Schlagwort: Claus Strunz

Der Bereich „TV- und Videoproduktionen“ bei Axel Springer präsentiert erste Ergebnisse seiner Arbeit

Es waren große Aufgaben, die Claus Strunz vor einem Jahr übertragen wurden. Nach zweieinhalb Jahren hatte ihn die Axel-Springer-AG als Chefredakteur des „Hamburger Abendblattes“ abgelöst und ihm einen eigenen Bereich zum Leiten geschaffen, in dem seine andauernden Erfolge nicht soviel Schaden anrichten konnten. Strunz übernahm, wie die Pressestelle des Konzerns bekannt gab, die Leitung des Bereiches „TV- und Videoproduktionen“ bei Axel Springer:

Kernaufgaben seiner neuen Funktion sind konzernübergreifend die Entwicklung und Umsetzung von TV- und Videoproduktionen für alle digitalen Plattformen der Medienmarken von Axel Springer. Er berichtet direkt an den Vorstandsvorsitzenden.

Große Sache. Die Zukunft, keine Frage.

Der Branchendienst „Kontakter“ berichtete in der vergangenen Woche, dass Geschäftsführer Strunz „nach einer fast einjährigen Zeit der Findungsphase erstmals Ergebnisse präsentieren kann“. Das erste sichtbare Resultat seiner Pionier-Arbeit ist die Puppenshow „Jessis EM-Club“. Sie ist seit zwei Wochen exklusiv auf „Welt Online“ zu sehen (sowie auf Bild.de mit dem Hinweis „exklusiv auf ‚Welt Online'“).

Und wir blenden uns direkt in die zwölfte Folge der elfteiligen Reihe. Der Titel: „So witzelt Poldi über die Italiener“.


Lukas Podolski: Ey, Alessandro, ey, jetzt kommt einer. Was ist ein Italiener ohne Arme und Beine?
Alessandro del Piero: Weiß ich nicht.
Podolski: Taubstumm.
Del Piero: Warum wollen nach einem Länderspiel immer alle das Trikot von Mario Gomez haben?
Podolski: Ah, kein Plan.
Del Piero: Es ist das einzige, das nicht verschwitzt ist.
Podolski: Del Piero, pass auf. Was ist der Grund dafür, dass die Italiener immer so klein sind?
Del Piero: Warum?
Podolski: Ihre Mütter sagen, dass sie arbeiten müssen, wenn sie mal groß sind.

Del Piero: Geht Jogi Löw zum Arzt. „Herr Doktor, niemand beachtet mich so richtig.“ Sagt der Arzt: „Nächste, bitte.“
Podolski: Pass auf, ey, Balotelli humpelt vom Platz. Fragt der Trainer besorgt: „Ist die Verletzung schlimm?“ Sagt Baotelli, ey: „Nein, nein, Trainer, meine Wade ist nur eingeschlafen.“
Del Piero: Was macht Bastian Schweinsteiger wenn er die Champions League gewonnen hat?
Podolski: Keine Ahnung, ey.
Del Piero: Er macht die Playstation aus.

Podolski: Ich hab auch noch einen, ey. Was sagt der italienische Kammerjäger, wenn er alle Küchenschaben erledigt hat? „Ey, ischabe fertig.“
Del Piero: Was ist der Unterschied zwischen Mesut Özil und einem Lama?
Podolski: Ah, keine Ahnung.
Del Piero: Na, das Lama ist treffsicherer.
(Gelächter, Applaus.)
Podolski: Alles voll witzig, ne?
Del Piero: Ja.
Podolski: Ja, voll witzig.
(Gelächter, Applaus, Abspann.)

(Man muss es eigentlich im Original gesehen haben, aber gleichzeitig möchte ich vor dem Ansehen warnen.)

Es handelt sich um eine Gemeinschaftsarbeit des Geschäftsbereiches TV- und Videoproduktion der Axel-Springer-AG mit der Sportredaktion der WELT-Gruppe und TV Berlin. Menschen, die schon mal eine Handpuppe gebaut oder gespielt oder gesehen haben, waren offenbar nicht beteiligt.

Laut „Kontakter“ „werkelt“ Strunz noch an anderen Sendungen, Quiz- und Doku-Soap-Formaten, die es aber „bislang nicht zur Marktreife geschafft haben“.

Ausgestrunzt

Claus Strunz räumt seinen Posten als Chefredakteur des „Hamburger Abendblattes“ und verantwortet von Juli an die Bewegtbild-Inhalte der Axel Springer AG, was insofern konsequent ist, als Videos ja journalistisch bestimmt in den Kreis der Top vier neben „FAZ“, „Süddeutsche Zeitung“ und „Welt“ gehören. Außerdem geht Herr Strunz gerne dann, wenn es am Schönsten ist, und schöner wäre es beim „Abendblatt“ unter ihm vermutlich nicht mehr geworden.

