Eigentlich mag ich es nicht, wenn man von Dingen redet, die „typisch deutsch“ seien. Erstens lehne ich Verallgemeinerungen grundsätzlich ab, und zweitens gibt es sicher auch andere Völker auf diesem Planeten, die mindestens ebenso spießig, Fortschritts-skeptisch, ahnungslos ihrer eigenen Gesellschaftsform gegenüber, und schlecht gekleidet sind. Und doch komme ich mitunter nicht umhin, Dinge selbst für „typisch deutsch“ zu halten.
Diese Meldung zum Beispiel: Der Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, beschwert sich laut „Spiegel“ (Artikel online natürlich nicht verfügbar) in einem Brief an MDR-Intendant Udo Reiter, dass der MDR einen Fernsehfilm in Auftrag gegeben habe, in dem sich eine DDR-Oppositionelle im Stasi-Gefängnis in ihren Verhörer verliebe. Knabe kündigt schon mal vorsorglich Proteste von Opferverbänden gegen die Ausstrahlung an und greift dann zum Totschlagargument: Der Film verharmlose die Tätigkeit der Stasi.
Da der Film „für 2008 in der ARD geplant“ ist, können wir davon ausgehen, dass Herr Knabe ihn nicht gesehen hat, da es ihn noch gar nicht gibt. Das macht nichts, denn „Sachen im Vorfeld kritisieren“ ist eine Disziplin, in der die Deutschen derart Weltmeister sind, dass von den Chinesen ausnahmsweise keine Gefahr droht. Man kann alles kritisieren: Bücher, die noch niemand gelesen hat; Gesetzesentwürfe, die noch niemand eingereicht hat, selbst zusammengereimt aus Passagen eines Politiker-Interviews, das noch gar nicht veröffentlicht wurde; und natürlich das Wetter in drei Wochen, wenn man in Urlaub fahren möchte, an einen Ort, an dem man noch nie war, den man aber sicher doof finden wird.
Es kann kein Zufall sein, dass es in keiner mir bekannten Sprache ein Äquivalent zum deutschen Wort „Bedenkenträger“ gibt, wobei das Wort an sich schon eine Menge aussagt: der Brite trägt Melone, der Italiener Goldkettchen, der Franzose ein Baguette unterm Arm und der Deutsche eben Bedenken. Läuft eine Fernsehsendung wie „Big Brother“ in Deutschland an, hyperventilieren Politiker den Untergang des Abendlandes herbei. Ich stelle mir dann immer einen Stammtisch im Berliner Regierungsviertel vor, wo sich Weltuntergangspropheten überparteilich ihrer Sympathie füreinander versichern und bitterlich darüber weinen, dass sich ein Typ wie Tom Cruise nicht mal von deutschen Politikern einen 80-Millionen-Dollar-Film ausreden lässt (worüber ich bei mir schon mal geschrieben hatte). Es ist aber auch zu dreist von diesen Amerikanern, dass sie eine ur-deutsche Helden-Geschichte verfilmen wollen, denn bei ihrer Geschichte verstehen Deutsche noch weniger Spaß als bei Volksmusik- oder Comedysendungen.
Vielleicht liegt das Problem auch hier in der Sprache: „Geschichte“ kann ja Erzählung (story) und Historie (history) sein – da kommt man schon mal ebenso schnell durcheinander wie der Vater, der seinem Jungen erklären muss, dass Oma zwar jetzt „im Himmel“ (heaven) sei, aber sie trotzdem nicht runterfalle, wenn der Himmel (sky) wolkenfrei sei. Und so scheint die Botschaft, dass Literatur, Film und Bildende Kunst eben nicht die Wirklichkeit (egal ob vergangene, gegenwärtige oder zukünftige) abbilden, noch nicht bei jedem angekommen. Das führt dann zu Diskussionen darüber, ob eine Romanze vor einem historischen Hintergrund nicht doch eine „nachträgliche Erfindung“ sein könnte – als ob das auf den tatsächlichen Schrecken in der DDR eine Auswirkung hätte.
Billy Wilders fantastische Ost-West-Komödie „Eins, zwei, drei“ ist keine Verharmlosung der deutschen Teilung, obwohl ihr mitten im Dreh ausgerechnet der Bau der Berliner Mauer dazwischen kam. Und auch wenn „Valkyrie“ mit Tom Cruise und „12 heißt: Ich liebe dich“, der jetzt diskutierte MDR-Film, sicher nicht mit „Eins, zwei, drei“ vergleichbar sein werden, sind sie doch alle drei Spielfilme, die von Menschen gemacht wurden und werden, denen man ausreichend geistige Reife für ein solches Projekt unterstellen kann. Die Gefahr von „Verharmlosungen“ droht wohl eher da, wo man Filmprojekten, die schon in zehn Jahren vergessen sein werden, eine ähnliche Aufmerksamkeit beimisst wie der Aufarbeitung der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte.
wunderbarer artikel. ein genuß zu lesen und leider nur zu wahr.
