Schlagwort: Call-TV

Nachruf aufs Abzockfernsehen verfrüht

Die Sache ist nicht so aufregend wie sie scheint, oder genauer: wie sie die „Süddeutsche“ scheinen lassen will. Die Zeitung hatte am Wochenende in einem Artikel den Eindruck erweckt, dass das Geschäft mit teuren Gewinnspielen im Fernsehen, wie es 9Live, das DSF und andere betreiben, schon sehr bald von den Landesmedienanstalten „drastisch“ eingeschränkt werde.

Aber die meisten Auflagen, die Klaus Ott in seinem Artikel beschreibt, gelten für die Call-TV-Anbieter heute schon. Und ihre konkrete Umwandlung in eine Satzung, die die Grundlage bildet, um Verstöße auch mit Bußgeldern ahnden zu können, ist noch nicht halb so weit, wie er suggeriert.

„Die Landesmedienanstalten, die das Privatfernsehen beaufsichtigen, haben eine zwölfseitige Satzung für Gewinnspiele ausgearbeitet, die strenge Vorschriften enthält“, schreibt die SZ. Die nordrhein-westfälische Landesmedienanstalt LfM erklärt dagegen, weder gebe es bislang eine Satzung, noch einen Entwurf. Und den Vorentwurf, auf den sich die SZ beziehe, würden noch nicht einmal alle Landesmedienanstalten kennen.

Die SZ schreibt, in Zukunft dürfe ein Anruf bei einer Call-TV-Sendung nicht mehr als 50 Cent kosten; Anreize zum wiederholten Mitspielen und das Aufbauen nicht vorhandenen Zeitdrucks seien unzulässig. Offenbar ist der SZ nicht bewusst, dass all das längst gilt [pdf] und nur nicht mit Bußgeldern gehandet werden kann, weil ein entsprechender Passus im Rundfunkstaatsvertrag fehlt. Das holt der zehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag [pdf] nach, der am 1. September 2008 in Kraft tritt.

In der neuen Fassung des Staatsvertrags, der bereits im vergangenen Jahr von den Ländern ratifiziert wurde, gibt es einen § 8 a, in dem es heißt:

Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele sind zulässig. Sie unterliegen dem Gebot der Transparenz und des Teilnehmerschutzes. Sie dürfen nicht irreführen und den Interessen der Teilnehmer nicht schaden. Insbesondere ist im Programm über die Kosten der Teilnahme, die Teilnahmeberechtigung, die Spielgestaltung sowie über die Auflösung der gestellten Aufgabe zu informieren. Die Belange des Jugendschutzes sind zu wahren. Für die Teilnahme darf nur ein Entgelt bis zu 0,50 Euro verlangt werden (…).

Eine Satzung soll diese allgemeinen Vorgaben um konkrete Richtlinien und Vorgaben ergänzen, was genau als Ordnungswidrigkeit gilt. Doch wie der Text lauten werde, steht noch längst nicht fest — mit Sicherheit anders als der jetzige Vorentwurf, sagt Peter Widlok, Sprecher der LfM, der „substanziellere“ Änderungen gegenüber den heute geltenden Gewinnspielregeln erwartet.

Unklar ist auch, ob diese Satzung überhaupt rechtzeitig zum Inkrafttreten des neuen Rundfunkstaatsvertrages fertig wird; das ist sogar eher unwahrscheinlich. Zu dem aufwändigen Abstimmungsverfahren gehört nämlich nicht nur, dass die Gremien jeder einzelnen der 14 Landesmedienanstalten der Satzung zustimmen müssen; auch die öffentlich-rechtlichen und privaten Sender müssen vorher angehört werden. Bislang gibt es nach den Worten Widloks noch nicht einmal einen Termin für diese Anhörungen.

Es ist noch ein weiter Weg, bis die Anrufsender in Deutschland tatsächlich dazu gezwungen werden, ihre Spiele fair und transparent zu veranstalten. Wenn überhaupt.

MTV-Kritiker leben gefährlich

Das Unternehmen MTV sieht keine Notwendigkeit, die Kritiker seiner Sendungen davor zu schützen, von seinen Geschäftspartnern eventuell mundtot gemacht zu werden. Auf eine Anfrage, ob MTV das radikale Vorgehen der Firma Callactive gegen ein kritisches Forum billige, erklärte eine Sprecherin, sie könne „Handlungen unserer Dienstleister, die über die zwischen uns vereinbarte Produktion eines Format hinausgehen, nicht kommentieren“.

