RTL sucht die Supershoweröffnung — und findet sie beim ESC

Es ist für eine so strunzunkreative Produktionsfirma wie die Grundy Light Entertainment vermutlich nicht leicht, sich für das groß gemeinte Finale von „Deutschland sucht den Superstar“ einen halbwegs orginell wirkenden Sendungsauftakt einfallen zu lassen. Und natürlich lässt sich jeder Macher bei der Arbeit von bereits Dagewesenem beeinflussen. Ich war dann aber trotzdem überrascht, als ich gestern gesehen habe, was die RTL-Leute sich bei der Show gestern zum Vorbild genommen haben — und in welchem Maße sie sich davon haben inspirieren lassen.

Wenn Sie bitte mal schauen und staunen mögen:

(Natürlich ist der DSDS-Beginn auch und erst recht 13 Jahre später nicht halb so cool wie das Opening des Eurovision Song Contest 2000 in Stockholm. Ich wär aber auch gern beim DSDS-Autorenbriefing dabei gewesen… „Und dann sollte der Off-Sprecher irgendetwas sagen, dass die Leute wissen, dass die Show jetzt beginnt.“ — „Da fällt mir schon was ein.“ — „Hauptsache, das Saalpublikum weiß, dass es dann sofort ausrasten muss.“ — „Läuft.“)

Wie „Geo“ gegen die Rechte von Autoren kämpft

„Geo“ macht ein großes Fass auf. Wenn gute Zeitschriften nicht das Recht hätten, Texte ihrer Autoren auch gegen deren Willen komplett umzuschreiben, keinen Satzbaustein auf dem anderen zu lassen, selbst wörtliche Zitate von Gesprächspartnern zu ändern, dann könnten sie gar nicht existieren.

So argumentieren sinngemäß die Anwälte des Gruner+Jahr-Blattes in einem Prozess, der in dieser Woche in die zweite Runde geht. Christian Jungblut, ein altgedienter Reporter und langjähriger „Geo“-Mitarbeiter, hatte gegen die Zeitschrift geklagt, weil sie sich nicht davon abbringen ließ, einen Artikel von ihm in Heft 12/2009 in einer grundlegend veränderten und für ihn nicht akzeptablen Fassung unter seinem Namen zu veröffentlichen. In der ersten Instanz hatte ihm das Landgericht Hamburg (wie berichtet) Recht gegeben.

„Geo“ hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. In der Begründung schreiben die Anwälte:

Dieser Rechtsstreit ist von wesentlicher Bedeutung für die Verlagsbranche. Hätte das Urteil des Landgerichts Hamburg Bestand, führte das zu massiven Eingriffen in die für die Publikation von Zeitschriften unerlässliche redaktionelle Autonomie. Redaktionen von Qualitätstiteln wie GEO bedürfen eines gewissen Freiraums in der Überarbeitung und Anpassung von Texten, die von freien Journalisten, aber auch eigenen Redakteuren zugeliefert werden, um den Qualitätsanspruch der Zeitschrift zu wahren und so die dauerhafte Wertschätzung des Publikums zu sichern. (…) [N]ahezu jeder Zeitungs- und Zeitschriftentitel ist darauf angewiesen, dass die Redaktion in die Lage versetzt wird, ihr zugelieferte Texte so zu redigieren, dass sie der jeweiligen Eigenart des Titels gerecht werden.

Unzulässig seien allein „gröbliche Entstellungen“, schreiben die „Geo“-Anwälte und bescheinigen dem Urteil, es sei „von bemerkenswerter Realitätsferne“.

Sie berufen sich bei der „Bestimmung der Grenzen der Änderungsbefugnis“ sogar auf das „hohe Gut der Pressefreiheit“, das Presseverlagen besondere Rechte zubillige. Verlage müsse deshalb auch im Urheberrecht „die Möglichkeit gegeben werden, [zugelieferte] Texte weitgehend und bis zur Grenze der Unzumutbarkeit abzuändern“.

Die „Geo“-Redaktion, die den Artikel komplett umgekrempelt hat, habe keineswegs den „geistig-ästhetischen Gesamteindruck des Originalmanuskripts verändert“, behaupten die Anwälte des Verlages. Es sei zum Beispiel auch keineswegs „‚reißerischer‘ Stil“, dass die Redaktion aus einem Hydrologen einen „Katastrophen-Seher“ machte.

Es geht bei diesem Rechtsstreit um viele konkrete Vertragsdetails und Redigierabläufe, aber im Kern um die Frage: Kann ein Autor die Veröffentlichung seines Werkes nach massiver Abänderung untersagen? Die Antwort von „Geo“ lautet: Nein. Die Anwälte der Zeitschrift fügen sinngemäß hinzu: Und wenn er es könnte, müssten wir den Laden dicht machen.

Die Diskussion um das Urteil lieferte einen erhellenden Blick in die erstaunlichen Umgangsformen hinter den Kulissen der Zeitschrift, die in den vergangenen Jahren rasant Käufer verloren hat und es gerade mit der „Focus“-haften (und inhaltlich komplett irreführenden) Titelzeile „Was Sie über Tiere wirklich wissen sollten“ versucht. Anders als es „Geo“-Chefredakteur Peter-Matthias Gaede behauptete, ist Jungblut nicht der einzige, der über den Umgang der Redaktion mit Texten klagt.

