Schlagwort: Theo Zwanziger

Die Lügen des DFB (2)

Der „Gießener Anzeiger“ ist eher versehentlich in die eskalierende Auseinandersetzung zwischen dem Deutschen Fußball-Bund und dem freien Sportjournalisten Jens Weinreich geraten. Die Zeitung war Mitveranstalterin einer Podiumsdiskussion am 6. November in Gießen, an der DFB-Präsident Theo Zwanziger teilnahm. Am 8. November berichtete das Blatt über den Verlauf des Abends und schrieb, Zwanziger habe dem Moderator Herbert Fischer-Solms „demagogische Fragen“ vorgeworfen.

Das hatte eine gewisse Brisanz, denn der Rechtsstreit, den Zwanziger gegen Weinreich zuvor angestrengt hatte, beruhte vor allem auf Zwanzigers Behauptung, das Wort „Demagoge“ sei untrennbar mit dem Nationalsozialismus und dem Begriff der Volksverhetzung verbunden.

Während Fischer-Solms die Formulierung bestätigte und weitere Zeugen benannte, bestritt Zwanziger laut seinem Anwalt die Darstellung des „Gießener Anzeigers“.

In der Presseerklärung, die der DFB am vergangenen Freitag über die Auseinandersetzung mit Weinreich verbreitet hat, erweckt Verbandssprecher Harald Stenger nun den Eindruck, der „Gießener Anzeiger“ habe seine Darstellung zurückgenommen:

Hinzu kommt, dass am 12. November auch der Chefredakteur des Gießener Anzeigers gegenüber Dr. Zwanziger die Berichterstattung des Blattes über die Teilnahme des DFB-Präsidenten an einer Podiumsdiskussion bedauert hat, die seitens Weinreich erneut benutzt wurde, um den DFB-Präsidenten zu diskreditieren.

Ich habe Chefredakteur Wolfgang Maaß daraufhin gefragt, welchen Teil der Berichterstattung er bedaure und ob die Darstellung des Sachverhaltes in seiner Zeitung falsch gewesen sei. Seine Antwort lautet:

in aller Kürze: Ich habe nicht unsere Berichterstattung bedauert, sondern dass durch diese ein unzutreffender Eindruck über den Besuch von Herrn Dr. Zwanziger bei unserer gelungenen Podiumsdiskussion entstehen konnte. Insofern sind wir mit dem DFB im Reinen. Für uns ist damit die Angelegenheit erledigt.

Die konkrete Frage ist vermutlich in der ganzen Geschichte ein eher unwesentliches Detail, aber das ist doch bemerkenswert: Nicht einmal die Position des Chefredakteurs des „Gießener Anzeigers“ scheint der DFB in seiner Pressemitteilung wahrheitsgemäß wiedergegeben zu haben.

„WamS“ macht sich zum Komplizen des DFB

Ralf Köttker, Sportredakteur der „Welt“ mit berühmter Frau, hat sich in den Dienst der Desinformationskampagne des DFB und seines Präsidenten Theo Zwanziger gestellt. In einem Interview (inzwischen nur noch gekürzt online) in der heutigen „Welt am Sonntag“ heißt es:

Sie selbst haben auch ein Zeichen gesetzt und sich juristisch gewehrt, weil Sie in einem Internet-Blog als „unglaublicher Demagoge“ bezeichnet wurden. War das nötig?

Zwanziger: Wer mein Engagement gegen Rechtextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung verfolgt, der wird dafür Verständnis haben. Ich bin nicht empfindlich, wenn ich sachlich kritisiert werde. Aber ich wehre mich auch entschieden, wenn ich mit Unwahrheiten und Unterstellungen in ein falsches Licht gerückt werde. Die massive Kampagne dieses Journalisten, der mich in die Nähe eines Volksverhetzers im strafrechtlichen Sinne gerückt hat, hat mich tief getroffen. Hier wurde meine persönliche Ehre bewusst verletzt, da gibt es bei mir keine Kompromisse.

Hand in Hand führen Köttker und Zwanziger die Öffentlichkeit in die Irre: Welcher Leser würde ahnen, dass Köttkers Aussage „Sie haben sich juristisch gewehrt“ eine Kurzform sein muss für: „Sie haben vergeblich versucht, sich juristisch zu wehren.“ Welcher Leser würde aus Köttkers Frage „War das nötig?“ nicht fälschlicherweise schließen, dass Zwanziger erfolgreich war? Und wer käme nach dem Lesen des Interviews darauf, dass zwei Berliner Gerichte einstweilig zu dem Ergebnis kamen, von einer Herabsetzung Zwanzigers jenseits zulässiger polemischer Kritik könne keine Rede sein und er sei nicht in die Nähe eines Volksverhetzers im strafrechtlichen Sinne gerückt worden?

