Wie es zum „NPD-Eklat“ kommen konnte

Was ist da heute passiert?

Ich glaube, der Hype um den angeblichen Nazi-Eklat im sächsischen Landtag, der heute kollektiv die deutschen Medien erfasste, ist ein Lehrstück dafür, welch beunruhigende Wirkung die Dominanz von „Spiegel Online“ als einsames Internet-Leitmedium entwickeln kann.

Eigene Recherche oder auch nur der Rückgriff auf vorhandenes Expertenwissen spielen im Alltag deutscher Online-Redaktionen kaum eine Rolle. Dort sitzen überwiegend Menschen, die nicht mehr tun, als am Fließband die unaufhörlich eintrudelnden Meldungen von Nachrichtenagenturen in Form zu bringen (besten- oder schlechtestenfalls ergänzt um blind aus „Bild“ übernommene Meldungen). Auf der Suche nach Orientierung tun sie das, was auch die meisten Leser machen: Sie schauen auf „Spiegel Online“ nach.

„Spiegel Online“ aber ist ein Boulevardmedium. Und das eigentliche Problem daran ist nicht, dass „Spiegel Online“ Boulevardgeschichten breiten Raum gibt. Sondern dass „Spiegel Online“ auch die anderen Themen nach den Regeln des Boulevard aufbereitet: Meldungen werden zugespitzt, Kleinigkeiten zu Sensationen hochgeschrieben, Themen personalisiert. Die Welt, wie sie ein „Spiegel Online“-Leser erlebt, ist hundertmal aufregender als die Welt, die tagesschau.de präsentiert. Im Minutentakt durchleben hier Politiker, Prominente und Wirtschaftsbosse persönliche Niederlagen und Triumphe; jagen einander Skandale und Eklats, historische Umfragetiefs und verheerende Katastrophen.

„Spiegel Online“ zeichnet sich nicht nur durch einen hohen Anteil von selbst geschriebenen Artikeln aus. Auch Agenturmeldungen bekommen den „Spiegel Online“-typischen erregten Tonfall und fast immer einen kommentierenden Drall.

So geschah es auch mit der dpa-Meldung von heute, 10:50 Uhr, die im Original so begann:

CDU-Politiker Stanislaw Tillich neuer Ministerpräsident in Sachsen

Dresden (dpa) — Der CDU-Politiker Stanislaw Tillich ist neuer Ministerpräsident des Landes Sachsen. Der 49-Jährige erhielt am Mittwoch im Landtag bereits im ersten Wahlgang die erforderliche Mehrheit. Tillich kam auf 66 von 121 möglichen Stimmen. Der Kandidat der rechtsextremen NPD, Johannes Müller, erhielt 11 Stimmen und damit 3 mehr als die Fraktion Sitze hat. (…)

Der letzte Satz war korrekt, aber irreführend, weil er die ehemaligen NPD-Fraktionsmitglieder außer acht ließ. Aber der dpa-Mann scheint keinen erhöhten Puls gehabt zu haben, als er die Meldung schrieb.

Anders als der „Spiegel Online“-Mensch, der aus der Meldung eine Eilmeldung machte und aus dem vielleicht wenig überraschenden Stimmverhalten einen „Eklat“. Um 10:55 Uhr erschien sein Artikel online.

Ich kann es nicht beweisen, aber ich glaube, dass es diese Vorgabe von „Spiegel Online“ war, die die Berichterstattung der anderen Medien so fatal beeinflusst hat. Das Wort „Eklat“ oder auch „Skandal“ zum Beispiel, das sie in so großer Zahl gewählt haben, taucht in Bezug auf die heutige Wahl in keiner Agenturmeldung auf.

Bezeichnend ist, wie sich die Berichterstattung auf „Welt Online“ veränderte. Der Artikel über die Wahl ging dort bereits um 10:54 Uhr online. Er enthielt die irreführende Formulierung: „Sein Gegenkandidat von der NPD war zwar chancenlos, aber er erhielt drei Stimmen mehr, als seine Fraktion groß ist. Woher die zusätzlichen Stimmen kamen, ist unklar.“ Aber die Überschrift lautete schlicht: „Tillich zum neuen Regierungschef gewählt“. Erst nachdem „Spiegel Online“ „Eklat“ rief, änderte „Welt Online“ die Überschrift zu: „NPD-Eklat bei Tillichs Wahl zum Regierungschef?“ (Inzwischen ist „Welt Online“ wieder zur ursprünglichen Überschrift zurückgerudert.)

Es kann natürlich sein, dass nicht jedes Medium, das die dpa-Meldung bekam, erst den Anstoß von „Spiegel Online“ brauchte, um daraus einen Eklat zu konstruieren. Die markante Art von „Spiegel Online“, Themen aufzubereiten, ist im deutschen Online-Journalismus fast zu einer Art Standard geworden — vermutlich greifen viele ganz alleine zu solchen Schlagworten. Das ist natürlich auch eine schlichte Konsequenz aus dem verschärften Wettbewerb im Internet: Im Zweifel gewinnt derjenige die Aufmerksamkeit und die Klicks der Leser, der aus einer Nachricht den größeren Skandal macht. Voraussetzung dafür war in diesem Fall allerdings, dass man ungefähr noch nie mit der Berichterstattung über den sächsischen Landtag zu tun hatte — sonst wäre der Denkfehler aufgefallen.

