Im Würgegriff des Internets

Während das Internet beständig weiter wächst, immer wieder Neuerungen hervor bringt und täglich etwa 31902 neue Startups (deren Namen entweder auf [fehlender Vokal]r enden oder mit Tw anfangen) um die Aufmerksamkeit der Nutzer/innen buhlen, wird gerne mal vergessen, was nebenbei hinten runter fällt. Deshalb folgen nun: 10 Dinge die durch das Internet getötet wurden oder auf dem Weg dorthin sind.
(Basierend auf und inspiriert von diesem Artikel von Matthew Moore.)

  • Konzentrationsvermögen

    Man kann … Text … nebenbei …. checken … Internet … da war … ach ja. Wo ist … noch mal gucken. Das Internet bietet so wunderbar viele Möglichkeiten sich nebenbei zu betätigen, dass es schlichtweg gar nicht mehr möglich ist, sich auf seine eigentliche Arbeit zu konzentrieren. Die bisherige Krone der Schöpfung, der menschlichen De-Evolution bezüglich Konzentration, dürfte wohl Twitter sein.

    Der folgende XKCD Comic beschreibt ganz fabelhaft, wie sich der regelmäßige Gebrauch von Internet auf die allgemeine Konzentrationsfähigkeit auswirkt:

  • Das Vertrauen in Ärzte

    Immer häufiger müssen sich Mediziner gegenüber Patienten die sich während ihrer ersten Schritte im Internet vorsichtshalber bereits selbst diagnostiziert haben, behaupten. Dabei wird forsch argumentiert und mit einem Zettel mit allen wichtigen Fakten gewunken: Ein Ausdruck, Comic Sans in lila, Schriftgröße 16 auf roséfarbenem Untergrund. Die nötige Würze erhält die Diskussion von Vornherein dadurch, dass 99,5% aller Internet-Selbstdiagnosen per Suchmaschine früher oder später zum Ergebnis kommen, dass man an einer tödlichen Krankheit leidet.

  • Brieffreundschaften
    Auch Linus van Pelt zieht mittlerweile Emails vor
    Keine knittrigen Polaroids mehr, die jahrelang Teil des stetig gedeihenden Bürobedarfskefirs auf dem Schreibtisch sind, gelegentlich auftauchen und an die einstige Brieffreundschaft in einem Land, dessen man Namen nur bedingt aussprechen kann, erinnern.

    Andererseits genießen Brieffreundschaften in jungen Jahren eine sehr viel bessere Reputation als Internetbekanntschaften. Erklärt man seiner Mutter ein Brieffreund käme zu Besuch, ist die Freude groß. Gedeckter Tisch mit Suppe mit extragroßen Klößchen und dem Geschirr mit Goldrand. Ist hingegen die Rede von einer Internetbekanntschaft, wird auf Abbruch der Operation hingearbeitet, garniert mit Informationen aus Fernsehmagazinen am Nachmittag.

  • Die Reputation nigerianischer Geschäftsmänner und Prinzen

    „Lieber Freund,
    Ich vermute das diese E-Mail eine Überraschung für Sie sein wird, aber es ist wahr.“

    Trotz all der angepriesenen Wahrheit dürfte der warme Geldregen aus dem Westen Afrikas stets ausgeblieben sein. Vielleicht der wahre Grund für die Wirtschaftskrise? Aber irgendwas muss wohl am Mythos dieser Spam-Mails dran sein. Hin und wieder scheint sich bei Beantwortung da doch etwas ergeben zu haben.

  • Ironie

    Diese Form des Humors ist natürlich nicht wirklich gestorben und (hoffentlich) auch nicht auf dem Weg dahin, nur scheint sie im Internet schlichtweg nicht zu funktionieren. Einmal angewandt, gibt es in der Auffassung 4 verschiedene Lager:

  1. Leute verstehen Ironie auch in geschriebener Form dank des entsprechenden Zusammenhangs. Alle freuen sich.
  2. Leute verstehen die Ironie halbwegs, sind aber der Meinung den Spaß daran noch einmal erklären zu müssen. Besinnen sich während des Erklärens aber darauf, alles doch nicht lustig zu finden und müssen dies eindeutig klar stellen. Mehrmals.
  3. Leute verstehen die Ironie nicht, gehen aber derart auf den betroffenen Teil des Inhalts ein, dass es fast schon unangeneehm ist, sie auf die ironischen Umstände hinzuweisen.
  4. Blanke Empörung.
  • Der Mythos über die Intelligenz von Katzen