Ich kenne Herrn Köttker nicht. Ich kann deshalb nicht spekulieren, ob es Ahnungslosigkeit oder Kalkül ist, das ihn zum Komplizen des DFB in seinem Kampf gegen die Wahrheit werden lässt. Ich weiß nicht einmal, was ich schlimmer fände.

Die Lügen des DFB

bei seinem Rufmordversuch an dem lästigen Journalisten Jens Weinreich — Oliver Fritsch hat sie im „Direkten Freistoß“ sehr übersichtlich gesammelt. Am Ende fragt er:

Ist jemand für den größten Sportverband der Welt tragbar, der in einer Mitteilung an die Presse und die Politik wesentliche Punkte des von Gerichten verhandelten Falls verschweigt, Sachen verdreht, propagiert statt argumentiert, manipuliert statt aufklärt, verleumdet und diffamiert? Kann sich der DFB einen Lügner als Generalsekretär leisten?

Und auch Jens Weinreich selbst hat noch einmal akribisch die Auslassungen, Manipulationen, Unwahrheiten und Lügen des DFB aufgelistet. Sein Fazit über die von dem ehrenwerten Verband an zig Journalisten, Prominente, Bundestagsabgeordnete und andere Multiplikatoren versandten Meldungen lautet:

Der Inhalt dieser Mitteilungen lässt mir als Betroffenem mäßige Interpretationsmöglichkeiten: Es geht einzig und allein darum, die Wahrheit zu beugen, mich zu diffamieren, meine Integrität, Kompetenz und Professionalität als Journalist in Frage zu stellen und meine wirtschaftliche Existenz als freier Journalist zu gefährden. Ich habe durch diese Auseinandersetzung schon jetzt finanzielle Nachteile erlitten. Und ich frage mich, um mal ein Beispiel zu nennen, wie potenzielle Kunden (Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunkstationen) wohl reagieren, wenn ich ihnen im März 2009, wenn Theo Zwanziger in Kopenhagen in das Exekutivkomitee der Uefa gewählt werden will, Beiträge anbiete. Ich glaube die Antwort zu kennen.

Kai Pahl hat sich in „Alles außer Sport“ ebenfalls ausführliche Gedanken über den Fall und seine Bedeutung gemacht. Er urteilt:

Die Drei von der DFB-Stelle und ihr Cheffe besorgen sich die Selbstdemontage derzeit selber. Profitum sieht anders aus.

(Vermutlich notwendiger, aber wirkungsloser Hinweis an Wolfgang Niersbach: Keines der verlinkten bösen „Internetblogs“ ist anonym. Die genannten Personen stehen mit ihren Namen für ihre Aussagen und können, wenn es dem DFB beliebt, also auch persönlich verklagt oder öffentlich diffamiert werden.)

DFB: Diffamieren statt Klagen

Der Deutsche Fußball-Bund hat seine Strategie geändert. Sein Präsident Theo Zwanziger verzichtet nun darauf, den freien Sportjournalisten Jens Weinreich zu verklagen. Stattdessen hat sich der DFB entschieden, den Kollegen vor einem illustren Publikum zu diffamieren.


Die Homepage des DFB zeigt lachende ältere Herren und formuliert treffend zweideutig: „Zwanziger-Diffamierung missbilligt“. Screenshot: dfb.de

DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach hat heute Abend eine E-Mail verschickt, in der er erklärt, sein Verband könne es nicht hinnehmen, dass Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens „grundlos diffamiert werden“ — „auch nicht in – mehr oder weniger anonymen – Internetblogs“. Da sich der Fall, auf den sich Niersbach bezieht, vor allem im Blog „Direkter Freistoß“ von Oliver Fritsch und „Jens Weinreich“ von Jens Weinreich abspielte (unter unmaßgeblicher Beteiligung dieses Blogs, dessen Betreiber Sie oben in Weiß auf Grün sowie in der Adresszeile lesen können), meint Niersbach mit „mehr oder weniger anonym“ offenbar „nicht anonym“. Das nur als erstes Indiz für den Respekt vor der Wahrheit, den der Deutsche Fußball-Bund hier demonstriert.