Jedenfalls nahm die Eklatomanie ihren Lauf, und möglicherweise war sie auch Schuld daran, dass um 12:24 Uhr ein besonders blöder Satz in eine dpa-Meldung geriet:

Gerätselt wurde, wer von CDU, SPD, FDP, Grünen oder der Linken für den Rechtsextremisten gestimmt hat.

Gut möglich, dass dpa-Korrespondent Jörg Schurig den Satz nicht selbst geschrieben hat, sondern er ihm von jemandem in der Zentrale hineinredigiert wurde, der beobachtet hatte, wie plötzlich tatsächlich von ahnungslosen Medien wie Bild.de genau das „gerätselt wurde“. Ein Indiz dafür ist auch, dass Schurig nur eine gute halbe Stunde später einen ausführlichen Korrespondentenbericht schickte, der die ganz und gar eklatfreie Überschrift „Neustart ohne Nebengeräusch“ trug und in dem es korrekt heißt:

Das Resultat des rechtsextremen Kandidaten Johannes Müller lag drei Stimmen über der Zahl der NPD-Mandate. Trotzdem wurde das [von der Regierungskoalition] als Randnotiz abgetan: Da die NPD nach Austritten und einem Rauswurf auf acht Sitze und damit zwei Drittel ihrer einstigen Stärke schrumpfte, gibt es im Landtag vier Fraktionslose mit unklarer Stimmungslage.

Die Kollegen von stern.de aber krempelten diesen Bericht — ich vermute, angesichts des Tonfalls der anderen Online-Medien — zu einem Artikel um, unter dem zwar noch der Name „Jörg Schurig“ stand, in dem aber plötzlich ebenfalls von einem „Eklat“ die Rede war, und davon, dass die NPD in Dresden „gepunktet“ habe.

„Spiegel Online“ hatte die übergeigte eigene Meldung zu diesem Zeitpunkt längst aufgegeben und sich dafür entschuldigt — aber die ursprüngliche Interpretation beherrschte noch die Berichterstattung und war nur mühsam aus der Welt zu bekommen. Um 14:39 Uhr gab dpa eine Meldung raus, in der der Satz „Gerätselt wurde, wer von CDU, SPD, FDP, Grünen oder der Linken für den Rechtsextremisten gestimmt hat“ explizit gestrichen wurde. Gleichzeitig veröffentlichte dpa eine neue, korrekte Zusammenfassung. (Die Agenturen AP und Reuters hatten um 12:35 Uhr bzw. 13:08 Uhr in längeren Meldungen ebenfalls auf die Ex-NPD’ler hingewiesen.)

So also funktioniert der Qualitätsjournalismus im Internet, von dem die Verlage so schwärmen: Ein Agenturkorrespondent, der sich nicht ganz klar ausdrückt, ein Online-Leitmedium, das im Schlagzeilen- und Klickrausch den größtmöglichen Verstärker mit Verzerrer einschaltet, und Dutzende Kopiermaschinen, die ohne Wissen, Recherche und jeden eigenen Gedanken hinterhertaumeln.

Ich glaube nicht, dass die Geschichte mit dem „NPD-Eklat“ ein Sonderfall war. Ich glaube, das passiert so ähnlich, nur viel weniger anschaulich, jeden Tag.

82 Replies to “Wie es zum „NPD-Eklat“ kommen konnte”

  1. Stefan, welche Online-Medien liest du, wenn du seriös informiert werden möchtest? SpOn habe ich lange aus den Bookmarks geschmissen, im Moment lese ich Welt, Süddeutsche und hin und wieder Tagesschau.

    Ich würde mich so gerne von allem Boulevardesquen fernhalten, es ist nur nicht immer ganze einfach. Vielleicht führst du einfach mal eine Art Laufband ein. „Im Moment seriös aussehende Medien“ oder so.

  2. Der „Qualitätsjournalismus im Internet“ wird durch den „Medienjournalisten im Internet“ bestens ergänzt.
    Vor der Internetzeit wäre grösserer Schaden entstanden.
    Für die Analyse des „Eklats“: Chapeau!

  3. Nu lass doch mal die Journalistendarsteller in Ruhe! Die bemühen sich redlich und versuchen ihr bestes.

  4. Es steht zu befürchten, daß Sie recht haben. Leider. Es ist, trotz des bedrückenden Anlasses, ein sehr „schöner“ Artikel von Ihnen. Der Ablauf der ganzen Maschinerie ist sehr gut beschrieben.

    Und die Frage ist berechtigt, der Vorschlag ebenso: Laufticker der zurzeit wahrscheinlich seriös arbeitenden Medien.

    Es ist bitter.

  5. @Sky

    Der „Qualitätsjournalismus im Internet” wird durch den „Medienjournalisten im Internet” bestens ergänzt.

    Daß ich Ihnen mal leidenschaftlich zustimmen kann, ist ein eher seltenes Ereignis: Chapeau!

  6. Dazu fallen mir spontan zwei Dinge ein: 1. Wie wäre es denn, wenn Spiegel Online mal Deinen Text verlinken würde? Und 2.: Kann das bitte mal jemand schnell an alle Lehrer in Deutschland mailen? Theme: Kritischer Umgang mit Online-Medien.

    Für die Recherche ein „Alle Achtung!“

  7. Ganz, ganz dickes Lob für die heutigen Beiträge zu diesem Thema. Ich gehöre – Asche auf mein Haupt – zu denen, die vor einigen Jahren George W. Bush gegen manche mediale Exzesse hierzulande „verteidigt“ haben. Ein entscheidender Grund war dabei für mich immer genau das, was Sie hier beschreiben.