    Die einst so eigenwilligen, charakterstarken und dadurch so intelligenten Haustiger haben einen, bezüglich ihrer Intelligenz, herben Imageschlag erlitten. Lolcats. Katzenbilder kombiniert mit knappen, lustigen, orthographisch und grammatikalisch eigenwilligen Sätzen. Natürlich besitzen sie noch immer die zuvor erwähnten Eigenschaften, nur macht man sich eben keine Gedanken mehr darüber, was wohl gerade Mysteriöses im Kopf der Katze vorgeht, da sie womöglich sowieso nur an Cheezburger denkt.

  • Die kribbelnde Ungewissheit bevor man jemanden nach langer Zeit wieder sieht

    Welche kribbelnde Ungewissheit, zum Beispiel über das Aussehen, soll denn auch bei einem ersten Treffen nach fünf Jahren existieren, wenn man sich eh die vergangenen 5 Jahre auf Facebook, StudiVZ und Ähnlichem gegenseitig gestalked hat?

  • Der Gedanke, der Tod eines C-Promis würde einem als Einzige/r nahe gehen

    Die Träne im Knopfloch für Anna Nicole Smith fühlt sich plötzlich doch nicht mehr so befremdlich an, hat man erstmal realisiert, dass es tausenden Menschen rund um den Globus genauso geht. Mit dieser Gewissheit kann man sich dann voll und ganz diversen Tribute Videos auf YouTube (Irgendwas von Enya + die ersten 100 Bildersuchergebnisse für die betroffene Person + alle verfügbaren Überblendeffekte) und Dergleichen hingeben.

  • Unentdeckte Talente
    For Those About To Rock ... We Salute You
    [Foto: Anton Kawasaki]

    Unentdeckt ist vielleicht das falsche Wort dafür, denn das können sie schließlich auch für den Rest des Lebens bleiben. Aber dennoch war es noch nie so einfach für junge schaffende Künstler, welcher Richtung auch immer, trotz Abgeschiedenheit in irgendeinem Dorf mitten im Wald fernab jeglicher Popkultur, sich der Welt mitzuteilen.

    Allerdings gibt es hier noch eine weitere Ebene. Folgendes Szenario: Man entdeckt durch Zufall eine dieser kleinen Bands weit weg vom Schuss. Die Musik gefällt so sehr, dass sie in den auserwählten Kreis der Lieblingsbands aufgenommen wird. Nur hat diese Band aber die Besonderheit, dass man sie selbst entdeckt hat und sie sonst noch absolut Niemand kennt. Und genau an diesem Punkt kommt die Ernüchterung. Tippt man einmal den Bandnamen in eine Suchmaschine ein, gibt es gleich mehrere Tausend Suchergebnisse: Musikblogs, geführt von Herren mit schmalen Schnauzbärten und noch schmaleren Hosen, die diesen besonderen Coolnessbonus der Entdeckung für sich beanspruchen, da sie die meisten Bands eh schon hören, bevor sie überhaupt existieren.

  • Videotext

    Sport auf der 200, Programm auf der 300 und Nachrichten auf der 110. 3 Ziffern als Schlüssel zu sämtlichem Weltgeschehen, gekürzt auf wenige Zeilen in pixeligen Buchstaben. Mit dem langsamen Aussterben des Videotexts bricht womöglich auch einer der am meisten unterschätzen, kreativen Arbeitszweige weg. Oder habt ihr euch jemals gefragt, wer eigentlich versucht, nackte Frauen aus wenigen Bildpunkten zu kreieren, welche potentielle Kundschaft derart erregen sollen, dass sie tatsächlich bei einer Telefonsex-Hotline anrufen.

