Warum ARD und ZDF für ACTA kämpfen

ARD und ZDF gehören bekanntlich zu den Unterzeichnern eines Aufrufs an die Bundesregierung, das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA „ohne weitere Verzögerung wie bereits beschlossen zu unterzeichnen“.

Ich habe — ursprünglich für eine „Spiegel“-Geschichte, in der das dann aber keinen Platz fand — bei den Sendern nachgefragt, welche Konsequenzenes für sie hätte, wenn ACTA nicht unverzüglich und unverändert unterzeichnet würde.

Eva-Maria Michel, Vorsitzende der Juristischen Kommission der ARD und WDR-Justiziarin:

Schon die Überschrift der angesprochenen Pressemitteilung der „Deutschen Content Allianz“ (DCA) macht deutlich, dass ACTA lediglich der Anlass ist, um die Bundesregierung zu einer „konsistenten Positionierung zum Urheberrecht“ aufzufordern. Dementsprechend erschöpft sich der Aufruf nicht auf die von Ihnen durch wörtliches Zitat isolierte Passage, sondern das eigentliche Petitum an die Bundesregierung fängt danach erst an („[…] und mit größerem Nachdruck als bisher eine zukunftsorientierte Reform des Urheberrechts [.] in Angriff zu nehmen. Hierzu zählt auch eine Verbesserung der urheberrechtlichen Rahmenbedingungen für legale Angebote“).

Dementsprechend wird auch im Weiteren darauf hingewiesen, dass die von ACTA vorgesehenen Maßnahmen bereits dem deutschen Schutzniveau entsprechen, was auch die Bundesjustizministerin – jedenfalls bislang – so sah. Aus einer Unterzeichnung des Abkommens durch die Bundesrepublik ergäben sich dementsprechend auch keine unmittelbaren Konsequenzen für die Beteiligten der DCA.

Eine unterbleibende Unterzeichnung würde allerdings deutlich machen, dass der politische Wille, eine eigentlich zentral wichtige Urheberrechtsreform endlich anzupacken, entgegen früherer, anders lautender Aussagen (siehe z.B. Koalitionsvertrag) nicht (mehr?) da ist. Der Bundesregierung insofern „auf den Zahn zu fühlen“, das ist das eigentliche und unseres Erachtens berechtigte Anliegen dieser politisch gemeinten Intervention der DCA.

Alexander Stock, Unternehmenssprecher ZDF:

Das ZDF als Nutzer und Inhaber von Rechten braucht klare Regeln und Rechtssicherheit. Es bedarf einer Anpassung der urheberrechtlichen Rahmenbedingungen an die Nutzungen in der digitalen Welt im Rahmen der anstehenden Novellierungen des Urheberrechts auf europäischer Ebene, vor allem aber auch in der dringend notwendigen Fortschreibung des deutschen Urhebergesetzes (3. Korb). Diese müssen den berechtigten Schutz des geistigen Eigentums einerseits und dessen Sozialgebundenheit andererseits berücksichtigen.

Der rechtliche Rahmen muss eine technologieneutrale Ausgestaltung der Weitersendung unserer Angebote auf Drittplattformen, unabhängig von drahtgebundenen oder drahtlosen Technologien ermöglichen. Dazu brauchen wir effektive Mechanismen für die Rechteklärung in der digitalen Welt. So sollen für die Nutzer leicht zugängliche, legale Angebote gefördert werden, was gleichzeitig die beste Prävention gegen Piraterie ist.

Die Interessen von Nutzern und Rechteinhabern müssen dazu in einen fairen Ausgleich gebracht werden. Dementsprechend kommt es für das ZDF – das sowohl Rechteinhaber als auch Rechtenutzer ist – in der digitalen Welt auf folgendes an:

1. Faire Bedingungen, angemessene Vergütung und Anerkennung für die Arbeit von Künstlern und Urhebern, was auch einen hinreichenden Schutz des geistigen Eigentums voraussetzt.