    Bei dem speziellen Thema hat das damals leider nur wenige gestört, weil nun einmal fast niemand Bush leiden konnte und eine vermeintlich ja auch nur gelegentliche Zuspitzung oder Falschdarstellung an den grundsätzlichen Fakten nichts änderte – der Zweck heiligte die Mittel. Für mich, der ich mich sehr intensiv mit den USA auseinandergesetzt hatte, war es dagegen unbegreiflich, wie leicht man selbst als Laie aus dem Sessel heraus unzählige Berichte des Marktführers in Sachen Online-„Journalismus“ als völligen Mumpitz entlarven konnte und wie schlampig das Vorgehen teilweise war. Und dabei ging es nicht nur kleine Pedanterien, sondern um zentrale „Aufhänger“ zahlreicher Artikel und grundlegende journalistische Mindeststandards.

    Meine Einschätzung der politischen Verhältnisse in den USA hat sich seitdem stark geändert, aber in meiner Einschätzung von SpOn kann ich mich nach diesem Vorfall heute nur wieder um so mehr bestätigt sehen.

    Solche Beobachtungen finde ich extrem wichtig, wichtiger eigentlich noch als die Mission des „Bildblog“.
    Dass die „Bild“ eine unseriöse Informationsquelle ist, ist m. E. noch einem relativ großen Kreis einigermaßen bewusst (nicht umsonst ist der Ausspruch „Bild sprach zuerst mit dem Toten“ wohl den meisten bekannt) und durch den „Bildblog“ sicher noch offenbarer geworden. SpOn genießt dagegen leider gerade in manchen „gebildeteren“ Kreisen immer noch oft einen relativ lupenreinen Ruf. Selbst Studenten (und Dozenten) der Kommunikationswissenschaft, denen die Unmöglichkeit einer objektiven Berichterstattung immer wieder eingetrichtert wird, nehmen da meiner Erfahrung nach sehr vieles pauschal für bare Münze. (Ich werde nie den entsetzten Blick eines Bush-kritischen Kowi-Professors vergessen, der seinerzeit eine erwiesene Falschmeldung über Bush verbreitete und auf meinen gegenteiligen Hinweis hin völlig ungläubig darauf verwies, diese Information aber doch von Spiegel Online zu haben.)

    Ich stimme 100 Prozent überein mit der Einordnung von SpOn als „Boulevard“ und ich finde das persönlich in vielerlei Hinsicht kaum weniger gefährlich als den negativen Einfluss der „Bild“, nicht zuletzt weil die meinungsbildende Funktion von SpOn, auch aufgrund seiner Rolle als „Meinungsführermedium“, enorm sein dürfte. Deshalb noch einmal: chapeau und danke für diesen wichtigen Beitrag!

  8. als sachse habe ich schon bei der ersten SPON-meldung gestutzt, weil mir die an und für sich begrüßenswerte selbstzerlegung der npd-fraktion präsent ist. insofern finde ich diesen beitrag sehr verdienstvoll und man kann ihm nur weitestgehende verbreitung wünschen. aber was ich mich heute nicht zum ersten mal frage, ist folgendes: wie schaffst du das eigentlich, praktisch alle relevanten deutschen nachrichtenportale nicht nur einmal am tag sondern praktisch permanent im blick zu behalten und damit die entwicklung der berichterstattung innerhalb der einzelnen medien und dazu auch noch die wechselwirkung untereinander im blick zu behalten? und dann – last not least – auch noch nen klugen artikel zu schreiben. oder auch zwei. ist wirklich ne ernst gemeinte frage, reine neugier. sozusagen mit offenem mund vor bewunderung ;-)

  9. @arkadenfeuer: Also, der Dank geht erstmal an Martin, der morgens gleich die Spiegel-Online-Eilmeldung gesehen hat. Und die Veränderungen bei Welt Online kann man ganz gut im Nachhinein im RSS-Feed nachvollziehen. Und die Wechselwirkungen sind ja teilweise nur Mutmaßungen. Und dann hilft natürlich ein Zugriff auf Agenturmeldungen. Also: Alles nur heißes Wasser.

    @diverse: Danke für das Lob, aber mir wär’s nicht lieb, diesen Eintrag allzu hoch zu hängen. Der konkrete Fall an sich ist ja sicherlich nicht das Schlimmste — da gibt es wahrlich größere Skandale. Erschreckend fand ich aber die Mechanismen, die er offenlegt, deshalb habe ich das so ausführlich auseinanderzudröseln versucht.

  10. Grosses Kompliment, Stefan! SPON ist in der Tat reiner Boulevard – das sollte jeder Leser wissen. Leider wird das Portal in der breiten Öffentlichkeit (noch?) als seriös beurteilt. In diesem Sinne finde ich SPON beinahe (!) gefährlicher als „offizielle“ Boulevardseiten.

  11. Bliebe noch zu ergänzen, dass die selbsternannten Qualitätsjournalisten von ARD/ZDF, die ja so dermaßen über den Dingen schweben und ihre vorzügliche, auch im Internet unverzichtbare Meinungsbildung von unseren Gebühren nähren, im Ernstfall auch von SpOn abschreiben, was das E-Wort betrifft. Sollte bei entsprechenden Gelegenheiten nicht unerwähnt bleiben!