In der Berufungsbegründung versuchen die Anwälte nun den Eindruck zu erwecken, der Artikel, den Jungblut abgegeben hatte, sei stilistisch unbrauchbar gewesen und habe vor Fehlern gestrotzt — und schrecken dabei auch vor dem Auflisten kleinster Petitessen und imaginierter Unrichtigkeiten nicht zurück. Darunter diese:

  • Die „fehlerhafte Gleichsetzung einer schlechten Angewohnheit (‚Laster‘) mit dem im Text eigentlich gemeinten Lastwagen“.
  • „Das umgangssprachliche ‚Holland‘, das korrekterweise ‚Niederlande‘ heißen muss.“
  • „Die falsche geographische Zuordnung von Gouda in der ‚Mitte Hollands‘ (korrekt: im Süden des Landes).“
  • „Die falsche geographische Zuordnung von Nijmegen an den Rhein (korrekt: an der Waal)“.
  • „Die falsche Angabe zur Bevölkerungsdichte in den Niederlanden mit 393/qkm (korrekt: 394/qkm).“
  • „Des Weiteren hat GEO aus dem Manuskript des Autors eine Reihe von Rechtschreib- und Grammatikfehlern getilgt. Beispiel: „Sysiphusarbeit“ (korrekt: Sisyphos).“

Öh.

(Solche Anwaltsschreiben sind ja selten würdevoll, aber dieses gibt doch eine Ahnung davon, wie gerne man für dieses Blatt arbeiten möchte.)

Die „Geo“-Anwälte suggerieren, dass das Urteil gegen „Geo“ die normale Arbeit des Redigierens und Fact-Checkens unmöglich mache. Darum geht es aber in diesem Prozess gar nicht. Es geht darum, ob ein Journalist es hinnehmen muss, dass ein Text, der nicht mehr sein Text ist, gegen seinen Willen und unter seinem Namen veröffentlicht wird.

Die Verhandlung findet am kommenden Mittwoch, 10 Uhr, am Oberlandesgericht Hamburg statt.

Nachtrag, 10. Mai. In der Verhandlung machte das Oberlandesgericht deutlich, dass es die Sache nicht so eindeutig sieht wie die erste Instanz. Grundlage dafür ist vor allem der konkrete Vertrag, den Jungblut mit „Geo“ hatte und der „zumutbare“ inhaltliche Änderungen an den Texten erlaubte. Das Gericht schlug einen Vergleich vor: „Geo“ soll sich verpflichten, den Artikel nicht mehr zu verbreiten und drei Fünftel der Kosten des Rechtsstreits tragen. Beide Seiten haben zwei Wochen Zeit, diesen Vergleich noch abzulehnen — dann würde das Gericht entscheiden.

Ausmitteilung

Eine kurze Durchsage in eigener Sache: Ende des Monats verlasse ich den „Spiegel“.

Das hat, um einem naheliegenden Missverständnis vorzubeugen, nichts mit dem Wechsel in der Chefredaktion zu tun. Es hat einfach nicht richtig gepasst.

Was ich dann stattdessen mache, kann ich noch nicht verraten. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass ich auch in Zukunft gelegentlich frei für den „Spiegel“ schreibe. Die Titelgeschichte „Flausch – Die unterschätzte Weltmacht“ steht ja auch noch aus.

Klaubbläser

Ob sie sich nicht als Blutsaugerin der traditionellen Medien sehe, wurde [„Huffington Post“-]Gründerin Huffington kürzlich gefragt. „Das ist, als würde man sich darüber beschweren, dass ein Auto schneller ist als ein Pferd“, antwortete sie. „Schon immer haben neue Technologien die alten überrollt.“

Der Vergleich stimmt nicht ganz. Die „Huffington Post“ überrollt andere Medien nicht. Sie beutet sie systematisch aus. Einen Großteil ihrer Nachrichtenschlagzeilen klaubt Huffingtons Crew einfach aus anderen Medien zusammen – viele davon sind die Online-Ausgaben traditioneller Tageszeitungen.

„Focus“, 11. Mai 2009.

„FOCUS Online“ — stolzer Partner der Huffington Post in Deutschland.

„Focus Online“, 29. April 2013.

Rufraub im Piraten-Dossier: Die „Zeit“ tritt nach

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ hat sich verpflichtet, rufschädigende Formulierungen aus ihrem zweifelhaften Dossier über Filmpiraterie (Abb.) nicht mehr zu veröffentlichen. Sie behauptet allerdings das Gegenteil.