Die Firma Callactive hat (wie berichtet) vorletzte Woche die Domain call-in-tv.de unter merkwürdigen Umständen übernommen und nutzt sie nun, um anstelle des kritischen Forums für ihre im Auftrag von MTV produzierte Anrufsendung „Money Express“ zu werben, die nachts auf Viva, Comedy Central und dem Kindersender Nick läuft. Frank Metzing, der Anwalt des Forumbetreibers Marc Doehler, hält es für sehr wahrscheinlich, dass Callactive als nächstes versuchen wird, Doehler auch die Ersatzadresse call-in-tv.net und überhaupt den Namens „Call-in-TV“ streitig zu machen. Bereits am 19. Februar 2008 hat die Firma Callactive den Namen „Call-in-TV“, den das Forum seit über zwei Jahren nutzt, als eigene Marke registrieren lassen. Das Logo (rechts oben), das sich die Firma hat schützen lassen, wirkt nicht so, als hätte jemand viel Zeit, Geld oder Mühe investiert. Es verwendet auch ähnliche Farben wie das „Call-in-TV“-Logo der Kritiker (rechts unten).

Metzing schätzt die Chancen von Callactive, aufgrund der neu eingetragenen Marke erfolgreich gegen das Forum vorzugehen, allerdings als gering ein. Der Begriff „Call-in-TV“ bezeichne eine ganze Gattung von Fernsehprogrammen — und sei als Wortmarke daher zu allgemein. Deshalb habe die Firma markenrechtlichen Schutz beim Patent- und Markenamt überhaupt nur über den „Umweg“ erreicht, eine Wort-/Bildmarke registrieren zu lassen. Die Nutzung des Begriffes „Call-in-TV“ im Internet könne man nach der bisherigen Rechtsprechung jedenfalls auf diese Weise nicht verbieten lassen. Metzing geht aber davon aus, dass Callactive es dennoch versuchen werde.

Im Februar hatte die Produktionsfirma in einer Pressemitteilung erklärt, die Unterstellung, „Callactive wolle das Forum durch übertriebene Zahlungsforderungen zerstören“, sei unrichtig. Das Vorgehen der vergangenen Wochen lässt allerdings wenig andere Interpretationen zu, als die, dass Callactive das Forum zerstören will — wenn nicht durch übertriebene Zahlungsforderungen, dann womöglich anders.

Mayerbacher sagte gegenüber der Internetseite „TV Matrix“, sein Unternehmen habe die Domain call-in-tv.de „nicht gepfändet, sondern im Rahmen einer Vereinbarung mit dem Domaininhaber […] eine Übertragung auf uns erreichen können“. Das ist nur die halbe Wahrheit. Denn Callactive hatte zuvor sehr wohl einen gerichtlichen Pfändungsbeschluss gegen Doehler erwirkt: Der Wert der Domain wurde in dem Pfändungsantrag auf 2000 Euro geschätzt. Doehler kam der drohenden Einziehung jedoch zuvor, indem er die Domain auf einen anderen Inhaber übertragen ließ. Richtig ist, dass Callactive die Adresse von diesem dann nicht pfändete; das Unternehmen soll es aber nach Darstellung Doehlers geschafft zu haben, den neuen Besitzer durch massiven Druck zur Übertragung der Adresse zu bewegen. Der zwischenzeitliche Domaininhaber selbst sagt, er dürfe sich zu den Vorgängen nicht äußern.

Das ist der Stand der Dinge. Und bei MTV Networks wollte man nicht einmal meine Frage „Gehört es zu den Geschäftspraktiken des Unternehmens MTV, Kritiker seiner Sendungen mundtot zu machen oder machen zu lassen?“ mit „Nein“ beantworten.

Eine ausführliche Darstellung der Vorgänge der vergangenen Wochen aus Doehlers Sicht auf gulli.com

[Disclosure: Callactive führt auch gegen mich mehrere Rechtsstreite.]

Feindliche Übernahme von call-in-tv.de

Es scheint auf den ersten Blick der ultimative Triumph für die Firma Callactive: Ihr gehört nun die Domain call-in-tv.de.

Unter dieser Adresse hatten kritische Zuschauer seit mehreren Jahren akribisch die zahlreichen Unregelmäßigkeiten und Auffälligkeiten in den teuren Telefon-„Gewinn“-Spielen protokolliert, die das Unternehmen unter anderem für mehrere MTV-Sender produziert („Money Express“). Die Beschwerde eines Mitglieds des Forums hatte sogar dazu geführt, dass die sonst in dieser Sache gerne untätige nordrhein-westfälische Landesmedienanstalt in der vergangenen Woche eine Callactive-Sendung formal beanstandete.

