Personalwechsel, die Fahrausweise bitte!

Als Gast in unserem Aufbaukurs „Metaphern für Fortgeschrittene“ begrüßen wir heute Siegfried Weischenberg, Professor für Journalistik an der Universität Hamburg, zum Thema Nicht alles, was ich nicht verstehe, ist ein Bahnhof:

Im Netz tobt dabei schon der neue Kampf um Reichweiten bzw. „Zugriffe“. Mittendrin die selbstbewusste Gruppe der Blogger, die eine emotionale Diskussion über „Visits“ und „Page Impressions“ führt — angefeuert übrigens von Journalisten, die vorsichtshalber schon umgesattelt haben, um auf dem Zug mitzufahren, der im Internet unterwegs ist. Der Bahnhof, den er ansteuert, heißt freilich nach wie vor „Medien“.

(Nur fürs Protokoll: Ich jedenfalls habe nicht vorsichtshalber schon aufs Internet umgesattelt, sondern in den vergangenen Jahren die erstaunlichen neuen Möglichkeiten entdeckt, die mir das Internet zum Publizieren und Kommunizieren bietet — nicht zuletzt jene, Menschen kontinuierlich über die Arbeitsweise der „Bild“-Zeitung aufzuklären, damit mehrere zehntausend Leser täglich zu erreichen und davon sogar leben zu können. Ich kann mein Glück immer noch kaum fassen.)

(Entschuldigung, Peter, ich hab’s wieder nicht geschafft.)

35 Replies to “Personalwechsel, die Fahrausweise bitte!”

  1. huch. züge die in einem medium unterwegs sind steuern einen bahnhof namens medien an? medien sind medien? was für ein fazit! bist du sicher, dass der herr weischenberg nicht etwa einen lehrstuhl für platitüden inne hat?

  2. Gerade den von Dir zitierten Passus fand ich ein nettes Stückchen Realsatire. Läßt Professor Weischenberg doch geflissentlich unter den Tisch fallen, daß genau er selbst diese Diskussion mit seinen falschen Klickzahlen in jener berüchtigten Deutschlandfunk-Talkrunde ordentlich befeuert hat.

  3. @Spritkopf:

    Vorrausgesetzt, Weischenberg hat den Artikel erst in den letzten Tagen geschrieben, könnte man meinen, dass dies seine Antwort auf die Kritik an ihm ist und ein stückweit auch direkt an die Blogger gerichtet ist.

    Vielleicht ist es ja sogar Kalkül?

  4. na, ich fand den text gar nicht sooo schlecht. außerdem darfst du nicht vergessen, dass der in der gerade gerelaunchten rundschau stand. wer in der restlichen ausgabe die druckerpressen preist und die zeitung der zukunft auf papier druckt, der darf auch einen onlinekritischen text auf der medienseite abdrucken. alles aus einem guß eben bei der neuen fr.

  5. Hm, wenn schon umsatteln, dann sollte man doch den Zug auch wenigstens Dampfross nennen. (Bahnhof evt.: Haferstapel?)

  6. Professor W. hatte beim Umsatteln seiner totgerittenen Papier-Pferde wohl einen schlechten Tag gehabt.

    Für seine Studie Journalismus in Deutschland bin ich dreimal befragt worden und habe jedesmal die Hiwis am Telefon zur Verzweifelung gebracht. Da ich bei heise online arbeite, verdiene ich 95 Prozent meines Einkommens als freier Journalist online im Internet. Das konnten sie in ihrer blöden Software nicht eintragen und so kam die Mitteilung, dass ich in der Studie nicht berücksichtigt werden könnte.

  7. @ Stefan Niggemeier:
    Des einen Freud, des andern Leid. Mag ja schön sein, von der Kritik an der Bildzeitung gut zu leben. Leider führt das dazu, dass man genauso wie die Bildzeitung täglich etwas bieten muss.
    Nehmen wir die 420. Folge von „kurz korrigiert“. Das ist doch einfach lächerlich, was da bemängelt wird.

  8. Bei der Gelegenheit fällt mir ein Zitat von Helmut Kohl ein, das vor vielen (10?) Jahren mal im „Hohlspiegel“ kolportiert wurde. Es lautet: „Der Bund muß die Lokomotive auf der Datenautobahn sein.“

  9. @Stefan
    ich wollte dir gerade vorwerfen, dass du immer nur von dir schreibst – aber dann ist mir eingefallen, dass das ja dein blog ist.

    also, das blogger-selbstfindungsthema wird mir echt zu öde. deshalb habe ich beschlossen – anstelle zu resignierien – etwas dagegen zu unternehmen.

    @all und einige besonders
    guckt euch meinen text mal genau an.

    so!

