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Neues von Callactive

Die Firma Callactive, die für MTV die tägliche Call-TV-Sendung „Money Express“ produziert, überraschte am Dienstag mit einer Pressemitteilung, in der sie erklärte, ihr Hot Button sei sauber. Es handele sich — anders als bei 9Live — um einen rein technischen Zufallsmechanismus, unbeeinflusst von irgendwelchen Mitarbeitern. Der Redakteur gebe nur die Höchstdauer einer Spielrunde vor, und der technische Mechanismus wähle dann einen beliebigen Zeitpunkt aus, zu dem er einen Anrufer auswählt und ins Studio durchstellt.

Schöne Sache. Nur für jeden, der die Callactive-Sendungen kennt, sehr unwahrscheinlich.

Anscheinend gestaltet die Firma Callactive ihre Pressemitteilungen ähnlich wie ihre Fernsehsendungen: Sie versucht, die Leute in die Irre zu führen. Wenn man genau liest, heißt es im Text nämlich:

Die Callactive GmbH, größter Senderunabhängiger Produzent von Partizipations TV im deutschsprachigen Raum und ein
Unternehmen der Endemol Gruppe, hält sich bei der Auswahl der Anrufer im sogenannten Hot-Button Modus strikt an die Anwendungs- und Auslegungsregeln für Gewinnspiele im Fernsehen der Landesmedienanstalten (GewinnSpielReg).

(Hervorhebung von mir.)

Selbst wenn das so wäre: Bei „Money Express“ wird kaum im so genannten „Hot-Button Modus“ gespielt. Die weit überwiegende Zeit gilt der „Leitungs-Modus“, eine noch undurchsichtigere Variante, bei der es darum geht, bestimmte, angeblich „offene“ Leitungen, zum richtigen Zeitpunkt zu treffen. Nichts spricht dafür, dass auch dieser Zeitpunkt in Callactive-Sendungen zufällig bestimmt ist.

Die Pressemitteilung von Callactive erinnert mich an einen Zauberer, der seinem Publikum Spielkarten zeigt, damit sie sich überzeugen können, dass sie nicht gezinkt sind, und sie dann vor dem Kartentrick unauffällig gegen andere austauscht.

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Ich habe für einen FAZ-Artikel gestern per E-Mail bei Stephan Mayerbacher, dem Geschäftsführer von Callactive, nachgefragt:

  • Gilt das reine Zufallsprinzip, das Sie in Ihrer Pressemitteilung gestern beschrieben haben, ausschließlich für den „Hot-Button-Modus“ oder auch für den Leitungsmodus?
  • Seit wann gilt das beschriebene reine Zufallsprinzip in dieser Form?
  • Wie ist es zu erklären, dass der „Hot Button“ regelmäßig, auch vergangene Nacht wieder, erst ganz zum Schluss der Sendezeit zuschlägt?
  • Ein Spiel, in dem Tiere mit 5 Buchstaben gesucht waren, endete vergangene Nach nach langer Zeit (im Leitungsmodus), ohne dass überhaupt noch jemand durchgestellt wurde. Verstehe ich Ihre Pressemitteilung richtig, dass das im „Hot-Button-Modus“ nicht möglich wäre, weil der Zufallsmechanismus innerhalb der vorgegebenen Zeit auf jeden Fall jemanden auswählt?
  • Mehrmals wurden in Spiele gestern Sätze eingeblendet wie „Spiel endet um 2.30 Uhr“ oder „Finaler Countdown“, ohne dass dies den Tatsache entsprach. Inwiefern hält sich CallActive damit an die Vorschrift aus den Gewinnspielregeln, „keinen unzulässigen Zeitdruck aufzubauen“?

Seine Antwort lautet ungekürzt:

Ihre Fragen sind angekommen, vielen Dank dafür. Grundsätzlich ist alles, was es zur Funktionsweise des Hot Button Systems, dass uns von der Fa. mass response Service GmbH bereitgestellt wird, in der Pressemitteilung bereits gesagt worden.

Meine Nachfrage:

Das heißt, ich kann davon ausgehen, dass das beschriebene System ausschließlich für Hot-Button-Runden gilt?

Seine Antwort:

sie können davon ausgehen, dass das, was in der Pressemitteilung steht, der Wahrheit entspricht.

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Mayerbacher ist nicht zimperlich, was den Umgang mit Kritikern angeht. Im Forum call-in-tv.de veröffentlichte er den Namen eines Mannes, der sich bei der Bayerischen Landesmedienanstalt (BLM) über eine „Money Express“-Sendung beschwert hatte. Am 14. Mai schrieb Mayerbacher im Forum:

Lieber [Benutzername im Forum] alias [Realname], Ihre Identität ist erwiesener Maßen bekannt. Sie heißen im echten Leben [Realname]. Sie selbst rühmen sich im Forum Call-in-TV.de am 14. April damit, über unsere Sendung MoneyExpress am 20.3. eine Beschwerde an alle LMAs übermittelt zu haben. Da es in der Folge nur eine Beschwerde an alle LMAs gab, nämlich von Ihnen Herr [Realname], ist ihre Identität mehr als klar, insofern möchte ich richtig stellen, dass es sich hier mitnichten um eine falsche Verdächtigung Ihrer Person handelt, sondern ausschließlich um denklogische Rückschlüsse.

MFG SM

Mayerbacher veröffentlichte nicht nur den Namen des Beschwerdeführers, sondern nannte auch zwei Pseudonyme, unter denen er seiner Meinung nach im Forum angemeldet sei:

Herr [Klarname] hat mit mir Kontakt aufgenommen und behauptet, er sei nur der User [Benutzername 1] im Forum call-in-tv.de, das glauben wir ihm jedoch nicht, da es sehr stichhaltige Beweise gibt, das er auch der User [Benutzername 2] ist, aber natürlich können wir uns auch irren. Herr [Klarname] hat uns nicht darauf hingewiesen, dass er anonym bleiben möchte.