Callactive hatte bereits vorher damit gedroht, die Domain pfänden zu lassen. Die Firma hat aus verschiedenen Prozessen über Äußerungen im Forum noch offene Forderungen gegen Marc Doehler, den Betreiber des Forums.

Die genauen Umstände, unter denen die Domain nun ausgerechnet in den Besitz von Callactive gelangte, sind noch unklar. Doehler hatte sie vor kurzem an einen anderen Domaininhaber übertragen, auf dessen Server das Forum zuletzt auch lief. Doehler sagt, der jetzige Domaininhaber habe ihm heute mitgeteilt, dass er die Domain nun auf Callactive übertragen musste. Wer die Adresse aufruft, erhält zur Zeit nur eine Fehlermeldung.

Doehler sagt, er und sein Team wollten sich auch durch diesen erneuten Rückschlag nicht davon abbringen lassen, die umstrittenen und immer wieder durch Unregelmäßigkeiten auffallenden Anrufsendungen zu beobachten.

Das Forum ist ab sofort unter der Adresse call-in-tv.net erreichbar.

[Disclosure: Die Firma Callactive führt auch gegen mich mehrere Rechtsstreite.]

Medienanstalt entdeckt Call-TV-Sendung

Die Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen hat festgestellt, dass die von der Firma Callactive für MTV produzierte Anrufshow „Money Express“ am 29. November 2007 unzulässigerweise einen nicht vorhandenen Zeitdruck aufgebaut und Anrufer so in die Irre geführt habe. Sie hat die Sendung „formell beanstandet“.

Die einzige konkrete Konsequenz für den Sender und seinen Produzenten ist diese:

Callactive-Geschäftsführer Stephan Mayerbacher hat gegenüber dem Medienmagazin DWDL angekündigt, rechtliche Schritte gegen die Entscheidung prüfen zu lassen — „auch, um von der Medienaufsicht eine klare Definition zu erhalten, was denn genau ein ’nicht vorhandener Zeitdruck‘ ist“.

Recht hat er.

In der beanstandeten Sendung, die bis 3.04 Uhr ging, wurde laut (gewöhnlich zuverlässigem) Protokoll von call-in-tv.de erstmals für 1.05 Uhr angekündigt, die Telefonleitungen zu schließen. Dasselbe geschah bis zum Ende der Sendung noch ungefähr ein halbes Dutzend Mal. Bereits um kurz vor 2 Uhr wurde ein erster sogenannter „FINAL COUNTDOWN“ heruntergezählt. Je ein weiterer „FINAL COUNTDOWN“ folgte um 2.26 Uhr und 2.57 Uhr. Hinzu kamen mutmaßlich Dutzende folgenlose Countdowns, die nicht ausdrücklich als „final“ angekündigt wurden. Um 2.40 Uhr wurde „LETZTE CHANCE“ eingeblendet, um 2.50 Uhr ein weiteres Mal.

Mayerbacher fragt zu Recht: Was ist „nicht vorhandener Zeitdruck“? Die Täuschung durch „final Countdowns“, die weder final sind noch zu irgendeinem Ereignis herunterzählen, die falschen Ankündigungen von „letzten Chancen“ oder die fast ununterbrochenen falschen Aussagen der Moderatoren über den Spielablauf können es nicht sein. Denn damit führt „Money Express“ seine Zuschauer fast jeden Abend in die Irre.

Ich hoffe, Mayerbacher klagt wirklich. Entweder er verliert. Oder die Gewinnspielregeln und ihre Auslegung durch die Landesmedienanstalten werden als die Farce entlarvt, die sie sind. Für die Allgemeinheit wäre es in jedem Fall ein Gewinn.

(Tafelgag nach einer Idee von „Twipsy“.)

[Disclosure: Ich befinde mich in mehreren Rechtsstreiten mit der Firma Callactive.]

Sandra Ahrabian und das falsche Zebra (2)

Das Landgericht München I hat Sandra Ahrabian Recht gegeben. Es erließ bereits am Mittwoch eine einstweilige Verfügung gegen Marc Doehler.

Frau Ahrabian verdient Geld damit, Menschen in der Sendung „Money Express“ mit falschen Versprechungen zu teuren Anrufen zu animieren. Als in der Sendung vom 1. April 2008 die Buchstaben „BRAZE“ neben ihr eingeblendet waren (gesucht war das Wort „ZEBRA“), scherzte sie noch on air mit dem für Zuschauer nicht zu hörenden Redakteur darüber und sagte: „Da hast Du an mich gedacht dabei? Ach, Du bist heute aber wieder charming.“ Marc Doehler, der in seinem Forum zusammen mit anderen die vielen Unregelmäßigkeiten dieser und anderer Anrufsendungen protokolliert, veröffentlichte daraufhin einen Screenshot und schrieb darunter scherzhaft: „Da fehlt das ‚HOHL-‚“ (mehr zur Vorgeschichte hier und hier).