    Des Weiteren dürfte der Videotext auch die mitunter bedeutendsten Horte der Einsamkeit bieten: SMS-Chats. Vielleicht entwickelt sich ja auch eines Tages mal eine Art Sport daraus, Bewerbungsgespräche ausschließlich mit Videotext-Werbesprüchen von Faxabruf-Beratungen zu führen. Und noch so eine Frage, die sich mir bis Heute noch nicht erschlossen hat: Wer ruft eigentlich bei Videotext-Telefonvotings an und stimmt (bei einem Preis von 49 Cent pro Anruf) für „Mir egal“? Und überhaupt: Entstehen Wurmlöcher oder Dergleichen, wenn man Videotext im Internet bedient?

    Aber aufgepasst! RTL und Philips arbeiten an einer neuen Form des Teletexts. Ein neuer, schnellerer, besserer, bunterer Videotext – der erste Sargnagel für das Internet?

74 Replies to “Im Würgegriff des Internets”

  1. Zum Thema Konzentrationsvermögen: ich glaube dadurch werden die Männer auch so laaaaangsam multitasking-fähig.
    Die Ungewissheit, die Spannung wie denn der ehemalige Freund, die Freundin, das Date, der Arbeitskollege aussieht, die ist tatsächlich flöten gegangen, denn auch wenn man es niemand zugeben will, wir haben uns doch zu einem Stalker-Völkchen entwickelt!

    Übrigens Videotext – find ich toll!

  2. Von den Besucherzahlen her ist icanhascheezburger eines der erfolgreichsten Blogs im Netz überhaupt. Das und Ihre erwähnte Meinung über den Verlust des Mythos der intelligenten Katze sind aber keine Erwähnung in diesem Blog wert oder würdig. Was allerdings Erwähnung hätte finden können ist, das die Idee zu seinem Blog vom Gründer Ben Huh einfach nur von 4chan.com geklaut ist. Ben Huh brüstet sich in einem seiner letzten Einträge mit dem zweijährigen Bestehen und der Grösse seines, wie er es nennt, Networks, das aus mehreren gleichartigen Blogs besteht. Der Ideenklau und die gnadenlose Kommerzialisierung wird dabei natürlich von ihm nicht erwähnt. Das, lieber Herm, hätten sie aber hier machen können. DAS wäre ein Eintrag in diesem Blog wert gewesen. Stattdessen kommen Sie mir hier mit dem ‚Verlust des Mythos der intelligenten Katze‘. Ich weiss nicht genau was Ihre Absicht ist und was Sie mit diesem Blog noch vorhaben, aber die bisherigen Einträge, die Sie verfasst haben sind dem Niveau und der kritisch-journalistischen Thematik des Bloggründers Niggemeier sicherlich ehr abträglich.

  3. Super Artikel. Videotext wird aber meiner Meinung nach nicht sterben, bevor die lokalen Dorffußballprotagonisten der Altersgruppe über 50 nicht die Bedienung eines Computers und das Auffinden der Webseite fussball.de erlernt haben. Und das kann noch Jahrzehnte dauern…

  4. Ich denke eher, dass er ein Monokel trug. Ich glaube es ist ihm vor Schreck beim lesen des Artikels aus dem Auge, direkt in sein Sektglas, gefallen und dort zersprungen.

  5. Sehr schöner Artikel. Als weiten Punkt würde ich hinzufügen:
    Anfeindungen von Menschen, die man nicht kennt, sind im Internet üblich. Auch das gab es so vorher nicht in der Analogwelt.

  6. Hr.Eisenmann scheint ein Katzenbesitzer zu sein, die haben ja nachweislich eher weniger Humor.

    Ansonsten: der Verlust des Konzentrationsvermögens ist leider wahrhaftig, allein das Thema Rechtsschreibung wä(h)re natü(h)rlich auch einen Beitrag wert gewe(h)sen. Ohne Grammatik-Nazi zu sein, ist das alles nicht mehr schön

  7. @14/Wildpinkler:
    Haben wir nicht gerade gelernt, dass Ironie im Internet nicht funktioniert?

    @10/Martin:
    Hier geht es um Dinge, die durch das Internet verschwinden, nicht um Dinge, die durch das Internet entstehen.

  8. 15:

    Das war keine Ironie. Und was DU gelernt hast: Weiss ich nicht. Ich bin seit Internetnutzung lernblockiert, gibt doch Wikipedia.