  12. @ts: mir ging’s schon bei vielen Themen ähnlich was die Qualität von Spiegel Online angeht. Das ging bei Animé los und ging über die Betitelung von Erdteilen (Madagaskar = Sri Lanka, Galapagos = Hawaii) bis zu Fußballthemen. Nur dass sie zu speziell waren, als dass man ohne Weiteres Abschreiber hätte finden können. Ich habe dann Leserbriefe geschrieben, die nichts gebracht haben.

    Von daher kann man ja froh sein, dass SpOn sicht mittlerweile berichtigt. Nur fehlt eben noch die abschließende Korrektur aller Abschreiber, da SpOn zur Agentur mutiert.

    Entsätzlich ist meiner Ansicht nach der mdr, der selbst einen absoluten Bockmist berichtet hat, und eigentlich von Menschen gemacht werden sollte, die sich mit dem Bundesland auskennen.

  13. Ich stimme zu, möchte allerdings noch einen weiteren Punkt anführen. Online Journalismus hat die Entwicklung von Agenturmeldungen sowie auch die Entwicklung eines Arikels (im Falle Spon hier sogar mit begründeten Korrekturen) sichtbar gemacht.
    Wer weiß schon in vielen Print-Redaktion der Artikel auf der entsprechenden Seite im ersten Entwurf ebenfalls so zugespitzt oder eben auch falsch im Entstehungsprozess steht. Letztlich dann aber durch redaktionelle Kontrollprozesse zur richtigen Version wird, die dann gedruckt wird.
    Onlinemedien haben weniger Zeit zur Recherche, dafür aber bessere Möglichkeiten zur Korrektur.

    PS: Weiß jemand ob man als Privatperson direkt auf dpa und Co. zugreifen kann? Mgl. gibt es ja eine Seite die dpa-Meldungen unredigiert online stellt?

  14. @13(ts)
    endlich bringts mal jemand zur sprache. Die Ernsthaftigkeit, mit welcher spiegelonline-meldungen bisweilen in den Raum gebläht werden, von ansonsten durchaus intelligenten Studenten und Leuten die generell gelernt haben sollten, wie man spiegelonline von einem gut recherchierten onlinemedium unterscheidet, läßt mir oft das Blut in den Adern gefrieren.
    Daß es scheinbar manchmal als angebracht für einen stets „politisch gebildeten Menschen“ gilt, mindestens ein bis zwei mal am Tag auf diese Clownseite zu gucken, damit selbiger dann den anderen fürchterlich politisch_auf_dem_laufenden_seienden-Mitintellektuellen berichten kann, was gerade „wichtiges“ an Aktuellem zu wissen sei, fördert bei mir schon seit gefühlten 3 Jahren einen erheblichen Brechreiz, wenn ichs nur durch den Gang säuseln höre.
    Ich finde es aber durchaus beruhigend, daß es scheinbar doch noch ein paar andere Menschen gibt, die nicht auf die Möchtegern-Kompotenz dieses Leitmedium hereinfallen. danke

    @Niggemeier
    Auch wenn die dpa nicht so ganz trocken in ihrem Artikel weggekommen ist, Herr Niggemeier, halte ich sie trotzdem für eine gute nachrichtenagentur.
    Ansonten habe ich mich außerordentlich über ihren Artikel gefreut.

  15. „Allerdings hat die sächsische Demokratie auch unter dem neuen Ministerpräsidenten weiter darunter zu leiden, dass sie eine Fraktion der NPD im Landtags tolerieren muss. Tillichs Wahl bietet den Rechtsextremen sogar die Gelegenheit, wieder einmal für Verwirrung zu sorgen: Der NPD-Kandidat für das Ministerpräsidentenamt erhält elf Stimmen – dabei verfügt die Fraktion nur noch über acht Abgeordnete. Vier ehemalige Fraktionsmitglieder sitzen allerdings noch hinter den Reihen ihrer Ex-Kollegen. Von wem also kamen die drei zusätzlichen Stimmen?“
    Auszug aus SPIEGEL ONLINE http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,556043,00.html

  16. @ Thomas:
    http://www.dernewsticker.de/

    „Über uns:
    Die Internetseite derNewsticker.de ist Vertragspartner bzw. Lizenznehmer der drei renomierten Nachrichtenagenturen dpa, AFP und DDP, von denen wir den Großteil unserer Meldungen beziehen. Diese werden ohne Zeitverzögerung und unverändert sofort nach Eingang bei uns online gestellt.“

  17. Gut zu wissen, mit meiner Mainstreammedien-(besonders SPON-)Verdrossenheit nicht allein zu sein.

    Leider wird es wohl noch viel schlimmer bevor es besser werden kann.

    Danke an Stefan und alle, die hier ihr Fähnchen gehoben haben :)

  18. Stefan Niggemeier im Fernsehen, 0:25 Uhr auf 3sat. Warum kommen die interessanten Sendungen immer mitten in der Nacht? SKANDAL!

  19. Ich glaube es war Wolf Schneider, der in einem seiner Bücher forderte: Journalisten, denkt nach, überprüft die Plausbilität! Außerdem sollte sich nur jemand mit einem Thema beschäftigen, der auch die Hintergründe kennt. Natürlich, eine Redaktion kann nicht zu jedem Einzelthema einen Experten haben. Aber wer nur regelmäßig die Meldungen über den sächsischen Landtag verfolgt hat, hätte wissen müssen, dass einige aus der NPD-Fraktion ausgetreten sind und es naheliegend sind, dass die drei Stimmen aus dieser Ecke kommen. „Spiegel Online“ hat zumindest quantitativ das Personal, so etwas leisten zu können. Vllt. braucht es hierzu noch die ein oder andere kritische Debatte, um das Bewusstsein zu schärfen.