2. Die Zugangsinteressen der Nutzer und damit das Gemeinwohl müssen geschützt werden. Die Offenheit des Internet ist eine wichtige Vorbedingung für Meinungsvielfalt, Pluralismus, kommunikative Chancengleichheit und damit für die Meinungsbildung. Das ZDF spricht sich deshalb für eine möglichst weitgehende Sicherung der Netzneutralität aus.

3. ACTA lässt zwar bewährte Schranken des Urheberrechts wie bspw. die Privatkopie oder das Zitatrecht unberührt, die Umsetzung sollte aber wie oben dargestellt von der Modernisierung des Urheberrechts zur Förderung legaler Angebote begleitet werden.

4. Für das ZDF sind Fernsehen und redaktionelle Telemedienangebote gerade in der digitalen Welt keine gewöhnlichen Wirtschaftsgüter. Es handelt sich vielmehr um Kulturgüter, die für Meinungsvielfalt und Kommunikation in unserer Gesellschaft von entscheidender Bedeutung sind.

Michael Verhoevens Sohn ist arm dran

„Schuhe gibt’s auch nicht gratis“, steht über dem Artikel des Regisseurs Michael Verhoeven über ACTA im aktuellen „Focus“, und genau genommen könnte man natürlich an dieser Stelle aufhören zu lesen. Es ist die „Ihr seid alle Diebe“-Nummer, und selbst wenn sie nicht falsch wäre, wäre sie alt.

Tatsächlich lohnt es sich aber, den Text trotzdem zu lesen, weil er die Diskussion noch viel weiter zurückwirft, als die Überschrift befürchten lässt.

In der Welt dieses „Focus“-Artikels, in der Welt des Michael Verhoeven gibt es keinen legalen Handel mit digitalen Inhalten im Netz.

Verhoevens Text beginnt so:

Ein Kunde geht in ein Musikgeschäft und entdeckt dort eine tolle CD. Am Ausgang wird er festgehalten. Er hat nämlich etwas vergessen: Er hat nicht bezahlt.

Das Netz ist wie ein Supermarkt. Hier entdeckt der Kunde ebenfalls tolle Musik und lädt sie herunter. Und auch er hat etwas vergessen. Er hat nicht bezahlt — doch niemand hält ihn auf.

Die Möglichkeit, dass der Kunde die tolle Musik im Netz entdeckt, heruntergeladen und bezahlt hat — sie kommt nicht vor.

Verhoeven:

Mein Sohn Simon ist Komponist. Über die Verwertungsgesellschaft GEMA ist er beteiligt, wenn seine Musik (z. B. in dem Film „Männerherzen“) im Kino, im Radio oder Fernsehen aufgeführt wird.

Was aber über das Netz verbreitet wird, wird nicht abgerechnet. Da geht er leer aus, und seine Musiker und alle am Herstellungsprozess Beteiligten sind ebenfalls betrogen.

Das ist strunzfalsch. Was über das Netz verbreitet wird, wird auch abgerechnet. Im Dezember erst hat die GEMA sich mit dem Internetverband Bitkom über Vergütungs-Regeln geeinigt. Und auch im endlosen Streit zwischen GEMA und YouTube geht es um die Frage, wie hoch die Vergütung sein soll — nicht um die Vergütung an sich.

Verhoeven wendet sich dann an die Diebe direkt und versucht es damit, sie als Kindergartenkinder zu behandeln:

Sie verstehen doch, lieber User, dass ein Drehbuchautor, ein Regisseur, ein Produzent, ein Sänger für die Verbreitung seiner Arbeit ein Honorar bekommen muss. Wenn Sie in einen Laden gehen, wissen Sie, dass Sie die Ware bezahlen müssen. Wieso erwarten Sie nicht das Gleiche, wenn Sie im Netz eine Ware beziehen?

Viele erwarten es. Viele tun es.

Eines der Probleme ist, dass sich für viele „Waren“, die Menschen gerne im Internet „beziehen“ würden, gar keine Bezahlmöglichkeiten angeboten werden. Dass quasi die Kassen fehlen.