Der Braanchendienst „Meedia“ schwurbelt:

Ein Blick auf die Auflagenentwicklung von Abendblatt zeigt, dass der Käufermarkt für das renditestarke Regional-Flaggschiff von Springer unter Druck steht (…).

Das soll wohl heißen: Immer weniger Menschen kaufen das „Hamburger Abendblatt“. Und seit Claus Strunz dort vor zweieinhalb Jahren Chefredakteur wurde, ist alles noch schlimmer geworden.

Der Einzelverkauf ist im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr um erstaunliche 13,5 Prozent zurückgegangen. Die Zahl der Abonnenten sank im gleichen Zeitraum um fast fünf Prozent — so schnell wie die zehn Jahre zuvor nicht.

Dabei hatte Strunz ein Jahr nach seinem Antritt behauptet, die Print-Auflage „weitestgehend stabilisiert“ zu haben (was auch damals schon halb gelogen war); Springer hatte von einer Trendwende gesprochen. Dass sich kein Aufschwung einstellen wollte, kann jedenfalls nicht an mangelnder heißer Luft gelegen haben. Strunz erfand sogar den Begriff „Abendblatt 3.0“. Der sollte stehen für: das Jahr 3000, einen mehr als „2.0“ sowie die drei Säulen Lokales, Regionales und Bundesweites.

Nun darf Strunz nicht einmal drei Jahre voll machen.

Aber man muss den Springer-Verlag als Arbeitgeber für die Treue zu seinem Leitungspersonal bewundern: Bislang fand sich für jeden immer noch ein Titel und ein Schreibtisch, wo er — unbelastet von den Unheilanrichtungsmöglichkeiten des Tagesbetriebs — vor sich hinwerkeln konnte. Für Strunz wurde der Bereich „TV- und Videoproduktionen“ neu geschaffen. Strunz berichtet sicherheitshalber direkt an den Vorstandsvorsitzenden.

Vermutlich castet er in diesem Moment schon vor dem Badezimmerspiegel Moderatoren für neue Videoformate.

„Meedia“ lässt Strunz ein Erfolgsbad ein

Frage: Wo befinden Sie sich im Projekt "Abendblatt 3.0"? Antwort: Mittendrin. Wir machen sukzessive aus einem Traditionsblatt eine moderne multimediale Metropolen-Zeitung. Ganz entscheidend dabei ist die Geschwindigkeit. Zu schnell ist genauso falsch wie zu langsam. Wir gehen dynamisch, aber mit Sorgfalt voran. Frage: Sie haben ja auch schon einiges erreicht. Antwort: Danke.

Experten erkennen es gleich: Es war wieder einmal Zeit für den Online-Branchendienst „Meedia“, mit Claus Strunz vom „Hamburger Abendblatt“ zu reden — man trifft sich alle paar Monate zum Plaudern (April, Juni Oktober), und Strunz führt seinem Gesprächspartner Alexander Becker dann vor, dass er heiße Luft rosa schimmern lassen kann.

Ich vermute, dass sich an die oben zitierten Zeilen im Original-Gespräch noch die Frage: „Ich mag Ihre Krawatte, ist die neu?“ anschloss, aber die ist wohl bei der Autorisierung weggefallen. Inhaltlich lässt sich das Interview ohne größere Substanzverluste auf einen Wortwechsel von twitterbarer Länge reduzieren, etwa: „‚Und, alles gut?‘ – ‚Besser!'“ Die Gesprächsatmosphäre ist dabei so, dass die kritischste denkbare Frage ungefähr lauten würde: „Herr Strunz, macht Ihnen Ihr überragender Erfolg nicht manchmal selbst Angst?“

Immerhin erfahren wir, dass Strunz seinen Wechsel von der „BamS“ zum „Abendblatt“ „hart, aber schön“ fand, dass er im Jahr ungefähr 1500 Leseranfragen persönlich beantwortet und dass es ihm einen „wahre Freude“ ist, „jeden Tag zu sehen, wie viele Fachleute und kritische Geister in dieser Redaktion hochwertigen Qualitätsjournalismus produzieren“.

Nun wäre Strunz nicht Strunz, wenn er es schaffte, bei der Wahrheit zu bleiben. Und so brüstet er sich:

Innerhalb eines Jahres konnten wir die Anzahl der Nutzer und Zugriffe [auf abendblatt.de] mehr als verdoppeln. Und haben zudem die Printauflage weitestgehend stabilisiert.