Die Direk­to­rin des Alexander-von-Humboldt-Instituts für Inter­net und Gesell­schaft, Jeanette Hofmann, hatte vor einigen Wochen eine einstweilige Verfügung gegen das Blatt erwirkt. Es hatte ihr unterstellt, sie habe sich von Google kaufen lassen und bestellte wissenschaftliche Ergebnisse geliefert. Der Suchmaschinenanbieter verdiene nicht nur Geld mit „Raubkopien“, schrieb Kerstin Kohlenberg, die stellvertretende Leiterin des „Investigativ-Ressorts“ der „Zeit“, sondern stecke einen Teil davon auch noch in Studien, „die zu dem Ergebnis kommen, dass Raubkopien keine schlechte Sache sind“. Der Artikel ist inzwischen wieder online, allerdings in einer um die angegriffenen Formulierungen bereinigten Version.

Hofmann hatte sich erfolgreich unter anderem gegen die Behauptungen der „Zeit“ gewehrt, sie halte das Urheberrecht für „überflüssig“ und stelle sich „eindeutig auf die Seite derer, die mit illegalen Filmkopien Geld verdienen“.

Die „Zeit“ hatte dagegen Widerspruch eingelegt. Am 12. April kam es deshalb zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Hamburg.

Dabei einigten sich beide Seiten auf einen Vergleich:

  • Die „Zeit“ und „Zeit Online“ verpflichten sich, die umstrittenen Formulierungen über Jeanette Hofmann nicht erneut zu veröffentlichen.
  • Hofmann verzichtet auf eine Gegendarstellung.
  • Hofmann trägt drei Viertel der Kosten des Verfahrens.

Die „Zeit“ veröffentlichte allerdings eine knappe Woche später eine Pressemitteilung, in der sie den Ausgang des Verfahrens anders schildert:

  • Die „Zeit“ behauptet, Hofmann hätte auf eine Unterlassungserklärung des Blattes verzichtet. In Wahrheit ist die Unterlassungserklärung Teil des Vergleichs.
  • Die „Zeit“ behauptet, das Dossier dürfe „in seiner ursprünglichen Form verbreitet werden“. In Wahrheit hat der Verlag unterschrieben, die bemängelten Äußerungen über Hofmann „nicht erneut zu veröffentlichen“.
  • Und die „Zeit“ behauptet, sie habe sich „freiwillig“ bereit erklärt, „in zukünftigen Artikeln die Arbeit von Frau Hofmann differenzierter zu betrachten“. In Wahrheit hat sie sich verpflichtet, die ursprünglichen Behauptungen über Hofmann und ihre Arbeit nicht zu wiederholen.

Das ist eine erstaunliche Verdrehung der Tatsachen und ein unfreundlicher Akt, nachdem man sich gerade erst mit der Gegenseite auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits geeinigt hatte. Jeanette Hofmann geht nun wiederum gegen diese Pressemitteilung juristisch vor.

Dem Vergleich mit der „Zeit“ hatte sie zugestimmt, weil ihr das Risiko steigender Prozesskosten zu hoch wurde und sie diese Form der Auseinandersetzung persönlich zu belastend fand. Im Kern bestand er für sie darin, dass die „Zeit“ die geforderte Unterlassungserklärung abgibt und Hofmann dafür den Großteil der Kosten des Verfahrens trägt.

Die Verhandlung war wohl eine abschreckende Erfahrung. Hofmann sah sich unter anderem damit konfrontiert, beweisen zu sollen, dass sie das Urheberrecht nicht für überflüssig hält. Als vermeintlichen Gegenbeweis hielt ihr der Anwalt unter anderem ihre Formulierung vor, dass die Herstellung von Informationsgütern „nicht automatisch Eigentumsrechte nach sich ziehen“ müsse. Urheberrechte seien „nicht alternativlos“, hatte Hofmann formuliert. — Macht sie das überflüssig?

Hofmann hatte außerdem bestritten, sich überhaupt dezidiert mit dem Thema illegaler Kopien zu beschäftigen. Der Anwalt der „Zeit“ verwies dagegen auf das von Hofmann herausgegebene Buch „Wissen und Eigentum“, in dem ein anderer Autor (!) davon schreibt, dass „illegale Downloads fast zur Selbstverständlichkeit geworden“ seien.

Angesichts des Verlaufs der Verhandlung war sie sich nicht sicher, ob ihre Sicht auf die Dinge ausreichend Aussicht hätte, anerkannt zu werden. Darum stimmte sie dem Vergleich zu.

Wir fassen zusammen: Die „Zeit“ veröffentlicht ein Pamphlet über Filmpiraterie, das eine Wissenschaftlerin diffamiert, gibt vor Gericht eine Unterlassungserklärung ab und behauptet dann in einer Pressemitteilung das Gegenteil. Wenn man nicht wüsste, dass es sich um eine der besonders seriösen Adressen des deutschen Journalismus handelt, man käme nicht drauf.

PS: Die „Zeit“ hatte mir die Pressemitteilung mit den Worten geschickt: „Da Sie in Ihrem Blog über den Sachverhalt berichtet haben, wünschen wir, dass Sie diese Meldung zur Kenntnis nehmen und den Artikel aktualisieren.“ Das finde ich eine erstaunliche Formulierung, aber den Wunsch habe ich hiermit ja erfüllt.