  9. @polyphem
    seit einiger zeit ist der monokelträger nun nur noch in entsprechenden reservaten beheimatet. die inflationäre vermehrung des gemeinen vierauges mag mit dazu beigetragen haben.

  10. 15/Frank:
    ich meinte, das nicht beleidigen durch anonyme Menschen ist weggefallen.

    14/Wildpinker:
    Sehr anschaulich.

  11. Ich finde, wir sollten alle zusammenlegen, um dem Herrn Niggemeier eine mehrwöchige Verlängerung seines Urlaubs zu finanzieren.

  12. @ Andi&nouse

    Gebt das Geld doch dem Herm. Was für ein paar Wochen Niggemeier-Urlaub reichen soll, müsste doch locker die Auslagen für ein eigenes Blog decken. Damit wäre dann allen geholfen. Denen, die Herrn Herms Anwesenheit hier für den Untergang der Blogkultur halten, und denen, die ihn gerne noch länger lesen möchten.

    Wie immer um Ausgeglichenheit bemüht

    Wildtyp Olly

  13. Ich frage mich, wie lange Stefan N. brauchen wird, die ganzen Hermeline mit ihren eigenwilligen Ansichten wieder abzuschütteln.

    Aber macht weiter so, es ist wunderbar! ;)

  14. Danke für den Beitrag, viele Sachen im Bezug auf den Teletext habe ich mich auch schon gefragt, Jetzt werde ich aber erstmal herausfinden, was es auf boinboing.net zu sehen gibt

  15. Das Internet ist eine virtuelle Verdrahtung über eine reale
    Verdrahtung.(Klingeldraht, zweiphasig)
    Das Internet kann ernst sein oder/und lustig, je nach
    Benutzung innerhalb einer Nutzungssoftware.
    Sich in den Würgegriff des Internet zu begeben zeugt von
    ähnlicher Sucht wie die Sucht nach des Herrn Daums Schnee.

    Einst wird kommen der Tag, an dem anonymes Schwampfen
    nicht mehr möglich sein wird und die Wildpinkler o.Ä.
    sofort identifizierbar sein werden. hähä.
    Oldman begrüßt das.
    Die Schreihälse aus der anonymen Masse heraus werden
    verschwinden.
    Und die Idioten mit ihren unterirdischen Ergüssen zu einem
    solchen Thema
    , werden Idioten sein in ihren nun weltweit
    bekannten Unterständen.

    Herms Texte sind nicht gut, sie sind exorbitant gut.

  16. Ich fürchte mit so einem sehr treffenden Text, war Niggemeier und nun kommt der Herr Herm ! Und da sage einer das Internet sei ein talentfreier Raum ….. Schönes tiefes Stück zum Auwinken aus dem Wochenende ! Danke und bitte mehr von sowas.

  17. Sehr schöner Artikel, weiter so!
    Allerdings stirbt auch der morgendliche Gang zum Briefkasten aus umd die täglich heiß erwarteten Nachrichten aus der Zeitung zu empfangen!
    Ist ja alles schon alter Tabak.
    Aber das ist wohl der (nicht nur unerwünschte) Lauf der Geschichte!
    Schönen Wochenanfang.

  18. @ 31
    Das es eine echte Anonymität schon heute nicht (mehr) gibt, sollte sich schon herum gesprochen haben. Die „Alltags“ Anonymität gibt es glücklicherweise noch. So sehr das Internet ein öffentlicher Raum ist, meine Aktivitäten in diesem Raum empfinde ich als privat. Meine weitgehende Anonymität ist mir wichtig und ich möchte sie nicht aufgeben – eben weil das Internet ein öffentlicher Raum ist!
    Da nehme ich es doch gerne hin, daß andere Menschen, versteckt hinter ihrer Anonymität, manchmal ihre Kinderstube vergessen. Eine einfache Güterabwägung…
    Sollte ihr Kommentar allerdings in Zusammenhang mit Punkt 5 auf Herrms Liste stehen, betrachten Sie meine Erwiderung doch bitte als gegenstandslos.