  20. Anders als der „Spiegel Online”-Mensch, der aus der Meldung eine Eilmeldung machte und aus dem vielleicht wenig überraschenden Stimmverhalten einen „Eklat”. Um 10:55 Uhr erschien sein Artikel online.

    [Oberlehrermodus] Da fehlt ein „ein“. [/Oberlehrermodus]

    brillante Analyse, leider hab ich keinen Hut zum Ziehen. Grüßli

  21. Der Eklat-Eklat ist in seinem Ablauf wahrscheinlich wirklich symptomatisch für ähnliche Hypes.

    Als regelmäßiger Leser dieser Seite ist man davon nicht mehr besonders überrascht – höchstens von der Höhe, welche die Welle heute erreicht hat.

    Überraschend ist vielmehr die Tatsache, dass es scheinbar in keiner Redaktion Menschen gibt, die sich mit dem Thema Rechtsextremismus auch nur das kleinste bisschen auskennen. Wäre das der Fall, müsste so ein Fehler sofort ins Auge springen.

    Die Dummheit und Arroganz, die aus dieser Arbeitsweise spricht ist ein ganz wesentlicher Bestandteil des Problems „Rechtsextremismus“

  22. Das SPON-Bashing nimmt hier ja langsam extreme Formen an. So schlimm die fehlende Recherche in diesem Fall auch sein mag, so sollte man den ganzen Laden nicht in Bausch und Bogen verdammen. Ich finde es viel schlimmer, dass andere „Qualitätsmedien“ einfach so abschreiben und sich so als komplett belanglos outen.

  23. @S. Niggemeier

    „Ich kann es nicht beweisen, aber ich glaube, dass es diese Vorgabe von „Spiegel Online” war, die die Berichterstattung der anderen Medien so fatal beeinflusst hat.[…]“

    Der Satz tat mir ein wenig weh, da „Medienkritik“ substanzieller sein sollte (zumindest hier so gewohnt)…

    „Ich kann es nicht beweisen, aber ich glaube…[…]“

    Menschenskinder…

    Trotzdem „Danke!“ für das (thematisch) gut Aufbereitete.

    Conejero

  24. ‚N paar Kommentarpunkte. Pardon wenn ich plappere.

    -Es gibt sicherlich schlechtere „Leitmedien“ für die besagten Online-Redakteure als Spiegel Online. Dummerweise gibt es natürlich auch nicht wenige weit bessere. Selbst mehr Vielfalt an schlechten als Grundlage wäre eine Verbesserung, und sei es nur weil dem Online-Redakteur dann eventuell auffallen könnte, wer von wem abzuschreiben scheint und dass da bei einer scheinbaren Sensationsmeldung möglicherweise irgendwas faul ist. Auch Online-Redakteure sind in ihrem Beruf aus moralischer Sicht der Wahrheit verpflichtet, ebenso wie dem Transport derselben mittels ordentlicher journalistischer Qualitätsarbeit, und irgendwie erwarte ich von Menschen, die dieses Berufsfeld wählen, ein gewisses Mass an Spürsinn und Idealismus dahingehend. Aber da bin ich wohl naiv.

    -Mich würde wirklich mal die demografische Zusammensetzung dieser Gruppe der „Online-Redakteure“ interessieren. Ich bin immer schnell geneigt, diese Mentalität des Durchschleusens und Umtrimmens von Agenturmeldungen darauf zurückzuführen, dass dort vornehmlich Menschen mit einem ausgeprägten Mangel an Spürsinn und Idealismus und dergleichen sitzen, die sich aus welchen Gründen auch immer auch um sonstige journalistische Grundsätze nicht wirklich kümmern. Das mag jetzt arrogant und unfair klingen, aber da drängt sich mir immer schnell die Vorstellung von jungen und unerfahrenen Jungredakteuren oder Volontären oder Praktikanten auf, die weder grosse Lust haben, sich in ihren eventuell miesen/stressigen/unterbezahlten Job halbwegs reinzuknien, noch über ausreichend Lebens- und Berufserfahrung verfügen, um jenseits dieser Abschreibemechanismen wirklich den Durchblick zur Realität zu haben, oder auch nur ein Gespür dafür. Vermutlich geht das Hand in Hand mit einem ausgeprägten Unwillen, sich aktiv darüber zu informieren, was denn so in der Welt passiert. Bildung ist anstrengend, und die Kids sind faul. Ich will jetzt nicht „PISA-Land“ schreien, aber… ich sach‘ ja nur..

    -Stimmt, sowas ist wahrscheinlich keineswegs die Ausnahme, sondern die Regel. Wie ich irgendwann schonmal schrub, es gibt ein paar mehr oder weniger obskure Fachgebiete, in denen ich ziemlich gut zu Fuss bin, und in schöner Regelmässigkeit stellen sich mir die Zehnägel hoch wenn ich Berichterstattung oder Agenturmeldungen darüber sehe. Fehlinterpretation, Unwissen, Aufbauschen, Unterschlagen, Verallgemeinern – das ist alles an der Tagesordnung. Da verliert man schnell das Vertrauen in die restlichen Meldungen, die man mangels eigenem Fachwissen nicht so leicht verifizieren kann. Hohe Erwartungen habe ich da jedenfalls keine.