Doehler wird nicht gegen die einstweilige Verfügung vorgehen. Es fehlt ihm sowohl der Glaube an die Justiz, als auch das Geld. Allein diese Entscheidung dürfte ihn über 1500 Euro kosten.

[Disclosure: Die Firma Callactive geht in mehreren Fällen juristisch gegen mich vor.]

Darauf einen Barosso!

Als die Landesmedienanstalten im vergangenen Juni eine neue Fassung ihrer Richtlinien für Gewinnspiele im Fernsehen verabschiedeten, sollte das den Anschein erwecken, dass sie den Call-TV-Veranstaltern nun schärfer auf die Finger gucken. Von der Öffentlichkeit unbemerkt blieb, dass die neuen Regeln hinter früheren Entwürfen zurück blieben. Anscheinend haben die Sender bei ihren Verhandlungen mit den Landesmedienanstalten noch Korrekturen bei den (ohnehin nicht mit irgendwelchen Sanktionen verbundenen) Richtlinien durchgesetzt.

So hatten die gerne irreführend „Medienwächter“ genannten Behördenvertreter zunächt formuliert:

Spiele, bei denen Wörter gesucht werden, sind jedenfalls dann nicht erlaubt, wenn das gesuchte Wort oder dessen Schreibweise völlig ungebräuchlich ist. Zur Bewertung ziehen die Landesmedienanstalten z.B. gängige – d.h. nicht nur in Fachkreisen gebräuchliche – Nachschlagewerke oder allgemein erhältliche Publikationen heran.

Beschlossen wurde aber stattdessen diese Variante:

Im Rahmen von Wortfindungsspielen dürfen nur Begriffe verwendet werden, die enthalten sind – als Print oder CD-ROM Ausgabe – in:
– allgemein zugänglichen, mehrbändigen Nachschlagewerken (z. B. Duden, Brockhaus)
und/oder
– allgemein zugänglicher, einschlägiger Fachliteratur.

Das ist nicht nur sprachlich eine Rückschritt, sondern vor allem inhaltlich — wie die (abgelehnte) Programmbeschwerde eines Zuschauers zeigt:

In der Sendung „Money Express“, die täglich auf mehreren MTV-Sendern läuft, wurden in der Nacht vom 26. auf den 27. Februar 2008 sieben Automarken mit „A“ gesucht. Nachdem Honda und Seat gefunden waren, taten sich die Zuschauer erstaunlich schwer. Moderator Stefan Pollak musste nach rund drei Stunden Spieldauer die restlichen fünf gesuchten Marken schließlich selbst verraten. Es handelte sich um Barré, Barosso, Germain, Darmont und Georges Irat.

Der Zuschauer beschwerte sich, dass es unmöglich gewesen sei, auf einige dieser Lösungen zu kommen, und erhielt von der zuständigen nordrhein-westfälischen Landesmedienanstalt LfM folgende Antwort:

(…) Informationen über diese Automarken, insbesondere hinsichtlich der Automarke BAROSSO, waren jedoch nur schwer zu recherchieren.

In ihrer diesbezüglichen Stellungnahme teilt die MTV Networks Germany GmbH mit, dass die beanstandeten Automarken GERMAIN, BAROSSO und BARRÈ in folgendem Nachschlagewerk zu finden sind:

(EDA) Enzyklopädie des Automobils. Marken, Modelle, Technik. Hrsg: Instituto Geografico de Agostini S.p.A, Novara. Übers.: Anne Faust, Doris Gottwaldm u.a., Augsburg 1989, 480 S.

In diesem Nachschlagewerk finden sich die einzelnen Automarken wie folgt:

BAROSSO: S. 55 (Novara, Italien, 1923-1924)
BARRÈ: S. 55 (Niort-Deux Sevéres, Frankreich, 1900-1930)
GERMAIN: S. 192 (Monceau-sur-Sambre, Belgien, 1897-1914)

Die MTV Networks Germany GmbH konnte somit für alle Automarken, insbesondere auch für die Automarke BAROSSO, den Nachweis erbringen, dass diese tatsächlich — wenn auch teilweise nur für einen sehr kurzen Zeitraum — produziert wurden. Den Anforderungen der Nr. 3.3.3 (Gestaltung der Spielaufgaben) der GewinnSpielReg wurde entsprochen.