  19. Das Vertrauen in Ärzte hab ich auch schon mal gedacht… Alles sehr gut beobachtet!

    Wann kommt der Niggemeier eigentlich aus dem Urlaub wieder? Ich leg 2 Wochen drauf! :-)

  20. videotext, das internet des kleinen mannes.
    ich war ja immer großer fan, manchmal habe ich nur dafür den fernseher angemacht, das war schließlich information.
    der olle rechner läuft dagegen ständig, muss ja, hat man heute so.
    dabei ist das programm dort auch nicht immer zwangsläufig besser;-)
    allerdings sind die infos nicht so verpixelt…

  21. „Ironie […] nur scheint sie im Internet schlichtweg nicht zu funktionieren.“

    Ich habe es vorhin einmal ausprobiert. Außerhalb auch nicht.

  22. Ich glaube, besonders die Nigerianer sind hart getroffen. Die wissen jetzt gar nicht mehr, wohin mit ihrem Geld.
    Aber auch die Glaubwürdigkeit von Her Majesty’s Revenue and Customs Service ist bei mir derzeit im Schwinden begriffen, denn die versprochene Steuererstattung habe ich trotz Angabe von Konto- und Kreditkartennummern, PINs und TANs und allen mir bekannten sonstigen Passwörtern noch immer nicht erhalten…

  23. Übrigens kann man die Grafiken ganz leicht produzieren. Man nimmt ein Photo der Liebsten, läd es mit gimp, Skaliert es auf 32×32 px, und speichert es mit Farbtiefe 2 Farben (s/w).

  24. ich werde es ihm ausrichten, hihi.

    @alexander: ich kann es kaum erwarten, dass dieser tag schon bald kommen wird, großartig!

  25. Sehr gute Bestandsufnahme, Herr mmhä Herm. [Kommentar wegen schwafelnden salbaderns entfernt] und deshalb würde ich mich freuen, solche Einträge auch in Zukunft hier lesen zu dürfen!

  26. Die Kommentare in so manchen Blogs zeigen, dass noch was verloren geht: Zeit.

    Offensichtlich verhält sich ein Benutzer im Internet wie ein Autofahrer mit 250 PS auf der Autobahn. Blenden, Hupen, Drängeln, auch wenn man sich gerade im Überholmanöver befindet, welches man begonnen hat, als noch nichts im Horizont zu sehen war.

    Trifft man die gleiche Person ausserhalb des scheinbar anonymen Fahrzeugs, ist sie tatsächlich auf meist relativ normalen Niveau ansprechbar und kategorisiert sich selbst als „menschliches Wesen“, nicht als raketengetriebener Nacktmull.

    Im Internet sind es ähnliche PS: den Blog-Artikel kurz überfliegen, zwischen Twitter und MySpace etwa 2ms nachdenken investieren und dann sofort einen Verriss in Form eines Kommentars posten. Man hat ja auch nicht wirklich Zeit.

    Aber vermutlich liegt das daran: jeder kann schreiben (und auch Autofahren). Und irgendwo hat man schon eine Textdatei mit vorgefertigten Antworten – die man irgendwann auswendig kennt. Warum nicht den gewohnten Pfad weiter austreten und einfach Bullshit posten? Hauptsache den narzistischen, profilneurotischen Trieb ausleben und IRGENDWAS sagen, um mindestens auf seinen eigenen Blog/Twiter-Account aufmerksam zu machen. Wenn man schon was schreibt, muß Werbung in eigener Sache gestattet sein – man hat ja sonst keine Zeit mehr, für sich zu werben.

    Besser wäre es, wenn jeder so leben würde, dass er dem anderen nicht auf die Nerven geht. Allerdings wären dann die Kommentarfunktionen meistens überflüssig.

    Wie dem auch sei, guter Artikel. Leider habe ich jetzt keine Zeit mehr, meine Tippfehler aus meinem narzistischen Kommentar zu entfernen – keine Zeit, muß wieder arbeiten.

  27. @50 CG
    Nun, wenn Sie beim Überholvorgang nur den Horizont beachten, nicht aber in den Rückspiegel nach hinten sehen, so ist klar, warum Ihnen nicht auffällt, daß schon seit längerer Zeit ein (oder mehrere) Auto(s) hinter Ihnen ist(sind), welches Sie eventuell behindern.