  10. Der letzte Absatz des Artikels von Siegfried Weischenberg in der FR scheint mir tatsächlich ein Insider auf Deine Anfrage per E-Mail zu sein, woher er die Zahlen habe. Damit scheinst Du ihn aber nun vollends verwirrt zu haben. In der FR stellt er zwar richtig fest, dass im Netz der Kampf um die Zugriffe tobt (Anmerkung von mir: wo Qualitätsjournalismus für Klicks und Quoten vorgetäuscht wird, Werkkanon). Aber eine Gruppe „selbstbewusster“ Blogger ist da nicht mittendrin, wie Weischenberg schreibt, sondern höchstens ganz weit draußen mit dabei.

  11. Lieber Stefan, ich muss echt sagen, so langsam reicht’s. Immer schreibst du über Themen die Dich interessieren. Und ich armer Leser muss das immer lesen. Schreib doch mal endlich das, was mir gefällt. Relevanz! Ich will Relevanz!!!

  12. Nur das in diesem neuen, grösseren Medienbahnhofsviertel außer den etablierten Etablissements der Inseratenteile mit angeschlossener Redaktion (mit „access“ in Kungelrunden und „Informationsveranstaltungen“), bezahlt von Verlagsgruppen/Medienkonglomeraten) auch unabhängigere Informationslieferanten tätig sind (die es sogar oft nur aus Liebe tun, echt ey).

    Ich jedenfalls beziehe den Grossteil meiner USA-Informationen seit Jahren von blogs, die sowohl als Aggregatoren dienen als auch kenntnisreiche Kommentare und breite Hintergrundinformationen liefern.

    Beispiele wären u.a:
    http://dailykos.com
    http://atrios.blogspot.com
    http://thewashingtonnote.com
    http://mediamatters.org
    http://armscontrolwonk.com
    http://www.talkingpointsmemo.com
    http://www.tpmmuckraker.com
    http://www.narconews.com
    http://narcosphere.narconews.com

    Klar, es wird immer Bedarf an „großen“ Medien/Agenturen geben, die das nötige Kleingeld für aufwendigen Journalismus aufbringen können.

    Nur ist es eine unbestreitbare Tatsache, daß die Großen (NYT, WaPo, AP, ABC, CNN, FOX, CBS) bei den wichtigen Themen der letzten Jahre (Irak, Iran, Nordkorea, etc.) gewollt oder ungewollt danebenlagen während z.B. Knight Ridder (jetzt McClatchy) hervorragende Arbeit geleistet hat (und immer noch leistet).

    Etwas, dass die großen „Leitmedien“ in Deutschland mit ihrer ewigen NYT/WaPo Abschreiberei und/oder zu großer Nähe (als Auslandskorrespondenten) zum Washington DC cocktailparty circuit seit Jahren nicht leisten.

    Mit Nachrichten aus Deutschland sieht’s allerdings auch nicht besser aus.

    Da gibt’s die gleiche symbiotische Beziehung zur „großen Politik“/Wirtschaft.

    Bei der Berichterstattung der letzten Monate z.B. zu Russland oder Venezuela kommt mir angesichts der doppelten Standards und herrschaftsnaher Hofberichterstattung regelmässig das Kotzen.

    Echter, sauberer Journalismus sieht anders aus.

  13. Soll das eigentlich eine Art Drohung sein?

    So nach der Art:
    „Pass ma auf Niggemeier, das mit dem Interwebnetz is ja schön und gut,, du Wichtigtuer, aber das is auch nur was mit Medien und das sind immer noch wir, näh, und willst du eigentlich noch mal in dieser Stadt arbeiten&hellip?“.

  14. @Hendrick: bei uns nur kurz, bis Helmut Kohl den Witz brachte, das Datenautobahnen Ländersache sind. In den USA hingegen länger, weil der Vater von Al Gore Das Systems der Highways plante und Sohn die Daten-Highways propagierte.

  15. Ich muss doch meinen Medienbahnhofsviertelvergleich von oben etwas relativieren:

    […]
    Ich weiß doch nicht recht. Ist die bürgerliche Presse wirklich mit einem Straßenmädchen zu vergleichen? Nein. Leider nein. Die deutsche Bürgerpresse ist nicht in dieser Weise korrupt. Ihr Wesen ist nicht zu treffen durch den Hinweis auf kleine Bestechungen und Käuflichkeiten, die mit dem Inseratengeschäft und der Kunstkritik zusammenhängen. Sie ist keine feile Dirne, die man sich für ein paar Mark kaufen kann. Sie ist etwas viel Gefährlicheres.
    […]

    anonym
    Vorwärts, 29.04.1914.
    http://www.textlog.de/tucholsky-feile-dirne.html

  16. Kann es sein, daß hier jemand ohne gültigen Fahrschein unterwegs ist? Herr Weischenberg?
    Das macht 40,- Euro bitte, und danke daß sie mit DB gefahren sind.