Mayerbachers Vorgehen wurden von Forenbenutzern als Einschüchterungsversuche gewertet, könnten ihn nun aber in Schwierigkeiten bringen. Der Anwalt Frank Metzing, der u.a. den Betreiber des Call-in-TV-Forums vertritt, hat eine Beschwerde eingereicht und die zuständige Behörde aufgefordert, wegen Verstoß gegen das Bayerische Datenschutzgesetz gegen Mayerbacher zu ermitteln. Er habe die persönlichen Daten zu „sachfremden Zwecken“ verwendet: und den Namen des Beschwerdeführers „in unbelehrbarer Weise … mehrmals — trotz rechtlicher Belehrung — hartnäckig immer wieder gepostet“. Gegen Mayerbacher solle deshalb ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet und ein Bußgeld verhängt werden.

Aber auch gegen die zuständigen Mitarbeiter der BLM soll nach dem Willen von Anwalt Metzing ermittelt werden. Es sei nicht einzusehen, warum die Behörde die persönlichen Daten des Beschwerdeführers überhaupt an den betroffenen Produzenten weitergeleitet habe. (In der Datenschutzerklärung auf der offiziellen Seite der Landesmedienanstalten für Programmbeschwerden heißt es: „Meine Daten werden nur dann an einen Rundfunkveranstalter weitergeleitet, wenn ich dies bei Abgabe der Beschwerde ausdrücklich wünsche.“) Wenn die Menschen damit rechnen müssten, dass ihre Namen hinterher von denen, über die sie sich beschwert haben, öffentlich gemacht werden, könnte das „etwaige Beschwerdeführer davon abhalten, von ihrem Recht auf Einleitung rechtsstaatlicher Verfahren Gebrauch zu machen“, argumentiert Metzing.

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Auch „MEX“, das Wirtschaftsmagazin des hr-fernsehens, berichtet heute Abend ab 21.10 Uhr über die Call-TV-Shows. In der Sendung widerspricht der hessische Staatsminister Stefan Grüttner den Landesmedienanstalten, die beteuern, sie könnten die Verstöße der Sender nur auf der Basis unverbindlicher Vereinbarungen ahnden. „Es ist nicht nur Aufgabe der Landesmedienanstalten einmal eine Lizenz auszustellen. Sondern auch anschließend die Einhaltung der entsprechenden Vorgaben zu überprüfen“, sagte Grüttner.

CallActive will Kritiker mundtot machen

Es ist ja nicht nur 9Live.

Da gibt es auch noch Stephan Mayerbacher und seine Firma CallActive, die täglich im Auftrag von MTV dubiose Anrufsendungen produziert. Zu den Spezialitäten seiner Sendungen, die von Frauen moderiert werden, die man nicht „Animösen“ nennen darf, gehört es, über einen längeren Zeitraum mit sehr hohen Gewinnsummen zu locken, die später wieder reduziert werden. Während der Phasen mit hohen Gewinnsummen wird oft niemand durchgestellt. Oder, wenn doch, ist auffallend oft niemand dran, jemand legt sofort wieder auf, der Anrufer ist nicht zu verstehen oder er gibt (selbst bei leichten Rätseln) eine grotesk falsche Antwort.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese merkwürdigen Anrufe zufällig zu diesen für CallActive günstigen Zeiten so ballen, ist gering. Wer die Sendungen häufig sieht, kommt fast zwangsläufig auf den Gedanken, diese Anrufe würden vom Veranstalter gefälscht.

Als im Forum call-in-tv.de, das sich intensiv mit den entsprechenden Shows beschäftigt, diese merkwürdigen Anrufe aus naheliegenden Gründen „Fake-Anrufe“ genannt wurden, ging Stephan Mayerbacher aus ebenso naheliegenden Gründen dagegen vor. Marc Doehler, Betreiber des Forums, musste eine Unterlassungserklärung abgeben. Nun ja: Der Beweis, dass es sich wirklich um „Fake-Anrufe“ handelt, ist schwer und wäre wohl nötig.

Um zu verhindern, dass andere Forennutzer weiter das verbotene Wort benutzten, baute Doehler in das Forum eine Sperre ein: Begriffe wie „Fake-Anrufer“ werden von der Software automatisch in „verwirrte Anrufer“ umgewandelt.

Dennoch wurde Doehler gestern wieder von CallActive abgemahnt. Meyerbachers Anwalt schreibt:

„Inzwischen hat sich (…) auf der Website der Begriff ‚verwirrte Anrufer‘ als Synonym für ‚Fake-Anrufer‘ durchgesetzt. Jeder User weiß, dass mit ‚verwirrte Anrufer‘ tatsächlich ‚gefakte‘ Anrufe gemeint sind, und die User benutzen inzwischen den Begriff ‚verwirrte Anrufer‘ auch entsprechend.

Bei den von unserer Mandantin produzierten Programmen gibt es keine gefälschten bzw. gefakten Anrufe. Durch die bewusste Verwendung des Wortes ‚verwirrte Anrufer‘ für ‚Fake-Anrufe‘ behaupten Sie aber gerade dies.“

Doehler wird aufgefordert, es künftig zu unterlassen,

„unter Bezug auf Quizsendungen in den Fernsehprogrammen VIVA plus [gemeint ist vermutlich Viva], NICK oder Comedy Central, zu behaupten und/oder behaupten zu lassen,

dort gäbe es ‚verwirrte Anrufer‘, insbesondere wenn dieser Begriff ‚verwirrte Anrufer‘ als Synonym für ‚Fake-Anrufe‘ verwendet wird.“

Als Gegenstandswert haben die Anwälte 50.000 Euro festgelegt; allein für die Abmahnung verlangen sie daher von Doehler 1379,80 Euro.