Lustigerweise hat Verhoeven denselben Gedanken erblickt. Aber er hat leider die falsche Auffahrt genommen und landet dort als Geisterfahrer:

Sie haben ja die Freiheit, das Lied oder den Film herunterzuladen.

Niemand verbietet es Ihnen. Aber bitte nicht, ohne an der Kasse das Geld hinzulegen.
Entsprechende Kassen gibt es, denken Sie an die Schuhe, die Sie im Internet gekauft haben. Aber im Fall von Musik oder Spielfilmen sind die Kassen nicht besetzt. Noch nicht.

Es ist merkwürdig, das im März 2012 noch irgendwohin zu schreiben, aber gut: Doch, es gibt auch im Fall von Musik oder Spielfilmen schon Kassen, die besetzt sind, und in manchen stecken schon gewaltige Einnahmen.

Es kommt aber schlimmer. Verhoeven hält ACTA tatsächlich für ein Kassenaufstellabkommen, nicht für ein Kaufhausdetektivabkommen.

Aber im Fall von Musik oder Spielfilmen sind die Kassen nicht besetzt. Noch nicht. Jetzt, wo das geschehen soll, wird geschrien: „Das ist Zensur!“ Wie bitte? Ist es Zensur, dass Sie die Schuhe bezahlen müssen, die Sie im Internet gekauft haben?

Was fehlt noch? Richtig: Netzsperren. Und Kinderpornographie.

Ich bin gegen Zensur. Aber im Netz bin ich zum Beispiel dafür, dass der Konsument von Kinderpornografie nicht etwa bestraft wird, sondern dass er sich den Dreck gar nicht erst ansehen kann, weil eine „Zensur“ ihn schon herausgefiltert hat. Wenn jemand zu bestrafen wäre, dann der, der diese Dinge ins Netz stellt. Und mitschuldig ist auch der Anbieter, der Provider, der Öffner des Portals, der laut Leutheusser-Schnarrenberger nicht Hilfssheriff spielen soll.

Ich habe nicht die Kraft, all das, was daran falsch und schlimm ist, aufzudröseln. Ich würde mich allerdings Verhoevens nächstem Satz anschließen:

Hier sind viele Fehleinschätzungen im Umlauf.

Ich fürchte, dass dieser Artikel nicht nur etwas über die Ahnungslosigkeit von Michael Verhoeven aussagt, der glaubt, dass man im Internet Filme nur stehlen kann, bis endlich die ACTA-Kassen aufgestellt sind. Ich fürchte, dass das Stück und die Tatsache, dass der „Focus“ das so gedruckt hat, auch etwas darüber aussagt, in welchem Maß die ACTA-Lobby bereit ist, mit Unredlichkeit und Boshaftigkeit für ihre Interessen zu kämpfen. Sie scheint aus ihren Fehlern nur exakt eine Lektion gelernt zu haben: Dass sie die Urheber vorschicken muss.

Medienlexikon: Presserabatt

Der Spiegel

Presserabatt, der: unproblematische Sonderbehandlung von Journalisten, die sich von Sonderbehandlungen nicht beeinflussen lassen.

Es ist leicht, das Journalistenleben zu romantisieren. Dabei ist es oft ein Fluch. Allein diese ganzen Privilegien!

Internetseiten wie Pressekonditionen.de bieten einen eindrucksvollen Einblick, welchen Zumutungen man sich aussetzen muss, nur weil man mit seiner Familie für 25 Prozent weniger in den Urlaub fliegen will. Es sind erschütternde Zeugnisse von verschwendeten Leben in Warteschleifen, emotionale Schicksalsberichte über nicht erfüllte Sonderwünsche bei der Platzwahl im Flugzeug.