Es gebe somit keinen Anlass für die LfM, gegen MTV vorzugehen — „wenngleich nachvollziehbar bleibt, dass die Antwort ausschließlich einem Kreis speziell Interessierter bekannt sein dürfte“.

Ich weiß nicht, ob das Buch „Enzyklopädie des Automobils“ eine Art Standardwerk ist (für Automobil-Kenner, meine ich, für Worträtselbestücker ist es das sicher). Im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek ist es verzeichnet, aber nicht einmal die Berliner Staatsbibliothek führt es. Zu bestellen ist es offenbar nur noch über Antiquariate.

Letztlich ist das aber auch egal. Denn die Formulierung in den Gewinnspielregeln, dass die „einschlägige Fachliteratur“ „allgemein zugänglich“ sein muss, kann alles und nichts bedeuten und wurde konsequenterweise als Kriterium von der LfM in der Antwort auf die Zuschauerbeschwerde offenbar nicht einmal gewürdigt.

Die öffentlichkeitswirksam eingefügte neue Regel erweckt also den Eindruck größerer Transparenz, ist für den tatsächlichen Ablauf, die Gestaltung und die Fairness des Spiels aber folgenlos. Ich würde unterstellen, dass das kein Versehen ist.

[Disclosure: „Money Express“ wird für MTV von der Firma Callactive produziert, die in mehreren Fällen juristisch gegen mich vorgeht.]

Der Weihnachtsskandal von 9Live

Folgendes trug sich am 2. Weihnachtstag im Programm von 9Live zu:


Link: sevenload.com

Das wirft doch Fragen auf, und ein paar davon habe ich Sylke Zeidler, der Unternehmenssprecherin von 9Live gestellt:

  • Ist es richtig, dass 9Live am Nachmittag und Abend dieses Tages über 13 Stunden lang keinen einzigen Anrufer ins Programm durchgestellt hat?
  • Wenn ja: Warum war das so?
  • Plant 9Live weitere Sendungen dieser Art?
  • Gibt es Überlegungen, nur noch alle paar Tage einen Anrufer ins Programm durchzustellen? Oder einfach gar keine Anrufer durchzustellen? Wäre das nicht konsequent?
  • Warum haben die verschiedenen Moderatoren immer wieder falsche Angaben über das Ende der Sendung und des Rätsels gemacht?
  • Inwiefern sind diese falschen Angaben in Verbindung mit diversen Countdowns, darunter auch einem „Finalen Countdown“, vereinbar mit den Gewinnspielregeln der Landesmedienanstalten? [pdf]
  • Zu den „9Live-Qualitäten“ gehört nach Angaben von 9Live, „dass die Zuschauer über die maximale Spieldauer informiert werden“. Gelten diese „Qualitäten“ nur an bestimmten Wochentagen? Oder warum hat 9Live die Zuschauer nicht über die tatsächliche maximale Spieldauer informiert?
  • Inwiefern hat die Sendung dem Wunsch des Zuschauers in Hinblick auf Orientierung sowie Transparenz in besonderer Weise Rechnung getragen?

Frau Zeidler war so nett zu antworten, und der Fairness halber möchte ich die Stellungnahme von 9Live ungekürzt veröffentlichen:

9Live stellt durch einen technischen Mechanismus sicher, dass zu jedem Zeitpunkt in jeder Sendung für die anrufenden Zuschauer eine Gewinnchance besteht. Dieses technische System ist einzigartig im deutschen Call-TV Markt. Darüber hinaus garantieren wir fortlaufend Zusatzgewinne außerhalb des Liveprogramms, die direkt über unser Service-Center abgewickelt werden. So hat 9Live an dem von Ihnen angefragten 26. Dezember 2007 insgesamt 788 Anrufer zu Geldgewinnern gemacht, davon 41 on Air und 747 off Air. Im Übrigen zählte 9Live allein im Dezember vorigen Jahres insgesamt 48.894 Gewinner, davon 2.673 on Air-Gewinner.

Weil ich ahnte, dass die Antwort von 9Live in manchem Wortsinne erschöpfend sein könnte, hatte ich auch der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) geschrieben, die theoretisch für die Aufsicht über das Programm von 9Live zuständig wäre, und sie unter Hinweis auf das Video oben gefragt:

  • Ist der BLM dieser Fall bekannt?
  • Ist die BLM in diesem Fall bereits tätig geworden?
  • Ist dieses Vorgehen vereinbar mit den Gewinnspielregeln der Landesmedienanstalten?
  • Angenommen, 9Live würde ab sofort überhaupt keinen Anrufer mehr ins Studio durchstellen: Wann, schätzen Sie, würde die BLM das bemerken?
  • Und was würde sie dann tun?
  • Täuscht mein Eindruck, dass die zweifelhaften Praktiken von 9Live für die BLM eine extrem niedrige Priorität haben?
  • Warum ist das so?
  • Würden Sie sagen, dass es eine Medienaufsicht in Deutschland gibt, die das Programm von 9Live kontrolliert?