    Man sollte einfach immer in die richtige (oder besser maßgebliche) Richtung sehen, dann klappt es nicht nur mit dem Autofahren. :D

  28. @CG #50:

    Stimmige Analyse, die natürlich weder mit Ihnen noch mit mir igendwas zu tun hat. Sie verlinken ja schließlich nicht mal Ihren Namen, ich habe kein Interesse an Aufmerksamkeit oder zusätzlichen Lesern und bin sowieso gegen jede Kritik immun. Wir meinen nur solche Subjekte wie den ominösen Wildpinkler, Menschen mit ausgeprägtem verbalem Penisneid, die überall ihre knüppeldicke und angeblich ellenlange Rute erwähnen müssen. O tempora, o mores!

    Was? Ironie im Netz funktioniert nicht. Ach Mist.

    Dennoch sollte das Internet bitte diese Woche noch nicht endgültig abgeschaltet werden, denn ich finde die Beiträge von Herm durchweg recht witzig. Und heute hat er sich doch auch in puncto Rechtschreibung und Zeichensetzung sichtbar Mühe gegeben. Oder?

  29. @51: Robert Glockner

    „Der Horizont“ wird auch das genannt, was man im Rückspiegel sieht, wenn man reinkuckt. Daher verstehe ich nicht, warum Sie die Vermutung äußern, ich sehe beim Überholen nur nach vorne (was jetzt wiederum jetzt ziemlich doof klingt, aber ich nehm das Risiko in Kauf). Ansonsten habe ich im allgemeinen keine Probleme mit dem Autofahren, trotzdem danke für den Tipp.

  30. @52 Perlenschwein:

    Nein, ich meine durchaus auch mich – meine eigene Profilneurose zwingt mich förmlich dazu, hier zu antworten. Weswegen sonst sollte ich mein Zeit damit verschwenden, hierzu kommentieren? Der Artikel ist gut, warum sollte ich das hier jemanden mitteilen? Doch nur, weil ich mich selbst zu wichtig nehme und denke, dass auch ich hier etwas beizutragen habe. Der Unterschied ist nur: ich weiß was ich bin.

  31. @CG #54:

    „Weswegen sollte ich mein Zeit damit verschwenden, hierzu kommentieren?“ Berechtigte Frage.

    Ich als Zero-Blogger freue mich immer noch, wenn Leser mein Zeug kommentieren. Herm langweilt sich hier offenbar auch nicht einen Wolf an den Hintern, sonst würde er nicht auf manche Kommentare reagieren, sondern bei Lidl vorm Milchregal über die Preisentwicklung und andere globale Zusammenhänge meditieren.

    Content kommt irgendwo her, manche Leute wollen das offenbar würdigen. Oder Kontakt haben. Andere verscheißern. Sich wichtig machen. Die Zeit bis zur nächsten Zigarettenpause totschlagen. Zeigen, wie schlau sie sind. Etc………

  32. Zum Thema vertrauen in Ärzte:

    da ich mich Zeit meines lebens mit einigen chronsichen Krankheiten herumschlage und dadurch zwangsläufig Experte in diesem Gebiet bin.

    Man braucht kein Internet um das Vertrauen in Ärzte zu verlieren. Wenn man zu selbsternannten Koryphäen geht und nach kurzem Gespräch merkt, dass man nicht nur mehr, sondern sogar viel mehr weiß als das Gegenüber, stärkt das nicht gerade das Vertrauen in den Beruf des Arztes. Kombiniere das mit der Tatsache, dass man als Kassenpatient allgemein schlecht beraten/therapiert wird. (Kostenfaktor Kassenpatient) und du hast viele viele Leute die jahrelang von Pontius zu Pilatus rennen ohne dass ihnen geholfen wird.

    Außerdem ohne das Internet und die Möglichkeit der eigenen Recherche würde ich heute noch mit Hilfe von Ärzten an den Symptomen einer unerkannten Erkrankung herumdoktorn.

  33. @ 50 CG

    „Weswegen sollte ich mein Zeit damit verschwenden, hierzu kommentieren?”

