeitung“ geliefert hat. Vielleicht sind NZ-Artikel vom Umtausch ausgeschlossen.

Übers Bloggen

Wer bin ich? Warum das Schreiben eines Blogs so befriedigend ist.

· · ·

Für mich ist es eine Sucht. Ein unstillbarer Hunger nach Aufmerksamkeit. Oder, um es positiver und weniger egozentrisch zu sagen: nach Kommunikation.

Das trifft natürlich nicht auf alle Blogger zu, so wie ungefähr nichts auf alle Blogger zutrifft. Außerdem gehört zum Selbstverständnis vieler Blogger das Postulat, nicht für die Leser zu schreiben, sondern für sich selbst. Wer scheinbar auf möglichst große Quote bloggt, gilt als zutiefst verdächtig. Das machen die Massenmedien ja schon zur Genüge: alles der Pflicht unterordnen, möglichst viele Menschen zu erreichen.

Aber gerade wenn einer nicht für ein Publikum schreibt, sondern für sich selbst, aber nicht in eine Kladde, sondern ins Internet, ist es umso beglückender, wenn plötzlich ein Leser vorbeikommt, dem das gefällt. Der begeistert ist, einen Geistesverwandten zu finden. Oder interessiert genug, seinen Widerspruch zu hinterlassen. Vielleicht sogar ein eigenes Blog hat und einen Link setzt.

Links sind eine Währung in der Welt der Blogs, aber der eigentliche Lohn ist Aufmerksamkeit. Die lässt sich messen, anhand von Leserzahlen, Seitenabrufen und Verlinkungen. Aber so fixiert viele auf diese Hitparaden sind (ich auch) – das zutiefst befriedigende am Bloggen ist nicht eine wachsende Zahl, sondern die Kommunikation an sich. Der eine Kommentar von jemandem, der genau verstanden hat, was ich sagen wollte, und meine Sätze durch eine Pointe krönt. Der Fremde, der zum Stammgast wird, zum Dauer-Kommentierer, zum Freund. Auch der Gegner, an dem ich mich immer wieder reiben kann.

Mein Blog kann ein ständiger Abgleich meiner Realitätswahrnehmung mit der anderer sein: Wer bin ich? Wie sehen die anderen mich? Worüber lachen sie? Was lässt sie kalt, was verstehen sie falsch? Die Konversationen, die entstehen, sind immer wieder Experimente in sozialer Interaktion: Welcher Kommentar lässt eine Debatte entgleiten? Wo formieren sich viele Blogs mit gemeinsamem Ziel? Wann macht die Größe einer solchen Welle aus der Masse einen Mob? Und wann eine schlaue, mächtige Bewegung?

Anders als für die meisten Blogger ist für Journalisten die Möglichkeit, zu vielen Leuten zu sprechen, nicht neu. Aber auch sie kannten selten etwas wie diese Unmittelbarkeit der Reaktion, diesen direkten Austausch mit dem Publikum, diese Chance zur virtuellen, aber echten Konversation.

Ich hatte bislang nur eine sehr vage Vorstellung davon, wer meine Texte liest und wie sie gelesen werden. Nun werden Leser und ihre Reaktionen sichtbar für mich (und jeden, den es interessiert). Das ist ein unschätzbarer Gewinn. Und eine Gefahr: Es ist leicht, die engagierten Kommentatoren und die mich zitierenden Internetseiten für das Ganze zu halten, und zu vergessen, dass sie nur einen kleinen Teil des Publikums darstellen, und womöglich nicht einmal einen repräsentativen.

Und dann kann die Internetwelt, die theoretisch so viel größer, reicher und vielfältiger ist als die konkrete nicht-virtuelle Lebenswelt vor unserer Haustür, plötzlich wieder ganz klein und eng werden. Wir lieben die fortgeschrittenen Formen der Kommunikation, die wir pflegen können, weil die anderen, die wir lesen und die uns lesen, die Anspielungen, Running-Gags und Seitenhiebe verstehen. Wie gehen auf in einem Netzwerk, das uns glücklich macht, weil wir uns verstehen oder wenigstens wissen, warum wir uns nicht verstehen; in der sich alles um Kommunikation dreht, um Sprache; um einen Austausch, der ebenso albern sein kann wie tiefgründig — und befriedigender als das nicht-virtuelle, aber flüchtige Gespräch zuhause, in der Kneipe, im Café.

Ich merke, dass mir das Gespräch mit Leuten, die in dieser digitalen Welt nicht zuhause sind, manchmal schwerer fällt. Und ich ahne, warum die Welt der Blogs, die eigentlich so offen und grenzenlos ist, plötzlich hermetisch wirken kann, weil es scheint, als würden alle nur noch für sich selbst schreiben oder für einander.

Aber das täuscht.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

[Dieser Artikel erschien als Ergänzung zu diesem Text von Harald Staun.]

Fehler-Outsourcing mit der „Netzeitung“

Deutschlands zweitgrößter Privatsender Sat.1 kann oder will es sich nicht leisten, eigene Nachrichten für seinen Online-Auftritt zu produzieren. Deshalb ist das, was unter Thomas Kauschs Gesicht veröffentlicht wird, „powered by N24.de“.

Aber auch Deutschlands größter privater Nachrichtensender N24 kann oder will es sich nicht leisten, eigene Nachrichten für seinen Online-Auftritt zu produzieren. Er lässt sich die Inhalte von der „Netzeitung“ zuliefern.

Und so erscheinen viele Nachrichten wortgleich auf netzeitung.de, N24.de und sat1.de. Das ist vielleicht nicht ideal, sagt auch etwas über die Nachrichtenkompetenz von N24 aus, könnte aber ja Vorteile für die Leser haben: Durch die mehrfache Verwertung einmal erstellter Inhalte wachsen die Erlöse, die man in eine höhere Qualität der Inhalte investieren könnte.

Ja, das ist graue Theorie. Wie grau — das zeigt beispielhaft ein Artikel über „Second Life“, angefertigt offenbar bei der „Netzeitung“, der in all seiner Grottigkeit nun auch sat1.de und N24.de schmückt, wo ganz offensichtlich niemand auch nur einen flüchtigen Blick auf die zugelieferten Inhalte wirft.

Die Zahl der deutschen Second-Life-Bewohner stieg laut Studie nicht in den letzten zwölf Monaten, sondern von Januar bis März um 70 Prozent. Darauf bezieht sich auch das 92-Prozent-Wachsum in den USA. Besonders schön ist die Rechnung, dass 61 Prozent der Nutzer männlich, aber „nur knapp ein Drittel weiblich“ sein sollen.

Und überhaupt ist die Überschrift „Deutsche fallen in Second Life ein“, die man von der britischen Seite „The Register“ übernommen hat, abwegig, da der Vorsprung der Deutschen vor den Amerikanern (oder wie die „Netzeitung“ sie nennt: „die Amerikanische“) ja geschrumpft ist. Genau genommen leben in den USA übrigens auch nicht „mehr als“ vier Mal so viele Menschen wie in Deutschland. Und dann sind da noch ein paar Fehler in Grammatik und Zeichensetzung, die nun auch gleich doppelt und dreifach erscheinen. (Ob die „Netzeitung“ den Unsinn auch noch in ihren Radionachrichten verbreitet hat, habe ich nicht kontrolliert.)

Das ist Outsourcing mit Synergie-Effekt im Online-Journalismus: Sat.1 und N24 lagern die Fehlerproduktion aus und lassen sie zentral von einem günstigen Experten erledigen.