Das Dokument, das der DFB in dieser Sache verbreitet und das Kürzel des DFB-Direktors Kommunikation & Öffentlichkeitsarbeit, Harald Stenger, trägt, strotzt vor weiteren Unwahrheiten. Zum Beispiel behauptet der DFB, Weinreich habe Zwanziger „ohne Anlass“ einen „unglaublichen Demagogen“ genannt. Man kann darüber streiten, ob Weinreich ihn so nennen durfte. Man kann nicht darüber streiten, ob er es „ohne Anlass“ getan hat. Der Anlass ist ein konkreter Auftritt Zwanzigers und ein konkrete inhaltliche Auseinandersetzung. Den „Sachbezug“ hat auch das Landgericht Berlin festgehalten, als es Zwanzigers Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen Weinreich ablehnte. Dass die Pressemitteilung des DFB nicht einmal erwähnt, dass zwei Gerichte der Argumentation Zwanzigers, seines Anwaltes und nun des DFB bereits widersprochen haben, zeigt, wie unredlich der DFB agiert.

Der DFB schreibt als Erklärung für die neue Strategie:

Unmittelbar vor der Erhebung einer auf Unterlassung und Widerruf abzielenden Klage Dr. Zwanzigers gegen Weinreich hat der Berliner Journalist jedoch nunmehr über seinen Anwalt am 11. November 2008 dem DFB eine Erklärung zukommen lassen, die Dr. Zwanziger als ausreichende Entschuldigung und Eingeständnis eines Fehlverhaltens von Weinreich akzeptiert.

Jens Weinreich bestreitet, dass er oder sein Anwalt dem DFB oder seinem Anwalt am 11. November 2008 überhaupt irgendeine Erklärung haben zukommen lassen. Weinreich hat in seinem Blog ein Schreiben von heute (14. November) veröffentlicht, in dem sein Anwalt erklärt, nichts Neues zu erklären zu haben. Sollten sich die Behauptungen des DFB auf diesen Brief beziehen, ist er von erstaunlicher Perfidie, es als ein Dokument zu bezeichnen, aus dem man eine „Entschuldigung“ und das „Eingeständnis eines Fehlverhaltens von Weinreich“ lesen kann.

Als Zeugen für die Ungeheuerlichkeit Weinreichs und Unantastbarkeit Zwanzigers (der nicht nur gegen Jens Weinreich, sondern auch gegen Nazis und Homophobie im Sport ist) führt der DFB neben seinem Generalsekretär noch den Ligaverbands-Präsidenten Dr. Reinhard Rauball sowie den für Rechtsfragen zuständige DFB-Vizepräsidenten Dr. Rainer Koch auf. Koch wird mit den Worten zitiert:

[…] als Demagoge wird ein Volksverhetzer bezeichnet, der sich einer strafbaren Handlung schuldig macht. Eine Volksverhetzung begeht, wer zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder die Menschenwürde dadurch angreift, dass er andere beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.

Koch suggeriert, es gäbe nur diese eine Definition für den „Demagogen“. Nicht nur ein Blick in den Duden, mit dem Theo Zwanziger argumentiert hat, zeigt, dass er damit unrecht hat. Und falls der DFB gerade keinen Duden zur Hand hat — die hier nicht ganz unmaßgebliche Meinung des Berliner Landgerichtes in der Sache müsste er doch vorliegen haben. Sie lautet:

Dass Diktatoren demagogisch agieren mögen, führt jedenfalls nicht dazu, dass derjenige, den man einen Demagogen nennt, mit einem Diktator gleichzusetzen wäre.

So steht es in dem Beschluss des Gerichtes in Sachen Zwanziger ./. Weinreich.

Der DFB hat die Pressemitteilung, in der er Jens Weinreich diffamiert, nicht nur auf seiner Homepage veröffentlicht, sondern direkt per E-Mail verschickt. Unter den Empfängern sind neben dem Integrationsbeauftragten des DFB, diversen Fußball-Verbänden, dem Schriftsteller Albert Ostermaier, dem Leiter der Ulmer Staatsanwaltschaft, Dr. Wolfgang Zieher und dem Büro von Grünen-Chefin Claudia Roth über ein Dutzend Bundestagsabgeordnete.

Vielleicht lässt es sich ja noch einrichten, morgen in den Bundesliga-Stadien eine Schweigeminute für die verlorene Ehre des Theo Zwanziger abzuhalten.

Jens Weinreich hat auch die neuesten Entwicklungen ausführlich dokumentiert.