Die Zahl der Zugriffe hat sich dank absurder Klickstrecken tatsächlich mehr als verdoppelt, die der Nutzer aber nicht — egal wie man sie misst. Die „Visits“ haben um 65 Prozent zugenommen, bei den „Unique Usern“ lässt sich gegenüber dem Vorjahr keinerlei Wachstum feststellen. Strunz‘ Formulierung sei „so nicht korrekt“, räumt „Meedia“-Chefredakteur Georg Altrogge auf Nachfrage ein. (Im Interview hätte ein entsprechender Widerspruch oder ein Hinweis für die Leser aber vermutlich nur die plüschige Atmosphäre gestört, nehme ich an.)

Und was die „weitestgehend stabilisierte Printauflage“ angeht, hilft vielleicht ein Blick auf folgende Grafik (ohne die unrentablen „sonstigen Verkäufe“, auf deren Reduzierung Strunz den Auflagenrückgang um vier Prozent im Interview schiebt):

Wenn Sie ganz genau hinschauen, können Sie erkennen, dass beide Abwärtskurven tatsächlich wieder einen winzigen Tick flacher geworden sind. Die Zahl der Abonnenten ist nur noch um 2,4 Prozent gesunken (nach 3,0 im Vorjahr); im Einzelverkauf betrug der Rückgang nur noch 4,9 Prozent (nach 8,0 im Vorjahr).

Ja: wow.

Nun muss man es natürlich nicht dramatisch finden, wenn der Interviewte seine eigenen Leistungen schönfärbt. Ich finde es aber dramatisch, wenn der Interviewer sich daran beteiligt:

Strunz: In der Redaktion existiert zudem ein großer kreativer Spirit.

Meedia: Sie haben auch die Redaktion umgebaut?

Strunz: Das gehört dazu. Für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts „Abendblatt 3.0“ brauche ich eine schlagkräftige Mannschaft: Einige Kollegen haben uns verlassen, einige haben neue Aufgaben erhalten und einige sind neu dazu gekommen. (…)

Meedia: Sie unternehmen den Umbau aus einer Position der Stärke, Sie haben einen modernen Newsroom — was passiert, wenn Sie trotzdem scheitern?

Strunz: Wieso scheitern? Mit der Abendblatt 3.0-Strategie sind wir bestens für die Zukunft gewappnet.

Sensationelle letzte Frage übrigens, aber: Wer würde ahnen, dass hinter der nichtssagenden Formulierung vom „unternommenen Umbau“, die Alexander Becker benutzt, die rabiate „Freistellung“ von über 30, teils langjährigen „Abendblatt“-Redakteuren gehörte: Die Kollegen mussten offenbar von einem Tag auf den anderen ihre Schreibtische räumen und die Karten abgeben, mit denen sie in die Redaktion gelangten. Ein Mitarbeiter schrieb mir: „Empörend ist nicht nur, was der Mann macht, sondern auch, wie er es macht.“

Auch „Meedia“ berichtete damals; das war aber eine Gelegenheit, zu der Strunz sich ausnahmsweise nicht einmal gegenüber seinem Kuschelpartner äußern wollte. Auf meine Frage, warum „Meedia“ jetzt auf eine kritische Frage dazu verzichtete, antwortete mir Altrogge:

Die Freistellung von rund 30 Abendblatt-Redakteuren ist mit der Frage nach dem Umbau der Redaktion angesprochen worden, und darauf antwortet Claus Strunz auch.

Okay.

Letzte Frage von mir an den Interviewer: „Läuft da was zwischen Ihnen und dem Claus?“ An seiner Stelle antwortete der „Meedia“-Chefredakteur, er finde die Frage „irritierend“:

Was auch immer Sie damit meinen, die Antwort ist nein.

Dabei hätte das so viel erklärt.

Der Strunzer (2)

Ich wüsste gern, ob Claus Strunz manchmal nachts schweißgebadet aufwacht, weil ihm im Traum die Realität erschienen ist. Wahrscheinlicher ist, dass ihn die dicke Schicht aus Selbsttäuschung und Wahn, die er sich zugelegt hat, auch davor schützt.

Der Medienfachdienst Meedia hat das halbe Jahr, das Strunz Chefredakteur des „Hamburger Abendblattes“ ist, zum Anlass genommen, ihm kritische Fragen zu stellen wie: „Wie fällt Ihre Bilanz aus?“ und: „Was planen Sie als nächstes?“

Na, wie mag Strunz‘ Urteil über Strunz schon ausfallen? „Überaus positiv“, natürlich:

„Rechtzeitig zum Halbjahres-Jubiläum von „Abendblatt 3.0″ sind wir unter den vier wichtigsten Tageszeitungen Deutschlands angekommen (…)“

