Ich weiß das natürlich nicht, aber ich würde vermuten, dass sie in der „Bild“-Zeitung die Nummer von Burkhardt Müller-Sönksen auf Kurzwahl haben. Für diese Tage, wenn man zu einem aktuellen Thema noch ein richtig markiges Politiker-Statement braucht. Oder eine neue Schlagzeile, um eine alte Kampagne weiterdrehen zu können.
Müller-Sönksen sitzt für die Hamburger FDP im Bundestag. In der „Bild“-Zeitung war er schon „Medienexperte“, „Rechtsexperte“, „Verteidigungsexperte“, „Verkehrsexperte“ und „Menschenrechtsexperte“. Aber vor allem ist er wohl Medienexperte (und damit meine ich nicht, dass er sich mit dem Thema besonders gut auskennt).
In der vergangenen Woche hat er der „Bild“-Zeitung erzählt, dass ARD und ZDF nach dem neuen Rundfunkgebührenmodell 1,2 bis 1,6 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen werden. Das kann man zwar noch nicht wissen, weil die Details noch gar nicht feststehen, und es spricht alles dagegen, dass es auch nur annähernd stimmt, und selbst wenn es stimmen sollte, würden ARD und ZDF diese Mehreinnahmen nicht bleiben, weil die Gebühr dann später entsprechend gesenkt würde. Aber die „Bild“-Zeitung nimmt’s da nicht so genau, schon gar nicht wenn es gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geht.
Über „Bild“ und die Nachrichtenagentur AFP fand Müller-Sönksen und seine Quatschrechnung den Weg auch in andere Medien. Selbst die sonst so seriösen Kollegen von epd übernahmen zunächst ohne weitere Recherche die „Bild“-Vorabmeldung und berichteten: „FDP-Politiker: GEZ-Reform bringt Sendern Plus bis zu 1,6 Milliarden.“ Später verschickten sie immerhin eine weitere Fassung mit einem Dementi der rheinland-pfälzischen Landesregierung.
Meine Bitte an Müller-Sönksen, mir (für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“) seine Rechnung zu erläutern, blieb leider letztlich ohne Antwort. Aber vermutlich ist der Mann zu beschäftigt, an seiner nächsten Schlagzeile zu arbeiten. Der Mann, den die FDP-Fraktion allen Ernstes zu ihrem medienpolitischen Sprecher gemacht hat, ist ein Musterbeispiel für den Typ Politiker, dem keine Forderung zu billig, blöd oder populistisch ist, um in die Medien zu kommen.
Eine Politikerkarriere in „Bild“-Auftritten:
- 27. Juni 2000: Müller-Sönksen fordert ein Kampfhunde-Verbot: „Tränen in den Augen von Kampfhundebesitzern können die Hamburger ertragen. Tränen in den Augen von Eltern und Klassenkameraden darf es so nie wieder geben.“
- 30. April 2003: „TÜV für ältere Autofahrer!“ („Bild“): FDP-Fraktionschef Müller-Sönksen fordert eine Überprüfung von Seh- und Reaktionsfähigkeit ab dem 60. Lebensjahr alle fünf Jahre und „ab 80 Jahren dann häufiger“.
- 7. Juni 2004: FDP-Verkehrsexperte Burkhardt Müller-Sönksen fordert nach einer „Todesfahrt des Geister-Opas“ („Bild“) eine Überprüfung von Seh- und Reaktionsfähigkeit bei Senioren: „Auch wir müssen diese regelmäßigen Untersuchungen einführen. Außerdem könnten kostenlose Nahverkehr-Tickets für Senioren ein Anreiz und Ausgleich sein, den Führerschein im Alter abzugeben.“
- 17. März 2006: Müller-Sönksen unterstützt den „Nackt-Test“ („Bild“) für Ausländer: Sie sollen sich vor der Einbürgerung eine DVD ansehen müssen, auf der küssende Schwule und nackte Badende zu sehen sind. „Ausländer müssen die Lebenswirklichkeit in Deutschland akzeptieren! Die DVD ist dazu notwendig.“
- 1. September 2006: „Für 2700 Euro Jung-Ganoven mit Taxi ins Heim chauffiert / RIESEN-EMPÖRUNG ÜBER BEHÖRDEN-IRRSINN“ („Bild“). Müller-Sönksen sagt: „Ein krasser Fall von Verschwendung!“
- 21. Oktober 2006: Müller-Sönksen fordert Strafen für Schuldenmacher: „Kanzler, Ministerpräsidenten und Minister sollten mit Teilen ihrer Rentenansprüche für rote Zahlen im Haushalt haften. Dann würden sie sich so um die Staatsfinanzen kümmern, als sei es ihr eigenes Geld!“