Nachtrag, 26. April. Heute haben die „Potsdamer Neuesten Nachrichten“, ein Schwesterblatt der „Zeit“, das Dossier nachgedruckt — in der ursprünglichen Form, mit allen Formulierungen über Jeanette Hofman, für die die „Zeit“ eine Unterlassungserklärung abgegeben hat.

Nachtrag, 8. Mai. Die „Zeit“ hat ihre Pressemitteilung entfernt.

Minus mal Minus ergibt EinsPlus: Das Digitalkanalelend von ARD und ZDF

Heute lernen wir, wie die ARD sich vorstellt, in Zukunft junge Zuschauer für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk begeistern zu können. Keine Sorge: Um Inhalte geht es dabei nicht.

Zur Einstimmung hilft eine Übung: Wir versuchen, die Digitalkanäle der ARD voneinander zu unterscheiden.

Lassen wir tagesschau24 mal weg, das ist zu leicht, da laufen den ganzen Tag Nachrichten und abends Wiederholungen aktueller Magazine, Talkshows und Dokumentationen.

Aber es gibt ja noch Einsfestival und EinsPlus.

Laut „Programmkonzept Digitale Fernsehprogramme der ARD“ ist Einsfestival ein „innovatives, kulturell orientiertes Angebot mit jüngerer Ausrichtung“. EinsPlus hingegen sei zu einem „öffentlich-rechtlichen Service-, Ratgeber- und Wissensangebot weiterentwickelt“ worden, „das schnell Akzeptanz bei den Fernsehzuschauern gefunden hat“.

Marktanteile I/2013
ZDFneo 0,8 Prozent
ZDFinfo 0,6 Prozent
ZDFkultur 0,2 Prozent
Einsfestival 0,3 Prozent
EinsPlus 0,1 Prozent
tagesschau24 0,1 Prozent
Zuschauer ab 3 Jahren. Quelle: ARD

EinsPlus brachte es im ersten Quartal 2013 auf einen Marktanteil von 0,1 Prozent. Das ist ungefähr das Maß an Zuschauer-„Akzeptanz“, das entsteht, wenn mehrere Leute beim Durchzappen versehentlich drei Sekunden bei einem Sender hängen bleiben.

Die Definitionen sind also offenbar nicht hilfreich. Die Namen schon gar nicht. Aber vielleicht hilft ein Blick ins Programm:

Auf EinsPlus läuft die „LateLine mit Jan Böhmermann“. Auf Einsfestival läuft der „1Live Talk“ mit Sabine Heinrich.

EinsPlus zeigt aktuelle Musikvideos in der Sendung „EinsPlus Charts“. Einsfestival zeigt aktuelle Musikvideos in der Sendung „Clipster“.

EinsPlus bringt „Es geht um mein Leben“ mit Pierre M. Krause. Einsfestival bringt die „SWR3 latenight“ mit Pierre M. Krause.

Gut, andererseits zeigt EinsPlus „Die allerbeste Sebastian Winkler Show“ am Dienstagabend und Einfestival am Donnerstagabend. Und der aktuelle „Tatort“ läuft auf Einsfestival am jeweiligen Sonntag nochmal um 21:45 und 23:45 Uhr und auf EinsPlus gar nicht.

Es hilft, das zu wissen, um zu verstehen, warum die Intendanten der ARD dem ZDF am Montag öffentlich vorgeschlagen haben, die jeweils drei Digitalkanäle der beiden zu fusionieren. Die ARD ist mit dem, was man euphemistisch eine Digital-„Strategie“ nennen könnte, umfassend gescheitert. Sie veranstaltet zwei Sender mit irreführenden Namen und unklarem Profil, die niemand auseinanderhalten kann und keiner guckt, sowie eine Nachrichtendauerschleife. Es gelingt ihr nicht, ein klares unterscheidbares Profil für die beiden Kanäle EinsPlus und Einsfestival zu entwickeln, weil das Konzept in Wahrheit darin besteht, dass das eine Programm vom SWR gemacht wird und das andere vom WDR.

Deshalb ist es für die ARD auch unmöglich, das zu tun, was naheliegend wäre: einen ihrer beiden Möchtegernjugendkanäle zu schließen. Denn dann müssten ja der WDR oder der SWR etwas aufgeben. Und wenn ARD-Anstalten so etwas könnten, gäbe es keine fünf wöchentlichen Talkshows und das ARD-Wirtschaftsmagazin „Plusminus“ würde nicht im Wechsel von fünf verschiedenen Moderatoren präsentiert.

Doch nun hat die ARD doch noch eine sinnvolle Verwendung für ihre vermurksten Digitalkanäle gefunden: Sie bietet an, sie zu opfern, und nutzt sie gleichzeitig als Pfand, um das ZDF in eine Senderehe zu zwingen.

Die ARD hat angesichts der dokumentierten Erfolglosigkeit ungefähr nichts zu verlieren, aber einiges zu gewinnen: Gemeinsam mit dem ZDF würde ein Neustart möglich, der nicht nur gesichtswahrend ist, sondern sogar imageträchtig: Es wirkt ungemein einsichtig und sparsam und politisch vorauseilend, mit dem Vorschlag, drei Sender einzusparen, nach vorne zu preschen. Gemeinsam könnten die Kanäle mehr Geld haben. Und auf eine bizarre Art ist es aus ARD-Sicht womöglich sogar tatsächlich einfacher, die Rivalitäten zwischen den eigenen Anstalten zu lösen, wenn man Gemeinschaftssender mit dem ZDF bildet.

