Die Sonne geht unter, der Schlager-Grand-Prix kommt.
Ich steh hier für euch / Das Mikro in der Hand / Ich steh hier meinen Mann / Tu alles was ich kann. / Ich steh hier für euch / Ich sag’s total direkt / Ich bin zwar nicht perfekt / Doch ich geh hier nicht weg. / Denn wir ham keine Angst . . .
Falsch! Wir ham Angst! Das Schlimmste ist nicht, dass Zlatko mit diesem Lied bei der Vorentscheidung zum Schlager-Grand-Prix antritt. Das Schlimmste ist, dass ihm trotzdem der Titel des peinlichsten Beitrages nicht gewiss ist. Dass es soweit gekommen ist, dass man der Bild-Zeitung recht geben muss in ihrem furchtbaren Lamento, wie weit es gekommen ist. Und dass man am Ende erleichtert sein wird, falls Michelle gewinnt, die ein konventionelles Schlagerlied im Stil der 80er über die Liebe singt, aber wenigstens eins, bei dem man von „Lied“ und „Stil“ und „singen“ sprechen kann.
Drei Arten von Beiträgen treten am 2. März an: die Unauffälligen, die Gutgemeinten und die Durchgeknallten. Michelle gehört zur ersten Gruppe, wie ein Trio um Joy Fleming. Nett, belanglos, Grand-Prix-Material halt, das noch in zehn Jahren auf kultigen Parties bejubelt wird und sonst nirgends. Mit gutem Willen kann man auch zwei Beiträge Ralph Siegels dazu zählen, der seine alten Ideen mit neuen Sängern recycelt, aber vorsichtig sein sollte mit der Forderung, manche Beiträge zu verbieten, weil er sonst selbst halb im Knast stünde.
Dann sind da die, die sich erschreckenderweise für die Retter des Grand Prix halten: Wolf Maahn, der die Idee zu seinem Lied in Sarajewo hatte und am Anfang ruft: „Welcome, yeah, this is Radio Open Mind, broadcasting to all humankind. “ Oder anständige Jungs namens Tagträumer, die man für Pur halten könnte, wäre ihr Lied nicht weitgehend eine Kopie des Hits Never had a dream come true von S Club 7. Womit wir bei Zlakto und den Durchgeknallten wären. Natürlich haben auch Leute, die keinen Ton treffen, das Recht zu singen. Aber doch nicht die Pflicht! An einem selbst für Billig-Techno-Verhältnisse entsetzlich entsetzlichen Stück haben fünf Leute mitgeschrieben! Und Donna Moshammer groovt: „Hier spricht der König der Welt. “
Was soll das? Fragen wir die Gruppe Illegal2001: „Ist Dieter Bohlen musikalisch oder fehlt im das Talent? Hat unser Schumi nen kleinen Penis, weil er so große Autos fährt? Kann man dem lieben Gott vertrauen, wenn’s ihn wirklich gibt? Ich weiß es nicht, und trotzdem bin ich am Leben. Doch steht die Sonne tief am Himmel, werfen Zwerge lange Schatten, und dann weiß ich, dass ich nicht klein und unbedeutend bin. “
Eine geplante Striptease-Nummer der Mädchencombo Love Rocket hat der NDR gerade noch verhindert. Trotzdem steht die Sonne verdammt tief vor der ARD.
(c) Süddeutsche Zeitung
[…] SZ, 15.05.2000 [↩]„Deutsche Leitmusik”, SZ, 10.01.2001 [↩]„König der Zwerge”, SZ, 21.02.2001 [↩]„Waterloo”, SZ, 05.03.2001 [↩]„Lustig, lustig, […]