Nachtrag: Marc Doehler wird die geforderte Unterlassungserklärung nach Angaben seines Anwaltes nicht abgeben.

Call-TV-Mimeusen

Wie nennt man den Beruf, den Daniela Aschenbach und andere abends in der Anrufsendung „Quiz-Zone“ auf dem Kindersender Nick ausüben? Sie selbst nennen sich Moderatorinnen, aber das ist angesichts stundenlanger Monologe, mit denen die Zuschauer teils aggressiv zum Anrufen animiert werden, ein bisschen abwegig. „Betrüger“ kann man auch nicht sagen, denn die Art, wie sie systematisch die Zuschauer über Gewinnhöhe, Gewinnchancen und Ablauf des Spiels in die Irre führen, würde man zwar landläufig Betrug nennen, juristisch womöglich auch — aber man müsste es ihnen natürlich erst beweisen.

Was also ist Daniela Aschenbach? Mitglieder des Forums call-in-tv.de hatten eine Idee: Sie nannten sie „Animöse“.

Darüber war Frau Aschenbach nicht glücklich.

Sie schaltete einen Anwalt ein, der für den „Quiz-Zone“-Produzenten Callactive bereits in einer anderen Sache gegen call-in-tv.de und seinen Betreiber Marc Doehler vorgegangen war. Er mahnte Doehler im März wegen „schwerer Persönlichkeitsrechtsverletzungen“ ab: Frau Aschenbach sei durch die Beschreibung im Forum als „AVD – Animöse vom Dienst“ beleidigt und auf übelste Weise herabgewürdigt worden.

Doehler wollte die geforderte Unterlassungserklärung allerdings nicht abgeben. „Selbstverständlich nicht“, wie sein Anwalt schrieb. Er hatte offensichtlich größeres Vergnügen beim Formulieren seiner Antwort:

Mir ist völlig unklar, welcher schmutzigen Phantasie die Annahme entsprungen ist, das Wort „Animöse“ setze sich aus „Animateurin“ und einer abwertenden Bezeichnung für die weibliche Vagina (…) zusammen – ich muss angesichts der im Namen Ihrer Mandantin ausgesprochenen Abmahnung jedoch zu meiner Irritation annehmen, dass diese Phantasie auf den Vorstellungen Ihrer Mandantin beruht. (…)

Sie wollen bitte zur Kenntnis nehmen, dass uns im Rahmen der ungeliebten Rechtschreibreform so manche unerfreuliche „Eindeutschungen“ begegnen, so für die Friseurin, hergeleitet aus dem Französischen statt Friseuse „Frisöse“. Ebenso aus Masseuse abgeleitet „Massöse“. Weitere Beispiele wollen Sie freundlicherweise dem „Duden“ in einer aktuellen Auflage entnehmen. Ich finde diesen Sprachverfall ebenso bedauerlich wie Sie, vermag hieraus jedoch kein abmahnfähiges Verhalten zu entnehmen.

Es folgte eine längere Ausführung, ob es sich bei dem Wort „Animöse“ nicht sogar um eine „intellektuell brillante Wortschöpfung“ aus „Animateurin“ und „Animosität“ halten könne.

Doehler hatte, nachdem Callactive-Geschäftsführer Stefan Mayerbacher das Wort „Animöse“ moniert hatte, im Forum von call-in-tv.de eine Wortsperre eingerichtet. Sein Anwalt erklärte, er habe Doehler sogar dazu geraten, „diese Wortsperre wieder zu entfernen“. Einer „instruktiven Auseinandersetzung mit der semantischen Bedeutung des Wortes ‚Animöse‘ im Rahmen eines Urteils“ sähe er gerne entgegen.

Vor drei Wochen erreichte Marc Doehler eine weitere Abmahnung. Diesmal beklagt „Quiz-Zone“-„Moderatorin“ Anneke Dürkopp „schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen“. Frau Dürkopp sei durch die Beschreibung im Forum als „rätselanimöse“ beleidigt und auf übelste Weise herabgewürdigt worden. Auch ihre Kollegin Miriam Wimmer vom Schwesterprogramm „Money Express“ wehrt sich dagegen, dass ihre Tätigkeit in den Protokollen auf call-in-tv.de „Animöse“ genannt wurde.

Inzwischen haben Dürkopp und Aschenbach beim Landgericht Hamburg einstweilige Verfügungen gegen Doehler erwirkt.

Callactive: Kleiner Realitätscheck

Ich habe mit Callactive-Geschäftsführer Stephan Mayerbacher auch deshalb ein Interview geführt, weil ich gespannt war, was für Antworten jemand gibt, der so offensichtlich sein Geld damit verdient, andere Leute in die Irre zu führen. Außerdem hilft es, wenn man den Hütchenspieler-Alltag, den man täglich im Fernsehen verfolgen kann, nicht nur mit dem eigenen Rechtsempfinden, sondern auch mit den Aussagen der Verantwortlichen kontrastieren kann.