Eine Antwort habe ich noch nicht bekommen, was daran liegen kann, dass der zuständige Pressereferent gerade im Urlaub ist — oder natürlich, zugegeben, am Tonfall meiner Anfrage.

MTV verteidigt Vorgehen von Callactive

Ich habe für die heutige Ausgabe der „FAZ“ einen Artikel geschrieben über die Anrufsender im Allgemeinen und das Vorgehen von Callactive gegen call-in-tv.de im Besonderen, und in diesem Zusammenhang auch bei MTV nachgefragt. Die Sendung „Money Express“, die auf Viva, Comedy Central und dem Kindersender Nick läuft, die alle zur MTV-Gruppe gehören, enthalten auch im Vergleich zur Konkurrenz besonders viele Ungereimtheiten; ihr Produzent Callactive, eine Tochter von Endemol, geht besonders aggressiv gegen Kritiker vor.

Warum lässt MTV eine Anrufsendung produzieren, die sich nicht an die Gewinnspielregeln der Landesmedienanstalten [pdf] hält? In „Money Express“ wird zum Beispiel fast täglich lange vor Ende der Sendung ein „Final Countdown“ ausgerufen und dadurch unzulässiger Zeitdruck aufgebaut. Es gibt viele weitere Verstöße.

MTV: ‚Money Express‘ verstößt nicht gegen die Gewinnspielregeln der Landesmedienanstalten. Countdowns sind als Spannungselement nicht pauschal unzulässig. Sie werden in ‚Money Express‘ nur im Rahmen der Regeln eingesetzt. Es gab seit eineinhalb Jahren keine Beanstandungen der von uns ausgestrahlten Formate durch die zuständigen Landesmedienanstalten.1

Ist MTV an der Einhaltung der Gewinnspielregeln interessiert?

Selbstverständlich. Wir haben gemeinsam mit Callactive die Neufassung und Verschärfung dieser Regeln befürwortet.

Überprüft MTV die Einhaltung der Regeln?

Natürlich überprüfen wir, dass alle unsere Programme entsprechend geltenden Regeln produziert werden. Wir stehen in engem Kontakt mit Callactive und überzeugen uns regelmäßig von den Produktionsbedingungen. Callactive legt diese uns und den Landesmedienanstalten gegenüber transparent dar. Callactive lässt die Rechtmäßigkeit aller Produktionsschritte durch unabhängige Wirtschaftsprüfungsunternehmen prüfen. Wir erhalten jederzeit Einblick in die Abläufe der Produktion und werden kontinuierlich über den Status Quo informiert. Außerdem ist mehrmals im Monat ein Notar im Studio, der die Abläufe beobachtet und protokolliert. Die genauen Zeitpunkte dieser Notarbesuche sind den an der Produktion beteiligten Personen nicht bekannt.

Ist MTV bekannt, dass der Produzent, die Firma Callactive, dabei ist, den Betreiber eines Forums, das sich kritisch mit Call-TV-Sendungen beschäftigt, in den Ruin zu treiben und auch gegen anderen Kritiker (wie mich) massiv juristisch vorgeht?

Es ist nicht an uns, Callactives Wahl der Vorgehensweise zu bewerten, mit denen sie meinen, ihren Ruf am besten schützen zu müssen. Grundsätzlich steht es jedem Unternehmen zu, wahrheitswidrige und geschäftsschädigende Äußerungen gerichtlich überprüfen und untersagen zu lassen2.

Führt Callactive diese Rechtsstreits mit Zustimmung oder im Auftrag von MTV?

Nein, wir haben mit den rechtlichen Schritten der Firma Callactive nichts zu tun. Weder haben wir Callactive beauftragt noch wurden wir um unsere Zustimmung gefragt. Diese ist allerdings für das Vorgehen von Callactive auch nicht erforderlich.

Gegen die Durchführung der Sendung gibt es unbewiesene, aber massive Betrugsvorwürfe wegen immer wiederkehrender Unregelmäßigkeiten im Ablauf. Wie bewertet MTV diese Vorwürfe?