Alles würde besser werden. Durch „intensivere Kooperationen“ wäre es möglich, die Digitalkanäle „weiter und besser zu profilieren“ — sagt der Senderverbund, dem es nicht einmal im Ansatz gelungen ist, zwei eigenen Kanälen ein eigenes Profil zu geben.

Wenn die sechs Digitalsender zu dreien zusammengelegt würden, biete das „die Chance zu einer weiteren Profilschärfung der schon bestehenden Gemeinschaftsprogramme Phoenix und 3sat“, träumt die ARD. Als ob es da bislang an „Chancen“ gemangelt hätte und nicht am Willen! Was die ARD und das ZDF bisher daran hindert, das Profil von Phoenix und 3sat zu schärfen, verrät die Pressemitteilung der ARD nicht.

Der Plan der ARD sieht vor, EinsPlus und ZDFkultur zu einem neuen Kanal für 14- bis 29-Jährige zu vereinen und Einsfestival und ZDFneo zu einem für 30- bis 49-Jährige. (Dass die ARD letztere als „jüngere Erwachsene“ bezeichnet, spricht Bände.)

Das öffentlich vorzuschlagen und das ZDF so unter Druck zu setzen, ist frech. Aber schon das Konzept auf der Grundlage einer solchen Altersaufteilung an sich ist Unsinn. Ist „Mad Men“ eine Sendung für 30- bis 49-Jährige? Wie groß ist die Übereinstimmung zwischen dem, was ein frisch Pubertierender und ein Familienvater mitten im Berufsleben sehen will? Angesichts der gründlich dokumentierten Schwierigkeit der Öffentlich-Rechtlichen, überhaupt Zuschauer unterhalb von 50 Jahren anzusprechen, wäre „ambitioniert“ ein schillernder Euphemismus für den Versuch, diese dann auch noch nach zwei Altersgruppen zu differenzieren.

Aber genau so scheint sich die ARD die zukünftige öffentlich-rechtliche Lebensbegleitung der Menschen vorzustellen. Erst gucken sie den gemeinsamen Kika, mit einsetzender Pubertät schalten sie zum gemeinsamen Jugendkanal um, mit 30 wechseln sie dann zum gemeinsamen jüngeren Älterenkanal.

Deshalb sei es auch keine Lösung, dass die ARD einfach einen ihrer Digitalkanäle abschalte und sich mit dem anderen auf ein junges Publikum konzentriert, sagte Lutz Marmor, der NDR-Intendant und amtierende ARD-Vorsitzende, heute Vormittag bei der Pressekonferenz nach der Frühjahrstagung der Intendanten: Wie soll das gehen? „Die ARD hat die ganz Jungen, und dann wechseln sie zu ZDFneo?“

Mit keinem Wort wurde bei der weit über einstündigen Pressekonferenz angesprochen, was jüngere Leute überhaupt sehen wollen, welche Formen der Ansprache richtig wären, welche Inhalte fehlen. „Die Zielgruppen fächern sich auf, deshalb brauchen wir Zusatzangebote für diese Zielgruppen“, sagte Marmor — als ließen sich diese Zielgruppen formal-technisch aufgrund ihres Alters unterscheiden.

Das ZDF hatte mit seinen Digitalkanälen ZDFkultur und ZDFneo ein besseres Konzept: ZDFkultur ist elitär, ZDFneo populär. Auf ZDFkultur liefen Konzerte, auf ZDFneo Serien wie „Mad Men“ und „30 Rock“. Gleich drei Sendungen von ZDFkultur sind in diesem Jahr für einen Grimme-Preis nominiert worden. Kein Wunder.

Dass das ZDF mit seinen Kanälen ungleich erfolgreicher ist als die ARD, liegt aber auch daran, dass es besonders schamlos ist, was das besinnungslose Wiederholen von zuschauerträchtigen Programmen angeht. Auf ZDFkultur läuft pro Woche 12-mal „Unser Charly“, 13-mal „Ein Heim für Tiere“, 15-mal „Tierarzt Dr. Engel“ und 39-mal die „Hitparade“. ZDFneo macht seine Quoten nicht zuletzt mit Wiederholungen von irgendeiner „Soko“, „Inspector Barnaby“, „Raumschiff Enterprise“ und der schon von RTL endlos wiederholten „Nanny“. Und ZDFinfo punktet mit Hitler.