  17. @ Yasemin Mumay:

    Nehmen wir die 420. Folge von “kurz korrigiert”. Das ist doch einfach lächerlich, was da bemängelt wird.

    Nein, das ist nicht einfach lächerlich, das ist einfach falsch. Zu schwierig für Sie?

  18. @ SvenR:
    Seit Jahren lese ich [gern und interessiert] die Artikel von Stefan Niggemeier, früher in der SZ, jetzt in der FAS. Dieser Mann bloggt nicht, weil er nirgends gedruckt wird.
    Auch die Beobachtung der Bildzeitung durch Bildblog im Internet war und ist notwendig.
    Deshalb muss ich aber nicht jede kleine Kritik dort bejubeln. Natürlich war die Mängelrüge in sich korrekt. Der Text war falsch. Aber bei Bild handelt es sich um eine Tageszeitung [?], zumindest um ein täglich erscheinendes Erzeugnis, das spätestens am nächsten Tag weggeschmissen wird.
    Wenn Bildblog seine Erfinder weiter gut leben lassen will, muss es täglich etwas bringen. Damit geht es Bildblog ähnlich wie der Bildzeitung, die täglich am Kiosk auffallen muss.

  19. Liebe Yasemin Mumay,

    ich habe zwar keine Statistik darüber geführt, meinem Gefühl nach „bringt“ Bildblog nicht jeden Tag etwas. Und – auch nur meinem Gefühl nach – nichts, nur um des Bringens Willen.

    Bildblog selbst schreibt ja, dass man sich „mit den kleinen Merkwürdigkeiten und dem großen Schlimmen“ in Bild auseinandersetzt. Ich gebe Ihnen in soweit recht, dass der beanstandete Artikel nicht zu dem großen Schlimmen gehört, aber es ist doch eine der unendlich vielen kleinen Merkwüdigkeiten, die das Blatt „ausmacht“. Und somit halte ich es für berichtenswert.

    Das genau ist einer der großen Vorteile von Blogs: Wenn Niggemeier, Schulheiß & Co. Bildblog quartalsweise auf Bütten gedruckt, ledergebunden mit Goldschnitt verkaufen würden, würden diese Artikel mit Sicherheit „hinten ‚runter fallen“.

    So und jetzt machen wir besser Schluß, wir sind ja nicht bei bildblogkommentarekommentare.de

    Mit freundlichem Gruß
    SvenR

  20. Der Bahnhof, den er ansteuert, heißt freilich nach wie vor “Medien”.

    Ja, was erwartet der Mann denn? Dass wir zigtausend Jahre nach den ersten Höhlenmalereien plötzlich was völlig neues erfinden? Natürlich geht es mit „Medien“ weiter, genauso wie es mit „Rad“ und „Wasser“ weitergeht. Dass einige Leute verschiedene Internetmedien unterscheiden, sollte man ihm besser nicht erzählen.

    Irgendwie bräuchte es mal einen Oswald Kolle des 21. Jahrhunderts, der mit Filmen wie „Das Internet, das unbekannte, äh: Ding“ Aufklärung betreibt.

  21. @ Sven R #26:
    Wir nähern uns an. Wann machst dein eigenes Blog? Ich würde es lesen. Hast du schon einen Titel?
    Der Name „bildblogkommentarekommentare“ ist zwar schön und gut, aber eindeutig zu kurz.
    Ich bin dann mal am schnell nach oben scrollen, um festzustellen, was das Thema des Beitrages von Herrn N. war. Ach, so?
    Ich bin dann mal weg.

  22. Ich nehme das jetzt mal als Kompliment und sage Danke.

    Leider habe ich für sowas keine Zeit. Ich habe einen anstrengenden Job, eine klasse Frau, zwei kleine Kinder, lasse gerade mein Elternhaus umbauen, lese einige Blogs und kommentiere auch in manchen, koche gern, esse zuviel, schlafe zu wenig.

    Der Name bildblogkommentarekommentare.de ist mir zu Nahe an bildblogkommentare.de, man muss den Mißerfolg ja nicht beschreien, oder? Da könnte ich mein Blog ja auch blog.firstmedia.de oder so nennen. Fände ich auch unpassend.

  23. Weischenberg versucht sich am alten Kniff, die Reaktion auf eigenes Reden zu diffamieren.

    Der Mann erzählt Unsinn, dieser wird daraufhin richtiggestellt, woraufhin Magnifizenz eine vorgebliche „Diskussion“ über Visits und Page Impressions zusammenfantasiert.

    Bloß: bei einfachen Additionen gibt es keine „Diskussionen“. Nur richtig oder falsch. Wer nicht einmal das weiß, schafft es höchstens bis zum Fahrkartenautomaten.

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