    -Übertreibungen und potentielle Wertungen haben ihren Ursprung z.T. auch in einer der Berichterstattung eigenen deutschen Medien-Sprachkultur, die schon bei der inflationären Wortwahl beginnt. Begriffe wie „Skandal“ oder „Eklat“ sind schnell bei der Hand, auch wenn sie garnicht zutreffen. Es wird gerne auf sprichwörtliche „Experten“ oder „Wissenschaftler“ verwiesen, um ein (vermeintliches) Zitat zu adeln, völlig bar jeder Identifikation dieser Experten oder Wissenschaftler und deren tatsächlicher Reputation. Bei der „Bild“ haben diese Experten und Wissenschaftler dann auch nicht nur etwas herausgefunden, sondern „jetzt“ herausgefunden (für die Nichteingeweihten: das „Bild-jetzt“ ist ein variables Zeitmass von gemeinhin mehreren Jahren Länge). Vermeintliche Ballungen von Vorfällen werden generiert, indem angeblich „erneut“ oder „schon wieder“ etwas passiert obwohl nur gerade zufällig darüber berichtet und somit auf gestiegenes öffentliches Interesse spekuliert wird bis die nächste Sau durch’s Dorf getrieben werden kann. Auch die „nicht abreissende Serie“ ist sehr beliebt, was dann schnell auch gleich eine „Pannenserie“ ist. Überhaupt wird gerne jeder Minimalfehler und jede erwartete oder auch nur wahrscheinliche Fehlfunktion und Normabweichung direkt zur „Panne“ umdeklariert – nicht um zu sagen, Pannen und Fehler passierten nunmal, sondern um Inkompetenz zu unterstellen und einen „Schuldigen“ zum Lynchen zu suchen. Floskeln von solcher Natur, bzw. die Häufigkeit oder der Mangel davon, sind für meine Begriffe ein Mass für journalistische Qualität. Erstaunlicherweise (oder vielleicht auch gerade nicht) scheinen diese Floskeln hauptsächlich negative Neuigkeiten zu begleiten, in entgegengesetzer Richtung fallen mir zumindest spontan keine über Gebühr positivierenden Medienfloskeln ein, ausser vielleicht die sprichwörtliche „Sensation“ die garkeine ist. Bad news is good news.

  25. Es irrt der Mensch, solang er strebt. Auch wenn er Spiegel-Redakteur ist. Sei froh, Stefan, wo sonst würdest Du den Stoff für so wunderbar scharfsichtige Analysen hernehmen

  26. Hat jemand zufaellig gestern verfolgt, ob der Eklat es ins Fernsehen geschafft hat? Mittagsmagazine, n24/ntv etc..

  27. […] Wie es zum “NPD-Eklat” kommen konnte (stefan-niggemeier.de/blog) In deutschen Online-Redaktionen “sitzen überwiegend Menschen, die nicht mehr tun, als am Fließband die unaufhörlich eintrudelnden Meldungen von Nachrichtenagenturen in Form zu bringen […] Auf der Suche nach Orientierung tun sie das, was auch die meisten Leser machen: Sie schauen auf „Spiegel Online” nach. „Spiegel Online” aber ist ein Boulevardmedium.” […]

  28. Sehr interessant. Danke.
    Und ich hab mal wieder zwei neue Worte gelernt:
    „Eklatomanie“ und „uneklatiös“

  29. Das Fatale ist ja, das Spiegel Online & Co. nicht nur stilbildend für den Onlinejournalismus sind, sondern auch auf die Kultur der politischen Debatte innerhalb der politischen Klasse abstrahlen. Das war zwar schon immer so, aber durch die immer schnellere Taktung und den aufgeregten Habitus dreht sich das Karussell halt immer rasanter. Bevor ein politischer Gedanke reifen kann, ist er schon dem „SPON-Häcksler“ zum Opfer gefallen.

  30. Dazu zwei Beobachtungen eines geplagten Medienkonsumenten: Nicht nur Online-Medien wie SPON „übergeigen“ regelmässig und gerne. Das kann man ebenso beim Fernsehen beobachten (man denke nur an solche Perlen wie „Sabine Christiansen“) und regelmäßig in der Lokalzeitung, in der jede noch so faktenfreie „Studie“ von INSM oder Bertelsmann gleich mal gerne auf Seite eins landet.

  31. bloß paar fragen …

    1) woher will Herr N. denn wissen, was qualitätsjournalismus ist und was qualifizierte jorunalistische recherche (dazu im www-Netz) ?

    2) „getretner quark wird breit nicht stark“ .
    wusste das nicht schein weioland ein geheimrat ?

    Gruß Teddy

  32. @nona: Sehr gut! Vor allem der letzte Teilabsatz! Ich kann dir nur zustimmen. Du sprichst mir aus der Seele ich hätte es nicht besser formulieren können. Auch wenn es hier vielleicht nicht hinpasst aber ein trauriges Beispiel an Gesprächskultur unter vermeintlich gesitteten und gebildeten Menschen konnte man in der letzten Hart ab Fair Sendung beobachten. Es war so ziemlich die schlimste art der Gesprächsführung, die ich seit langem gesehen habe. Niemand ging auch nur Ansatzweise auf die Argumentation seines Gesprächspartners ein, es wurde agitiert statt argumentiert. Es wird sich um mögliche Prozentzahlen die bei den nächsten Wahlen für die eigene Partei erreicht werden könnten gestritten, es wird darüber fabuliert ob Nahles oder Beck das sagen hat, und der Zuschauer und Wähler wird währenddessen mal eben ignoriert. Dieser elitäre Kaste der Spitzenpolitiker hat sich längst von den Menschen auf der Strasse und deren Bedürfnisse und Nöte gelöst, jeder Sinn für Realität ist auf der Strecke geblieben und unter ihren Gesprächsblasen und Worthülsengelaber wird diese Tatsache nicht mal zur Kenntnis genommen. Der Bürger wendet sich ab und geht nicht mehr wählen. Warum nur, warum nur. Heisst es dann hinterher. Grauenhaft. Und diese Art und weise der Gesprächsführung und des journalistischen Umgangs übertragt sich natürlich in die medien. Egoismus und Profit und deren Auswüchse und Maximirungsabsichten, der Tod des Journalismus.