Ich habe Mayerbacher zum Beispiel gefragt, ob er sich erklären kann, warum seine Moderatoren immer wieder zu glauben scheinen, die Sendung sei deutlich vor der angegebenen Sendezeit zuende — was nicht ganz unwesentlich ist, weil der regelmäßige Zuschauer irgendwann ahnt, dass es vermutlich erst am Ende der Sendung einen Gewinner geben wird, und vielleicht nicht früher anruft. Mayerbacher antwortete mir: „Dies konnten wir so noch nicht feststellen.“

Gerade eben, um 23.52 Uhr, sagte die diensthabende „Quiz Zone“-Moderatorin den Satz: „Unsere offizielle Sendezeit ist um 12 Uhr zuende.“ Ach? Die „Quiz Zone“ endet sowohl offiziell als auch tatsächlich erst einige Minuten nach Mitternacht.

Sekunden später, also immer noch über zehn Minuten vor Ende der Sendung, scheint bei einer Gewinnsumme von 5000 Euro ein Anrufer in die Sendung durchgestellt zu werden. Um diese Zeit und zu diesem Preis gewinnt ungefähr nie jemand in der „Quiz Zone“. Jeder, der die Sendung häufiger guckt, würde deshalb größere Summen darauf verwetten, dass kein Anrufer mit der richtigen Antwort am Telefon sein wird. Und tatsächlich: Es ist niemand in der Leitung. Man bekommt als regelmäßiger „Quiz Zone“-Zuschauer fast zwangsläufig den Verdacht, dass diese Anrufe nicht echt sind und nur dazu dienen, die Illusion aufrecht zu erhalten, man habe auch um diese Zeit eine Chance durchzukommen. Aber das wäre ja Betrug, und Stephan Mayerbacher, der ein ehrenwerter Mann ist, droht jedem mit einer Abmahnung, der behauptet, es handle sich um Betrug.

Auf meine Frage, warum Callactive regelmäßig die hohen Gewinnsummen, mit denen über lange Zeit zum Anrufen verführt wird, reduziert, bevor ein Gewinner durchgestellt wird, erweckte Mayerbacher den Eindruck, Callactive reduziere den Preis nur, wenn auch die Aufgabe leichter wurde. Am heutigen Abend reduzierte Callactive die Gewinnsumme von 5000 über 3000 auf 1000 Euro, ohne dass sich am Schwierigkeitsgrad der Aufgabe oder dem Spielmodus irgendetwas verändert hatte.

23.57 Uhr. Die Moderatorin sagt, „Ich muss jetzt hier gleich raus. Denn die Sendung ist zuende. Offizielle Sendezeit ist um 12 Uhr vorbei.“

0.02 Uhr, immer noch kein Gewinner. Die Moderatorin sagt: „Eigentlich habe ich mittlerweile Feierabend. Um 12 Uhr ist die offizielle Sendezeit vorbei.“

Und Mayerbacher schreibt mir: „Wir halten alle Regeln [der Landesmedienanstalten] ein. Alle Mitarbeiter und Moderatoren kennen die Regeln und erhalten regelmäßige Schulungen. Die Sendungen und unsere internen Standards unterliegen einer strengen Prüfung.“ Jetzt wüsste ich gerne, ob er dabei gelacht hat.

Call-TV: „Wir halten alle Regeln ein“

Die Münchner Firma Callactive produziert für die MTV-Gruppe Anrufsendungen mit Methoden, die selbst 9Live als unseriös ablehnt. Andererseits: Wenn ein Hütchenspieler einen anderen anschwärzt, muss dahinter nicht unbedingt die Sorge stecken, dass Passanten übers Ohr gehauen werden.

Im Gegensatz zu 9Live hat Callactive-Geschäftsführer Stephan Mayerbacher auf meine (per E-Mail gestellten) Fragen ausführlich geantwortet. Ich dokumentiere Fragen und Antworten unkommentiert und habe nur nachträglich Links in meine Fragen eingefügt.

Stephan Mayerbacher ist Geschäftsführer der Callactive GmbH, die knapp zur Hälfte ihm und gut zur Hälfte Endemol gehört. Nach eigenen Angaben produziert das Unternehmen im deutschsprachigen täglich über 14 Stunden Anrufsendungen. Dazu gehören „Quiz Zone“ (täglich ca. zwei Stunden vor Mitternacht auf dem Kindersender Nick) und „Money Express“ (täglich drei Stunden nach Mitternacht auf Viva und Comedy Central).

Fühlt sich Callactive an die „Anwendungs- und Auslegungsregeln der Landesmedienanstalten für die Aufsicht über Fernseh-Gewinnspiele“ gebunden?

Absolut. Wir halten alle Regeln ein. Alle Mitarbeiter und Moderatoren kennen die Regeln und erhalten regelmäßige Schulungen. Die Sendungen und unsere internen Standards unterliegen einer strengen Prüfung.

Was erwarten Sie sich von dem Treffen mit den Landesmedienanstalten am 3. Mai? Welches Ergebnis wünschen Sie sich?

Eine einheitliche Regelung und Auslegung für alle Call TV Sender und Produzenten hinsichtlich Jugendschutz, Einhaltung der Mitmachregeln und transparentem und fairem Mitmachfernsehen.

Peter Widlok von der Landesanstalt für Medien NRW sagt: „Die Sender bewegen sich nah an dem, was man Betrug nennen könnte.“ Fühlen Sie sich da angesprochen?

Absolut nicht.

Betrug wird laut Lexikon folgendermaßen definiert (recht.straf.bt):

„Betrug ist die Vermögensschädigung eines Dritten durch das Hervorrufen oder Aufrechterhalten eines Irrtums mittels Vorspiegelung falscher oder Entstellung bzw. Unterdrückung wahrer Tatsachen mit Bereicherungsabsicht.“

In unseren Sendungen wird jeder Anrufer über Teilnahmemöglichkeiten, Kosten, Chancen, Schwierigkeitsgrade, Mitmachregeln permanent aufgeklärt. Die Spiele sind fair und transparent und werden von unseren Moderatorinnen anschaulich erklärt. Jeder Mitspieler hat die gleiche Chance, per Zufallsprinzip ausgewählt zu werden und die ausgelobte Gewinnsumme bei richtiger Antwort zu gewinnen.

