Rangierpanne auf Burdas Verschiebebahnhof

Klitzekleines Problem mit dem Titelbild der aktuellen „TV Today“:

— es ist gar kein Stromberg-Interview drin!

Das angekündigte „Exklusiv-Interview“ steht nämlich nicht in der „TV Today“, sondern in der „TV Spielfilm“:

Das ist nicht ganz so überraschend, wie man denken könnte.

Seit „TV Today“ (ehemals Verlag Gruner+Jahr) und „TV Spielfilm“ (ehemals Milchstraße) beide bei Burda erscheinen, sind die Zeitschriften im Kern identisch. Die Produktion einer „TV Today“ funktioniert im Wesentlichen so: Man nimmt die „TV Spielfilm“, baut ein neues Cover, rechnet die Daumen-hoch- und -runter-Symbole im Programmteil in Punkte um, ersetzt das Wort „TV Spielfilm“ durch „TV Today“, ändert die Überschriftentypografie …


… tauscht Kalkofes Kolumne gegen Fotos mit lustig gemeinten Texten aus und verschiebt alibimäßig den ein oder anderen Artikel, so dass „TV Spielfilm“ vier Fragen an Anke Engelke stellt, „TV Today“ aber nur drei.

Aber irgendetwas ist diesmal bei der journalistischen Hütchenspielerei schief gegangen: Anstelle des Interviews mit Bernd Stromberg in der „TV Spielfilm“ steht in „TV Today“ ein Interview mit Anne Ratte-Polle, und das groß auf dem Titel angekündigte Stromberg-Interview fehlt ganz.

Jetzt wäre natürlich die Frage, ob Menschen, die die „TV Today“ gekauft haben, um ein „Exklusiv-Interview mit Deutschlands Lieblings-Stinkstiefel“ zu lesen, ihr Geld zurückverlangen können. Andererseits bekommen die „TV Spielfilm“-Leser dafür unerwarteterweise ein „Exklusiv-Interview“, das tatsächlich wenigstens nicht wortgleich in einer anderen Zeitschrift steht.

44 Replies to “Rangierpanne auf Burdas Verschiebebahnhof”

  1. Oh Gott, fängt Christoph Maria Herbst jetzt auch schon damit an, Interviews als Kunstfigur zu geben? So wie das „Komiker“ wie Hape Kerkeling schon lange machen? Und bin ich der Einzige, der es absurd, ja regelrecht surreal, findet, dass Interviews mit Kunstfiguren überhaupt abgedruckt werden?

  2. @Alberto: Nee, es ist eine Comic-Zeichnung (bzw. schon eher ein Cartoon) von der Tuse von Sex and the City. Sieht jedenfalls so aus. Ein Foto ist es jedenfalls nicht. Hoffentlich nicht.

  3. Tja, wenn das Reaktionssystem spinnt sollte die Redaktion nicht pennen. Hätte aber schlimmer kommen können, z.B. als Interview im Playboy, als Beitrag bei Antenne Bayern, als Webseite bei Zooplus …

  4. Ich fände es als Mann irritierend, wenn meine Frau nach der Hochzeit unbedingt ihren Mädchennamen „Ratte“ behalten wöllte.

  5. Aus dem Stromberg-Interview:
    „Herr Stromberg, was ist das „Erdmännchenprinzip?“
    „Erdmännchen sehen alle gleich aus, sind aber streng organisiert, wobei die meisten allerdings vor ihrem Bau sitzen undnichts tun. Im Prinzip eben wie im Büro.“
    Oder wie bei Burda.
    Übrigens muss man auf dem Cover nur „Spielfilm“ durch „Today“ ersetzen, das „TV“ kann sitzen bleiben.
    Die Kalkofe-Kolumne ist eigentlich noch das einzige, weswegen sich die TVS lohnt. Frustabbau für den Rest des Inhalts quasi.

  6. Da ist ein extremer Fall von Forscherin-Stink(t)stiefelei, mit dem hier die – extrem ansteckende – „Burdapest“ (Zitat D. Hildebrandt) nachgewiesen wurde.

  7. @Twipsy: Da wird das Gegenmittel also gleich mit geliefert. Erst die Krankheit, dann die Medizin. Oder umgekehrt?