Man stelle sich bloß vor, eine deutsche Produktionsgesellschaft hätte „La Vita è bella“ drehen wollen.
Nicht auszudenken …
Den beiden ersten Kommentare ist nichts hinzuzufügen.
Wunderbar – wenn nur DIE LETZTEN VIER WORTE keine so jämmerliche Phrase wären…
Fünf Worte, sorry…
Den Bedenken zum Gedenken – werd‘ ich mich in Schweigen senken.
/ab mit dank
Verallgemeinerungen allgemein ablehnen find ich etwas verallgemeinert.
Wie ich es doch mag, wenn Leute ihren Kopf benutzen. Deswegen lese ich so gerne dieses Blog.
Ja, wirklich schade, dass es in so einem Klischee enden musste. Sonst wirklich ein schöner Artikel :)
@2: Es ist ja nicht so, dass Geschichte und Geschichte in Deutschland gar nicht zusammengingen: Von Jurek Becker gibt es „Jakob der Lügner“ (dessen DEFA-Verfilmung für den Oscar nominiert wurde) und auch „Good Bye Lenin!“ und „Sonnenallee“ vermischen mehr oder weniger gelungen das Leben in Unrechtssystemen mit Humor.
Und dann gibt es natürlich noch „Mein Führer“ mit Helge Schneider als Adolf Hitler. Den habe ich aber irgendwie verpasst. Und man sollte vielleicht nicht unerwähnt lassen, dass der Regisseur Schweizer ist.
@10: ohne Zweifel. Aber „Das Leben ist schön“? Wäre das gegangen?
„Da kaspert jemand im KZ herum …“
Ein Fressen für die Bild. Irgendwer wird schon irgendeine extreme Meinung dazu haben.
Nein, ich sehe es auch nicht so schwarz. Immerhin darf ich ganz legal einen Badewannenstöpsel in Form eines aus einem Gulli guckenden Walter-Moers-Adolf haben.
Das hätte ich mir in der DDR nicht erlaubt.
Wir Österreicher sind aber auch ganz gut im Schlechtreden: bei uns heißt der Bedenkenträger dann halt Suderant ;-)
Der Stauffenberg-Film heißt übrigens „Rubicon“ („Valkyrie“ war der Arbeitstitel).
[…] nach dieser banalen nachricht, nun für alle, die es noch nicht wissen: stefan niggemeier macht urla… […]
Das Kategorisieren in Nationen-Typisches ist deshalb so wenig hilfreich, weil es so etwas Schicksalhaft-unausweichliches hat. Typisch-Deutsch heißt: Da kann man nix machen. Außerdem bleibt dann immer noch ein Erklärungsbedarf: Was daran ist typisch-deutsch und warum?
Auch wenn es etwas weit hergeholt scheint: Hier geht es um Macht, im kulturell-historischen Bereich heißt Macht Deutungshoheit. Wo kämen wir hin, wenn sich jeder sein eigenes Bild von der Geschichte macht? Wenn die Menschen verstünden, dass die einfachen, politisch korrekten Klischees von der Vergangenheit nicht alles sind?
So ein Gedenkstättenchef muss sich vor dem Kontrollverlust fürchten, den er erleidet, wenn die Menschen, die zu ihm kommen, vorher vielleicht einen Film gesehen haben, der sich nicht ohne Reibung in das von ihm vermittelte Geschichtsbild einpassen lässt.
Das gleiche Problem haben wir mit der Rezeption von „Das Leben der Anderen“, hier ( http://duberichtest.de/einzelgeschichte.php?id=95&art=geschichte ) gibt es einen Artikel dazu. Bei diesem Film, dessen künsterisches Niveau so hoch ist, dass kein Opferverband dagegen mobilisiert werden kann, wird schlicht behauptet, die Geschichte hätte natürlich so nicht passieren können. Warum nicht? Weil man dann zugeben müsste, dass das Leben komplizierter ist, als dass eine einzige Deutung zum Verstehen ausreichen könnte.
Wieso habe ich beim Lesen des Artikels sofort ein Bild von Hubertus Knabe – von dem ich noch nie in meinem Leben etwas gehört habe, das aber auch nicht vermisse – vor meinem geistigen Auge gehabt habe?
