Vor ein paar Tagen habe ich den Chef von sueddeutsche.de Hans-Jürgen Jakobs gefragt, wie seine Redaktion mit „Bild“ als Nachrichtenquelle umgeht. Antworten ist er mir schuldig geblieben. Das von ihm geleitete Online-Angebot gibt sie auch so.
Am späten Donnerstag unserer Zeit zitiert die amerikanische Nachrichtenagentur AP exklusiv und ausführlich aus den Tagebüchern von Anna Nicole Smith. Am Freitagnachmittag berichtet die deutsche Nachrichtenagentur dpa ebenfalls ausführlich und mit vielen Zitaten über den Inhalt der Bücher. Am Samstagmorgen bringt „Bild“ einen größeren Artikel, der keine exklusiven Information enthält, über den Inhalt der Tagebücher. Am Samstagmittag meldet die französische Agentur AFP, dass die „Bild“-Zeitung aus dem Tagebuch von Anna Nicole Smith zitiere. Eine Stunde später berichtet sueddeutsche.de über den Inhalt der Tagebücher von Anna Nicole Smith.
Also: sueddeutsche.de zitiert die Agentur AFP, die „Bild“ zitiert, die die Agentur AP zitiert, die aus den Tagebüchern zitiert.
Erstaunlicherweise scheinen sich diesmal bei dem Stille-Post-Spiel keine Fehler eingeschlichen zu haben. Aber vielleicht könnte jemand den Qualitätsjournalisten von sueddeutsche.de den Tipp geben, dass es in Deutschland gar keine Pflicht gibt, ein Boulevardthema erst dann aufzugreifen, nachdem „Bild“ darüber berichtet hat. Und dass es in Zeiten des „Zukunftsmediums“ Internet möglich ist, sich ohne den Umweg über mehrere Agenturen und eine unzuverlässige Boulevardzeitung über solche Dinge zu informieren.
Mein Gott, Herr Niggemeier,
so schlecht auch ich die Sueddeutsche und ihre
Online-Präsenz finde: was ist denn dagegen
einzuwenden, wenn die SZ auch bei sich
die zugegebenermaßen recht langweilige Story
über Frau Smith erwähnt?
Jeder wiederholt halt, was der offenbar recht
begrenzte Marktplatz an Themen bereit hält.
Den Ansprruch auf journalistische Tiefe darf
man ohnehin nicht mehr erwarten.
Klaus: Mhh? Den Artikel hier auch gelesen? Nein? Merkt man, nachholen.
treffender geht’s doch gar nicht…
aus den kommentaren bei der SZ:
> In Zukunft bitte nur Titten, keinen Text mehr.
Die Welt muss schlimm sein, wenn man alles erst beim zweiten Lesen kapiert, aber immer nur einmal liest.
Zieh mal die Bild-Brille ab, is ja schlimm. Es gibt auch Artikel die andere Zeitungen zu erst bringen und von Bild aufgegriffen werden.
Naja, wenn man die Bild zitiert könnte man auch gleich die Praline zitieren.
Wobei…die Praline hat wohl noch mehr Niveau als Bild. :-/
[…] Qualitätsmedien im Netz, Folge 3272 und Folge 3271: Stefan Niggemeier über den Umgang von Sueddeutsche.de mit der Quelle “Bild”. […]