  8. dachte erst die gephotoshoppte Frau hätte drei Brüste oder so.. bei dem Gesicht – hätte ja sein können ;-)

  9. ich dachte wirklich – so viel Retusche wie da verwendet worden ist – dass es sich bei der abgebildeten Person um eine(n) der diversen Transvestiten in deutschen Talentshows handelt.
    Mag auch daran liegen, dass ich die retuschierten Transvestiten aus amerikanischen Serien nicht kenne. ;)

    Ansonsten ja mal wieder große Klasse. Was ich mich dabei frage: Wieso bringt Burda überhaupt noch beide Zeitschriften heraus? Würde es sich da nicht lohnen, die Today einzustampfen, nur noch einmal die Presse (also die Drucker- nicht die so bezeichnete Journaillie) anzuwerfen und auf die wenigen Prozent Leser, die nach Marketingkampagne nicht auf TV-Spielfilm wechseln würden, zu verzichten? Marktwirtschaftlich ist das doch Müll, oder bin ich einfach nur zu sehr Geisteswissenschaftler und zu wenig Ökonom?

  10. Noch lustiger ist die Ausgabe TV Today Digital, denn da wurde nur noch der Umschlag ausgetauscht, der Innenteil ist zu 100% identisch mit der TV Spielfilm XXL – inklusive Daumen bei der Filmbewertung. Deshalb ist wenigstens in dieser „TV Today“-Ausgabe das Stromberg Interview drin.

  11. […] Rangierpanne auf Burdas Verschiebebahnhof « Stefan Niggemeier Auf der Titelseite der TV Today wird ein Exclusiv-Interview zum Start der neuen Stromberg-Staffel angekündigt. Das allerdings befindet sich in Wirklichkeit in der TV Spielfilm… (tags: TV Today Spiefilm) Facebook TVundso bei Twitter […]

  12. @13: nein, es würde sich nicht lohnen, es sind sicher nicht wenige prozent, ja, in dem zusammenhang bist du zu wenig ökonom? grüße, flavio!

  13. Wer kauft denn bitteschön noch Fernsehzeitschriften ? Das ist doch sowas von altmodisch. Und wenn man die Anzahl der Leute hochrechnet, die nicht müde werden jedem zu erzählen, dass sie seit Jahren keinen Fernseher (mehr) haben, dann dürfte eigentlich überhaupt keiner mehr solche Zeitschriften kaufen. Denn wozu sollte man eine solche Zeitschrift kaufen, wenn man keinen Fernseher mehr hat ? Und wenn jemand dennoch wissen will, was im Fernsehen so läuft, kann doch auf zahlreiche kostenlose Angebote im Internet ausweichen, wie z.B. auf Prisma online. Ach was red ich, es gibt ja auch die TV Spielfilm (und andere Fernsehzeitschriften) online, also wozu die „tote Baum“ Version kaufen ?

  14. @ (#22) Erich von Halacz

    Abokunden.

    Über Jahrzehnte wurden durch skurrile Haustürgeschäfte und Telefonverkäufer genug Abokunden ernervt. Ich vermute ich, dass die Aboleser für ein Magazin heutzutage nicht mehr ausreichen. Würde eine Zeitung nun eingestampft werden, entfielen somit auch die dazugehörigen Abokunden. Daher hat Burda einfach alle aufgekauft und stellt eine Zeitschrift unter unterschiedlichen Namen und Titelblättern her.

  15. Nun lasst doch bitte mal den so gebeutelten Burda in Ruhe!
    Das alles ist doch nur auf diese unerträgliche Gratis-Mentalität in der realen Welt zurückzuführen, gegen die der Verband der Programmzeitschriften-Verleger alsbald eine Erklärung erarbeiten sollte, damit die Poltik dem Einhalt gebietet!
    – Oder kennt jemand ein Regionalblättchen, dem nicht in der Freitags- oder Wochenendausgabe Prisma oder vergleichbares als Gratis-Dreingabe beiliegt?
    – Oder wer hat sich nicht schon mit dem Gedanken getragen, der Post die Entsorgungsaufwände für die stets ebenfalls mit TV-Programm versehenen „Wenn wir schon montags KEINE Post austragen, soll wenigstens sonnabends JEDER Post bekommen“-Postwurfsendungen in Rechnung zu stellen?