Für mich sieht er aus, wie eine kongeniale Mischung aus Siegfried Kauder, Fritz Pleitgen, Norbert Schneider und Otto Schilly. Wie auch immer Norbert Schneider aussehen mag. Der deutsche Michel halt.
@ Peter Krause #2: „La Vita è bella” finde ich ganz furchtbar. Wenn es nicht um deutsche Geschichte (im Sinne von „History“) gehen würde und es nicht in einem deutschen KZ sondern in einem belibigen anderen Vernichtungslager gehen würde, würden das wahrscheinlich auch mehr Menschen bemerken.
@ STU #12: Suderant, das gefällt mir.
Rubicon – die Würfel sind geworfen!
Rund 5 Millionen Filmförderung von deutscher Seite für ein typisch deutsches Thema. Ich bin schon auf die Umsetzung gespannt.
Typisch Deutsch wird wohl auch wieder eine zensierte Fassung für den deutschen Deutschen sein, nicht nur im Schnitt sondern auch in der Synchronisation.
@ 11: Stimmt: Ich habe mal einen unterhaltsamen Film geschrieben, in dem auch Nazis vorkommen. Der Sender, dem ich das Drehbuch angeboten habe, reagierte in etwa so: „Wir finden das Skript toll, aber wir können das nicht produzieren – man würde uns dafür in der Luft zerreißen. Aber wenn du einen amerikanischen Produzenten findest – KAUFEN würden wir den fertigen Film sofort!“
Grundgütiger…
Auch ein Lob von mir, guter Artikel. Aber Diskussionswürdig finde ich zumindest eine Passage. Natürlich darf man fiktive Filme mit wahrem geschichtlichem Bezug machen. Aber wie sieht es aus, wenn die Auswirkungen Einfluss auf die heutige Zeit nehmen. Z.B. der Contergan Film, dessen Ausstrahlung verhindert wurde. Unabhängig davon ob das Unternehmen in diesem Fall Recht hat (da kenne ich mich zu wenig aus). Aber hat das Unternehmen nicht im diesem Fall das Recht auf eine wahrheitsgetreue Erzählung der Geschichte? Der wirtschaftliche Schaden wird folgen, egal ob als fiktiv oder real gekennzeichnet. Ein letzter Satz: Ich bin in dieser Frage noch ein wenig am Grübeln, lasse mich also gerne inspirieren…
Und schon sind wir wieder bei Stolpe. Selbst wenn „der Contergan Film“ Kinder mit drei Armen als Schädigung gezeigt hätte und die Väter das Medikament eingenommen hätten, hätte das Unternehmen geklagt. Meine ich. Und man kann ja, nach dem Stolpe-Urteil, alles meinen.
Falls jemanden die Geschichte, die da verfilmt werden soll, interessiert: Die taz hat von nem Monat über Regina und Uwe Karlstedt geschrieben, hier:
http://www.taz.de/index.php?id=start&art=1755&id=493&cHash=fe0217b758
Ein international verwendbares Wort für Bedenkenträger könnte „Alarmist“ sein. Triffts doch fast, oder?
[…] Eine deutsche Geschichte « Stefan Niggemeier …der Brite trägt Melone, der Italiener Goldkettchen, der Franzose ein Baguette unterm Arm und der Deutsche eben Bedenken… (tags: deutsch geschichte film) […]
Da fällt mir Hagen Rether ein:
„Was wäre der Deutsche ohne seine Angst?! …ein Franzose!“
Mir gefällt der Artikel überhaupt nicht. Vor allem die zugrundeliegende These, Deutsche neigten eher als andere dazu, gegen filmische Bearbeitung schwieriger Stoffe zu protestieren, erscheint mir nicht nur schwach, sondern auch nicht argumentativ untermauert.
Wie sah es im Ausland in vergleichbaren Fällen aus? applaudieren wirklich alle Engländer, Franzosen, Italiener…, wenn ein historischer Stoff etwas „leichter“ umgesetzt wird?
Und: Es handelt sich um einen einzigen Menschen, der Bedenken anmeldet. In einem Land, das schon zig Filme hervorgebracht hat, wie man sie ja nach Meinung des Verfassers nur im Ausland drehen könnte.
Schwach geschrieben, nicht zu Ende gedacht – oder er gar nicht mit dem Denken angefangen.