- 4. August 2007. Müller-Sönksen protestiert gegen eine Hinrichtungswelle im Iran: „Ich halte es für menschlich völlig pervers, die Hinrichtung als öffentliches Schauspiel zu inszenieren. So ein Iran befindet sich gesellschaftlich noch im tiefen Mittelalter.“
- 27. August 2007. Müller-Sönksen fordert, zum Schutz vor ausländerfeindlichen Übergriffen die Bundespolizei bei Volksfesten einzusetzen: „Wenn Ortskräfte und Landespolizei nicht ausreichen, sollte auf Bundespolizei zurückgegriffen werden.“
- 24. Dezember 2009. Müller-Sönksen protestiert gegen die geplante „Tagesschau“-Anwendung fürs iPhone: „Die ARD sollte sich auf die im Staatsvertrag verankerte Grundversorgung beschränken und die Gebühren für Inhalte und nicht für Vertriebswege ausgeben.“
- 29. Dezember 2009. Müller-Sönksen ist mit der Gesamtsituation unzufrieden: „Wir brauchen nicht nur eine neue Gebührenregelung, sondern auch eine klare Definition für die Grenzen des öffentlichen Rundfunks.“
- 31. Dezember 2009. Immer noch: „Wir werden die Frage der Gebührenfinanzierung zu einem Schwerpunktthema 2010 machen.
- 9. Januar 2010. Müller-Sönksen unterstützt die Klage eines Anwaltes, der keine „Zwangsgebühren“ zahlen will, gegen den NDR: „Diese Klage zeigt, wie wenig Akzeptanz die GEZ-Gebühren noch haben. Vor allem dann, wenn das Geld jetzt auch noch im Internet verschwendet wird.“
- 2. Februar 2010. Müller-Sönksen beschwert sich, dass sich eine Figur in der „Lindenstraße“ abfällig über die FDP geäußert hat. „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat überparteilich zu sein“, sagt Müller-Sönksen, „gerade in Unterhaltungssendungen.“
- 15. Februar 2010. Müller-Sönksen kündigt Schritte gegen die geplante „Tagesschau“-Anwendung fürs iPhone an: Wir werden jetzt zusammen mit den Ministerpräsidenten an einer Änderung des Rundfunkvertrags arbeiten, damit dieses App nicht umgesetzt wird.“
- 8. April 2010. Müller-Sönksen hat eine Meinung zu der Frage, wer an der Trauerfeier für drei in Afghanistan getötete Bundeswehrsoldaten teilnehmen soll: „Alle Abgeordneten, die dem Afghanistan-Einsatz zugestimmt haben, sollten darüber nachdenken, ob sie den Familien der getöteten Soldaten in diesen schweren Stunden bei der Trauerfeier solidarisch beistehen können.“
- 10. Juni 2010. Müller-Sönksen ist gegen das neue Verfahren, um die Rundfunkgebühren zu erheben: „Es ist der saure alte Wein Marke GEZ in neuen Schläuchen. Es gibt kein Ende der Schnüffelei, sondern Schnüffelei ohne Ende.“
- 11. Juni 2010. Müller-Sönksen fordert, die Rundfunkgebühr zu senken: „Wenn in Zukunft viel mehr Beitragszahler herangezogen werden, ist das Mindeste eine Senkung der Gebühr.“
- 29. Juli 2010. Müller-Sönksen protestiert gegen die Berichterstattung von ARD und ZDF über die Leichtathletik-EM: „Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Deutschen bei solchen Großereignissen jeweils das größte Aufgebot stellen. Wenn auf einen deutschen Teilnehmer fast drei Mitarbeiter von ARD und ZDF kommen, dann gibt es aus Sicht der Gebührenzahler dafür nur ein Wort: Geldverschwendung.“
- 12. August 2010. Müller-Sönksen errechnet Mehreinnahmen für ARD und ZDF durch neues Gebührenverfahren in Fantastillionenhöhe und droht: „Sollte es zu unbilligen Mehrfachbelastungen kommen, prüfen wir eine Klage beim Bundesverfassungsgericht.“
- 13. August 2010. Müller-Sönksen fordert auf der Grundlage seiner Fantasierechnung, die Rundfunkgebühr zu senken: „Die Abgabe sollte statt 17,98 Euro bei 15 Euro im Monat liegen.“
Burkhardt Müller-Sönksen. So macht man sich in den Medien einen Namen.