(Noch einmal der dringende Hinweis, von Beschimpfungen und möglichen Beleidigungen der handelnden Personen in den Kommentaren sowie mehr oder weniger anonymen „Internetblogs“ abzusehen. Auch wenn der DFB offenbart meint, die „Grenzen der Meinungsfreiheit“ würden von ihm bestimmt und nicht von Gerichten, würde ich mich nicht darauf verlassen, dass er von rechtlichen Schritten gegen Kritiker absieht.)

Theo Zwanziger als Schießdudenfigur (2)

Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, Theo Zwanziger, der nach eigenen Angaben kein Prozesshansel ist, scheint seine Drohung nun wahrzumachen und den Journalisten Jens Weinreich zu verklagen, weil der seine Kritik an einem öffentlichen Auftritt Zwanzigers mit der Formulierung verbunden hatte, er sei ein „unglaublicher Demagoge“.

Nachdem der DFB-Chef vergeblich versucht hatte, beim Landgericht und Kammergericht in Berlin eine einstweilige Verfügung gegen Weinreich zu erreichen, will er nun in Koblenz klagen. Zwanziger selbst war von 1980 bis 1985 Verwaltungsrichter am Oberverwaltungsgericht Koblenz und später ebendort Regierungspräsident.

Weinreichs Anwalt Ulrich Amelung schreibt deshalb Zwanzigers Anwalt:

Sollte Ihr Mandant allerdings Koblenz gewählt haben, weil er dort lange Jahre selbst als Richter und Regierungspräsident tätig war und dort womöglich noch persönliche Kontakte zu Richterkollegen unterhält, wäre dies aus meiner Sicht ein höchst befremdlicher Vorgang, der im Hinblick auf die Position Ihres Mandanten von erheblichem öffentlichen Informationsinteresse sein dürfte.

Ich möchte dringend davor warnen, die Möglichkeit, die in diesem Satz enthalten ist, als Tatsachenbehauptung zu wiederholen.

Mehr im Blog von Jens Weinreich.

Theo Zwanziger als Schießdudenfigur

Theo Zwanziger, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, bereitet eine Unterlassungsklage gegen den freien Sportjournalisten Jens Weinreich vor. Der hatte ihn, wie berichtet, in einem Kommentar in einem Blog als „unglaublichen Demagogen“ bezeichnet. Zwanziger hatte deshalb bereits eine einstweilige Verfügung gegen Weinreich beantragt, war damit aber in zwei Instanzen gescheitert. Das Gericht widersprach der Argumentation seines Anwaltes Christian Schertz, wonach das Wort „Demagoge“ Zwanziger mit dem „menschenverachtenden Verhalten der Nationalsozialisten in Verbindung gebracht“ habe und erklärte: „Dass Diktatoren demagogisch agieren mögen, führt jedenfalls nicht dazu, dass derjenige, den man einen Demagogen nennt, mit einem Diktator gleichzusetzen wäre.“

Auf Initiative des DFB äußerte sich Zwanziger gegenüber dem Blog „Direkter Freistoß“ zu dem Fall und erklärte u.a.:

Zwanziger: Ich bin kein Prozesshansel, ich kann Kritik einstecken. Doch in diesem Fall muss ich darauf verweisen, dass Artikel 5 unseres Grundgesetzes nicht nur die Meinungsfreiheit schützt, sondern auch die persönliche Ehre. Herr Weinreich hat mich Demagoge genannt. Daraufhin habe ich im Duden nachgeschlagen, und der definiert dieses Wort genau wie ich es empfinde: „Volksverhetzung“. Das ist laut § 130 des Strafgesetzbuches eine strafbare Handlung, die mit Freiheitsstrafe bedroht ist. Und nun will ich von Gerichten geprüft wissen: Darf man mich als Volksverhetzer bezeichnen? (…) Der Prozess muss übrigens nicht sein. Wenn Herr Weinreich nicht will, dass ich mich von ihm als Volksverhetzer denunziert verstehe, dann soll er mir zwei Zeilen schreiben, dann ist die Sache vom Tisch. (…)

df: Sie verlangen von ihm, dass er etwas zurücknimmt, was er nie gesagt hat.

Zwanziger: Das stimmt nicht. Ich kann nicht akzeptieren, dass eine nach dem Duden klare Interpretation plötzlich nicht gelten soll. Dann soll Herr Weinreich mit einem klaren deutschen Begriff sagen, was er meint. Er nimmt die Deutung „Volksverhetzer“ billigend in Kauf.

df: Haben Sie versucht, mit ihm darüber zu sprechen oder Kontakt mit ihm aufgenommen, so wie mit mir?