Eigentlich hat der feine „Elektrische Reporter“ seine Heimat auf ZDFinfo. Sein origineller regulärer Sendetermin scheint inzwischen der Sonntagvormittag um 11:30 Uhr zu sein. ZDFinfo wiederholt die Sendung aber auch montags gegen 4:40 Uhr, mittwochs gegen 4:35 Uhr, donnerstags gegen 0:20 Uhr, samstags gegen 4:30 Uhr und sonntags gegen 4:45 Uhr. Es scheint eine interne Vorschrift zu geben, die Sendung nicht zu einer Zeit ins Programm zu nehmen, in der mehr als zwei Dutzend Menschen sie zufällig entdecken und schätzen lernen könnten.*

Was aus dem einstigen Anspruch (oder wenigstens: Versprechen) von ZDFneo („Wenn ich mich nur berieseln lassen will, geh ich unter die Dusche“) geworden ist, hat Peer Schader neulich anschaulich dokumentiert. Zwischen den ganzen Wiederholungen und dem „Hollywood-Freitag“ fand er in einer Woche exakt 45 Minuten neues eigenproduziertes Programm. Sein Fazit über den Kanal:

Bloß ein auf Quotenoptimierung getrimmter Programmplanersender, der sein Publikum ausschließlich als Zahl hinter der Kommastelle bei der Marktanteilsauswertung kennt.

Und ZDFkultur ist praktisch schon Geschichte: Der Sender, der mit seiner Spezialisierung insbesondere auf Musik immerhin eine klare Identität hatte, eine höchst öffentlich-rechtliche noch dazu, soll „so rasch wie möglich“ auf ein „Wiederholungs- und Schleifenmodell umgestellt werden“, wobei eh längst schon nicht mehr klar ist, woran man erkennen können sollte, wann damit begonnen wird.

Ausgerechnet diesen — von Intendant Thomas Bellut ungeliebten — Sender glaubt sich das ZDF nicht mehr leisten zu können. Und hat dadurch, dass es ihn quasi schon als eingestellt betrachtet, den Trumpf in der Hand, dass der Etat, den es nach den Träumen der ARD mit in eine Jugendkanalehe einbringen soll, gar nicht mehr vorhanden ist.

„Wir haben ein Manko“, sagte Marmor. „Wir haben kein klar definiertes Angebot für die ganz jungen, die 14- bis 29-Jährigen.“
Und ich dachte, dass EinsPlus genau so ein Angebot sein wollte und sich bloß mangels Ausstattung, Kreativität und Kompetenz dabei nicht gut anstelle.

Was hätte das ZDF davon, mit der ARD zu kooperieren? Marmor sagte, man könne sich heute schon vorstellen, wie attraktiv ein Sender wäre, der die Stärken, die ZDFneo und Einsfestival haben, kombiniert. Worin die „Stärken“ von Einsfestival aktuell bestehen, sagte er nicht. Andererseits deutete er an, dass sich, wenn man Einsfestival und ZDFneo zusammenlegte, vielleicht Geld sparen könnte, das man dann wiederum in den Jugendkanal stecken könnte.

Wie sich tagesschau24 und ZDFinfo sinnvoll zusammenlegen ließen, weiß die ARD auch noch nicht. Aber das klingt natürlich erstmal gut, und der Privatsenderverband VPRT klatschte prompt Beifall.

Die Diskussion um die Zahl der Digitalkanäle ist ohnehin irreführend. Es kommt nicht darauf an, ob es sechs sind, fünf oder drei, sondern darauf, wie die Sender sie nutzen und ob sie einen klaren Mehrwert darstellen, und sei es auch nur für eine kleine Gruppe. ZDFkultur hat das im Ansatz gezeigt. Aber ZDFkultur wird gerade abgewickelt.

*) Nachtrag, 16:30 Uhr. ZDFinfo weist mich darauf hin, dass der „Elektrische Reporter“ um 0:20 Uhr nicht versteckt wird, sondern dort erwiesenermaßen mehr Zuschauer finde, auch in absoluten Zahlen, als wenn er nicht so spät in der Nacht liefe.

„Gold: Über jeden Zweifel erhaben“

Das ist die Entwicklung des Goldpreises im vergangenen Jahr:

Die fast senkrechte Linie ganz am Ende, das ist ein Absturz um rund elf Prozent. Es ist der dramatischste Preissturz am Goldmarkt seit 30 Jahren.

Das kam vermutlich für manche unerwartet, aber für niemanden so sehr wie für die Käufer von „Focus Money“. Die lesen seit Jahren, dass auf nichts in der Politik, der Wirtschaft, ach was, der Welt Verlass ist, außer auf eines:

Differenziert wie ein Buschbrand warb die Postille des Freundeskreises der Apokalyptischen Reiter noch im vergangenen Oktober für den Kauf von Gold:

Und als sich im vergangenen Monat die Anzeichen häuften, dass es mit dem Goldpreis vorerst eher nach unten als noch oben gehen könnten, setzte das Blatt gegen die ungewohnt zweifelnde Titelfrage: „Goldrally am Ende?“ die Antwort von nicht weniger als 30 Experten, die auf einen Goldpreis von 3000 Dollar und mehr wetteten („Richtung 15.000 Dollar“):

Die Titelgeschichte im Inneren trägt sicherheitshalber die Überschrift:

Gold: Über jeden Zweifel erhaben

Sie beginnt so:

Gold hat an Glanz verloren. Schon rufen die Ersten das Ende der Hausse aus. Zu früh, wie FOCUS-MONEY herausgefunden hat.