    Wir befinden uns im Blog eines Journalisten. In guter, alter Zeitungstradition gibt es immer den Leserbrief-Teil. Dieser wird redaktionell aufgearbeitet und jeder, der mit dieser Auswertung schon einmal beschäftigt war, wird bestätigen können, dass der Briefkasteninhalt ähnlich dem der Kommentare hier ist. Neben Pöbeleien an den Autor oder Gegendarstellungen von Betroffenen befinden sich ebenfalls Briefe von Profis wieder, die es als Teil ihrer Arbeit definieren zu „ihrem“ Thema ihre Meinung zu äußern: Lektoren kritisieren mögliche Fehler, Juristen bemängeln Verstöße gegen die Mediengesetze, die Herrn und Damen Prof. Dr. berichten über ihre Forschungen, usw.. Denn das, was viele hier als „Wichtigtuerei“ abstempeln gehört nun mal zu den drei Dingen, an denen man einen Profi erkennt: der öffentlichen Meinungsäußerung.

    Bleibt also alles beim alten? Ich bin der Meinung: Nein!

    Partizipation.

    Die individuelle Meinungsäußerung von „Normalsterblichen“ fand früher nur in organisierten Verbänden, Parteien oder Bürgerbewegungen Gehör und wurde über den Korporatismus (oder negativ ausgedrückt Lobbyismus) zum Teil der Gesellschaft. Oft ging sie einfach unter und wurde nicht wahrgenommen, sie wurde seltenst veröffentlicht. Gemeinschaftliches Nachdenken über Journalismus nicht möglich. Genau das hat sich nun geändert, da zum einen die Schwelle einen Blog-Beitrag zu schreiben viel geringer ist als einen Leserbrief zu verfassen und da zum anderen der Platz eines Blogs nun einmal „unendlich“ ist und nicht „tot redigiert“ wird. Ich finde das sehr spannend.

    Geändert hat sich hierdurch jedoch, dass es zu Kontakt unter den Lesern kommt, denn ein Leserbrief auf einen Leserbrief gab es nach meiner Erkenntnis früher nicht so. Könnte aber auch sein, ich weiß ja nicht alles.

    :-)

  34. @50: Geltungssucht ist vermutlich eine wichtige Triebfeder in der Kulturbranche. Viele Künstler „leiden“ darunter. Das ist doch aber auch in Ordnung, oder? Ich bin recht froh darüber.

  35. Hach super. Man kommt aus dem Schmunzeln gar nicht mehr raus. Was auch verloren geht: Briefe von Freunden aufheben und nach Jahren durchlesen. Ich kann mich nur an eine mail erinnern, die ich mal ausgedruckt und aufgehoben habe, weil sie so toll und herzlich war. Und was ist: Ich finde sie nicht mehr. :(

  36. Ich hab festgestellt, dass auch bei mir die Konzentrationsfähigkeit flöten geht, wenn ich abends daheim den Computer anhabe. Mittlerweile muss ich mich dazu zwingen, ihn auszuschalten, wenn ich in Ruhe was im Fernsehen anschauen oder ein Buch lesen will, ohne mich ablenken zu lassen. Insofern stecken in dem Beitrag hier oben einige gut beobachtete Weisheiten für den Alltag.

  37. Also die bisherigen Urlaubsvertretungen fand ich ja eher so 3- . Aber diese Texte sind wirklich toll! :)

  38. Herm bringt mein Weltbild ins Wanken.
    Bisher schaute ich auf Herrn Niggemeiers Blog eigentlich nur vorbei um mich darüber aufzuregen.
    Der Besuch auf niggemeier.de waren meine täglichen Two Minutes Hate.
    Diese ewige besserwisserische Korinthenkackerei, dieses pathtische Geschwafel über journalistische Ethik, diese gutmenschelnde Betroffenheit über angebliche „Medienopfer“, diese politisch korrekte Humorfreiheit, kurzum ich fand das Blog von vorne bis hinten grauenhaft.
    Da stellt sich mir die Frage: Wie kann jemand wie Herr Niggemeier, der so ziemlich alles verkörpert was mir zuwider ist, eine so geniale Urlaubsvertretung wie Herm haben?
    Bei seinen Beiträgen habe ich mich jedesmal vor Lachen fast bepinkelt.
    Muss ich eines fernen Tages etwa noch sagen: „Naja, es war ja nicht alles schlecht beim Niggemeier.“?

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