Schlagwort: Jo Groebel

Medienexperten unter sich

Eigentlich habe ich mir die „TV Movie“ nur gekauft, um mich ein bisschen über meinen Freund, den „Medienexperten“ Jo Groebel lustig zu machen. Groebel berät nämlich nicht nur „Regierungen, die UNO und die UNESCO“ (sowie, vermutlich, Gott), sondern auch die Fernsehzeitschrift aus dem Bauer-Verlag, damit sie den Filmen die richtigen „Movie-Stars“ gibt.

Als Mitglied des „TV-Movie-Filmrates“ begleitet er „gezielt die Arbeit der Redaktion“ und hat sie jetzt mit einer „Hintergrundinformation“ versorgt, die die Zeitschrift naturgemäß gleich per Pressemitteilung verbreitet hat: Anscheinend gucken die jungen Leute heute weniger Fernsehnachrichten als früher! Wegen Internet!

Begierig nach weiteren atemberaubenden Erkenntnissen habe ich mir also die „TV Movie“ gekauft. Und wenn man das „TV Movie“-Blog wäre, könnte man viel über den Unsinn schreiben, der da unter der Überschrift „Nachrichten in der Krise“ zusammengerührt wird und sich als PR-Geschichte für RTL entpuppt. (Der beste Satz, stellt sich heraus, ist gar nicht von Groebel, sondern von Peter Kloeppel, der sagt: „Professioneller Nachrichtenjournalismus hat einen deutlichen Qualitätsvorsprung gegenüber Web-Diensten wie z.B. ‚Twitter‘.“)

Aber es reicht, den Anfang zu lesen:

Und wenn Sie sich jetzt fragen, warum sich die „TV Movie“ ausgerechnet den 16. Dezember 1992 als Beispieltag ausgesucht hat, gebe ich Ihnen gerne die Antwort: Am 16. Dezember 1992 lief die „Tagesschau“ zufällig in der Halbzeitpause des Fußball-Länderspiels Brasilien – Deutschland.

Und wenn Sie sich (oder mich) jetzt noch fragen, ob es nichts Wichtigeres gäbe, über das man bloggen sollte, als den Nonsens einer des seriösen Journalismus unverdächtigen Zeitschrift wie „TV Movie“, gebe ich Ihnen Recht, die Schuld aber Jo Groebel.

Post von Jo Groebel

Heute schreibt mir Professor Groebel in dieser Angelegenheit:

Nochmal zu Groebel-Niggemeier-Popstars

Es gibt das Phänomen der negativen Bindung, in der Stereotypenforschung das des „Mirror Image“. Danach verhalten sich Antagonisten strukturell ähnlich. Hier Stefan Niggemeier und BILD. Er steht selbst für das, was er an BILD bekämpft, in seinen Jo Groebel-Kommentaren durfte ich es gerade erfahren, nämlich

– Selektive Faktenwahl
– Aussagenverdrehung
– Simples Gut-Böse-Weltbild

Selektive Faktenauswahl: Genüßlich breitet er in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung nur meine Boulevard-Aussagen aus. Der große Rest aus der so genannten Qualitätspresse und der Fachliteratur wird komplett ausgeblendet. Wie kann man sich aber auch unterstehen, überhaupt was im Boulevard zu sagen oder dort keine vermeintlich differenzierten Analysen im Niggemeier-Duktus zu liefern . Lektion: Groebel hat den Pakt mit dem Teufel geschlossen, weil er sich überhaupt im Boulevard äußert.

Aussagenverdrehung: Ich kritisiere den Einbau der (nämlich der gezeigten), nicht einer Sequenz, weise sogar explizit auf ein alternatives „Wie“, nämlich „karge Text- oder Off-Information“ hin. Meine vielleicht durch zuviel Boulevard schon vernebelten Aussage zum Nicht-Zeigen von Victoria ins Gegenteil zu verkehren, ist schon böswillig; aus dem Kontext heraus dürfte ja wohl klar geworden sein, dass ich die visuelle Ausbeutung ablehne, lieber Herr Oberlehrer. Lektion: Versuche gar nicht erst, ernsthafte Argumente zu bringen. Sie werden Dir eh im Munde verdreht.:

Gut-Böse-Weltbild: Böse natürlich sind BILD und alle die, die dort was sagen. Gut sind alle die, die von BILD attackiert werden, auch, ich bleibe dabei, wenn sie realen Tod spekulativ in die Unterhaltung einbauen . Lektion, na klar: Lass Dich bloß nicht mit BILD ein, sonst holt Dich der Niggemeier.