Glauben Sie, dass es möglich wäre, profitable Call-TV-Sendungen so zu gestalten, dass der Zuschauer nicht über Gewinnchancen, Spieldauer, Spielregeln etc. in die Irre geführt wird? Oder ist diese Form von Täuschung ein notwendiger Bestandteil von Call-TV?

In unseren Sendungen liegt keine Täuschung vor und die Zuschauer werden nicht über die angegebenen Punkte in die Irre geführt. Wir haben in Deutschland insgesamt einen sehr hohen Standard an Transparenz und Fairness. Wir sind aber dennoch bemüht, die Durchführung unserer TV Gewinnspiele fortlaufend zu optimieren und noch transparenter zu gestalten, hierfür dient unter anderem der von Ihnen angesprochene Termin im Mai.

Zu den Besonderheiten der Callactive-Sendungen gehört es, die Zuschauer durch das Versprechen hoher Summen zum Anrufen zu animieren, tatsächlich aber nur deutlich niedrigere Summen auszuspielen. In vielen Callactive-Sendungen werden Anrufer erst dann durchgestellt, nachdem die höhere Gewinnsumme wieder reduziert wurde. Halten Sie es für zulässig, die Anrufer über die Höhe des möglichen Gewinns in dieser Weise zu täuschen? Müssen die Zuschauer nicht zumindest die Chance haben, wie klein auch immer, eine ausgelobte Gewinnsumme auch zu gewinnen?

Dies widerlegen eindeutig unsere täglich ausgespielten Gewinnsummen. Zuschauer werden nicht über den ausgespielten Gewinn getäuscht. Reduzierungen können sich z.B. aus folgenden Gründen ergeben:

  • ein oder mehrere Tipps werden gegeben und die Aufgabe wird somit einfacher, ergo niedrigerer Gewinn
  • anstelle mehrerer Antworten wird nur noch eine (oder weniger als vorher) verlangt
  • es wird eine 50:50 Chance gegeben
  • nach einer falschen Antwort, da sich die weiteren Möglichkeiten entsprechend reduzieren

Die Zuschauer könne auf alle Fälle immer die ausgelobte Gewinnsumme mit einer richtigen Antwort gewinnen, wenn sie per Zufallsmechanismus in diesem Moment ausgewählt wurden

Um die Transparenz weiter zu erhöhen, haben wir in die moderative Nennung der Mitmachregeln, diese erfolgt bei unseren Formaten alle 10 Minuten, folgende Formulierung mit aufgenommen:

„Die DERZEIT ausgelobte Gewinnsumme kann sich verändern!
D.h. sie kann höher oder aber auch niedriger werden. Wenn Sie jedoch im richtigen Moment als Kandidat in unsere Sendung gestellt werden und die richtige Antwort abgeben, haben Sie immer auf die aktuell ausgelobte Gewinnsumme Anspruch“

Diesen Hinweise findet darüber hinaus jeder Zuseher auch in dem unten links laufenden Band, dass während der gesamten Sendungslänge zu sehen ist.

Hierzu auch einmal ein Link zum Forum Call-In-TV, indem unsere Benmühungen um mehr Transparenz auch bereits entsprechend gutiert wurden: http://www.call-in-tv.de/viewtopic.php?p=70857#70857

Auffallend ist bei den Callactive-Sendungen auch, dass sich der Spielablauf Abend für Abend frappierend ähnelt. Dazu gehört, dass fast alle Anrufer, die bei hohen Gewinnsummen durchgestellt werden, entweder sofort wieder auflegen oder (selbst bei einfachsten Spielen) eine falsche Antwort geben. Erst nachdem die Gewinnsumme reduziert wurde und das Ende der Sendezeit erreicht ist, wird ein Anrufer durchgestellt, der die richtige Antwort weiß. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass sich an (geschätzt) 9 von 10 Abenden die gleiche, für Callactive äußerst günstige Abfolge von Auflegern, falschen und richtigen Lösungen ergibt?

Hierauf haben wir keinen Einfluss. Wir stellen aber eine ähnliche Anzahl von Auflegern, richtigen und falschen Antworten während des gesamten Sendungsverlaufes und bei allen Spielearten (schwierig, medium, einfach) fest. Genau vor diesem Hintergrund begrüßen wir die Initiative der ProSiebenSat.1 Media AG, die Telefonverbindungsdaten sowie die Gewinnerdaten aller Call TV Anbieter an geeigneter Stelle offenzulegen außerordentlich und sind bereit, dies natürlich auch zu tun, sofern die datenschutz- und telekommunikationsrechtlichen Bestimmungen gewährleistet sind.

Welche Bedeutung hat es, wenn bei „Money Express“ oder „Quiz Zone“ ein Countdown heruntergezählt wird?

Bei einem Countdown wird zum Bespiel der Start einer Uhr eingezählt, auf das Sendungsende hingewiesen, ein Spielwechsel kommuniziert, das Ende eines festgesetzten Zeitraumes moderiert.

Bedeutet eine Einblendung wie „Letzte Chance“, dass es sich um die „Letzte Chance“ anzurufen handelt?

Das ergibt sich aus dem jeweiligen Spielzusammenhang. Es kann sich z.B. um den letzten Anrufer für das jeweilige Spiel handeln, aber auch um die letzte Chance für diese Gewinnsumme, Spielmodi ect.pp.