  16. @ #22: Wissen Sie wieviele Menschen über 65 in dieser Republik leben? Deren Medium nach wie vor der Fernseher ist und denen die Prisma zu klein gedruckt ist? Die – obwohl sie eigentlich nur die Zoosendungen [incl. Volksmusik] der öffentlich-rechtlichen Sender sehen – trotzdem wissen wollen, was auf den anderen Sendern läuft? Aber in der Zukunft – da haben Sie vollkommen recht – wird kein Baum mehr fürs Fernsehen sterben müssen.

  17. Achso, bin gerade zu faul zum googlen: Weiß eigentlich jemand, warum tchibo seit einigen Wochen kein Fernsehprogramm mehr in seinen Wochenkatalogen abdruckt? Meine Lieblingsfernsehzeitschrift!

  18. @8 (ein anderer philipp):

    könnte auch gut passen, ja. aber nein: es heißt „t*tten vornedrauf“.

    .~.

  19. @22: Ist doch klar, die Fernsehzeitschriften werden nur wegen der tollen Exklusiv-Interviews gekauft.
    Im Ernst: Eine Fernsehzeitschrift kann man sich einfach auf den Wohnzimmertisch legen. Das geht mit der Online-Version eher weniger. Außerdem sind alle Online-Fernsehzeitschriften, die ich kenne total unpraktisch, man braucht viel länger, bis man alle relevanten Informationen gefunden hat. Und die kostenlosen Programmzeitschriften oder die Fehrnsehseiten der Tageszeitungen rangieren was Anzahl der Sender und Ausführlichkeit der Beschreibungen angeht meilenweit hinter den Kaufzeitschriften.

  20. „Wer kauft denn bitteschön noch Fernsehzeitschriften?“

    Menschen, die nicht immer und zu jeder Gelegenheit im Internet sind? Menschen, die es praktisch finden, eine Zeitschrift aufgeschlagen auf einem Tisch liegen zu haben, um mal eben ‚reinschauen zu können? Menschen, die sich während einer Zugfahrt oder in der Badewanne über das Programm der kommenden Woche informieren wollen?

    Aber natürlich stimmt’s, „das Internet“ ist so cool, da braucht man nichts anderes mehr. Wenn’s dem Ego dient…

  21. @meine Vorredner:

    Das hat nichts mit „Ego“ oder dergleichen zu tun, sondern veränderter Nutzung von Medien. Viele Leute lesen kaum noch eine Tageszeitung, lesen aber dafür eben die Artikel auf den Internetangeboten von Tageszeitungen und anderen etablierten Printmedien. Und der Fernsehkonsum hat sich doch auch in den letzten 10-15 Jahren verändert. Das Fernsehen ist ein „Nebenhermedium“. Es ist doch unglaublich „hip“ bei jeder sich gebenden Gelegenheit zu erwähnen, dass man ja keinen Fernseher (mehr) habe.
    Wenn ich so betrachte, wie in meiner (relativ großen) Familie der Fernsehkonsum aussieht, dann werde ich mehr als bestätigt, was das „Nebenhermedium“ betrifft: Bei meinen Eltern, die bald 70 Jahre alt sind, läuft auch von morgens bis abends der Fernseher, aber eben nur nebenher. Ich sehe bei meinen Eltern auch nie eine Fernsehzeitschrift auf dem Wohnzimmertisch rumliegen. Es wird eher rumgezappt um sich dann für irgendwas zu entscheiden. Außer bei Spielfilmen und den Nachrichten wird sich nicht auf’s Fernsehprogramm konzentriert, sondern allerlei anderes Zeug gemacht. Ähnliches erlebe ich bei meinen Geschwistern (alle über 30 Jahre, zum Teil verheiratet und Kinder). Bei denen erblicke ich keine Fernsehzeitschriften. Und in den Haushalten meiner Geschwister wird dann auch nicht im Internet mal nachgeschaut was so läuft zur Primetime, sondern einfach rumgezappt und sich dann entschieden für ein Programmangebot.

