Vorwort zum Buch „Hier entsteht für Sie eine neue Sackgasse“.
Ich finde die Cartoons von Hauck & Bauer total lustig.
In einer perfekten Welt würde dieser Satz reichen. Man würde ihn einfach aufs Cover schreiben, und die Leute in den Buchhandlungen würden beim Vorbeigehen stutzen und zueinander sagen: „Kuck mal, Ulla, ich weiß zwar nicht, wer dieser ‚Niggemeier‘ ist, aber der kennt sich bestimmt aus; lass uns doch ein Buch mitnehmen oder besser gleich zwei, weil Lustiges kann man ja nie genug haben“, und allen wäre gedient: mir, den amüsierbereiten Käufern, dem Verlag und nicht zuletzt den sympathischen jungen Herren namens Elias Hauck und Dominik Bauer.
Dass es keine perfekte Welt ist, merken Sie schon daran, dass dieser Text nicht auf dem Cover steht, sondern sich im Buch versteckt. Und nun weiß ich zwar weder, was das für Menschen sind, die sich in einem Buch mit Witzbildchen ausgerechnet den witz- und bildlosen Text durchlesen, noch, was sie sich davon versprechen, aber ich fürchte: jedenfalls mehr als einen Satz.
Ich habe mir deshalb Gedanken gemacht, was die Cartoons von Hauck & Bauer so lustig macht. Ich bin dafür nicht besonders prädestiniert, ich bin ja kein Experte, sondern schreibe nur zufällig eine Fernsehkolumne in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, in der am Rande des Gesellschaftsteils die wunderbare Reihe „Am Rande der Gesellschaft“ erscheint (wenn Sie die Wirtschaftsteile unauffällig entfernen, liegen sie direkt aufeinander, meine Texte und deren Cartoons). Aber ich bin Fan, und nach längerem Grübeln mir ist eine Erklärung eingefallen: Diese gezeichneten Szenen funktionieren wie Stenographie, wie eine Kurzschrift auf das Leben. Im Geist ergänzen wir die dürren Linien zu kompletten Portraits und die kargen Dialoge zu vollständigen Geschichten.
Ich weiß nicht, wie sie das machen, und ich will nicht ausschließen, dass es nur meine Einbildung ist, aber das Schaf zum Beispiel, das da auf einem Hügel steht und versuchsweise „Mööh“ sagt, bis es vom Schäfer zur Ordnung gerufen wird – ich bin überzeugt davon, dass es mich im vierten Panel mit hochgezogenen Augenbrauen anguckt, wie ein Komiker, der am Ende eines Sketches stumpf in die Kamera schaut. Nun haben nicht nur Schafe keine richtigen Augenbrauen, sondern das Zeichenschaf auch nicht einmal ein Gesicht. Nur einen Kreis mit einem Blumenkohlkringel als Flauschkopf. Und trotzdem guckt es mich provozierend an.
Zwei, drei Striche auf einem Kopf identifizieren wir sofort als einen Scheitel, und den Mann, der ihn trägt, als eine typische Figur aus der Nachbarschaft. Die Leute, die die Cartoons von Hauck & Bauer bevölkern, sehen natürlich selten so aus wie wir oder unsere Freunde, sondern wie die etwas komischen Leute, die im Supermarkt vor einem stehen oder in der Bahn hinter einem sitzen. Es sind keine Karikaturen von Extremen: Der größte Teil des Personals, das in der Welt von Hauck & Bauer lebt, sind mittelalte, unauffällige, ein bisschen spießige Menschen. Aber sie haben Charakter, sie scheinen auch außerhalb der Umrandung der Zeichnung zu existieren, man kann sie wieder erkennen: Sie sind lebensecht. Das ist erstaunlich angesichts der minimalistischen, flüchtig hingeworfen wirkenden Art, in der sie gezeichnet sind. Aber die paar Striche sind alles, was wir brauchen, um die Figuren im Kopf selbst auszumalen.
Jener Mann zum Beispiel, der vor der Seminartür steht und feststellen muss, dass der Kurs „Positiv denken“ leider ausfällt. Der Witz lebt nicht zuletzt von der echten Tragik, die sich in in seinen Augen spiegelt und dadurch noch verstärkt wird, dass er ganz offenkundig seine Hausaufgaben gemacht hat: Worin auch immer sie bestanden haben mögen, er trägt sie als Stapel brav unter dem Arm. Sie sind Papier gewordenes Symbol für die Hoffnung, die sich dieser Mann gemacht hat, und für die unverschuldete Enttäuschung, die sicher Spuren hinterlassen wird. Wir wissen ungefähr nichts über diese traurige Figur, aber wir ahnen alles.
Die Cartoons sind Alltagsbeobachtungen, mal böse, mal tragikomisch. Die Geschichten, die Dominik Bauer sich ausdenkt und Elias Hauck zeichnet, schaffen das Kunststück, gleichzeitig wahr und abseitig zu sein.
Es sind Miniaturen, die die Natur des Menschen und die Komplexität der modernen Welt als Resonanzkörper…
Nein, Moment. Das ist Unsinn. Vermutlich tut man Hauck & Bauer und ihren Cartoons damit Unrecht. Auch ein Strichmännchen hat ein Recht darauf, einfach Strichmännchen zu sein und ein Witz nur ein Witz.
Denn auch und vor allem das zeichnet die Werke in diesem Buch aus: Die hemmungslose Lust am Unfug. Eine bekloppte Situation zu schaffen, einen Kalauer auszureizen, eine billige Pointe zu veredeln – herrlich albern zu sein. Sie schaffen das mit einem traumwandlerischen Gespür für das Absurde, das im Normalen steckt und nur einen winzigen Millimeter neben dem Bekannten liegt, und einer bewundernswerten Leichtigkeit.
Aber ich fürchte, ich bin damit dann doch wieder bei dem Satz: Ich finde die Cartoons von Hauck & Bauer total lustig.
[…] die Witzigkeit von Hauck & Bauers Cartoons zu erklären — ich verweise da einfach auf das Standardwerk zum Thema und komme gleich […]