Man kann hier leicht den Eindruck bekommen, dass die Hälfte der Pressestelle von Air Berlin nur damit beschäftigt ist, vergünstigte Tickets für Journalisten auszustellen. Und die andere Hälfte damit, Reklamationen zu beantworten und geduldig zu erkären, dass es zwar die tolle kostenlose Pressekarte mit besonderen Vorzügen nicht mehr gibt, aber das Angebot, die „Card Silver“ mit ähnlichen Vorteilen zu kaufen, auch noch ein besonderes Entgegenkommen darstellt. „Sehr kundenunfreundlich“, nennt ein Andreas im Forum das.

Schon als Air Berlin vor zwei Jahren beschloss, den Rabatt von 50 Prozent auf 25 zu halbieren, erkaltete die Beziehung vieler Profirabattnehmer zu der Fluggesellschaft. Manche scheinen seitdem die Sonderangebote nur noch widerwillig in Anspruch zu nehmen. Man mag sich nicht ausmalen, wie viele freundliche Erwähnungen von Air Berlin in Artikel-Nebensätzen seitdem weggefallen sind.

Die Sorge muss sich die Deutsche Bahn zum Glück mangels freundlicher Erwähnungen nicht machen. Insofern dürfte ihr die Entscheidung leicht gefallen sein, demnächst keine Journalisten-Bahncard zum reduzierten Preis mehr anzubieten. Sicherheitshalber nutzte sie dafür den Windschatten der Debatte um Christian Wulff, in der manche Journalisten beim Echauffieren über Vergünstigungen, die der ehemalige Bundespräsident angeblich in Anspruch nahm, so dicke Backen machten, dass man mit dem ganzen Wind von Berlin nach Hannover fliegen könnte.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) wies die Forderung der Anti-Korruptionskämpfer „Transparency International“ nach einem generellen Verzicht auf Presserabatte zurück. Sein Sprecher sagte, das sei „Sache eines jeden Journalisten, ob er Presserabatte annimmt oder nicht. Da bedürfen wir keiner Belehrung durch andere Organisationen.“ Auch was Transparenz und Selbstkritik angeht, pochen Journalisten auf Rabatt.

Programmhinweis (41)

Mehrere Freunde von mir hassen mich seit Wochen dafür: Ich bin heute in der „Hörbar Rust“. Das ist insofern eine Unverschämtheit, weil sie im Grunde ihr ganzes Leben schon auf eine solche Einladung hinarbeiten und im Kopf immer wieder neu die besten, treffendsten, coolsten, verwegendsten acht bis zehn Musiktitel sortieren, mit denen sie sich und ihr Leben in so einer Sendung präsentieren würden. Und stattdessen sitzt dann da ein Banause wie ich.

Ich habe mich bei der Auswahl meiner Wunschtitel nach längerem Überlegen entschieden, relativ offensiv zu den Abgründen meines (früheren) Musikgeschmacks zu stehen. (Purple Schulz mit „Kleine Seen“ ist dann am Ende aus Zeitgründen rausgefallen; ich bin mir aber gerade nicht ganz sicher, ob diese Information eher beruhigend oder furchteinflößend wirkt.)

Nachher können Sie mich also zwei Stunden lang reden hören über die Tücken der Lage des Franziskushospitals, die Eingemeindung von Harderberg nach Georgsmarienhütte, das Blutwunder von Rulle, die vermutlich gefälschte Gründungsurkunde des Gymnasium Carolinum, die musikalische Vorgeschichte von Sia, die Piefigkeit des RBB-Fernsehens und die Zeichentrickserie „Es war einmal der Mensch“. (Nicht dass ich mich mit alldem auskennte, was man in der Sendung ganz gut merkt.)

(Nachtrag: Weil die Schweine einfach schon nach gefühlt zwanzig Sekunden aus der Nummer rausgegangen sind, hier die grandiose Blassportgruppe-Version von „Solang man Träume noch leben kann„.)

Flausch am Sonntag (43)

Für Stefan Vogel, ohne den ich nicht nur Bambam nie kennengelernt hätte.

