Zeichnung: Elias Hauck (ursprünglich für die „taz“)
Bevor hier das Alltagsgenörgel wieder losgeht, muss ich noch ein bisschen vom Oslog schwärmen. War das anstrengend! Hat das einen Spaß gemacht!
Ich hatte vorher überhaupt keine Erfahrung mit Filmen und Schneiden, Lukas hat immerhin schon diverse Familienfeste und -reisefilme gedreht und geschnitten und Beiträge für „Coffee And TV“ produziert. Aber natürlich sind es lächerlichste Anfängerfehler, zwar mit einer supermodernen Kamera nach Oslo zu reisen, aber nicht die Paareurofünfzig für einen Windschutz und ein Stativ auszugeben. Deshalb sind wir zum Beispiel einen Abend ungefähr eine Stunde lang hilflos um die Oper herumgeirrt auf der (vergeblichen) Suche nach einem Ort, wo wir die Kamera so abstellen können, dass wir vor dem fantastischen Gebäude im Bild sind. Und deshalb sieht man in der letzten Folge auch nur die Spitze des Segelschiffes hinter uns. Andererseits mag ich die schrägen Perspektiven, die sich dadurch ergeben, dass die Kamera irgendwo auf dem Boden liegt (oder, wie man am Anfang von Folge 6 sieht, auf anderen zufällig gerade verfügbaren Utensilien).
Interessant war auch die Erfahrung, vom Moderationsdreh vor dem Schloss in Oslo nach Hause zu kommen und zu bemerken, dass ein fieses Störgeräusch auf unseren ganzen Aufnahmen liegt. (In den 20 Minuten, bis wir gemerkt haben, dass es nur auf einem der beiden Tonkanäle liegt, bin ich um ca. 20 Jahre gealtert.)
Aber wir haben versucht, den Mangel an Professionalität durch Spaß an der Sache auszugleichen, und ich bin ein bisschen stolz, wie gut das funktioniert hat.
Wir hatten vorher ungefähr nichts geplant, und der Ausdruck „unvorbereitet“ ist fast ein Euphemismus für unsere Zwischenmoderationen. Erschreckenderweise (und vermutlich aufgrund der zunehmenden Müdigkeit) wurden wir auch nicht besser, sondern schlechter im Auf-den-Punkt-Kommen, weshalb das Rohmaterial Tag für Tag länger wurde. Abends setzten wir uns dann ins Hotelzimmer, lernten schmerzhaft die komplizierten orts- und zeitabhängigen Regeln für die Verfügbarkeiten von Bier in Norwegen kennen, überspielten unsere endlosen Aufnahmen, sichteten den Stoff und schnitten uns einen Wolf. Ich fürchte, man kann die Folgen, die wir nicht von 20 bis 0 Uhr, sondern von 23 bis 3 Uhr geschnitten haben, ganz gut erkennen.
Der Export der letzten Folge am Sonntag nach YouTube war ziemlich genau zehn Minuten, bevor der Zug zum Flughafen abfuhr, fertig — was angesichts von sieben Minuten Fußweg und zweieinhalb Minuten Kampfzeit mit dem Ticketautomaten unnötig aufregend war. (Und vielleicht kann ich bei dieser Gelegenheit noch darauf hinweisen, dass ich vor meiner „Satellite“-Performance vor dem Hauptbahnhof knapp vier Stunden geschlafen hatte, was man an meinen Augen ganz gut erkennen kann, und dass Lukas mit eineinhalb in die Kamera genuschelten Strophen als Einlösung meines Wetteinsatzes völlig zufrieden war.)
Vermutlich erschließt sich auch höchstens ein Bruchteil der, nun ja: Pointen. Aber uns hat es einen riesigen Spaß bereitet, die Schnipsel überraschend zu montieren und jeweils eine Szene herauszusuchen, die sich eignet, als Pre Roll noch vor den Vorspann zu kommen. Und dadurch, dass wir Oslog.tv auf eigene Faust gemacht haben und nicht an irgendeine Zielgruppe oder die Bedenken irgendwelcher Auftraggeber denken mussten, konnten wir so albern sein, wie wir wollten. Und wir konnten die virtuelle Heimat einfach von einem genialen Verrückten wie Herm gestalten lassen.
Für mich ist oslog.tv ein weiteres Beispiel für die großartigen neuen Möglichkeiten, die die Digitalisierung und das Internet bieten. Es ist heute so einfach, Dinge zu produzieren und zu publizieren, für die vor Jahren noch ein riesiger, teurer Apparat nötig war. Wir haben alles an einem einfachen MacBook geschnitten und mithilfe von YouTube und WordPress veröffentlicht. Selbst deutsche Untertitel bei der Folge mit dem finnischen Pyrotechniker lassen sich bei YouTube inzwischen ganz leicht einblenden (wie ich nach nicht viel mehr als 17 gescheiterten Versuchen herausfand).
Das Ergebnis mag (anders als das offizielle Videoblog, das die sehr geschätzten Kollegen von Freeeye.tv für den NDR produziert haben, der es tief in den Sackgassen von eurovision.de versteckte) nicht fernsehtauglich sein, aber ich glaube, es ist sehr internettauglich. Und auf die Gefahr hin, dass das arrogant klingt: Das Gefühl, das alles mehr oder weniger selbst gemacht zu haben, ist — trotz aller Pannen, Schwächen, Fehler und Anstrengungen, die das bedeutet hat — sensationell.
Lukas und ich sind immer noch ganz besoffen von der überwältigenden Resonanz unter anderem in den Kommentaren. Und falls jemand an Zahlen interessiert ist: Auf YouTube ist das Video mit unserem Lena-Interview über 50.000 mal angesehen worden; oslog.tv hatte bis jetzt rund 120.000 Besucher. Davon kamen die wenigsten über Google, und wenn doch, suchten sie meistens nach „oslog“.
Ob wir, nachdem wir und andere daran so viel Spaß hatten, auch von anderen Veranstaltungen in ähnlicher Form berichten werden, steht noch in den Sternen. Ich glaube, dass sich der Grand Prix ganz besonders gut für einen solchen Zugang zum Thema eignet und es bei anderen Anlässen schwieriger werden könnte. Als nächstes basteln wir erst einmal an einer weiteren Oslog-Folge den Outtakes (oder genauer: mit den Outtakes, die es nicht ohnehin schon in die Videos geschafft haben…).
Und dann müssen wir einen Weg finden, dass Herr Heinser diese ganzen Grand-Prix-Nummern aus dem Kopf bekommt. Gestern Nacht, sagt er, sei er mit dem estnischen Beitrag im Ohr aufgewacht. Schweißgebadet, nehme ich an.