Zwanziger: Nein, ich erwarte von ihm, dass er auf mich zukommt. Jedenfalls geht die Sache weiter, wir bereiten eine Unterlassungsklage vor. Auf die mündliche Verhandlung freue ich mich schon. Ich werde dem Gericht die Frage stellen, ob Demagogie Volksverhetzung meint. Wenn nicht, dann irrt der Duden.

df: … der ja auch nicht mehr das ist, was er mal war.

Zwanziger: Wenn der Duden unrecht hat, könnte ich auch damit leben.

Womit Zwanziger stattdessen leben muss: dass er selbst unrecht hat. Denn der Duden definiert das Wort keineswegs „genau wie ich es empfinde“ als Beschreibung eines Straftatbestandes. Im normalen Duden („Die deutsche Rechtschreibung“) steht sogar nur:

De|m|a|go|ge der; -n, -n ‹griech.› (Volksverführer, -aufwiegler)

Im Fremdwörterduden heißt es:

De|m|a|go|ge der; -n, -n ‹gr.; „Volksführer“›: (oft abwertend) jmd., der andere politisch aufhetzt, durch leidenschaftliche Reden verführt; Volksverführer;

Die erste Definition bezeichnet genau das, was Jens Weinreich an einem konkreten Beispiel Zwanziger tatsächlich vorwarf: andere politisch aufzuhetzten und durch leidenschaftliche Reden zu verführen.

Im Universalwörterbuch des Duden steht:

De|ma|go|ge, der; -n, -n [griech. dēmagōgós, urspr. = Volksführer, Staatsmann, zu: dẽmos, Demokratie] (abwertend): jmd., der andere durch leidenschaftliche Reden politisch aufhetzt, aufwiegelt; Volksverführer, Volksaufwiegler: das von skrupellosen -n verhetzte Volk.

Der nicht-kursive Halbsatz am Schluss ist, wohlgemerkt, ein Beispiel für den möglichen Gebrauch des Wortes.

Das Herkunftswörterbuch des Duden erklärt:

Demagoge »Volksaufwiegler, politischer Hetzer, Wühler«:
Das Fremdwort wurde Ende des 17. Jh.s aus gleichbed. griech. dēmagōgós entlehnt, das ursprünglich allgemein »Volksführer, Staatsmann« bedeutete. Es ist eine Bildung aus griech. dēmos »Volk« (vgl. demo…, Demo…) und griech. agōgós »führend«. Letzteres gehört zu ágein »führen, treiben« (vgl. Achse). – Dazu: Demagogie »gewissenlose politische Hetze« (17. Jh.; aus griech. dēmagōgía); demagogisch »Hetzpropaganda treibend« (18. Jh.; nach griech. dēmagōgikós, evtl. unter Einfluss von gleichbed. frz. demagogique).

Der „Volksverhetzer“ findet sich beim „Demagogen“ nur im Synonymwörterbuch des Duden — zusammen mit einem halben Dutzend anderer und unproblematischer Synonyme:

Demagoge, Demagogin
Agitator, Agitatorin, Aufwiegler, Aufwieglerin, Hetzer, Hetzerin; (bildungsspr.): Provokateur, Provokateurin; (abwertend): Volksverführer, Volksverführerin, Volksverhetzer, Volksverhetzerin; (bes. Politik abwertend): Scharfmacher, Scharfmacherin.

Zwanziger erklärt, dass er, was das Wort „Demagoge“ angeht, deshalb empfindlicher sei als vielleicht andere Leute oder Jüngere, weil er seinen Vater im Krieg verloren habe und „in Yad Vashem war“.

Trotz der Niederlagen in den einstweiligen Verfügungsverfahren ist er sicher, dass er den Prozess gewinnen wird. Während Jens Weinreich Anwalts- und Gerichtskosten selber tragen muss, übernimmt das Risiko der Prozesslust von Herrn Zwanziger die Rechtschutzversicherung des DFB. Im Fall einer Niederlage will er aber „natürlich“ den gleichen Betrag an die European Gay & Lesbian Sports Federation spenden.

Noch ein Grund, ihm eine Niederlage zu wünschen.

Mehr im Blog von Jens Weinreich.

