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Die unglaubliche Titelstory mit einem verrückten Flugzeug

— ein Gastbeitrag von Andreas Spaeth

Letzte Woche kam ich an einem Kiosk vorbei und war irritiert, als ich das Titelbild des aktuellen „Stern“-Magazins sah: Eine namenlose, aber anhand der 1974 eingeführten Bemalung eindeutig als TWA identifizierbare Boeing 747-100 mit nur drei Fenstern pro Seite im Oberdeck schwebt über Photoshop-generiertem Abendhimmel. „Eingecheckt und abgezockt“ lautet dazu die Titelzeile. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das als fünfter Teil der Serie „Jetzt mal ehrlich!“, einem „Branchencheck“, der schon mit einer unglaublich dämlichen Geschichte über Optiker anfing.

Aber was haben „die Tricksereien der Airlines“, die der Titel zu enthüllen verspricht, mit rund 40 Jahre alten Flugzeug-Veteranen zu tun? Noch dazu mit einem Typ, der durch den Absturz von TWA 800 im Juli 1996 vor New York zu notorischer Berühmtheit gelangte? Ich habe bei den Unfalluntersuchern auf Long Island in den rekonstruierten Trümmern gestanden später, das war gespenstisch.

Der „Stern“-Chefredakteur ist von seiner einfallsreichen Titelgrafik sogar so begeistert, dass er uns auf der Innenseite fünf weitere Entwürfe für diesen Aufmacher präsentiert — die alles noch schlimmer machen und die Ahnungslosigkeit der Redaktion gleichwohl treffend orchestrieren.

Gleich zweimal ist die dort die MD-11 als Blickfang zu sehen, die heute fast nur noch als Frachter fliegt — also mit Einchecken und Abzocken von Passagieren nur wenig zu tun haben kann. „Das Flugzeug sieht ziemlich bedrohlich aus“, beschreiben die Grafiker den Frontalblick auf den Dreistrahler vor düsterem Himmel.

Geradezu absurd ist ein anderer Entwurf, der nur Nase und Leitwerk einer historischen JAL-MD-11 zeigt, die Tür vorn links steht offen, rechts sieht man eine Gangway. Und zu dieser offensichtlich am Boden stehenden MD-11 lautet die Titelzeile: „Abgehoben!“ Seit wann aber hat ein Flugzeug mit offener Tür und herangefahrener Gangway abgehoben? Dabei gibt es doch spektakuläre Bilder von rotierenden MD-11, wenn es die schon sein soll.

Eigentlich hübsch dann der Einfall einer Spucktüte mit der Aufschrift „Zum Kotzen: Wie uns Airlines abzocken.“ Dazu bescheinigen sich die „Stern“-Grafiker gönnerhaft selbst: „Originelle Idee, aber ekelig, wenn man sich die Details ausmalt.“ Ich würde die Details eher bizarr nennen: Auf der Tüte schwebt nämlich eine knallgelbe Boeing 727 (!), deren Livery verdächtig an die frühere Hapag Lloyd Express (HLX) erinnert. Irgendwo beim „Stern“ muss ein Fan alter Flugzeuge sitzen, nur leider hat ein Veteran wie die 727 mit dem Titelthema auch wenig zu tun.

Die eigentliche Story „Ärger im Anflug“ ist dann ziemlich dünn zusammengestrickt aus immer wieder gern gelesenen Chaos-Erlebnissen anderer Reisender, die jeder so oder anders kennt aus dem Bekanntenkreis oder Internetforen, und gaanz viel Nutzwert. Da werden dann tolle „Tricks“ verraten wie „Überprüfen Sie die Flugdaten!“ oder: „Schauen Sie lieber nach, wie Sie heißen“. Wow, dafür haben sich die 3,70 Euro für das Heft echt gelohnt.

Dafür bekommt der Leser dann auch noch knallharte Analysen über den aktuellen Zustand der Passagierluftfahrt geliefert: „Nach gut 100 Jahren ist [sie] … wieder dort, wo sie mal angefangen hat: Unpünktlich und unzuverlässig — nur ohne den Glanz vergangener Tage, als auf den ersten Transatlantikflügen noch am festlichen Esstisch gespeist wurde.“ Ach ja? Also Charles Lindbergh überlebte 1927 bei der ersten Atlantiküberquerung mit ein paar Sandwiches, aber ohne Esstisch. Die gedeckte Tafel gab es über den Großen Teich zunächst nur kurz, zwischen dem ersten Transatlantik-Linienflug der Pan Am mit dem Boeing 314-Flugboot 1939 und dem Ausbruch des zweiten Weltkriegs. Aber das weiß der „Stern“ nicht.