Wenn man als Redaktion einen Fehler gemacht hat…

Dass die WAZ-Zeitschrift „Neue Welt“ vor zwei Wochen behauptete, die schwedische Kronprinzessin Victoria habe, hurra, einen Jungen zur Welt gebracht, obwohl sie doch, naja, nur ein Mädchen gebar, lag, anders als gedacht, nicht daran, dass der Redaktionswürfel kaputt war, sondern daran, dass Menschen „aus dem allerengsten Umfeld“ der Königsfamilie, „unter anderem eine enge Verwandte von König Carl Gustav“ der „Neuen Welt“ das falsch erzählt hatten.

Das weiß ich aus dem Editorial der „Neuen Welt“, in dem sich das Team, ohne lange um den heißen Brei herumzureden, bei den Leserinnen und Lesern entschuldigt:

Der lustigste Satz ist natürlich dieser:

Wir möchten, dass Sie sich auf Ihre Zeitschrift auch weiterhin verlassen können.

Ich habe am vergangenen Donnerstag per Mail bei Paul Binder nachgefragt, dem Pressesprecher der WAZ-Gruppe:

Können Sie mir sagen, ob die Redaktion der „Neuen Welt“ sich auch für die zahlreichen anderen Fehler aus den letzten Monaten (Maxima wird jetzt Königin, Maxima bekommt einen Jungen, Maxima bekommt Zwillinge, etc.) bei ihren Lesern entschuldigen wird? Oder ist dies schon geschehen?

Ich habe noch nichts von ihm gehört, aber er meldet sich bestimmt, sobald die hausinterne Umgehungsstraße um den heißen Brei fertiggestellt ist.

Bis dahin bleibt leider auch meine andere Frage an ihn unbeantwortet: Wer ist dieser Peter Voss?

Programmhinweis (40)

Vor ein paar Wochen war ich mit dem sehr geschätzten Daniel Fiene in Dortmund bei „Zoom — Das Mediencafé“. Das ist eine Gesprächssendung, die Journalistik-Studenten der TU Dortmund in einem Seminar von Michael Steinbrecher unter professionellen Bedingungen produzieren.

Heute Abend lief die Aufzeichnung auf dem Lernsender „NRWision“. Aber weil die Sendung großen Spaß gemacht hat, freue ich mich, dass man sie sich auch in diesem Internet ansehen kann. (Moderation: Frederic Kappen, Redaktionsleitung: Christian Greis.)

Medienlexikon: Punktetacho

Der Spiegel

Punkte-Tacho, der: Gerät zur Maximierung der Berichterstattung um den Preis der Lächerlichkeit.

Es lag eher nicht an der undurchdringlichen Komplexität der Materie. Und man muss auch nicht annehmen, dass die Menschen im Bundesverkehrsministerium gesagt hatte: „Leute, das versteht keiner, dass in Zukunft schon bei acht Punkten der Führerschein weg ist, lass uns das aufmalen, mit Zahlen von eins bis acht, im Dreiviertelkreis angeordnet auf einer Scheibe, die wie ein überdimensionaler Tachometer aussieht, mit verschiedenen Farben, die die wachsende Gefahr und unterschiedliche Warnstufen symbolisieren, und einem Zeiger, so dass die Menschen das, wenn sie es im Fernsehen gesehen haben, später im Geist nachvollziehen können: zwei Punkte — geht noch; acht Punkte — Lappen weg.“

Es war wohl eher so, dass die Verantwortlichen gesagt haben: Wäre doch schön, wenn wir ein buntes Motiv für die Fotografen hätten, vor dem der Minister stehen könnten. Dann steigern wir erstens die Chance, dass er auf die Titelseiten kommt, und verhindern zweitens, dass die Medien sich eigene Symbolfotos ausdenken müssen. (Der Online-Auftritt von „Bild“ illustriert Artikel über die Verkehrssünderkartei seit Jahren mit einem Foto, auf dem jemand schwarze Klebepunkte mit einem Radiergummi von seinem Führerschein rubbelt.)

Und so standen am Dienstag bei der Vorstellung des geplanten neuen Punkte-Systems im Verkehrsministerium zwei große „Punkte-Tachos“ herum, eines hinter dem Rednerpult und eines in einer eigenen Foto- und Interviewsituation.

Das mit dem „Tacho“ war natürlich schon deshalb Unsinn, weil das Ding keine Geschwindigkeit anzeigt. Und die Farben könnten, wenn man sie ernst näme, auch eher verwirren: Anders als an der Ampel darf man bei Rot (sechs und sieben Punkte) nämlich noch fahren, erst die Schwarze Acht bedeutet ein Fahrverbot — vermutlich muss man froh sein, dass Peter Ramsauer sein System nicht am Billardtisch vorführte.

Die Strategie mit dem „Punkte-Tacho“ ist insoweit aufgegangen, als Ramsauer am Tag danach tatsächlich groß auf und in vielen Zeitungen zu sehen war — bevorzugt mit einem Motiv, auf dem er mit einer Hand den Zeiger auf acht dreht und mit der anderen ein Daumen-Runter-Zeichen macht. Das Motiv strahlt die Natürlichkeit, Spontaneität und Ernsthaftigkeit einer Donald-Duck-Sammelfigur aus Plastik aus, aber Ramsauer ist ein Typ Politiker, der es in Kauf nimmt, eine Lachnummer zu sein, solange er überhaupt eine Nummer ist. Notfalls sogar die Acht.

Hurra: Urheberrecht im Internet verbessert!

Okay, die Zeitungen müssen anscheinend doch noch nicht sofort sterben. Die Bundesregierung hat beschlossen, den Verlegern das von ihnen so dringend gewünschte und im Koalitionsvertrag versprochene Leistungsschutzrecht zu geben.

Es gäbe dazu viel zu sagen, aber vielleicht genügt für den Anfang, um die Absurdität diese Entscheidung deutlich zu machen, ein einziger Satz aus dem Beschluss des Koalitionsausschusses:

Gewerbliche Anbieter im Netz, wie Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren, sollen künftig für die Verbreitung von Presseerzeugnissen (wie Zeitungsartikel) im Internet ein Entgelt an die Verlage zahlen.

Noch einmal?

Gewerbliche Anbieter im Netz, wie Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren, sollen künftig für die Verbreitung von Presseerzeugnissen (wie Zeitungsartikel) im Internet ein Entgelt an die Verlage zahlen.

Google und womöglich auch die Perlentaucher und turi2s dieses Landes sollen den Verlagen also Geld dafür geben, dass sie helfen, dass deren Inhalte ein Publikum finden.

Das ist etwa, als müssten die Gelben Seiten den Unternehmen dafür zahlen, dass sie ihre Informationen aufnehmen dürfen. Als müsste der Busfahrer dem Kirmesbetreiber Geld dafür geben, dass er die Kunden zu ihm bringt. Dem Vorhaben fehlt jede innere Logik.

Die äußere Logik ist die: Mit Suchmaschinen ist es leichter, Geld zu verdienen, als mit journalistischen Angeboten. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es für viele Unternehmen attraktiver ist, auf Suchmaschinen zu werben als in journalistischen Online-Angeboten. Deshalb sollen die Suchmaschinen in Zukunft zahlen, obwohl sie eine doppelte Dienstleistung erbringen: für den Leser und für den Inhalteanbieter.

Profitieren sollen davon Seiten wie das Online-Angebot der „Welt“, das behauptet, es gehe um die „Veröffentlichung von Presseartikeln“ durch Suchmaschinen wie Google. Und Seiten wie die Online-Angebote von „Bild“, „WAZ“, „Spiegel“ und anderen, vermutlich damit sie es sich auch in Zukunft leisten können, wortgleich die Desinformationen der Nachrichtenagentur dapd übernehmen können. Die meldet den Beschluss eines Leistungsschutzrechtes grotesk propagandistisch und sachlich irreführend:

Koalition verbessert Urheberrecht im Internet

Berlin (dapd). Das Urheberrecht im Internet soll nach dem Willen der schwarz-gelben Koalition erheblich verbessert werden.