Können Sie sich erklären, warum Ihre Moderatorinnen und Moderatoren immer wieder zu glauben scheinen, die Sendung sei deutlich vor der angegebenen Sendezeit zuende?

Dies konnten wir so noch nicht feststellen.

Informiert Callactive im Hot-Button- oder Leitungs-Modus den Zuschauer von Beginn des Spiels an darüber, in welchem Zeitrahmen eine Durchstellung vorgesehen ist?

Da wir die Gewinnspielregeln der Landesmedienanstalten befolgen, wird auch dieser Punkt von uns erfüllt. Grundsätzlich werden in unseren Sendungen immer mehrere Zuschauer durchgestellt, es gibt in der Regel mindestens einen Gewinner pro Sendung und es gibt keine Spiele, die länger als 3 Stunden dauern.

Stellt Callactive sofort, wenn ein Zuschauer auflegt, der durchgestellt wurde, einen weitern Zuschauer durch?

Auch hier halten wir uns an die Gewinnspielregeln. Hier sind wir natürlich davon abhängig, dass entsprechend ein neuer Anrufer zur Verfügung steht. Sollte in dieser Zeit niemand in der Leitung sein, erfordert dies entsprechend eine Weile.

Inwiefern erhöhen mehrere „geöffnete Leitungen“ die Chance, in die Sendung durchgestellt zu werden? Ich verstehe das Prinzip des Hot Buttons so, dass ein Redakteur zu einem bestimmten Zeitpunkt jemanden, der gerade in der Leitung ist, zufällig auswählt. Die Zahl der durchgestellten Anrufer erhöht sich also nicht durch mehr Leitungen. Sehe ich das falsch?

Natürlich kann auch bei einem Leitungsspiel Modus immer nur ein Zuschauer durchgestellt werden und gewinnen.

Zum allgemeinen Verständnis die auch in unseren Mitmachregeln veröffentlichten Spielregeln des Leitungs-Hot-Button:

Spielmodus „Leitungs-Hot-Button“

Wie im Anrufbeantworter-Modus geht es in diesem Modus darum, die bzw. eine der durch Bildschirmeinblendungen kommunizierte(n) oder von den Moderatoren genannte(n) Gewinnleitung(en) zu erreichen. Im Unterschied zum Anrufbeantworter-Modus ist es allerdings erforderlich, die Leitung genau zu dem Zeitpunkt zu treffen, in dem die jeweilige Gewinnleitung aktiviert wurde. Der erfolgreiche Anrufer wird auch in diesem Fall direkt und unmittelbar in die Sendung gestellt und erhält die Chance auf einen Gewinn.

Für alle Fälle gilt: Anrufer, die nicht zu den ausgewählten Teilnehmern gehören, erhalten eine entsprechende Ansage. Sollte der Anrufer ein Besetzt-Zeichen hören, was in sehr seltenen Fällen vorkommen kann, findet eine Tarifierung des Anrufs nicht statt.

Zuletzt, falls Sie solche Zahlen herausgeben oder wenigstens die Größenordnungen nennen: Wieviel Umsatz macht Callactive mit den Sendungen auf den MTV-Sendern? Wieviele Gewinne schütten Sie an die Zuschauer aus?

Grundsätzlich machen wir keine Angaben zu segmentbezogenen Umsätzen mit unseren Auftraggebern, gerne nennen wir aber unsere Gewinnsummen.

Beispielhaft haben wir den Monat Februar 2007 herangezogen. Callactive hat im Format Money Express pro Stunde durchschnittlich € 2.480 ausgespielt. Zum Vergleich, nach unseren Erhebungen, waren dies bei Call TV Marktführer 9Live € 2.630 pro Stunde
(Berechnung: Gewinnsummen der jeweiligen Sender/Formate durch die Anzahl der Call TV Gesamtstunden).

Alle Blog-Einträge zum Thema Call-TV.

Die deutschen Anrufsender und das Gesetz

In Großbritannien und den Niederlanden wird aus unterschiedlichen Gründen gegen die Veranstalter von kostenpflichtigen Gewinnspielen und Abstimmungen im Fernsehen vorgegangen. In Großbritannien wegen Betrugs. In den Niederlanden, weil es sich möglicherweise um unerlaubtes Glücksspiel handelt.

Und in Deutschland? Müsste man gegen die Sendergruppen von ProSiebenSat.1 und MTV sowie das DSF eigentlich aus beiden Gründen vorgehen.

Betrug?

Sämtliche Veranstalter ignorieren die Empfehlungen der Landesmedienanstalten und informieren konsequent falsch über Spieldauer, Spielchancen, Spielmodus, Schwierigkeitsgrad, Lösungsweg und (im Fall von Viva/Nick/Comedy Central) sogar die Gewinnsumme. Vor allem in den Sendungen, die von der Firma Callactive für die MTV-Sender produziert werden, wird aber noch mit ganz anderen Tricks gearbeitet.

Ein Beispiel: Die Sendung „Quiz Zone“ ist täglich am späteren Abend mehrere Stunden lang auf dem Kindersender (!) Nick zu sehen. Sie läuft fast jeden Tag nach dem gleichen Schema ab. Am Anfang werden ein paar kleine Gewinne ausgespielt. Dann beginnt ein Spiel, in dem es scheinbar viel Geld zu gewinnen gibt (zum Beispiel „50 Geldpakete“ oder mehrere tausend Euro). In diesem Spiel gibt es in aller Regel bis eine Minute vor Ende der Sendung keinen Gewinner. Es werden Leitungen geöffnet und geschlossen, Countdowns gezählt, falsche Endzeiten der Sendung angegeben, die Gewinnsummen vervielfacht und wieder reduziert, Spiele ungelöst abgebrochen, aber einen Gewinner gibt es bis unmittelbar vor Ende der Sendung nicht. Und das, obwohl in der „Quiz Zone“ auch vorher immer wieder angebliche Anrufer ins Studio gestellt werden. Diese angeblichen Anrufer geben aber entweder falsche Antworten, brabbeln unverständliches Zeug oder legen einfach wieder auf.