Wir halten diese Vorwürfe für unbegründet und weisen sie aufs Schärfste zurück. Die Sendung ‚Money Express‘ wird in rechtlich nicht zu beanstandender Weise produziert. Grundlage des Produktionsvertrags mit Callactive ist die Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften sowie der Gewinnspielregeln der Landesmedienanstalten. Wir überzeugen uns regelmäßig von der Einhaltung dieser Bedingungen, wobei Callactive die Produktionsbedingungen für uns und die Landesmedienanstalten transparent macht und sowohl durch notarielle Protokollierung als auch durch Prüfung der Produktionsschritte durch unabhängige Wirtschaftsprüfungsunternehmen die Rechtmäßigkeit der Produktionen darlegt.

Überprüft MTV die Abwicklung der Sendung „Money Express“ und kann dafür bürgen, dass es z.B. keine Fake-Anrufe gibt?

Wie oben bereits dargelegt, wird die Sendung regelmäßig überprüft. Außerdem stellt Callactive uns und den Landesmedienanstalten jederzeit Anruferdaten zur Verfügung3.

Anmerkungen von mir:

1) Die Einhaltung der Regeln wird von den Medienanstalten de facto nicht überprüft. Laut Gewinnspielregeln ist „der Aufbau von nicht vorhandenem Zeitdruck unzulässig“. „Money Express“ erweckt immer wieder durch einen „Final Countdown“ den Eindruck, die Sendung ende schon um 2 Uhr und nicht erst eine Stunde später. Laut Gewinnspielregeln muss sofort ein neuer Zuschauer durchgestellt werden, wenn im Hot-Button-Spiel ein Anrufer wortlos auflegt. In „Money Express“ geschieht dies nicht. Laut Gewinnspielregeln sind Spiele mit „angefressenen Buchstaben“ nicht erlaubt. Im „Money Express“ wurden sie noch im vergangenen Sommer gespielt. Laut Gewinnspielregeln müssen die Spiele transparent aufgelöst und der Lösungsweg erklärt werden. „Money Express“ tat dies z.B. bei den berüchtigten Fässerspielen nicht.

2) Die Callactive GmbH geht inzwischen nicht nur gegen angeblich wahrheitswidrige Äußerungen vor, sondern schon gegen die Verbreitung des Verdachts, es könne bei den von ihr produzierten Sendungen nicht mit rechten Dingen zugehen.

3) Nach Auskunft der zuständigen Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) sind die Daten, die sie erhält, aus Datenschutzgründen so anonymisiert, dass keine Rückschlüsse auf die Anschlussinhaber möglich sind. Sie stammten vom Telefondienstleister des Produzenten und stellten nur dar, ob alle Anrufer über diesen Dienstleister und nicht an dieser Schnittstelle vorbei durchgestellt wurden.

Nachtrag, 14.30 Uhr: Der Artikel ist jetzt auch frei online bei FAZ.net.

Spendenaufruf

Ich habe in den vergangenen Tagen einige Mails bekommen von Menschen, die mir nicht nur Solidarität, sondern sogar finanzielle Unterstützung in der juristischen Verteidigung gegen die Firma Callactive und ihren Geschäftsführer Stephan Mayerbacher zugesagt haben. Das ist außerordentlich nett, aber (zumindest vorläufig) nicht notwendig.

Ich möchte Sie aber bitten, trotzdem zu spenden. Nicht für mich, sondern für Marc Doehler und das von ihm betriebene Forum call-in-tv.de. Er braucht das Geld, und er hat jede Unterstützung verdient.

Es ist leicht, die Leute für Verrückte zu halten, die sich dort im Forum Tag für Tag (und Nacht für Nacht) über die Anrufsendungen austauschen, die in anderen europäischen Ländern längst Vergangenheit sind, bei uns aber immer noch täglich auf 9live, Tele 5, Das Vierte, Viva, Comedy Central, Nick und im DSF laufen. Akribisch führen sie Protokoll über all die Merkwürdigkeiten und Ungeheuerlichkeiten, die sich da Tag für Tag ereignen. Anscheinend braucht es in diesem Land Verrückte, die das tun, denn die theoretisch dafür zuständigen Aufsichtsbehörden, die wir mit unseren Rundfunkgebühren bezahlen, sind entweder nicht willens oder nicht in der Lage, ihrer Aufgabe nachzukommen.