Wie schön für Stefan Niggemeier, wenn die Welt ihm genau so einfach ist, wie er es seinem Gegner unterstellt. .

Was Jo Groebel „ungeheuerlich“ findet

Ich habe mich heute in der „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ über den „Medienexperten“ Jo Groebel aufgeregt. Anlass war seine von „Bild“ bestellte Kritik an der Pro-Sieben-Sendung „Popstars“ in dieser Woche.

Groebel wehrt sich nun dagegen, dass ihm vorgeworfen wird, er hätte sich über eine Szene erregt, die er nicht einmal gesehen hat. „Pardon“, schreibt er in einer Erklärung, „aber man muss kein Experte sein, um Pro7 den bewussten Einbau der Sequenz mit der Todesnachricht in die Unterhaltungssendung zu attestieren.“ Das ist ein merkwürdig sinnloser Satz. Natürlich hat Pro Sieben den Todesfall und die Reaktion der anderen Kandidatinnen darauf, bewusst in seine Doku-Soap eingebaut. Die Frage ist doch, wie Pro Sieben das gemacht hat.

Aber Groebel hat schon Recht: Man muss kein Experte sein, um jeweils das zu finden, was Groebel regelmäßig auf Kommando in die Aufnahmegeräte aller Boulevardzeitungen im Lande spricht. Das macht ja gerade seine Attraktivität als Experte aus: Dass er als Professor exakt das sagt, was der Volkszorn im Affekt auch meint.

Groebel sagt, der Redakteur der Zeitung habe ihm als Grundlage für sein Urteil in einem „sehr ausführlichen BILD-Gespräch“ den Ablauf in der von ihm nicht gesehenen Folge „völlig korrekt“ geschildert. Was für ein Schock muss es für ihn, den Medienexperten, gewesen sein, dass das Blatt wider besseres Wissen den Ablauf dann in der Zeitung ganz anders geschildert hat. Damit war ja überhaupt nicht zu rechnen, dass die „Bild“-Zeitung die Wahrheit verdrehen würde.

Komischerweise macht er in seiner Stellungnahme aber der „Bild“-Zeitung, der er sich immer wieder als „Experte“ zur Verfügung stellt, keine Vorwürfe, dass sie es mit ihrer falschen Darstellung so aussehen lässt, als hätte er etwas kritisiert, was gar nicht stimmt. Die Vorwürfe macht er denen, die seine Kritik genau in dem Kontext gelesen haben, in die die Zeitung seines Vertrauens sie gestellt hat.

Im Folgenden ungekürzt die Erklärung von Professor Dr. Jo Groebel, Direktor, Deutsches Digital Institut, in der er, wenn ich ihn richtig verstehe, für eine völlige Tabuisierung des Todes in der Unterhaltung plädiert und meint, dass es weniger schlimm gewesen wäre, wenn Pro Sieben tatsächlich gezeigt hätte, wie die Kandidatin vom Tod ihrer Mutter erfährt, wie „Bild“ behauptet hatte:

UND DER SKANDAL IST DOCH EINER! KEIN „SI TACUISSEM“ ZU TODESNACHRICHT IN POPSTARS

Ein schönes Klischee: Der Experte, Jo Groebel, verurteilt eine Sendung, die er gar nicht gesehen hat. Hier „Popstars“ mit der angeblich nicht gezeigten Szene, in der Victoria vom Tod ihrer Mutter erfahre. Pardon, aber man muss kein Experte sein, um Pro7 den bewussten Einbau der Sequenz mit der Todesnachricht in die Unterhaltungssendung zu attestieren. Konkret wird gezeigt, wie die Kandidatin zum Telefon gerufen wird, die meisten Zuschauer ahnen bereits, dass etwas Schreckliches passiert sein muss, erfahren vom Tod spätestens an der Reaktion der anderen Kandidaten danach. Genau das war mir im sehr ausführlichen BILD-Gespräch vorab durch den Redakteur mitgeteilt worden, völlig korrekt, wie die Ausstrahlung dann belegte. Und in einem Telefonat bestätigt wurde durch einen Produzenten von „Popstars“, der mich am Vorabend des BILD-Berichts wegen meines Zitats anrief. Dass Detlev D!Soost betroffen war, genau wie alle an der Produktion Beteiligten, ist nachvollziehbar und stelle ich überhaupt nicht in Frage.