  33. Was wollt ihr denn? Ist es nicht ein Fortschritt, dass SpOn nicht mehr nur abschreibt, sondern inzwischen von SpOn abgeschreiben wird??? :-))

    SCNR

  34. Eine Falschmeldung, die aus einer Tatsache (3 Stimmen mehr als Fraktionsstärke für NPD-Kandidat) die falschen Schlüsse zieht, ist sage und schreibe eine halbe Stunde (DPA: 12.24 bis 13.08) in der Welt und wird dann sukzessive mehr oder weniger konsequent korrigiert – und? Daraus einen Beleg für fehlenden Qualitätsjournalismus im Internet zu zimmern, zeugt von genau der hechelnden Erregungskultur, die Blogs gern den Leitmedien vorwerfen – und währenddessen selbst praktizieren. Das Ganze ließe sich mit derselben Berechtigung (und ebenso überzogen) als Beleg für funktionierende Kontrollmechanismen deuten. Nicht so beeindruckend…

  35. @Andreas: Wieso eine halbe Stunde? 10:55 Uhr kam Spiegel Online damit raus. Und dpa hat den Fehler um 14:39 korrigiert. Das sind knapp vier Stunden.

    Aber das ist auch nicht entscheidend. Mir geht es nicht um die Frage, wieviele Stunden das in der Welt war, sondern wie schnell und wie weit sich eine (in diesem Fall mindestens irreführende) Interpretation verbreitet hat.

  36. In Zeiten knapper Kassen, braucht sich nicht zu wundern, wenn Nachrichtenseiten versuchen, das letzte aus jeder Pressemitteilung heruaszuholen und somit Leser anzuziehen.

  37. wunderbarer artikel, und ich stimme dir in deine beurteilung von spon et al auch zu.

    nur: bei der wahl im sächsischen landtag ist es meines wissens nach schon zu einer kleinen unstimmigkeit gekommen. denn tillich wurde zwar in der tat mit 66 stimmen gewählt – allerdings haben cdu/spd insgesamt 68 stimmen. da ein abgeordneter krankheitsbedingt nicht an der wahl teilnehmen konnte, gab es zumindest noch einen abweichler. das heißt nicht, dass dieser für den npd-kandidaten gestimmt hat, aber bemerkenswert ist das schon.

    darüber hinaus muss man natürlich auch bedenken, dass tillichs vorgänger milbradt 2004 die wahl erst im zweiten durchgang geschafft und es damals tatsächlich zwei abweichler zugunsten der npd gegeben hatte. insofern kann man vielleicht auch bei tillichs wahl von einer überhöhten und alarmbereiten wahrnehmung der journaille ausgehen…

  38. Kann mir jemand bitte etwas weiter helfen?
    Die große Koalition gab 67 Stimmen + 8*Npd +3*Fraktionslos = 78
    66 Stimmen für Tillich +11 für Mr. NPD macht 77.. hat da jemand ungültig gewält?

  39. Guten Tag Herr Niggemeier,

    ist Ihnen schon einmal aufgefallen, daß diese brutalen Übertreibungen/Falschmeldungen ausschliesslich bei Meldungen über „Rechte“ passieren.
    Die linksfaschistisch, gleichgeschalteten Medien halten sich bei linker Kriminalität bzw. Migrantengewalt sonst vornehm zurück, getreu dem Motto: In Deutschland gilt derjenige als viel gefährlicher, der die schlechten Nachrichten überbringt, als der, der sie verursacht hat…

    Denken Sie einmal ganz genau nach, in welche Kerbe Sie mit Vorliebe und mit größtmöglicher Gewalt hauen!

  40. Spiegel Online setzt das fort, was mir beim gedruckten Spiegel auch schon aufgefallen ist: Kompetenz und Recherche werden durch reißerische Aufmachung ersetzt. Als ich mich zum x-ten Mal über Unsinn in einem Artikel über ein Gebiet, in dem ich mich selbst einigermaßen gut auskenne, geärgert habe, habe ich beschlossen, das Blatt nicht mehr zu kaufen. Trotzdem lese ich Spiegel Online – was sagt uns das?

  41. Sächsische Zeitung, 29.05., Seite 1:
    „Ein NPD-Eklat blieb aus: Der Kandidat der Rechtsextremen bekam nur elf Stimmen.“

  42. Auch Internet-Qualitätsmedien können irren. Daraus nun gleich allgemeine Megarückschlüsse auf die Qualität von Onlinemedien zu ziehen finde ich leider selbst ziemlich aufbauschend.

  43. Nun, wenn sich ein so offensichtlicher Fehler so schnell so massiv verbreitet, kann man doch von einem Beleg für die allgemeine Situation sprechen. Und die Mechanismen erkennen. Ist ja nicht der einzige Beleg. Nur schön plastisch.