Ich ärgere mich auch gerade über die Unzulänglichkeiten und Zumutungen heutiger Airlines, etwa darüber, wie Air Berlin Fluggäste behandelt, deren Koffer während des Fluges beschädigt wurde. Aber dem kommt man nicht mit billigen Plattheiten bei, die das Magazin als „Ratgeber für Reisende“ verkauft.

„Warum muss Berichterstattung über Luftfahrt immer so voller Fehler sein?“, fragte neulich zu Recht ein User an dieser Stelle. Das frage ich mich auch oft. Journalisten, das muss man leider sagen, sind heute fast immer Generalisten, die von allem ein bisschen, aber von kaum etwas richtig Ahnung haben. Verleger und Sender fördern das auch noch, indem sie immer geringere Honorare zahlen, Stellen und Sendeplätze bzw. Seiten streichen und nur noch billigen „Content“ suchen.

Aber es gibt auch Ausnahmen. So lief am Montagabend dieser Woche im NDR-Fernsehen ein Film über Billigflieger, der positiv überraschte. Der Autor, der auch mich interviewte (wovon vielleicht zu Recht nicht viel übrig blieb), hatte nach eigener Aussage wenig Ahnung vom Thema. Einiges Überflüssige in dem Film ist dem Format geschuldet, aber wie er unaufgeregt und mit guten Zeugen dem Verdacht des Spritsparens bei Ryanair nachgeht, ohne Schaum vor dem Mund und ohne Schaumschlägerei wie der „Stern“, hat mir gefallen.

Andreas Spaeth ist Fachjournalist für Luftfahrt-Themen. Seine Kolumne „Spaethfolge“ erscheint immer mittwochs auf airliners.de. Hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Super-Symbolfoto (93)

Vielleicht täusche ich mich, aber kann es sein, dass das Online-Angebot des „Handelsblatts“ um Wieder-Aufnahme in diese kleine Reihe bettelt?

Und als Bonus die Frage: Wie, glauben Sie, hat Handelsblatt.com den Artikel mit der Überschrift „Wie die Inflation die Renten frisst“ illustriert?

Richtig.

Super-Symbolfoto (90)

Der olle iPod im Bild wäre ein Hinweis gewesen. Oder natürlich „Von hier an blind“ von Wir sind Helden im Neuerscheinungsregal.

Das Foto muss ziemlich genau sechs Jahre alt sein. Das gezeigte iTunes wäre dann nicht die soeben veröffentlichte Version 10.5, sondern Version 5.0, erschienen am 7. September 2005.

Es ist also nur relativ knapp kein Foto von einem Walkman vor der Kassettenwand im örtlichen Musikfachhandelsgeschäft geworden.

[eingesandt von Marcel R.]

Super-Symbolfoto (89)

Aus dem Wirtschaftsteil des österreichischen „Standard“ (ebenso online):

Kronzeugen müssen Schadenersatzklagen fürchten / Bildtext: Eine Kronprinzessin wie Schwedens Victoria hat es - zumindest bei ihrer Hochzeit - lustiger als ein Kronzeuge in einem Kartellverfahren

Bildtext: „Eine Kronprinzessin wie Schwedens Victoria hat es — zumindest bei ihrer Hochzeit — lustiger als ein Kronzeuge in einem Kartellverfahren“.

[eingesandt von Volker Burow]

Super-Symbolfoto (88)

Im August illustrierte der irische Zeichner Jon Berkeley die Angst vor dem „double dip“, dem zweimaligen „Eintauchen“ der amerikanischen Wirtschaft in die Rezession, für das Titelbild des „Economist“ mit einer Hommage an das Filmplakat zum „Weißen Hai“:

Es ist ein Symbolbild, das gleichermaßen attraktiv, präzise und assoziativ das Thema trifft, das es illustriert. Aber das muss ja nicht so sein.

Die deutsche „Lebensmittelzeitung“ macht in ihrer aktuellen Ausgabe mit der Illustration ihr „Journal“ groß auf. Die Kollegen haben nur die Stars-and-Stripes, die die Schwimmerin im Original trägt, durch einen neutralen Badeanzug ersetzt:

Und jetzt die Preisfragen: Welches Thema illustriert Berkeleys Bild in der „Lebensmittelzeitung“? Und wie lauten Überschrift und Bildtext?

Nachtrag: Auflösung hier.