Dieser Spielablauf ist im Prinzip jeden Abend gleich. Wenn deutlich vor Ende der Sendung bei hohem Gewinnversprechen jemand ins Studio gestellt wird, kann man sicher sein, dass er die Antwort nicht weiß. Ein Gewinner wird erst unmittelbar vor Ende der Sendung, dann meist bei deutlich reduzierter Gewinnsumme, durchgestellt.

Man kann sich in den entsprechenden Foren von call-in-tv.de Dutzende von protokollierten „Quiz Zone“-Sendungsverläufen durchlesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Sendungsverläufe zufällig ergeben, liegt ungefähr bei null. Die einzig plausible Erklärung für die Art, wie die Sendung „Quiz Zone“ Abend für Abend verläuft, ist die, dass die frühen Falschanrufer und Aufleger keine echten Anrufer sind, sondern von Callactive gefaked werden, um dem Zuschauer vorzutäuschen, er habe eine Chance, schon vor Ende der Sendung durchzukommen.

Um es deutlich zu sagen: Ich kann nicht beweisen, dass Mitarbeiter der Firma selbst bei „Quiz Zone“ anrufen und gezielt durchgestellt werden, um falsche Antworten zu geben, und die Zuschauer so — zusätzlich zu der Vielzahl von falschen oder irreführenden Einblendungen und Moderatoren-Aussagen — betrogen werden. Ich habe keine Aussage von einem Aussteiger aus der Szene und auch kein internes Callactive-Papier vorliegen. Ich habe nur die bloße Anschauung als Indiz, aber das ist sehr überzeugend. Sagen wir so: Wenn ein Poker-Spieler jeden Abend den gleichen „Royal Flush“ hinblättert, nehme ich bis zum Beweis des Gegenteils an, dass seine Karten gezinkt sind.

(Callactive ist übrigens eine Tochter von „Wer wird Millionär“-Produzent Endemol. Eine andere Tochter von Endemol ist maßgeblich in den britischen Betrugsskandal verwickelt. Die Welt ist klein.)

Verbotenes Glücksspiel?

Nach Paragraph 284 StGB wird bestraft, wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet. Erlaubt sind dagegen zum einen Geschicklichkeitsspiele, bei denen die Teilnehmer bestimmte Fähigkeiten oder Kenntnisse unter Beweis stellen müssen, um zu gewinnen, und zum anderen Preisausschreiben oder Gewinnspiele, bei denen Teilnehmer keinen erheblichen Einsatz erbringen müssen.

Geht es bei den 9Live-Spielen um Wissen, Fähigkeiten oder Geschick? Teilweise ja — wenn die Aufgabe etwa lautet, sieben Tiere zu nennen, deren dritter Buchstabe ein „U“ ist. (Wobei die eigentliche Aufgabe häufig darin besteht, die überhaupt geltenden Regeln zu erraten, was wiederum nichts mit Geschick zu tun hat.) Der Bundesgerichtshof urteilte allerdings:

Ein Glücksspiel liegt auch dann vor, wenn der Spielerfolg nicht allein vom Zufall abhängt, dem Zufallselement aber ein Übergewicht zukommt.

Bei den Telefon-Gewinnspielen von 9live und anderen entscheidet der Zufall darüber, ob man überhaupt ins Studio durchgestellt und am eigentlichen Gewinnspiel teilnehmen darf. Experten wie die Rechtsanwälte Manfred Hecker und Markus Ruttig folgern daraus, dass solche Spiele in jedem Fall als Glücksspiele einzuordnen seien — selbst wenn das „nachgelagerte Spiel“ tatsächlich eine besonderes Geschick erfordert.

Bleibt die Frage, ob der Einsatz, den der Spieler zur Teilnahme leisten muss, „erheblich“ ist. Es ist kein Zufall, dass ein Anruf bei den Abzocksendern meist 50 Cent kostet. Das entspricht ungefähr den Kosten einer Postkarte und gilt damit nach der üblichen Rechtsprechung als „unerheblich“. Durch die Einführung einer solchen „Geringfügigkeitsgrenze“ haben die Gerichte vor Jahrzehnten verhindert, dass durch das Verbot des Glücksspiels gleichzeitig auch Kreuzworträtsel oder Preisausschreiben verboten wurden. An die Wiederholtaste beim Telefon, die interaktiven Medien, das erheblich höhere Suchtpotential eines Live-Anruf-Quiz und die Möglichkeit, dass der Veranstalter an den erheblichen Einnahmen aus den Telefongebühren beteiligt werden könnte, hatte zu der Zeit, aus der diese Rechtsprechung stammt, noch niemand gedacht.

Ist der Einsatz bei 9Live & Co. also „erheblich“? Wenn man den einzelnen Anruf zu 50 Cent betrachtet: natürlich nicht. Andererseits ist die gesamte Sendekonzeption offensichtlich auf eine wiederholte Teilnahme und dadurch de-facto eine Erhöhung des Einsatzes angelegt. Rechtsanwalt Hecker meint deshalb, man müsse den Gesamteinsatz eines Teilnehmers für ein Spiel berücksichtigen. Dann wäre der Einsatz alles andere als „geringwertig“. (Zum Beispiel wurde eine Rentnerin 2005 zur Zahlung von 23.087,10 Euro verurteilt, weil sie in 44 Tagen insgesamt 47.024 mal bei 9Live angerufen hat, ähnliche Fälle sind immer wieder in 9Live-Sendungen zu hören.)