Es ist schwer, sich länger diese Sendungen anzuschauen, die mit unterschiedlich verwerflichen Methoden arbeiten und den Zuschauer fortwährend in die Irre führen über Spielabläufe, Schwierigkeitsgrade und Gewinnchancen, und nicht in Rage zu geraten. Sich nicht fiese Synonyme auszudenken für die Menschen da auf dem Bildschirm, die sich womöglich für Moderatoren halten, aber dafür bezahlt werden, durch stundenlanges Lügen die Zuschauer zum Anrufen zu animieren. Nicht die Anrufer mit grotesk falschen Antworten, die in einigen dieser Sendungen immer wieder an erstaunlich passenden Stellen durchgestellt werden, als das zu beschreiben, was sie so deutlich zu sein scheinen, aber bis zu einem eventuellen entsprechenden Beweis nicht sind: Fälschungen. Sich nicht von den immer gleichen Abläufen, die durch Zufall kaum und durch Betrug sehr gut zu erklären wären, dazu verleiten zu lassen, den unbewiesenen Verdacht als Tatsache zu formulieren.

Das Forum bietet dadurch immer wieder Angriffspunkte für ein juristisches Vorgehen. Die Firma Callactive, eine Endemol-Tochter, deren Sendungen (derzeit: „Money Express“ auf den MTV-Sendern Viva, Comedy Central und Nick) immer wieder ganz besonders auffällig sind, nutzt ungefähr jeden sich bietenden Vorwand, um rechtlich gegen call-in-tv.de vorzugehen. Und dabei geht es nicht nur um vermeintliche oder tatsächliche Schmähungen, sondern zum Beispiel auch um die Veröffentlichung von Screenshots und Ausschnitten der Sendung.

In der Tat: Die Verrückten von call-in-tv.de bedrohen das Geschäftsmodell von Callactive und MTV Networks. Allerdings meiner Meinung nach nicht durch eventuelle Beleidigungen, sondern dadurch, dass sie die systematischen Verstöße gegen die gerade mit großem Tamtam neu aufgelegten Regeln der Landesmedienanstalten dokumentieren. Dadurch, dass sie zum Beispiel die berüchtigten Fässerrätsel dokumentieren, bei denen sich der Veranstalter, wenn er wollte, zu demselben Spiel täglich eine neue richtige Lösung ausdenken könnte, je nachdem, welche Antworten tatsächlich gegeben wurden. Dadurch, dass sie dokumentieren, wie die Häufung von Anrufern mit falschen Antworten oder ganz ohne Antwort, bestimmten, unerklärlichen Mustern folgt. Dadurch, dass sie sogar zu einem Stimmenvergleich einladen, bei dem man staunen kann, dass einige der angeblich echten Anrufer mit falschen Antworten bei „Money Express“ zwar unterschiedliche Namen, aber ganz ähnliche Stimmen haben.

Callactive, Endemol und MTV Networks haben allen Grund, diese Öffentlichkeit zu fürchten, und meiner Meinung nach ist das — und nicht der Ärger etwa über eine nach wenigen Minuten unaufgefordert gelöschte Äußerung eines Forumsteilnehmers — der Grund für Callactive, massiv juristisch gegen call-in-tv.de vorzugehen. In einem Fall, der gerade in zweiter Instanz verhandelt wird, fordert Callactive immer noch rund 35.000 Euro Strafe von call-in-tv.de. Für mich steht deshalb außer Frage, dass es darum geht, die Kritiker mundtot zu machen, und im Fall von call-in-tv.de hat die Firma Callactive das fast erreicht: Marc Doehler ist am Ende seiner Kräfte, auch finanziell.

Ich fürchte, dass die Firma MTV Networks gut damit leben könnte, wenn der Betreiber eines Forums, das sich kritisch mit einer ihrer Sendungen auseinandersetzt, in den Ruin getrieben wurde. Ich fürchte, dass die Landesmedienanstalten nicht einmal Kenntnis davon nähmen, die schon mit der Verwaltung ihrer Verwaltung fast völlig ausgelastet sind. Und ich fürchte, dass bestimmte deutsche Gerichte auch sagen würden, dass Doehler ja selbst schuld sei: Er müsste ja das Forum nur zumachen und hätte seine Ruhe. Das hat eine bestechende Logik, denn wenn das, was in den „Money Express“-Sendungen und bei der Konkurrenz passiert, wirklich rechtlich bedenklich wäre, hätte es ja längst ein Gericht verboten, da müssen sich besorgte Laien nicht unnötig verausgaben.

Es hilft also alles nichts: Marc Doehler und call-in-tv.de brauchen Geld. Ich bitte Sie deshalb herzlich um Spenden. Es geht ums Prinzip. Und es geht darum, dass Firmen mit einem Geschäftsethos wie Callactive nicht mit allem durchkommen.

CALL-IN-TV.DE
Kontoinhaber: MARC DOEHLER
Konto: 4779072008
Bank: Noris Bank Berlin
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IBAN: DE35760260004779072008
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