Nachtrag, 7. November. Bei einer Diskussionsrunde in Gießen warf Zwanziger gestern dem Moderator Herbert Fischer-Solms vor, „demagogische Fragen“ zu stellen. Sein Anwalt ist nicht zu beneiden.

Gericht lehrt DFB was über Meinungsfreiheit

„Wenn Sie die Kommunikationsherrschaft nicht haben, sind Sie immer Verlierer.“ (Theo Zwanziger)

Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Theo Zwanziger, ist mit dem Versuch gescheitert, einem freien Sportjournalisten zu untersagen, ihn einen „unglaublichen Demagogen“ zu nennen. Nach dem Berliner Landgericht hat es auch das Kammergericht abgelehnt, eine entsprechende einstweilige Verfügung zu erlassen.

Es geht um einen Kommentar, den Jens Weinreich, der ehemalige Sportchef der „Berliner Zeitung“ und Mitbegründer eines Netzwerkes kritischer Sportjournalisten, im Blog „Direkter Freistoß“ abgegeben hat. Er berichtete darin über einen Auftritt Zwanzigers auf einem Kongress des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und urteilte u.a.:

[Zwanziger] dreht nach der Kartellamtsentscheidung [gegen die Bundesliga-Vermarktung durch Leo Kirch] völlig durch. Er ist ein unglaublicher Demagoge. Schuld an allen Problemen des Fußballs, des DFB im allgemeinen und der DFL im besonderen ist einzig und allein das Bosman-Urteil — das behauptete Zwanziger fast wörtlich mehrfach.

Der DFB forderte von Weinreich eine Unterlassungserklärung: Zwanziger sei kein Demagoge, sondern habe immer gegen jede Form von Volksverhetzung gekämpft, erklärte der DFB-Anwalt Christian Schertz. Weinreich lehnte ab. Sein Anwalt Ulrich Amelung verwies auf die Definition der Bundeszentrale für politische Bildung, wonach ein Demagoge eine Person bezeichne, „der es gelingt, über verbale Angriffe Teile oder die Masse der Bevölkerung zu beeinflussen“. Und Zwanziger habe sich im von Weinreich beschriebenen Zusammenhang mit populistischen Äußerungen hervorgetan, um öffentlich Stimmung gegen die Entscheidung des Kartellamtes zu machen.

Das Landgericht gab Weinreich recht. Es lehnte die vom DFB beantragte einstweilige Verfügung gegen den Journalisten ab:

Mit der Äußerung des Antragsgegners, der Antragsteller sei ein „unglaublicher Demagoge“ wird dessen Persönlichkeitsrecht nicht rechtswidrig verletzt, weil es sich um eine zulässige Meinungsäußerung handelt, die keinen schmähenden Charakter hat.

Da es der Sinn jeder zur Meinungsbildung beitragenden öffentlichen Äußerung ist, Aufmerksamkeit zu erregen, sind angesichts der heutigen Reizüberflutung einprägsame, auch starke Formulierungen hinzunehmen. Das gilt auch für Äußerungen, die in scharfer und abwertender Kritik bestehen, mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden oder in ironischer Weise formuliert sind. Der Kritiker darf seine Meinung grundsätzlich auch dann äußern, wenn sie andere für „falsch“ oder für „ungerecht“ halten. (…) Verfolgt der Äußernde nicht eigennützige Ziele, sondern dient sein Beitrag dem geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, dann spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der Äußerung (…).

Entscheidend sei auch, „ob und in welchem Ausmaß“ der Kritisierte selbst an dem vom Grundgesetz geschützten Prozess öffentlicher Meinungsbildung teilgenommen und „sich damit aus eigenem Entschluss den Bedingungen des Meinungskampfes unterworfen“ hat. Von einer „Herabsetzung“ Zwanzigers „ohne Sachbezug“ könne bei Weinreichs Kommentar keine Rede sein. Der Beschluss endet mit dem Satz:

Dass Diktatoren demagogisch agieren mögen, führt jedenfalls nicht dazu, dass derjenige, den man einen Demagogen nennt, mit einem Diktator gleichzusetzen wäre.

Eine Beschwerde des DFB, in der Anwalt Schertz u.a. argumentierte, durch den Begriff „Demagoge“ werde Zwanziger unweigerlich mit dem Verhalten der Nationalsozialisten im Dritten Reich in Verbindung gebracht, hat das Kammergericht als nächste Instanz zurückgewiesen.

Nachtrag: Jens Weinreich berichtet in seinem Blog ausführlich in eigener Sache.