Eher widerwillig referieren die „Focus Money“-Redakteure die kritischen Einschätzungen von Goldman Sachs und der Rohstoffexperten der DZ Bank, um dann zu kontern:

Die Fürsprecher des Goldes, sogenannte Gold-Bullen. Deren Anzahl ist nach wie vor hoch. (…)

FOCUS-MONEY (…) fand gewichtige Argumente, die weiterhin für Gold sprechen.

10 000 Dollar je Unze? Der Blick auf die aktuelle Situation zeigt: Auf Dauer spricht nach wie vor vieles für einen starken Goldpreis.

Der Artikel endet mit der Goldpreis-, äh, -Prognose von „Brooklyn-College-Associate-Professor“ Mitchell Langbert: „It may go to infinity“, „Es kann bis ins Unendliche gehen“. (Der Mann scheint allerdings, im Gegensatz zu „Focus Money“, zu wissen, welchen Wert solche Vorhersagen in der Praxis haben: Am Montag vor einer Woche bloggte er, dass er eine Hälfte seines Gold- und Silber-Besitzes abgestoßen habe.)

Mats und Moritz gehen ans Ende des Regenbogens

Schon der Name ist schön. „Topf voll Gold“ haben Mats Schönauer und Moritz Tschermak ihr Blog genannt, in dem sie über den Markt der Regenbogenpresse in Deutschland berichten. Sie meinen nicht die Boulevardzeitungen wie „Bild“ oder sogenannte „People-Magazine“ wie „Gala“ und „Bunte“, nicht einmal viertelseriöse Angreifer wie „Closer“, sondern das Segment, dessen journalistische Ansprüche noch darunter liegen: Hefte wie „Freizeit Revue“, „Das goldene Blatt“, „Neue Woche“ und meine alte Freundin, „Die Aktuelle“, die Woche für Woche viele Hunderttausend Exemplare verkaufen.

Aus irgendeinem Grund gibt es kaum journalistisches Interesse an diesen schillernden Produkten und ihrer Art, sich auszumalen, was in der Welt der Reichen und Schönen wohl gerade vielleicht hätte passiert sein können, wenn das Leben die besten Geschichten schreiben würde und das nicht doch Woche für Woche die Redakteure dieser Blätter übernehmen müssten. Nur Jörg Thomann veredelt in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ die (Fehl-)Leistungen der Blätter regelmäßig zu „Herzblatt-Geschichten“.

„Und so läuft das Geschäft unterm Regenbogen, ohne dass sich jemand groß damit auseinandersetzt“, schreiben Mats und Moritz, was angesichts der üblen Methoden und dreisten Lügen schon erstaunlich ist. So berichtet die Zeitschrift „Promi-Welt“, dass die norwegische Kronprinzessin Mette-Marit „in einer Nacht- und Nebel-Aktion [in Indien] zwei Säuglinge aus einer Kinderklinik entführte“.

Schönauer und Tschermak studieren am Institut für Journalistik der TU Dortmund und betreiben den „Topf voll Gold“ als Teil ihrer Bachelorarbeit. Im schriftlichen Teil wollen sie unter anderem vergleichen, wie sich die Zeitschriften untereinander unterscheiden und im Lauf der Zeit verändert haben, und fragen, welchen Einfluss und welche Funktion Blogs neben der herkömmlichen Medienkontrolle und -kritik haben können.

„Vor allem aber interessiert uns die Frage“, sagt Mats Schönauer, der auch fleißig fürs BILDblog schreibt, „warum Medienjournalisten diesen riesigen Markt der Regenbogenpresse zum größten Teil unbeobachtet lassen. Das gilt interessanterweise auch für die Wissenschaft: Es gibt kaum Literatur und so gut wie keine Forschung zu diesem Bereich, obwohl er — allein gemessen an der Auflage — ohne Frage von Relevanz ist.“

Das Blog soll die praktische Ergänzung dazu sein. Dort sammeln sie auch die „Verrenkungen der Woche“ — das ist das Gegenstück zu meinem „die aktuelle“-Bingo und bietet ebenfalls die Möglichkeit mitzuraten, welche harmlose Nachricht für die absurd spektakulären Schlagzeilen der Titel verantwortlich ist. Das ist manchmal amüsant, wenn die „Neue Welt“ über Schlagersängerin Nicole titelt: „Knapp am Tod“, wohinter sich Folgendes verbirgt:

Dreimal schon ist Nicole dem Tod noch gerade so von der Schippe gesprungen — drei „Erlebnisse, die einem kalte Schauer über den Rücken jagen …“

  • 1988 wollte sich Ehemann Winfried unbedingt die Flugschau in Rammstein angucken. „Weil seine Frau zu Hause zu lange herumtrödelte, wurde daraus nichts.“
  • 2004 planten die beiden eine Reise nach Südostasien. Exakt zu dem Zeitpunkt, als dort der Tsunami wütete. Das Paar „entschied sich dann jedoch kurzfristig für Südafrika“.
  • Irgendwann krachte mal bei einer Liveshow ein schweres Scheinwerfer-Gestell um — „es hätte Nicole erschlagen können, fiel aber in die andere Richtung.“

Und manchmal von ausgesuchter Ekligkeit, wenn die „Freizeit Monat“ auf ihrem Titel alles tut, um den Eindruck zu erwecken, dass Friso, der Sohn von Beatrix, der seit einem Unfall im Koma liegt, gestorben sei, wenn sie in Wahrheit nur die angekündigte Abdankung der niederländischen Königin meint.