Wie wahr! Ich habe das Buch für einen Kinofilm geschrieben, dessen Dreharbeiten Ende August beginnen. Da der Film auf einem U-Boot spielt und das auch noch während des zweiten Weltkrieges, sind natürlich schon mal gleich alle „Bedenkenträger“ unterwegs. Allen voran die Betreiber einer Homepage, die sich um die Geschichte der deutschen U-Boote kümmert. Dort ist zu lesen: „Gleichzeitig ist dies ein Protest gegen Machwerke,
die sich als Ziel gesetzt haben,
das Opfer dieser Männer zu beschmutzen.“ Tolle Nummer! Den Film hat noch niemand gesehen. Mein Buch übrigens auch nicht!
@16:
Du hast den Film nicht verstanden. Es geht nicht um deutsche Geschichte sondern um italienische und es ist auch kein deutsches KZ.
Und das andere Leute es anscheinend nicht „bemerken“ koennte daran liegen, dass deine Ansicht vielleicht nicht die alleinige goldene Wahrheit ist. Nichts gegen Kritik aber wenn dann bitte fundiert und nicht mit der Anmassung: „die anderen sind zu bloed das zu merken“
Schau ihn dir nochmal an, dann wirst du vielleicht auch die (italienischen!) Feinheiten verstehen. Oder eben auch nicht.
Ich bin froh, dass die Tendenz zum Total-Saloppen noch nicht gesiegt hat. Ich bin froh, wenn Menschen sich Gedanken machen. Ich halte das Infragestellen per se, vor dem sporadisch und unerwartet nichts sicher sein sollte, für den wichtigsten Garanten der geistigen Freiheit des Einzelnen, aber auch für einen Grundstein der Freiheit einer Gesellschaft, es sei denn, man ist Anhänger eines von Eliten gelenkten Gefüges und vertraut blind einem solchen.
Stets Bedenken zu tragen ist eine Tugend, die kombiniert sein sollte mit einem Selbstvertrauen, das verhindert, sich vor Bedenken unsicher im Kreis zu drehen und den Mut zu Entscheidungen liefert.
Das Beispiel vom diskutierten Gesetzentwurf ist keines von Bedenkenträgern, sondern vom gehetzten Empörungsjournalismus. Für Bedenkenträger könnte man in solchen Kampagnen zitierte „Experten“ oder Beteiligte nennen; doch auch die sind nur Rädchen in der Maschinerie oder solche, die sich der Maschinerie bedienen wollen. Denn Empörung wirkt auf viele Weisen: Diffamierend, mobilisierend, Kopfnicken auslösend, aufhetzend, verkaufsfördernd…
Natürlich sind Filme Geschichten und erheben selten den Anspruch, eins zu eins Geschichte abzubilden. Können Filme also Stasi-Verbrechen verharmlosen, Opfer- und Täterrolle in Kriegen vertauschen, Erinnerungen verschieben, romantisieren? Natürlich (man denke auch an Filme wie den, in dem die Bombardierung Dresdens vorkam). Doch diese „künstlerische Freiheit“ findet abgeschlossen von der geschichtlichen Wahrheit im Sandkasten des Filmes, der erzählten Geschichte statt. Doch, oups, wie kam es doch gleich, dass Propagandafilme unbestritten stark meinungs- oder zumindest stimmungsbildend wirken, bewiesenermaßen gewirkt haben? Selbst der gebildete Mensch ist bei entsprechend geschickter Dosierung vor sublimen Beeinflussungen nicht gefeit; wie erst wirken — auch unabsichtlich — Geschichten, die zu nahe an sensibler Geschichte sind, auf Menschen, die eben keinerlei Bedenken tragen, die sich nicht aus anderen Quellen informieren oder sich stets nur an die „Wahrheit“ der letzten Quelle erinnern?
Hui, wie huebsch- ein Meta-Bedenkentraeger. Hach ja es ist schon schlimm wie depresiv die Deutschen eingestellt sind.
„Ich mache mir keine Sorgen, also habe ich keine“ — ein Creso, das dem ein oder anderen genügen mag.
@28
Sehr erfrischend der Text.
Zu Beeinflussung durch TV:
Bei mir war es so, dass ich als Kind keinerlei Bedenken von den Filme die im Fernsehn liefen hatte. Hab quasi alles was da kam zu meinem Vorbild gemacht. Bis irgendwann Widersprüche (auch durch neue Filme) kamen und ich das ganze Hinterfragen musste.
In so einer vernetzten Welt kann man nicht mehr so leicht einer Wahrheit hinterherhecheln.
Ich denke es wird immer mehr kommen. Und radikale werden hoffentlich immer weniger.