Würde man immer nur den Einzeleinsatz betrachten, müsste es konsequenterweise auch zulässig sein, so Hecker, „ohne Erlaubnis in der Öffentlichkeit einen Rouletttisch aufzustellen, an dem nur mit Jetons zu 50 Cent gespielt werden kann und jeder Mitspieler bei jedem einzelnen Lauf nur einen Jeton legen darf.“

Die meisten Gerichte haben sich dieser realistischen Bewertung der Höhe des Einsatzes jedoch noch nicht angeschlossen. Immerhin hat aber sogar das Oberlandesgericht München in seinem Urteil, in dem es die 9Live-Spiele für grundsätzlich zulässig erklärte, einschränkend hinzugefügt:

3. Eine Wettbewerbswidrigkeit ist nur dort gegeben, wo ein Moderator vortäuscht, dass keine Teilnehmer anrufen würden, obwohl dies nicht zutrefft, um Personen zur Teilnahme zu bewegen. (…)

5. Die Unerheblichkeit [des Einsatzes] kann (…) dann überschritten werden, wenn der Teilnehmer zu mehrmaligen Anrufen aufgefordert und motiviert wird.

Komisch. Wann immer ich eine Sendung von 9Live oder Callactive einschalte, muss ich nicht lange warten, bis der Moderator vortäuscht, dass keine Teilnehmer anrufen würden, oder die Zuschauer motiviert, mehrmals anzurufen.

Betrugsalltag auf Nick

Auch ein sympathische Idee: sogar auf dem Kindersender Nick die Abzock-Spiele nach 9Live-Art veranstalten. „Quizzone“ läuft seit November täglich ab 22 Uhr in dem zur MTV-Familie gehörenden Kinderprogramm und wird von Callactive produziert, einer Tochter von Endemol („Wer wird Millionär?“, „Big Brother“).

Die Zuschauer werden mit den gleichen Tricks über Gewinnchancen und Spielabläufe getäuscht wie bei 9Live, allerdings mit einem perfiden Bonustrick — achten Sie auf die eingeblendete Gewinnsumme unten links! So wie hier (Sendung vom 24. Januar 2007) läuft das im Prinzip jeden Abend ab.

Seit ungefähr 23 Uhr wird ein Wort gesucht. Ein Anrufer wird durchgestellt und sagt „Blasmusik“. (Das geschieht „zufällig“ fast immer: Dass früh jemand durchkommt und die falsche Antwort sagt.)

23.18 Uhr. Inzwischen ist die Gewinnsumme von anfangs zehn „Geldpaketen“ auf 3000 Euro erhöht worden.

23.24 Uhr. Nick erhöht auf den „vierfachen Gewinn“ und „15 geöffnete Leitungen“. Dann wird jemand scheinbar durchgestellt, der sofort auflegt. Auch das gehört zum Repertoire.

23.28 Uhr. „Wir müssen jetzt definitiv jemanden bis 23.30 Uhr in die Leitung reinbekommen.“

23.35 Uhr. Einblendung: „Um 23.37 Uhr werden die Leitungen geschlossen.“

23.37 Uhr. Die Moderatorin sagt, dies sei die letzte Gelegenheit, anzurufen. Sie tut, als verhandele sie mit der Regie, das Spiel noch nicht zu beenden. Sie behauptet, die Regie wolle das „Leitungsspiel“ durch den „Hot-Button“ ersetzen und erklärt den Unterschied so: „Den Hot Button kann man zwingen zuzuschlagen. Beim Leitungsspiel, da entscheiden Sie ja, wann das Telefon klingelt, und Sie kann ich ja nicht zwingen anzurufen. Allerdings kann der Hot Button nicht um 4000 Euro spielen.“ Von allen Lügen des Abends die Frechste: Sowohl beim „Leitungsspiel“ als auch mit „Hot Button“ entscheidet der Regisseur über den Zeitpunkt, zu dem ein Anrufer durchgestellt wird. Und warum kann der „Hot Button“ nicht um 4000 Euro spielen? Wir werden es sehen.

23.39 Uhr. Die Leitungen werden wieder geöffnet. „Neue Leitungen“. Jemand ruft angeblich an und sagt „Laubbaum“.

23.48 Uhr.

23.50 Uhr.

23.56 Uhr. Sie strickt noch ein bisschen an Ihrer Hot-Button-Lüge: „Wenn es jetzt zulange dauert, und keiner durchkommt, es keiner selber schafft, wird der ‚Hot Button‘ suchen, und dann gibt es weniger Geld. Wenn wir den Hot Button einsetzten, da wird dann alles schlechter. Beim Hot-Button-Spiel gibt es nur eine entscheidende Sekunde, die Sie zum Gewinner macht. Sie müssen die eine Sekunde erraten, die Sie zum Gewinner macht. Hier, in diesem Spielmodus haben Sie 15 Möglichkeiten, selbst das Klingeln auszulösen, und Sie entscheiden auch noch selbst, wann sie eine Nummer erreichen wollen.“ Da ist man bei jedem Hütchenspiel-Betrüger in der Fußgängerzone besser dran. Der behauptet wenigstens nicht, man könne selbst bestimmen, unter welchem Hütchen die Kugel liegt.

0.04 Uhr. Wie fast immer hat Nick erst Sekunden vor Ende der Sendung einen Gewinner durchgestellt. Wie fast immer gewinnt der nicht den fast die ganze Sendung lang als „sicher“ versprochenen hohen Betrag, sondern einen viel kleineren, in diesem Fall die Hälfte.

Dann geht das Kinderprogramm weiter.