„Kein Plan, wie lange wir das aushalten“, sagt Mats, „aber noch sind wir hochmotiviert.“ Ich drücke die Daumen.

Obamas schöne Staatsanwältin: Vom Schaden, den ein Kompliment anrichten kann

Der amerikanische Präsident Barack Obama hat sich dafür entschuldigt, dass er Kamala Harris als „mit Abstand bestaussehende Generalstaatsanwältin“ im Land bezeichnet hat.

„Dämlicher geht es kaum“, schimpfte Andrea Seibel in der „Welt am Sonntag“ und behauptete: „Man darf in Amerika nicht mehr sagen, wenn ein Mensch schön ist, sondern nur, dass er gut arbeitet. Mann und Frau können sich so einzig als aseptische Roboter im öffentlichen Raum begegnen, da jede menschliche Regung als Sexismus ausgelegt und von einer unerbittlichen Gesinnungspolizei geahndet wird.“

Ihre Fassungslosigkeit reichte noch für einen weiteren Text zwei Tage später in der „Welt“, in der ihr Kollege Ansgar Graw dann den Lesern zudem ausführlichst die — angeblichen — Konzepte von „Political Correctness“ und „Sexual Correctness“ erklärte und beschrieb, wie idiotisch das alles ist. Und die Springer-Leute waren mit diesem Reflex nicht allein.

Nun hat das Projekt „Name It Change It“, das gegen sexistische und frauenfeindliche Darstellungen in den Medien kämpft, eine interessante Studie mit 1500 befragten Wählern vorgelegt. Darin geht es um den — hypothetischen — Wahlkampf zwischen einer Frau und einem Mann um einen Kongresssitz.

Ursprünglich, nach einer kurzen Vorstellung der Kandidaten, liegen beide fast gleichauf in der Wählergunst: Frauen bevorzugen leicht die Frau, Männer den Mann.

Dann bekommen sie jeweils zwei Artikel zu lesen. Einen über den Mann, der immer derselbe ist: Er schildert sachlich dessen Position zu einem Schulgesetz. Und einen über die Frau, der variiert.

Ein Viertel der Befragten bekommt eine Fassung, die sich ebenfalls nur mit der politischen Position der Kandidatin befasst. Als sie hinterher wieder befragt werden, für wen sie stimmen, liegen Mann und Frau immer noch ungefähr gleichauf.

Ein zweites Viertel bekommt eine Version, in der der Bericht um eine neutrale Beschreibung der Kleidung der Kandidatin ergänzt ist („Smith dressed in a brown blouse, black skirt, and modest pumps with a short heel“). Diese Wähler stimmen danach nicht mehr zu 49 Prozent, sondern nur noch zu 46 Prozent für die Frau.

In einer dritten Version ist die Erscheinung der Kandidatin positiv beschrieben („In person, Smith is fit and attractive and looks even yonger than her age. At the press conference, smartly turned out in a ruffled jacket, pencil skirt, and fashionable high heels…“). Das schadet ihr noch mehr bei der Abstimmung: Von dieser Gruppe der Wähler bekommt sie nur 43 Prozent.

In der vierten Gruppe schließlich, deren Artikel eine negative äußerliche Beschreibung enthält („Smith unfortunately sported a heavy layer of foundation and powder that had settled into her forehad lines, creating an unflattering look for an otherwise pretty woman, along with her famous fake, tacky nales“), fällt der Wähleranteil auf 42 Prozent.

Vor allem bei den Männern führt die bloße Erwähnung von Äußerlichkeiten der Kandidatin oder einer positiven Beschreibung zu einem drastischen Rückgang an Zustimmung.

Nachdem die Wähler die Berichte gelesen hatten, in dem das Erscheinungsbild der Kandidatin erwähnt wurde, wurden ihr weniger positive Eigenschaften zugeschrieben. Besonders stark war ihr Rückgang in den Kategorien Verbundenheit, sympathisch, selbstbewusst, wirkungsvoll und qualifiziert. Anscheinend reicht es, das Äußere einer Frau zu erwähnen, um bei einem Teil der Wähler ihre Qualifikation vergessen zu lassen.

In der Zusammenfassung von „Name It Change It“:

Wenn sich die Medien auf die äußere Erscheinung einer weiblichen Kandidatin konzentrieren, zahlt sie dafür in den Umfragen einen Preis. Das gilt, wenn die Berichterstattung über die Erscheinung einer Kandidatin positiv, negativ oder neutral daherkommt.

Mehr als kompensieren ließ sich in der Studie der negative Effekt bei den Wählern übrigens dadurch, dass die Kandidatin oder eine Organisation sich über diese Art der Berichtertattung über Äußerlichkeiten beschwerte.

[via Andrew Sullivan]