Das Skandalon ist nicht das von mir auch nicht behauptete voyeuristische Zeigen des Gesichts der Betroffenen, Victoria, im Moment der Nachricht. Spätestens seit Hitchcock wissen wir, dass die Vorahnung des Schrecklichen in Bildern, hier sehr wohl gezeigt, viel wirksamer ist als das Faktum selbst. Das Skandalon ist die Vermarktung der Gesamtszene im Unterhaltungskontext. Dabei unterstelle ich nicht einmal, dass der Vorabbericht dem Sender mindestens gelegen kam, zumal man ja dem „Experten“ hinterher Nichtwissen nachsagen konnte.

Ungeheuerlich finde ich das Argument in einigen Reaktionen, die Dramaturgie der Sendung habe die entsprechende Sequenz erfordert. Umgang mit Tod per Marktpostulat? Auch eine karge Text- oder Off-Information hätte das Geschehen erklären können.

Wenn man die Grenzen zwischen Unterhaltung, Medium und Realität aufhebt, ist der Kick einer Todesnachricht bei „Popstars“ folgerichtig. Wenn realer Tod trotz der vom Sender berichteten „Zufriedenheit“ (!) der sechzehnjährigen Victoria über die Sendung nicht zur Dispositionsmasse von Unterhaltung gehören soll, ist er es nicht.

Jo Groebel

Wenn deutsche Boulevardmedien auf die Schnelle jemanden brauchen, der ihnen bestätigt, dass die Nacktszene im „Tatort“ / das Käferbad im Dschungel / die Tiertötung in der Kochshow wirklich so schlimm ist, wie ihre Schlagzeilen behaupten, rufen sie Jo Groebel an. Der Mann leitet ein „Deutsches Digital-Institut“, vor allem aber ist er „Medienexperte“, was in diesem Fall bedeutet, dass er in den Medien als Experte gilt. Groebel ist mit Urteilen schnell zur Hand. Als die „Bild“-Zeitung am Donnerstag behauptete, dass ProSieben in der nächsten Folge von „Popstars“ zeigen werde, wie eine Kandidatin vom Tod ihrer Mutter erfährt, sagte er dem Blatt: „Das geht absolut nicht!“ Als sich die „Bild“-Meldung als Falschmeldung entpuppte, fügte er laut „Express“ hinzu: „Auch wenn die Reaktion des Mädchens nicht gezeigt wird – es ist ja bekannt, was passiert.“ Richtig: Der eigentliche Skandal ist der Tod an sich. Solange das Fernsehen nicht verhindern kann, dass Angehörige von Kandidaten während der Dreharbeiten sterben, sollen sie halt keine Casting-Shows veranstalten.

Groebel hat zu allem eine Meinung, und es ist immer die billigste. Zum Thema Schönheits-OPs: „Natürliche Schönheit ist attraktiver als solche aus dem Katalog.“ Zu den hohen Olympia-Kosten: „Ein ARD-Moderator kann durchaus auch mal für das ZDF vor der Kamera stehen und umgekehrt.“ Zum angeblichen Trend zum „Brutal-TV“: „Die Zuschauer sind in den letzten Jahrzehnten immer unempfindlicher geworden. Einzelfälle freiwilliger körperlicher Gewalt sind nun an der Tagesordnung.“ Zur Hitler-Gruß am Rande der RTL-Dschungelshow: „Das tut dem Sender-Image auf keinen Fall gut.“ Zum Rauswurf von Verona Pooth bei RTL2: “ Verona Pooth ist zwar nicht juristisch, aber psychologisch an der Affäre ihres Mannes beteiligt.“

Groebel sagt den Qualitätsmedien wie der Berliner Quatschzeitung „B.Z.“ nichts anderes als das, was der grundlos erregte Mann auf der Straße auch sagen würde, adelt es aber durch den Titel „Professor“ und durch die Logik, dass er sich so oft öffentlich zum Thema Fernsehen äußert, dass er sich damit einfach auskennen muss. Seine Wortmeldungen markieren dabei zuverlässig den Zeitpunkt, zu dem man die Hoffnung auf eine fruchtbare Debatte fahren lassen kann.

Bislang hat sich die Formulierung „ins Gröbeln kommen“ als Synonym fürs hemmunglose Produzieren von Plattheiten für die Medien nicht durchgesetzt, aber Groebel arbeitet daran. Im Frühjahr bat ihn die „Berliner Morgenpost“, ihren Lesern „wichtige Tipps“ beim Streik der Busse und Bahnen zu geben. Der Professor empfahl: „Bei extrem wichtigen Terminen (…) gilt: Die An- und Abfahrten sollte man nicht in letzter Sekunde planen.“ Und: „Man sollte sich grundsätzlich überlegen, ob man nicht viel übers Internet regeln kann.“

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung