Aus dem Online-Auftritt der „Schaumburger Nachrichten“:
[mit Dank an BILDblog-Leser Steffen P.]
Aus dem Online-Auftritt der „Schaumburger Nachrichten“:
[mit Dank an BILDblog-Leser Steffen P.]
Am Sonntagnachmittag habe ich hier im Blog ein dapd-Feature über Baku kritisiert. Das veranlasste den Chefredakteur Cord Dreyer, am nächsten Tag folgende Rundmail an alle Redakteure zu verschicken:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
offensichtlich ärgern sich viele von Ihnen über die Kritik in einem Medienblog an einem unserer Texte aus Aserbaidschan. Bitte lassen Sie sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen oder gar verunsichern. Es ist in der Tat so, dass die Arbeit von Unternehmen, die auf Erfolgskurs sind, in der Branche mitunter besonders kritisch beäugt wird.
Fakt ist:
- Kein anderes Medium ist im Vorfeld des ESC für seine Kunden so lange vor Ort und berichtet so ausgiebig und ausgewogen über Aserbaidschan wie dapd. Teil unserer Berichterstattung sind selbstverständlich viele Berichte über Menschenrechtsverletzungen, Aktivitäten der Opposition und regierungskritischer Organisationen.
- Zu einer solch ausgewogenen und insgesamt kritischen Berichterstattung gehört als eine Stilform auch ein Städteporträt mit subjektiven Eindrücken. Nicht jeder Text über Aserbaidschan kann drei Hintergrundabsätze über die Menschenrechtsverletzungen in dem Land enthalten, die es ohne Zweifel gibt. Im Internet finden Sie ein Beispiel dafür, wie dpa in einem ähnlichen Feature kaum anders mit dem Thema umgegangen ist.
- Als Nachrichtenagentur sind wir selbstverständlich unabhängig und berichten auch unabhängig. Wir lassen uns die Form und den Tenor unserer Berichterstattung nicht vorschreiben.
- Von dieser Unabhängigkeit können Sie sich leicht überzeugen, wenn Sie all die Beiträge über Aserbaidschan in unserem Dienst lesen.
Ich möchte Sie ermutigen, Ihre gute Arbeit fortzusetzen und sich durch solcherlei Angriffe nicht beeindrucken zu lassen. Wer Erfolg hat, steht auch immer in der Kritik. Daran müssen wir uns gewöhnen. Wir sollten mit dieser Kritik aber selbstbewusst umgehen.
Herzliche Grüße
Ihr
Cord Dreyer
Entweder ist ein dapd-Redakteur also ein so sensibles Geschöpf, das schon auf öffentliche Kritik an der Arbeit eines Kollegen mit Selbstzweifeln, Panik und Alleshinwerfgedanken reagiert, dass der Chef gleich eine Durchhalte-, Kopfhoch- und Wir-lassen-uns-nicht-unterkriegen-Notfall-Mail verfassen muss.
Oder die Angst und der Ärger liegen doch eher auf Seiten des Chefredakteurs.
Sein Vorschlag, sich von der „Unabhängigkeit“ der dapd-Berichterstattung über Aserbaidschan durch einen Blick ins Archiv zu überzeugen, ist allerdings ein überraschend guter. Der Unternehmenssprecher von dapd hatte mir am Dienstag dieselbe Anregung gegeben und freundlicherweise gleich ein umfangreiches PDF mit entsprechenden Agenturmeldungen geschickt, die belegen sollen, dass dapd die notwendige kritische Distanz hält.
Mein Eindruck nach dem Lesen war ein ganz anderer.
Eine Meldung des dapd-Korrespondenten in Baku über eine regierungskritische Demonstration am vergangenen Sonntag endete mit folgenden Sätzen:
[Präsident] Alijews Sprecher Ali Hasanow sagte der dapd vergangene Woche, er sehe Demonstrationen von Regierungsgegnern als Beweis für „eine funktionierende Zivilgesellschaft“. Er wies den Vorwurf zurück, es gebe „politische Gefangene“. „Die sitzen wegen konkreten Straftaten wie beispielsweise Hooliganismus im Gefängnis“, sagte Hasanow. Jedem stehe der Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte frei.
Das ist blanker Hohn. Nach Angaben der Bundesregierung hat Aserbaidschan aktuell 46 Urteile des Gerichtshofs wegen Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonventionen nicht umgesetzt.
Am selben Tag lieferte der Baku-Korrespondent von dapd auch ein längeres „Hintergrund“-Stück zum Thema. Anders als dessen Titel „Vor dem ESC in Aserbaidschan formiert sich die Opposition“ suggeriert, kommt in dem Bericht kein Oppositionspolitiker zu Wort. Stattdessen erhält wieder die Regierung das Wort:
(…) Erstmals seit rund zehn Jahren finden in der Hauptstadt Baku regelmäßig Demonstrationen statt. (…) „Es gibt also eine funktionierende Zivilgesellschaft“, kommentierte Ali Hasanow, der Sprecher von Staatspräsident Ilham Alijew, zuletzt im Gespräch mit dapd. (…)
„Das Internet ist völlig frei“, betont auch Hasanow, dem die kritische internationale Berichterstattung über sein Land zu undifferenziert erscheint. So sei etwa immer wieder zu lesen, dass regimekritische Demonstrationen in der Vergangenheit nicht genehmigt worden seien. „Es ging nicht darum, ob demonstriert werden darf, sondern darum, wo“, sagt Hasanow. Die Opposition habe darauf bestanden, im Zentrum von Baku auf die Straße zu gehen. Wegen des dichten Verkehrs und den Baudenkmälern habe die Stadtverwaltung Sicherheitsbedenken angemeldet und Versammlungsplätze auf Brachflächen in Vororten vorgeschlagen. „Erst jetzt wird das von Jugendorganisationen und Oppositionsparteien akzeptiert“, sagt Hasanow: „Es ist gut, dass sie nun dort demonstrieren.“ (…)
Laut Meinungsumfragen kommt Präsident Alijew unter den knapp fünf Millionen Wahlberechtigten weiterhin auf traumhafte Zustimmungsquoten von über 70 Prozent.
Das mag zum Beispiel Ausdruck dessen sein, was die Friedrich-Ebert-Stiftung die „paternalistische Auffassung von Staatsgewalt“ bei einer Mehrheit der Aseris nennt, „wonach die Regierung für die Gesellschaft sorgt wie Eltern für ihre Kinder“. Aber in einem Land, in dem der Opposition nur wenig Raum in der Öffentlichkeit und den Medien eingeräumt wird, was natürlich einen Meinungsbildungprozess behindert, wäre es für eine seriöse Nachrichtenagentur vielleicht eine gute Idee, die angebliche Zustimmungsquote nicht unqualifiziert mit dem Wort „traumhaft“ zu bejubeln.
Am Tag zuvor war es der aserbaidschanische Energie- und Industrieminister Natig Alijew, den dapd ausführlich zu Wort kommen ließ: „Im Gespräch mit Jakob Lemke beantwortete Alijew auch Fragen zu internationaler Kritik an Aserbaidschan (…).“
dapd: Ein anderes Thema, bei dem Aserbaidschan internationale Kritik einstecken muss, sind Zwangsräumungen durch die staatseigene Öl- und Gasfirma Socar. Zuletzt wurden dabei sogar Journalisten verletzt, der Presserat protestierte. Was sagen Sie zu solchen Vorfällen?
Alijew: Ich denke, wenn Socar Maßnahmen ergriffen hat, ist dies durch das Rechtssystem geregelt. Das Gesetz steht höher als Personen oder Firmen. Nach meinen Informationen hat Socar Gerichtsurteile erwirkt, weil diese Häuser ohne Genehmigung errichtet wurden. Socar hat die Grundstücke für Öl- und Gasprojekte bekommen — das sind keine Grundstücke für Häuser. Wenn also die Häuser illegal errichtet wurden, dann liegt Socar richtig. Aber ich wiederhole: Das Gesetz steht über den Firmen.
Und zum Weltfrauentag am 8. März schenkte dapd Aserbaidschan ein „Feature“, das zwar auch die Kritik von Nichtregierungsorganisationen an Benachteiligungen von Frauen thematisierte („Licht und Schatten prägen die Rolle der Frau in Aserbaidschan“), aber Raum fand, dem Präsidentenpaar ein paar Blumenkränze zu flechten:
Nach amtlichen Statistiken sind rund 45 Prozent der Angestellten im Land weiblich. Vorbild ist die „First Lady“ Mehriban Alijewa, die ihren Mann bei der Modernisierung des Landes durch intensive Stiftungsarbeit und viele öffentliche Auftritte unterstützt. Auch ihre eigene Website betreibt Alijewa, die Medizin und Philosophie studiert hat.
Wie gesagt: All diese zitierten Meldungen sind ausschließlich solche, die mir dapd eigens herausgesucht hat, um die journalistische Distanz der Berichterstattung aus Baku zur Regierung zu belegen. Wer sie liest, erfährt tatsächlich gelegentlich etwas über die Kritik an dem Regime. Vor allem aber wird er ausführlich und weitgehend ungefiltert mit dessen Propaganda versorgt.
Es sind Meldungen, die dazu passen, dass ihr Autor für die teetrinkenden Polizisten in Baku schwärmt und Sätze schreibt wie: „Angst vor Uniformierten ist in Aserbaidschan nicht notwendig.“
Das muss es sein, was dapd-Chefredakteur mit der „insgesamt kritischen“ Berichterstattung seiner Agentur über Aserbaidschan meint.
Aber bitte, Herr Dreyer, lassen Sie sich von diesem Eintrag nicht beeindrucken, aus der Ruhe bringen oder gar verunsichern.
Im Herbst 2010 hat die Nachrichtenagentur dapd einen dreiköpfigen Beirat berufen, der die journalistische Unabhängigkeit ihrer Berichterstattung schützen soll. Seitdem können sich Redakteure, wenn sie unzulässige Versuche der Einflussnahme wahrnehmen, direkt zum Beispiel an den ehemaligen ZDF-Intendant Dieter Stolte wenden.
Das hätte im Fall des auffallend regimefreundlichen dapd-Features über Aserbaidschan, das vor zehn Tagen erschien, eine schöne Ironie. Denn Dieter Stolte schützt nicht nur die Unabhängigkeit der Berichterstattung von dapd. Dieter Stolte sitzt auch im Beirat der PR-Firma Consultum Communications. Und Consultum Communications ist eine Agentur, die im Auftrag Aserbaidschans daran arbeitet, das Image des autoritär regierten Landes in Deutschland zu verbessern.
dapd sieht darin kein Problem. Sprecher Tobias Lobe schließt eine Einflussnahme Stoltes aus: „Professor Stolte steht seit Jahrzehnten für journalistische Unabhängigkeit und Integrität. Er beschäftigt sich nicht mit tagesaktuellen Fragestellungen der dapd.“
Lobe sieht auch keinen grundsätzlichen Interessenskonflikt darin, dass jemand, der die journalistische Unabhängigkeit sicherstellen soll, seinerseits im Beirat eines Unternehmens sitzt, das davon lebt, Medien in seinem Sinne zu beeinflussen: „Herr Prof. Stolte würde sich für Derartiges auch nicht missbrauchen lassen.“
In dem dapd-Feature wird ein autoritäres Regime zur demokratisch legitimierten Herrschaft eines allseits geschätzten, gütigen und großzügigen Präsidenten verklärt. Die Staatsgewalt, die durch willkürliche Entscheidungen, Verstöße gegen Menschenrechte und Übergriffe gegen Demonstranten und Kritiker von sich reden macht, tritt hier in Gestalt von gemütlichen Polizisten auf, die Tee trinken, weil nichts zu tun ist. Auf meine Frage, ob dieser Text den journalistischen Standards von dapd entspricht, antwortet Lobe nicht direkt. Stattdessen erklärt er unter anderem:
Journalistischer Standard einer objektiv und professionell arbeitenden Nachrichtenagentur ist, gewissenhaft zu informieren und nicht zu manipulieren. In diesem Fall handelte es sich um ein Reise-Feature, dass auch online im Reiseressort einer Zeitung verbreitet wurde. Das Autorenstück — verfasst von einem Korrespondenten, der viele Jahre für dpa gearbeitet hat — legt einen besonderen Schwerpunkt auf die dynamische Entwicklung des Landes als Magnet für Tourismus und die internationale Geschäftswelt. Es handelt sich um ein Stadtportrait und keine Analyse der politischen Verhältnisse. Es ist wohlgemerkt ein Artikel im Rahmen eines sehr umfangreichen Themenangebots der Aserbaidschan-Berichterstattung, die zahlreiche kritische Artikel umfasst. Wir regen an, die Frage nach journalistischen Standards auch anderen Agenturen zu stellen. Ein ähnliches Feature ist u.a. von Focus, Stern, Welt, FR online veröffentlicht worden. Nachzulesen z. B. unter www.stern.de/reise/baku-das-dubai-des-kaspischen-meeres-1812943.html. In diesem Beitrag eines Mitbewerbers werden Fragen nach Menschenrechten und Pressefreiheit auch nicht thematisiert, da ein anderer thematischer Fokus gesetzt wurde. Das kritisieren wir jedoch ausdrücklich nicht.
Der Unterschied zwischen dem erwähnten dpa-Stück und dem dapd-Stück ist allerdings, dass bei dpa die Politik ganz ausgeblendet ist. Bei dapd ist sie ein entscheidender Aspekt des Features — und das ganz im Sinne des Regimes.
Markus Löning, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, kommentiert den dapd-Beitrag über Aserbaidschan so:
Entweder hat hier ein Blinder geschrieben oder ein Dummkopf oder es war ein PR-Auftrag. Unglaublich wie man so an der Realität dieses Landes vorbei schreiben kann. Ich kenne Aserbaidschan aus vier Besuchen in den letzten zehn Jahren. Es gibt dort viel interessantes zu sehen und zu entdecken. Faszinierendes aus einer unruhigen und bewegten Geschichte, spannendes über den rasanten Zufluss an Ölgeld und abstossendes über die gewissenlose Durchsetzung von Macht– und Geldinteressen. Es ist ein buntes Bild mit heftigen Schattenseiten. Wer nur den Sonnenschein schildert muss sich gefallen lassen, naiv, blind oder bezahlt genannt zu werden.
Der Menschenrechtsbeauftragte ist beim Auswärtigen Amt angesiedelt. Das Außenministerium hat Ende vergangenen Jahres spektakulär entschieden, einen Großauftrag nicht mehr dpa, sondern der Konkurrenz von dapd zu erteilen. dpa wirft dapd unter anderem Preisdumping und Qualitätsmängel vor.
Nachtrag, 30. April. Markus Löning rudert zurück: Nach der Lektüre weiterer Berichte des Autors habe er sich bei ihm für den Vorwurf der einseitigen Berichterstattung und seine „scharfe Wortwahl“ entschuldigt, schreibt er.
Einerseits ist es natürlich traurig, dass die Nachrichtenagenturen dpa und dapd zu ihrem anhaltenden Sandkastenduell nicht einmal eigene Förmchen mitbringen. Andererseits wäre es auch schade, wenn über die Qualität von dapd diskutiert würde, ohne deren Feature „Baku — Kaukasische Metropole zwischen Europa und Orient — Geschichte und Moderne dicht beieinander — ‚Kommt und schaut euch Baku an'“ zu würdigen.
Es ist ein Stück, das sich liest, als hätte es eine der PR-Agenturen Aserbaidschans selbst diktiert — als Kontrastprogramm zu all den unschönen Geschichten über zusammengeschlagene Journalisten, drangsalierte Regimegegner, verhaftete Demonstranten.
Um es vorweg zu sagen: Natürlich ist Aserbaidschan mehr als ein Ort, an dem Menschenrechte verletzt werden. Es ist ein faszinierendes Land voller Widersprüche, der vielleicht säkularste muslimische Staat der Welt, Baku eine glitzernde, staubige Metropole.
Im Baku-Werbeprospekt von dapd, verfasst von Jakob Lemke, liest sich das so:
Gut 20 Jahre nach der Befreiung von sowjetischer Fremdherrschaft öffnet sich Baku zunehmend wieder dem Westen und den Touristen. Am 26. Mai wird man sich als Gastgeber des diesjährigen Eurovision Song Contest (ESC) Tausenden von Besuchern und geschätzten 140 Millionen Fernsehzuschauern präsentieren. Um sich unabhängiger vom Öl- und Gasgeschäft zu machen, soll Tourismus entwickelt werden. Die internationale Geschäftswelt strömt bereits wieder ins Land.
So weit, so gut. Und jetzt geht’s los:
„Baku wird die schönste Stadt der Welt“, verspricht Staatspräsident Ilham Alijew regelmäßig. 2008 wurde er mit 88 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen im Amt bestätigt. Um viele Prestigeprojekte wie das ESC-Finale, das neue Teppichmuseum mit Goldornamenten im Dach oder den prunkvollen Boulevard am Kaspischen Meer kümmert sich die Präsidentenfamilie persönlich. Die Stadtbevölkerung scheint den Kurs zu bejahen. „Seit die Alijews regieren, geht es aufwärts“, hört der westliche Besucher in aller Regel auf die Frage, ob zur wirtschaftlichen Dynamik nicht auch mehr Demokratie passe.
Ein legitimer Herrscher, der seine Stadt schön und ihre Bewohner glücklich macht. Wer will so ein hübsches Bild schon zerkratzen durch die Information, dass die Präsidentschaftswahl von internationalen Beobachtern kritisiert wurde, weil zum Beispiel die Opposition kaum Möglichkeiten hatte, sich in den Medien oder der Öffentlichkeit darzustellen; dass Demonstrationen verboten waren, und dass alle größeren Oppositionsparteien die Wahl boykottierten.
Und klingt es nicht rührend, fast selbstlos, dass sich die Präsidentenfamilie sogar „persönlich“ um die aufregendsten Projekte „kümmert“? Die Feststellung an sich ist nicht falsch. Man könnte es, etwas treffender, vielleicht so formulieren, dass die Präsidentenfamilie das Land einfach behandelt, als würde es ihr gehören. Aserbaidschan ist eines der korruptesten Länder der Welt. Es ist reich (Öl), aber der Reichtum kommt vor allem einer kleinen Clique zugute. Bürgerrechtler sagen, dass die Präsidentenfamilie und ihre Freunde sich um das Land „kümmern“, wie es die Mafia tut.
Aber auch mit der kann man sich ja arrangieren, und warum soll man die Menschen in Baku mit so etwas Anstrengendem wie echter Demokratie oder Rechtsstaatlichkeit zwangsbeglücken, wenn sie zufrieden sind, so wie es ist? Zum Beleg dafür zitiert dapd irgendjemanden, der nicht genannt wird, und behauptet, was er sagt, sei das, was der westliche Besucher „in aller Regel“ hört. Wenn ich Kunde bei einem Laden wäre, der seriöse Nachrichtenagentur sein will und eine solch windige Formulierung durchgehen lässt, würde ich mein Geld zurückverlangen.
Und wie geschickt vage das Zitat eingebaut ist:
„Seit die Alijews regieren, geht es aufwärts“, hört der westliche Besucher in aller Regel auf die Frage, ob zur wirtschaftlichen Dynamik nicht auch mehr Demokratie passe.
Es ist in dieser Formulierung nicht eindeutig, ob es laut (mutmaßlich von dapd erfundenem) Zitat wirtschaftlich aufwärts geht oder in Bezug auf die Demokratie. Nach Ansicht von Bürgerrechtlern und internationalen Beobachtern geht es mit der Demokratie in Aserbaidschan nicht aufwärts, nicht einmal ein bisschen. Es wird schlimmer.
Man würde das nicht ahnen, als dapd-Kunde oder -Leser.
Es folgen weitere Werbe-Sätze:
Wolkenkratzer entstehen in atemraubendem Tempo, an Bushaltestellen informieren moderne LCD-Bildschirme, Luxusboutiquen und Einkaufszentren locken — Baku zeigt sich reich. Wer sich auf das Stadtleben einlässt, erlebt eine selbstbewusste, zukunftsorientierte City.
Ich will nicht ausschließen, dass es das auch gibt. Mir haben Menschen, die sich auskennen oder dort leben, erzählt, dass sie eine Stadt erleben mit wenig Kulturleben und viel Materialismus — und dass die klugen Köpfe, die es können, das Land verlassen.
An den Plakatwänden prangt Werbung für Mobiltelefone und Modeketten, die alten Lada-Taxis haben mittlerweile Konkurrenz von violetten London-Taxis bekommen.
Ja. Oder wie es Peter-Philipp Schmitt in seiner Reportage in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ schrieb:
Seinen Job hat Saxib auch gleich verloren. Er war Taxifahrer, hatte einen Kredit aufgenommen und einen Lada gekauft. Vor einigen Wochen aber schaffte Baku Tausende Neuwagen an. Sie sehen aus wie die berühmten Londoner Cabs. Gleichzeitig erging ein Erlass, dass Autos bestimmter Marken wie Lada und Wagen, die vor 2006 gebaut wurden, nicht mehr auf Bakus Straßen als Taxis fahren dürfen. Baku soll modern und westlich sein, wenn die Europäer kommen. Doch die alten Taxifahrer, die keine Lizenz für das neue Zeitalter bekommen, sind arbeitslos geworden.
Aber zurück zu dapd, deren Bericht sich dem propagandistischen Tiefpunkt nähert:
Auf den Marmorplatten des Boulevards promenieren Familien und schwitzen Jogger, daneben locken Cafés. Natürlich patrouillieren auch Polizisten – aber meist haben sie Zeit für ein Schwätzchen oder eine Tasse Tee, denn Baku ist eine Hauptstadt mit gegen Null tendierender Kriminalitätsrate.
Tatsächlich scheint Baku eine Stadt zu sein, in der man relativ sicher ist, solange man nicht auf die absurde Idee kommt, sich politisch zu engagieren, demonstrieren zu wollen, für Bürgerrechte zu kämpfen. Dann aber kann man erleben, wie die freundlichen aserbaidschanischen Alois Dimpfelmosers doch kurz ihre Teetassen zur Seite stellen und mit massiven Mitteln dafür sorgen, dass sich die Präsidentenfamilie weiter ungestört um die Verschönerung der Stadt kümmern kann.
Geht weiter:
Das gilt auch für die ärmlicheren Vororte, wo sich Autos über Holperwege mühen und auf dem Markt Hammelköpfe angeboten werden. Konkrete Wünsche wie „eine neue Schule“ oder „der Spielplatz sollte renoviert werden“ verschweigt hier niemand — aber umsetzen sollen das ruhig „die Alijews“. Vor manchem baufälligen Haus parkt ein Mercedes, daneben stolzieren junge Frauen hochhackig durch ihr Viertel. Der auf Öl- und Gasproduktion beruhende neue Reichtum verteilt sich stetig, nirgendwo sind Bettler zu sehen.
Es gibt doch keine effektivere Armutsbekämpfung als das Entfernen von Bettlern von der Straße.
Der dapd-Text endet mit einem Mann, der in einer alten Karawanserei arbeitet:
Sulejmanzade ist überzeugt, dass „manche Kritik aus dem Ausland eigentlich wie Besserwisserei von Ortsfremden klingt“. Man habe nichts zu verstecken, sagt er. Mit Klischees ist Baku nicht beizukommen, diese Stadt will sich wieder selbst definieren.
Der dapd-Reporter Jakob Lemke hat sie nicht einmal explizit erwähnt, die Kritik an der fehlenden Rechtsstaatlichkeit Aserbaidschans, am Umgang des Landes mit seinen Bürgern, an der Korruption, an der Missachtung universaler Menschenrechte, an den unerklärlichen Toden von Regimekritikern im Polizeigewahrsam, aber sicherheitshalber diffamiert er sie trotzdem als „Kritik aus dem Ausland“, als Klischee.
Lemke betreibt übrigens für dapd auch ein Blog, in dem er über seine Erfahrungen in Aserbaidschan schreibt. Darin stehen Sätze wie „Angst vor Uniformierten ist in Aserbaidschan nicht notwendig“. Und: „Uns folgt auch kein Aufpasser, wie ich es in anderen ex-kommunistischen Ländern schon erlebt habe. (…) Und bei Treffen mit Personen, welche dem offiziellen politischen Kurs der Führung in Baku widersprechen, haben wir weder bei uns noch beim Gegenüber Angst gespürt.“
Es muss in einem anderen Baku gewesen sein als dem, das viele Kollegen und ich in den vergangenen Monaten besucht haben.
Nachtrag, 22:00 Uhr. „Der Westen“ hat den dapd-Artikel gelöscht.
Der Hessische Rundfunk, die Schattenseite des deutschen Föderalismus, zeigt nicht nur die hesslichsten Sendungen des deutschen Fernsehens, sondern darf auch die überregionale Version all der Hitparadenshows produzieren, mit denen die Dritten Programme ihre Sendezeit füllen.
Nach „Die schönsten Hits der Deutschen“ (2009), „Die beliebtesten Sketche der Deutschen“ (2010), „Die schönsten Weihnachtslieder der Deutschen“ (2010), „Die beliebtesten Volksschauspieler der Deutschen“ (2011), „Die beliebtesten Komiker der Deutschen“ (2011) und „Die beliebtesten Showmaster der Deutschen“ (2011) lief am Donnerstag: „Die beliebtesten Komiker-Duos der Deutschen“.
Die Sendung war natürlich vorproduziert und ging bis 21.45 Uhr. Und das hier sind die 23-Uhr-Nachrichten auf hr1:
[mit Dank an BlueKO]
Ich bin einer der lausigsten E-Mail-Beantworter der Welt. Die Zahl der Menschen, denen ich noch Antworten schulde (und Entschuldigungen) ist bestürzend groß.
Aber im Vergleich mit den Leuten bei der Plattenfirma Universal Music komme ich mir wie ein blutiger Amateur vor.
Von: Stefan Niggemeier
An: F., Universal Music
28. Februar 2012, 12:25 Uhr.
Standing Still – Instrumental?
Hallo F.,
Katja Plüm von Brainpool hat mich an Dich verwiesen. Es geht um „Standing Still“ von Roman Lob – kannst Du mir sagen, ob es dazu eine Instrumental-Version gibt oder geben wird?
Herzliche Grüße
Stefan
Von: F., Universal
An: Stefan Niggemeier
28. Februar 2012, 22:31 Uhr.
AW: Standing Still – Instrumental?
Hallo Stefan, vor welchem Hintergrund denn, kommerziell? LG, F.
Gesendet mit Blackberry von Vodafone
Von: Stefan Niggemeier
An: F., Universal Music
28. Februar 2012, 23:13 Uhr.
Re: Standing Still – Instrumental?
Ich mache wieder ein Videoblog zum Eurovision Song Contest (bakublog.tv). Wir durften freundlicherweise in Oslo und Düsseldorf, als wir das schon mal gemacht haben (oslog.tv, duslog.tv), einen kurzen Schnipsel aus dem jeweiligen deutschen Song für den Vorspann verwenden. „Standing Still“ eignet sich dafür zwar nicht ganz so gut, aber vielleicht ließe sich mit der Instrumentalversion etwas machen.
Das heißt, wir wissen noch gar nicht, ob wir überhaupt einen kurzen Ausschnitt daraus verwenden würden, die Frage ist erstmal: Gibt es eine Fassung und gäbe es eine Möglichkeit, sie zu hören, bzw. bietet ihr sie eh evtl. bei iTunes o.ä. an.
Viele Grüße
Stefan
Von: Stefan Niggemeier
An: F., Universal Music
6. März 2012, 17:54 Uhr
Re: Standing Still – Instrumental?
Hallo,
kannst Du mir schon was sagen?
Danke und viele Grüße
Stefan Niggemeier
Von: Stefan Niggemeier
An: F., Universal Music
23. März 2012, 23:01 Uhr.
Re: Standing Still – Instrumental?
Hallo F.,
ich wollte nochmal nachfragen (s.u.) – ich würde mich über ein Antwort freuen!
Beste Grüße
Stefan Niggemeier
Von: Stefan Niggemeier
An: F., Universal Music
9. April 2012, 21:01 Uhr.
Re: Standing Still – Instrumental?
Hallo F.,
und noch ein Versuch von mir. Kannst Du uns weiterhelfen? Kennst Du jemand anderes, der uns weiterhelfen könnte? Ich bräuchte dringend eine Antwort von Dir.
Vielen Dank,
mit besten Grüßen
Stefan Niggemeier
Von: F., Universal Music
An: Stefan Niggemeier
10. April 2012, 06:37 Uhr.
AW: Re: Standing Still – Instrumental?
Hallo Stefan, entschuldige die späte Antwort, aber auf Deine Frage: ja, es gibt natürlich eine HPB-Version, sprich Instrumental, des Songs, gibt es aber nicht käuflich zu erwerben. LG, F.
Gesendet mit Blackberry von Vodafone
Von: Stefan Niggemeier
An: F., Universal Music
10. April 2012, 8:37 Uhr.
Re: Re: Standing Still – Instrumental?
Hallo F.,
wir wollen es ja eigentlich auch nicht kaufen. Wir würden eventuell gerne einen etwa achtsekündigen Schnipsel daraus für den Vorspann unseres Videoblogs verwenden. Ist da gar nichts zu machen?
Viele Grüße
Stefan
Von: F., Universal Music
An: Stefan Niggemeier
10. April 2012, 15:37 Uhr.
AW: Re: Re: Standing Still – Instrumental?
Ach so, dann haben wir uns komplett falsch verstanden….checke ich mit unserer Onlineabteilung….
Gesendet mit Blackberry von Vodafone
Von: Stefan Niggemeier
An: F., Universal Music
13. April 2012, 9:38 Uhr.
Re: Re: Re: Standing Still – Instrumental?
Hallo F.,
ich nochmal. Hast Du schon was rausgekriegt?
Danke und viele Grüße
Stefan
Von: Stefan Niggemeier
An: F., Universal Music
13. April 2012, 20:07 Uhr.
Re: Re: Re: Standing Still – Instrumental?
Hallo F.,
ich habe auch nach jetzt acht Mails und eineinhalb Monaten die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben. Gibt es irgendetwas, das ich tun kann, um diesen Prozess zu beschleunigen? Jemand anderes fragen? Irgendwo anrufen? Vorbeikommen? Geschenke schicken?
Es grüßt
zunehmend erschöpft:
Stefan
Von: F., Universal Music
An: Stefan Niggemeier
14. April 2012, 15:42 Uhr.
AW: Re: Re: Re: Standing Still – Instrumental?
Kann Deine Erschöpfung verstehen, ich bin am Montag wieder im Büro, gehe direkt dann zu den Onlinekollegen ins Büro….
Gesendet mit Blackberry von Vodafone
Von: Stefan Niggemeier
An: F., Universal Music
16. April 2012, 18:14 Uhr.
Re: Re: Re: Re: Standing Still – Instrumental?
Hallo F.,
gibt es schon was Neues?
Viele Grüße
Stefan
Von: F., Universal Music
An: Stefan Niggemeier
16. April 2012, 18:30 Uhr.
AW: Re: Re: Re: Standing Still – Instrumental?
Hallo Stefan,
ich habe meinen Onlinekollegen auf die Füsse getreten, sollen sich heute eigentlich bei Dir melden, aber warum könnt ihr nicht die „normale“ Version verwenden, denn das Instrumental gibt es nicht käuflich zu erweben.
LG,
F.
Von: Stefan Niggemeier
An: F., Universal Music
16. April 2012, 18:53 Uhr.
Re: Re: Re: Re: Standing Still – Instrumental?
Hallo F.,
ich bin mir fast sicher, dass ich das vor vier, fünf, sechs Mails schon mal erklärt hatte.
Also nochmal: Wir suchen ein paar Sekunden für den Vorspann für unser Videoblog, der in den vergangenen Jahren aus kurzen Ausschnitten aus den jeweiligen deutschen Beiträgen bestand. Eigentlich eignet sich „Standing Still“ nicht so richtig für einen Vorspann. Unsere Hoffnung ist aber, dass der markante Schlagzeugrhythmus an einer Stelle
trotzdem taugen könnte.
Ich würde das so gerne einfach mal hören. Die Stelle. Instrumental. Ich will das Stück nicht kaufen. Wir würden, wenn sich die Stelle eignet, freundlich bei Euch nachfragen, ob wir diesen Schnipsel verwenden könnten, ähnlich wie in den beiden letzten Jahren.
Ich hatte wirklich nicht gedacht, dass dieses Anliegen mit solch scheinbar übermenschlichen Anstrengungen und unüberwindlichen Hindernissen im Hause Universal verbunden sein würde. Ganz im Ernst: Wenn es jemand anderes gibt, den ich fragen kann, mache ich das gerne. Ich nehme dafür auch gerne in Kauf, alles nochmal wieder von vorne zu erklären, das wäre ja kein Unterschied zu bisher.
Es grüßt
Stefan
Von: T., Universal Music
An: Stefan Niggemeier
17. April 2012, 10:31 Uhr.
WG: Standing Still – Instrumental?
Hallo Stefan, 8 Sekunden aus dem aktuellen Song kannst Du gerne verwenden. Ich denke so bei ca. 2 Minuten die Hook eignetet sich. Was habt ihr inhaltlich vor, vielleicht können wir Euch auf Universal-music.de featuren. Viele Grüsse, T.
Von: F., Universal Music
An: T., Universal Music; U., Universal Music
16. April 2012, 18:31 Uhr
AW: Standing Still – Instrumental?
Antwortet ihr ihm bitte, da er mir schon wieder geschrieben hat….
Von: F., Universal Music
An: T., Universal Music; U., Universal Music
16. April 2012, 09:46 Uhr.
AW: Standing Still – Instrumental?
Wichtigkeit: Hoch
Hallo T.,
könnt ihr Stefan bitte schnell weiterhelfen, der ist ein wichtiger Kontakt und auch eng mit Brainpool, könnt ihr Euch dem bitte schnell annehmen.
Siehe unten,
lg,
F.
Von: Stefan Niggemeier
An: T., Universal Music
17. April 2012, 10:45 Uhr.
Re: WG: Standing Still – Instrumental?
Hallo T.,
Danke für die Mail, aber wir würden ja gerne einen Ausschnitt aus der Instrumental-Version nehmen. Die haben wir aber nicht. Könntet ihr mir die schicken? Wir wurden damit naturlich nichts anderes machen.
Danke und schöne Grüße
Stefan
Von meinem iPhone gesendet
Von: Stefan Niggemeier
An: T., Universal Music
18. April 2012, 10:13 Uhr.
Re: WG: Standing Still – Instrumental?
Hallo T.,
kann ich noch irgendetwas tun?
Ich versuche einfach noch einmal zu erklären, was wir gerne hätten: Die Instrumental-Version (F. nannte sie die HPB-Version) von „Standing Still“. Um sie einmal hören zu können und dann entscheiden zu können, ob sich daraus ein kleiner Acht-Sekunden-Schnipsel für unseren Vorspann eignen könnte.
Seit knapp zwei Monaten versuche ich nichts anderes als das: Die Instrumental-Version von „Standing Still“ zu bekommen. Was muss ich tun? Oder ist es unmöglich?
Mit besten Grüßen
Stefan
Von: Stefan Niggemeier
An: T., Universal Music
18. April 2012, 17:34 Uhr.
Re: WG: Standing Still – Instrumental?
Ist da noch jemand?
Von: T., Universal Music
An: Stefan Niggemeier
18. April 2012, 18:29 Uhr.
AW: WG: Standing Still – Instrumental?
Hallo stefan, wir können kein Instrumental zur Verfügung stellen, ich verstehe nicht ganz warum der von mir unten vorgeschlagene Inhalt nicht geeignet sein soll. Lieben Gruss, T.
Nachtrag, 21. April. Gestern Abend habe ich von Universal eine Instrumentalversion von „Standing Still“ bekommen.
Das hier war die Hoffnung, wie der Eurovision Song Contest helfen könnte, Aserbaidschan ein bisschen demokratischer zu machen, formuliert vom ARD-Unterhaltungschef Thomas Schreiber:
Baku ist eine Stadt, die einen europäischen Kern hat. Kulturell, auch wenn es jenseits des Kaukasus liegt und der Kaukasus die Kontinentalgrenze zwischen Europa und Asien beschreibt, zählte Baku einst, bis zum Ersten Weltkrieg, auch ein Stück weit zu Europa. Dorthin will es wieder gehören. Wenn jetzt der Fokus des Eurovision Song Contest nach Baku kommt, dann wäre es doch naiv, anzunehmen, dass die dortige Regierung nicht weiß, was das bedeutet. Sie werden sich reformieren müssen — im demokratischen Sinne. Baku will sich um die Olympischen Spiele 2020 bewerben, und der Contest soll dem Image helfen, nicht ihm schaden. Wir können dabei helfen.
Und das hier ist die blutige Realität, heute, knapp sechs Wochen vor dem Eurovision Cong Contest in Aserbaidschan:
Today at about 12:00, a journalist of the newspaper Zerkalo and the Institute for Reporters Freedom and Safety Idrak Abbasov was brutally beaten. The incident occurred near the house in the village Sulutapa reporter at the time when employees of SOCAR [die staatliche Öl-Firma Aserbaidschans] carried out another „operation“ for the demolition of illegally built houses.
The journalist kept filming the demolition and opposition of local residents with the security staff of SOCAR.
„Several employees of SOCAR saw that Idrak was shooting a film and rushed at him.
After grabbing the camera, they knocked him to the ground and started kicking. He was covered in blood, his head was broken, and one eye was fully closed. I ran up and tried to protect Idrak, but they started beating me,“ [Nachrichtenagentur] Turan was told by the victim’s brother Roman Abbasov. (…)
„We called an ambulance, but police did not let the doctors to our house. We took him to the nearest hospital in our own car,“ said the brother. (…)
Over the past year, Idrak Abbasov and his family several times were subjected to violence and provocations on the part of employees of SOCAR, and once they demolished part of the Abbasov family house.
Abbasov ist vor kurzem erst mit dem „Freedom of Expression Award“ von „Index on Censorship“ ausgezeichnet worden. Index schreibt:
Index understands that other reporters were present at the scene but Abbasov was singled out by his attackers. When Reporters from the Institute for Reporters’ Freedom and Safety (IRFS) later attempted to travel to the scene to document the attacks, their taxi was pulled over by SOCAR employees and the journalists and their taxi driver were beaten. (…)
Listing the threats of detention and harassment Azerbaijani journalists face, Abbasov said at the Index awards:
„This is the price that my colleagues in Azerbaijan are paying for the right of the Azerbaijani people to know the truth about what is happening in their country. For the sake of this right we accept that our lives are in danger, as are the lives of our families. But the goal is worth it, since the right to truth is worth more than a life without truth.“
Denkverbot, das: Tabu-Attrappe zur Aufmerksamkeitssteigerung
Wenn immer mehr Menschen Dinge sagen, die man nicht sagen darf, weil man sie nicht sagen darf – müsste man sich nicht irgendwann von dem Gedanken verabschieden, dass man sie nicht sagen darf?
Verwirrenderweise scheint es heute mehr Tabubrecher als Tabus zu geben. Die Medien sind voll von Leuten, die sich einer angeblich herrschenden „Political Correctness“ widersetzen. Entweder haben die Strafen, die die vermeintliche Denk- und Sprechpolizei aussprechen kann, jede abschreckende Wirkung verloren. Oder die Tabus sind ohnehin nur imaginiert, um in die attraktive und aufmerksamkeitsstarke Pose des Widerstandskämpfers schlüpfen zu können.
Das Beste an dieser Rolle ist, dass in ihr jede Reaktion zur Bestätigung der eigenen Position wird. Je größer die Zustimmung, desto stärker der Eindruck, dass endlich jemand gesagt hat, was gesagt werden musste. Je heftiger die Ablehnung, desto offenkundiger, dass man, wie gesagt, eigentlich nicht sagen durfte, was man gesagt hat.
Die Schweizer Zeitung „Weltwoche“ hat unter ihrem Besitzer und Chefredakteur Roger Köppel in den vergangenen Jahren fast ihr ganzes publizistisches Image auf dem Gedanken aufgebaut, dass die Welt (und insbesondere die Schweiz) voller Denkverbote ist, und dass das, was zu denken verboten ist, vermutlich deshalb verboten ist, weil es wahr ist.
Aktuell tut sie so, als dürfe man nicht über kriminelle Banden von osteuropäischen Roma-Familien berichten. „Es muss doch möglich sein, ernsthaft und offen über solche Probleme zu reden“, klagt der stellvertretende Chefredakteur Philipp Gut, der als Autor einen Artikel zu diesem Thema mitverfasst hat. Nun gibt es gibt zahlreiche Beweise dafür, dass es tatsächlich möglich ist, ernsthaft und offen über solche Probleme zu reden. In die attraktive Rolle des Tabubrechers kam die „Weltwoche“ nur dadurch, dass sie einen Romajungen auf dem Cover zeigte, der mit einer Waffe auf den Betrachter zielt, und dazu titelte: „Die Roma kommen – Raubzüge in die Schweiz“ – als bestehe ein ganzes Volk aus Verbrechern.
Es ist leider überhaupt nicht möglich, mit Gut oder Köppel auch nur darüber zu streiten, weil sie jede Kritik an ihrer demagogischen Darstellung als Kritik an den Tatsachen oder ihrer Veröffentlichung behandeln. Man sollte annehmen, dass sie zwischen beidem unterscheiden können müssten, aber es ist, als hätten sie sich da ein Denkverbot auferlegt.
Johnny Haeusler:
Es ist offenbar nicht mehr möglich, PRO Urheberrecht zu sein (was ich bin), ohne sich mit Artikeln gemein zu machen, die entweder pure Propaganda oder Panikmache vor einer Partei sind. Oder beides.
Ich schüttle selbst oft genug den Kopf ob einiger Aussagen der Piratenpartei und teile viele der von dort wiedergegebenen Statements zum Thema genau: gar nicht. Doch selten war ich so erschüttert von der Qualität angeblicher Journalismus-Profis, wie in diesen Zeiten der Debatten ums Urheberrecht.
Ich auch. Ich auch.
Bitte lesen.
Der schönste und zugleich furchterregendste Satz fällt noch vor dem Vorspann. Edmund Stoiber formuliert ihn auf seine unnachahmliche Art: „Die ‚Bild‘-Zeitung ist schon ein Stück, wenn ich das mal so sagen darf, eine Art direkte Demokratie.“
Das würde der „Bild“ gefallen, das umreißt auch ihren unausgesprochenen Machtanspruch gut: Dass sie für das Volk spricht und in dieser Rolle direkten und massiven Einfluss auf die Politik ausüben darf. Stoibers Satz erklärt auch gut, warum die „Bild“ tatsächlich eine so große Macht hat: Nicht weil sie tatsächlich für das Volk spräche. Nicht einmal weil sie das Volk mit ihren Schlagzeilen und ihrer Parteilichkeit beeinflüsse. Sondern weil Politiker dem Blatt diese Macht zusprechen.
Im Juni wird die „Bild“-Zeitung sechzig Jahre alt. Zum Geburtstag hat die ARD ihr eine Dokumentation geschenkt. Sie läuft am kommenden Montag um 22.45 Uhr im Ersten und heißt etwas verquast: „Bild. Macht. Politik“.
Man könnte das Schlimmste erwarten: Das Verhältnis zwischen „Bild“ und der ARD ist zerrüttet. Im vergangenen Jahr arbeitete „Bild“ an einer großen Kampagne gegen die ARD, im Gegenzug rüstete sich die ARD, mit ähnlichen propagandistischen Mitteln zurückzuschießen.
Doch die Dokumentation von Christiane Meier und Sascha Adamek ist im besten Sinne unaufregt. Sie kommt ohne empörten Off-Kommentar aus, ordnet ihre Fundstücke nicht einer zentralen These unter, wahrt Distanz zu allen Beteiligten und setzt aus kleinen Steinen das Mosaik einer zutiefst widersprüchlichen Zeitung zusammen, die zugleich seriöses Leitmedium und skrupelloses Krawallblatt sein will und deren Wirken einem mindestens unheimlich sein sollte.
Die Dokumentation konzentriert sich fast ausschließlich auf die Rolle von „Bild“ im Politikbetrieb. Sie zeigt, wie sehr Politiker das Blatt fürchten – was für sich genommen natürlich für „Bild“ sprechen könnte: Eine Zeitung, die den Mächtigen unbequem ist, scheint ihrer journalistischen Aufgabe besonders gerecht zu werden.
Doch die Geschichten, die Politiker wie Claudia Roth und Gregor Gysi erzählen, sind keine Geschichten von kritischen Recherchen, sondern von Diffamierungen und Lügen. Man muss den stolzen Blick der Grünen-Chefin gesehen haben, wie sie die riesige Gegendarstellung zeigt, die sie 2005 durchgesetzt hat und von der die „Bild“ trotzdem versucht hat, mit einem Artikel über „Ekel-Kunst“ darüber abzulenken. „Das war der Sieg über die Unwahrheit“, sagt Roth und lässt keinen Zweifel daran, dass der schon psychologisch wichtig war.
„Bild“ hätte ihr, um diese Gegendarstellung zu verhindern, angeboten eine nette Homestory über sie zu bringen. Oder ein Exklusiv-Interview mit ihr. Auch andere berichten im Film von solchen „dreckigen Deals“, wie Claudia Roth das Angebot nennt. Der Bildhauer und „Bild“-Kritiker Peter Lenk sagt, er hätte ein ähnliches Angebot als Wiedergutmachung für eine Falschmeldung schon deshalb abgelehnt, weil ihm eine positive „Bild“-Geschichte „wie Scheiße am Bein“ hängen würde.
Solche Angebote zeigen, dass die „Bild“-Zeitung bereit ist, ihre Berichterstattung ganz anderen als journalistischen Erwägungen unterzuordnen. Und es gibt viele Indizien dafür. Der Film zählt die Interessenskonflikte nüchtern auf: Der Verzicht auf große kritische Schlagzeilen über den AWD-Gründer Carsten Maschmeyer und seine umstrittenen Methoden – Maschmeyer ist unter anderem ein großer Förderer der „Bild“-Aktion „Ein Herz für Kinder“. Die wohlwollende Berichterstattung über Michael Mronz, den Lebenspartner von Guido Westerwelle – Mronz ist Vorstandsmitglied der „Bild“-Hilfsorganisation.
Und umgekehrt die Frage, ob „Bild“ den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff deshalb plötzlich so nachhaltig und unnachgiebig angriff, weil er „vielleicht ein ‚Bild‘-Aussteiger“ war. Gregor Gysi sagt über Wulff: „Ich glaube, sein Fehler bestand darin, dass er die ‚Bild‘-Zeitung nicht mehr wollte, nachdem er vorher mit ihr gut zusammengearbeitet hat. Weil er dachte, dass er wirklich Bundespräsident ist – das heißt, dass er ganz oben steht und sich das leisten kann. Und die „Bild“-Zeitung wollte ihm beweisen, dass er sich irrt. In diesen Kampf sind wir hineingeraten.“
Es ist ein roter Faden, dass „Bild“ letztlich unter dem Mantel des Journalismus immer wieder in eigener Sache kämpft: Für einen Politiker wie Karl-Theodort zu Guttenberg zum Beispiel, der möglicherweise gezielt zum neuen Kanzler aufgebaut werden sollte. Der frühere „Bild“-Freund Hans-Olaf Henkel, der das erzählt und sich bitter über „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann und dessen Machtmissbrauch beklagt, wurde von dem Blatt kürzlich ohne ersichtlichen äußeren Anlass publizistisch vernichtet.
Es geht in diesem Film über die politische Macht von „Bild“ fast gar nicht um politische Inhalte, und das ist sehr treffend. Viel wichtiger als der Kampf um eine politische Ideologie scheint „Bild“ heute der Kampf um die Macht zu sein. Für Karl-Theodor zu Guttenberg sprach aus „Bild“-Sicht weniger ein konkretes politisches Programm des Politikers, als seine Popularität und die Nähe, die er ihr gewährte.
Den Eindruck, dass es um Inhalte irgendeiner Art am allerwenigsten geht, verstärken die Äußerungen von Kai Diekmann. Er versucht vor allem den Eindruck von Harmlosigkeit zu erzeugen und wirkt dabei gelegentlich wie ein niedliches Haustier. Einer ernsten Auseinandersetzung entzieht er sich, etwa wenn er auf die Frage nach der „Macht“ ausweicht: „Es geht auch nicht um Macht oder keine Macht, ich weiß auf jeden Fall, dass ich nicht der beliebteste Chefredakteur Deutschlands bin.“
Das treffende Fazit der ARD-Autoren lautet: „Ihre Millionenauflage macht ‚Bild‘ stark. Aber sie hat nur soviel Macht, wie Politiker ihr einräumen.“
Und damit könnte der Film eigentlich zuende sein, aber dann kommt noch ein Nachklapp. Es geht um die belgischen Kinder, die bei einem furchtbaren Busunglück in der Schweiz ums Leben gekommen sind und deren Gesichter „Bild“ auf der Titelseite gezeigt hat. Kai Diekmann erzählt mit seinem treuherzigen Gesicht von der „sehr würdevollen Darstellung“ und dass man natürlich über den Bürgermeister des Heimatortes die Genehmigung der Eltern gehabt hätte. Der Bürgermeister dementiert das schriftlich, seine Sprecherin vor der Kamera.
Es sind Szenen, die eigentlich vom Thema Politik wegführen, und die doch eine gute Aufforderung an den Zuschauer darstellen, sich an dieser Stelle und überhaupt zu fragen, ob er diesem Chefredakteur und seiner Zeitung trauen will.