  44. Der Fehler war nicht offensichtlich, sondern einigermaßen versteckt. Dass die sächsische NPD-Landtagsfraktion von einigen ursprünglichen Mitgliedern verlassen wurde, war zwar bekannt, aber so wichtig nun auch wieder nicht, dass es nun weiterhin an oberster Stelle des politischen Langzeitgedächtnisses präsent war. Es liegt in der Natur von Eklats, dass sie um so gründlicher untersucht werden, je größere Kreise sie ziehen. Der Eklat wäre als solcher also garantiert entkräftet worden. Herrn Niggemeier kommt das Verdienst zu, dass er der erste dabei war. Wann hat es denn den letzten solchen Fehler von Spiegel Online & Co. unter tausenden Meldungen und Artikeln in einem Monat gegeben? Also kommt mal wieder runter, Leute.

  45. @Medienexperte: Darf man denn Rückschlüsse auf die Medienlandschaft daraus ziehen, dass du die Möglichkeit vorbereitender Recherche, die die Bestände des Langzeitgedächtnisses vielleicht ergänzen könnte, noch nicht einmal in Betracht ziehst? Schon bei einem auch nur flüchtigen Blick auf die Zusammensetzung des Landtags hätte einem dämmern müssen, was dort wahrscheinlich passiert ist.

  46. Spiegel Online übertreibt es sicher mitunter etwas mit der Skandalisierung, und der jetzige Fehler ist in dieser Hinsicht für die Macher selbst sicher ein schmerzliches Erlebnis. Das ändert aber nichts daran, dass es sich bei Spiegel Online derzeit um das beste deutsche Online-Newsmagazin und als solches um eine große Bereicherung handelt. Solche Fehler sind der Schnelligkeit und großen Aktualität geschuldet, vielleicht sogar deren zwangsläufiger Preis – die den generellen Wert von SpOn aber kaum mindern. Wo schnell und zeitnah gefahren wird, werden halt im Eifer des Newsgeschäfts ganz selten auch mal paar Hütchen umgefahren. So what?

  47. Nein. Das hat nichts mit der Aktualität zu tun, sondern das nennt man Boulevardisierung.

  48. Der Boulevard ist ja auch ein enger Verwandter der Schlagzeile. Das Schöne an Spiegel Online ist, dass es beides bietet: neben der News-Schlagzeile auch Analyse, Recherche und Hintergrundkommentare. Das zu unterschlagen, wäre leider ebenfalls Skandalisierung, nämlich von Spiegel Online durch seine Kritiker. Hätte es nicht Niggemeier herausgefunden, wäre SpOn bei seinen vertiefenden Recherchen wahrscheinlich selbst auf den Fehler gestoßen. Also Der Spiegel ist ein News-UND Hintergrundmagazin. Die Analyse folgt der News in der Regel. Kleine Betriebsunfälle bei schnellen News sind da leider nicht völlig auszuschließen. Also entspannt euch, immer schön locker bleiben.

  49. #70: Da hat er Recht. Und Polemik gibts auch noch.
    Irgendwann kommt mal ein genialer Stratege darauf, diese Dinge voneinander abzugrenzen, damit man das Eine nicht mehr mit dem Anderen verwechselt.

  50. Was mich überrascht, ist nicht, dass die Nachrichtredakteure von SpOn die Ursache der drei „extra“ Stimmen nicht forschten. Wir alle begehen Fehler. Dass dutzende andere Portale denselben Fehler gemacht haben, ist schon besorgniserregender.
    Und die ganze Geschichte wurde auffällig wegen des Titels, der über „Eklat“ berichtete. (ein anderer gemeinsamer Fehler) Denn der Titel soll die Aufmerksamkeit erregen. Sogar als Verfasserin eines kleinen Blogs habe ich oft das Dilemma: einen treffenden Titel zu geben, oder einen, der den Inhalt des Artikels nicht so gut ausdrückt, aber wahrscheinlich mehr Interesse weckt. Ab und zu entscheide ich mich für die erste, ab und zu für die zweite Version.
    Vor einigen Jahren arbeitete ich als Nachrichtredakteurin für ein Wirtschaftsportal. Meistens schrieb ich über Quartalsberichte verschiedener Firmen, aber ich sollte immer versuchen, einen „gut klingenden“ Titel herauszufinden. Wörter wie „Skandal“ und „Pleite“ gehörten nicht zu meinem gewöhnlichen Repertoire, aber „überraschend“ und „riesig“ waren alltäglich. Und eine Unmenge an Wortspielen.
    @Medienexperte:
    „Die Analyse folgt der News in der Regel.” Das soll auch meiner Meinung nach so sein. Aber es bedeutet auch, dass man in der News-Sektion eigentlich über Fakte berichten und Wörter wie „Eklat” vermeiden sollte. Aber die Anzahl der Leser kann man mit solchen Schlagzeilen steigern.
    @Nobilitatis
    Gute Idee. Die Begrenzung wäre meiner Meinung nach sowohl für Leser, als auch für Journalisten vorteilhaft.

  51. […] des Spiegels diesem deutschlandweiten Wett-Schreien hat vor einigen Tagen Stefan Niggemeier anhand eines Beispiels überzeugend dargestellt. Autor: Harki Datum: Sonntag, 1. Juni 2008, 14:45 Kategorie(n): Medien und Presse […]

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