Sensationell. Herzlichen Glückwunsch! Und auch wenn als Grundlage für den behaupteten vierten Platz nur die Quatschzählungen des „Media Tenors“ dienen, ist das ein großer Erfolg für Strunz. Denn als bekannt wurde, dass er von der „Bild am Sonntag“ zum „Abendblatt“ wechselte, fragte ihn der „Spiegel“ am 14. Juli 2008, ob das nicht ein Abstieg sei. Und Strunz antwortete:

Klar, ich arbeite nicht mehr in der Hauptstadt, aber das „Hamburger Abendblatt“ ist eine Weltstadt-Zeitung mit stolzer Tradition und mehr als doppelt so vielen Redakteuren wie „BamS“. Journalistisch gehört das Blatt in den Kreis der Top vier neben „FAZ“, „Süddeutsche“ und „Welt“.

Neun Monate sind seitdem vergangen, davon sechs unter Strunz als Chefredakteur, und das „Abendblatt“ ist immer noch unter den Top vier! Das muss dem Mann erst mal einer nachmachen.

Der Strunzer

Toll, der Claus Strunz. Ist erst seit 15. Oktober Chefredakteur des „Hamburger Abendblatts“, hat dessen Niedergang aber schon messbar beschleunigt. Im vierten Quartal ging die verkaufte Auflage um über vier Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück — schneller als in den zehn Quartalen zuvor. Gleichzeitig ist die Heiße-Luft-Produktion in den vergangenen Wochen explodiert.

Zur Zeit ist er auf Medienseitentournee mit seinem aktuellen Schlager vom „Abendblatt 3.0“. Die Zahl steht für dreierlei Dreien: Erstens „Abendblatt 3000“, zweitens die drei Säulen Lokales, Regionales und Bundesweites und drittens das Weiterzählen von 2.0, „die konsequente Umsetzung von ‚Journalismus first'“.

Ich kenne keinen Chefredakteur, der im gleichen Maße bereit ist, sich für Eigen-PR lächerlich zu machen oder die Unwahrheit zu sagen, wie Claus Strunz. Während seiner Amtszeit als „Bild am Sonntag“-Chefredakteur ist die Auflage der Zeitung um rund 30 Prozent gesunken — noch schneller als die der werktäglichen „Bild“. Als er sich von seinen Lesern verabschiedete, tat er dies mit den Worten: „Man soll gehen, wenn es am schönsten ist“. Gegenüber dem „Spiegel“ überraschte er mit der Aussage, das „Abendblatt“ gehöre „journalistisch in den Kreis der Top vier neben ‚FAZ‘, ‚Süddeutsche‘ und ‚Welt'“.

Aber vielleicht ist das eine Kernkompetenz für den Chefredakteur einer Zeitung in diesen Zeiten: die Fähigkeit, sich die Wirklichkeit zurecht zu lügen. Dies ist die Entwicklung von Abonnements und Einzelverkäufen des „Abendblatts“ in den vergangenen elf Jahren:

Es ist nicht so leicht, darin einen Beleg dafür zu finden, dass „nach wie vor auch eine Menge für die Zeitung auf Papier spricht“, wie Strunz gegenüber dem Mediendienst „Meedia“ sagte. Aber Strunz fand ihn:

„Jedenfalls haben wir 2008 fast zehn Prozent mehr Abonnements verkauft als im Vorjahr.“

Flüchtig gelesen, könnte man glauben, dass die Zahl der Abonnenten des „Abendblattes“ zugenommen hat. Hat sie natürlich nicht: Sie ist um fast 6000 rund 4700 zurückgegangen. Strunz spricht davon, mehr neue Abonnenten gewonnen zu haben als im Vorjahr. Das würde aber bedeuten, dass sich die Geschwindigkeit, mit der das „Abendblatt“ alte Abonnenten verliert, ebenfalls beschleunigt hat.

Auf Nachfrage erklärt ein Springer-Sprecher, dass das „Abendblatt“ 2008 sogar 15 Prozent mehr Abonnenten gewonnen habe als im Vorjahr, und nur 5 Prozent mehr Abonnenten verloren als im Vorjahr. Weil die absolute Zahl der Kündigungen aber höher ist als die der Neuabschlüsse, entspricht das einem Netto-Verlust.

Der Sprecher will in den Zahlen dennoch eine Trendwende erkennen, was erstaunlich ist, denn das Tempo, in dem das „Abendblatt“ Abonnenten verliert, hat sich nicht verlangsamt: Es liegt relativ konstant bei rund 2,5 Prozent pro Jahr.

Das sind natürlich immer noch lächerlich kleine Zahlen, verglichen mit dem Auflagenschwund, den Strunz bei der „Bild am Sonntag“ produziert hat. Aber die guten Zeiten für das „Abendblatt“ fangen ja auch gerade erst an.