  22. @Erich von Halacz:

    Nicht jeder ist wie Ihre Familie, da lege ich wert drauf. Immer diese unsäglichen Verallgemeinerungen nach dem Motto „Ich kenne da fünf Hansel, die sind repräsentrativ für ganz Deutschland“. Für mich persönlich ist Fernsehen kein Nebenbei-Medium. Ich suche und schaue gezielt Sendungen, gerne auch mit Hilfe einer Programmzeitschrift.

  23. @Erich von Halacz

    „Viele Leute lesen kaum noch eine Tageszeitung…“

    Ebenso richtig:

    „Viele Leute haben noch nie einen Zeitungsartikel im Internet gelesen…“

    Mit wieviel Chuzpe Sie von den Beobachtungen aus Ihrer Familie eine „veränderte Nutzung von Medien“ (was für eine Leerphrase) ableiten: Ich ziehe meinen Hut.

    Irgendwelche Erkenntnisse über Stehpinkler, Linksruck, Essstörungen, die uns Ihre Familie liefern könnte?

  24. @ noir.desir.

    So ist die Welt: der eine Mensch bevorzugt Fernsehzeitschriften auf dem (Kachel?) Wohnzimmertisch, der andere hat gar keinen Wohnzimmertisch und mag lieber Platz, Blumen und Internet. Verrückt, ich weiß.

    Rhetorisch bzw. Hermeneutisch lässt sich übrigens das Fernseh- und Fernsehzeitungbenutzen nicht ergründen. Vielmehr sollte man hierzu Soziologie- bzw. Konsumentenstudien heranziehen: z.B. unter
    http://www.ard-werbung.de/1659.html ,
    http://www.media-perspektiven.de/uploads/tx_mppublications/04-2006_Fritz.pdf
    Glauben Sie mir, ich könnte glatt eine Habilitation darüber verfassen.

    Die Beobachtungen von Erich von Halacz´ Familie sind somit nicht nur logisch schlüssig, sie stimmen sogar mit den Zahlen überein, die mir bekannt sind. Ein schönes Beispiel für eine qualitativen Alltagsstudie bzw. dafür, dass viele Dinge schon so stimmen, wie wir sie wahrnehmen und dass die Artikulation eigener Vorstellungen mit dem formalen Bildungshintergrund korreliert.

    Mit Chuzpe hat das nun wirklich nicht zu tun. Das Wort sollten Sie sich mal bei Zeiten von jemanden erklären lassen, der sie hat.

  25. @JO:

    Ähnlich können Sie praktisch gegen jedes moderne Luxusgut argumentieren. Aber macht das Sinn?

    Ich mag trotzdem nicht mit Erichs Nebenbeigucker-Familie in einen Topf geworfen werden.

  26. Oh man. Da hat man nicht übel Lust, die Zeitschrift nur deswegen zu kaufen, um hinterher reklamieren zu können..

  27. @35
    hervorragende idee! schade, dass man das nicht usa-mäßig aufziehen kann. mit einer klage auf „compensation for injured feelings and emotional distress“.

  28. Man erzählt zwar, dass man keinen Fernseher mehr habe, aber das heißt natürlich nicht, daß man wirklich keinen mehr hat.

    Interessanter aber ist, wieviele Leute wohl sowohl die TV-Spielfilm, als auch die TV-Today haben, und nicht nur Familien mit mehreren Zweitgeräten :) . Die sich einfach auch schlecht entscheiden können. :)

    Gerade für die würde ich noch eine dritte Zeitschrift auf den Markt werfen: Spielfilm-Today – das fehlt doch nun wirklich. Und noch die eher sachliche ‚TV, TV‘. Oder nur ‚TV‘?

  29. Ich habe seit Jahren keinen Fernseher (@22: und bin inzwischen müde das jedem zu erzählen), habe aber trotzdem immer noch ein TV14-abo.
    Es gibt nichts schöneres, als bei der Klolektüre bestätigt zu bekommen, dass Fernsehen immer noch nicht lohnt…

    (Nungut, es gibt schöneres. Ist ja nur ne Redensart.)

  30. „Wir haben Titanic zu einem Blatt komplett ohne Anzeigen aufgebaut. Wir waren da Vorreiter in der Print-Branche. Die anderen ziehen jetzt nach.“ Kein Wunder, dass dem normalen WDR-Zuschauer diesen Satz von Sonneborn nicht zugemutet werden kann.

Comments are closed.