@28: „man denke auch an Filme wie den, in dem die Bombardierung Dresdens vorkam“
Schlachthof 5? Dort wird auch eine Patentlösung für das Problem angeboten: „Wer anderer Meinung ist, soll doch sein eigenes Buch schreiben!“
Das Filmbedenklichfinden des Herrn Knabe ist keineswegs neu: Schon dem Drehteam von „Das Leben der Anderen“ hatte Knabe keine Drehgenehmigung in „seinem“ Stasiknast erteilt.
Einen ersten Grund hierfür hat mir eine Mitarbeiterin der Gedenkstätte persöhnlich genannt: Es sei Geschichtsverdrehung, dass „ein Stasioffizier nach der Wende Werbezettel austrägt“ – diese Herren haben schließlich heute fast alle gutbezahlte Jobs in Führungspositionen. Das die Filmfigur heute am Rande der Gesellschaft steht, WEIL sie sich der Stasi ABgewandt hat, interessierte nicht.
Der zweite Grund dürfte euch interessant vorkommen. Es sagt der Regiesseur auf der DVD, die Genehmigung habe er nicht erhalten, weil „DER FILM DIE STASI VERHARMLOST“ – so soll Knabe es ihm erklärt haben. Zum Glück war das die einzige Gedenkstätte, die so dachte – alle anderen Haben das Projekt unterstützt und ermöglicht. Heute haben Millionen diesen Film gesehen, auf der ganzen Welt. Millionen wissen, wozu die Stasi fähig war, WEIL sie ihn gesehen haben. Vom Oskar will ich garnicht reden.
Es drängt sich der Eindruck auf, Knabe das Wort „Pluralismus“ nicht. Alles, was seinem eng gefassten Weltbild nicht entspricht, ist zu verdammen. Das wäre ja nicht weiter schlimm, solche Menschen gibt es eine ganze Menge, doch ist es wohl fraglich, ob ein solcher Mensch eine der wichtigsten Gedenkstätten in Deutschland leiten sollte.
PS: Stefan, es wäre fair, wenn du Knabe von diesem Artikel in Kenntnis setzen würdest – falls du das nicht schon getan hast. So könnte er sich über die im Artikel und in den Kommentaren angesprochenen Kritikpunkte äußern. Obwohl ich befürchte, dass dieser Mensch kein Interesse an einer Diskussion hat, Gründe siehe oben.
@ Matidio #27:
Meinen Sie wirklich. Also ich denke, es geht um ein deutsches Konzentrationslager mit deutschen SS-Schergen auf italienischem Boden mit italienischen Gefangenen. Und das soll nichts mit deutscher Geschichte zu tun haben? Ah, ja, neh, is‘ klar.
Wo habe ich denn geschrieben, dass jemand zu blöd sei, den Film zu verstehen? Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass ich der Meinung bin, wenn es sich z. B. um ein japanisches Gefangenenlager handeln würde, in dem Chinesen gefoltert und getötet würden (oder andersherum) und er keinen Oscar gewonnen hätte und Roberto B. nicht so berühmt wäre die Erwartungshaltung eine andere und damit die Rezeption (mir fällt gerade kein besseres Wort ein) auch anders.
Ich werde Ihn mir sicher nicht noch einmal anschauen. Auch wenn ich Ihrer Ansicht nach zu blöd wäre , den fil zu verstehen.
Also ich hatte überhaupt keine Erwartungshaltung und fand ihn gut. Überhaupt führt bei mir eine hohe Erwartungshaltung eher zu schlechterer Bewertung. Und ein Film gefällt doch nicht, weil er Preise absahnt. Er sahnt Preise ab, weil er gefällt.
Klar, natürlich nicht jedem …
Eigentlich mag ich es nicht, wenn man von Dingen redet, die „typisch deutsch” seien. Erstens lehne ich Verallgemeinerungen grundsätzlich ab, und zweitens gibt es sicher auch andere Völker auf diesem Planeten, die mindestens ebenso spießig, Fortschritts-skeptisch, ahnungslos ihrer eigenen Gesellschaftsform gegenüber, und schlecht gekleidet sind.
Dem war nichts hinzuzufügen.
Eigentlich.
Ich werde Ihn mir sicher nicht noch einmal anschauen. Auch wenn ich Ihrer Ansicht nach zu blöd wäre , den fil zu verstehen.Ich werde ihn mir sicher nicht noch einmal anschauen.
@ Peter Krause #36: Ich will sicher nicht meinen Geschmack über den ihren stellen. Meiner Meinung nach verhält es sich mit dem Gefallen und den Preisen nicht immer bei allen so, wie Sie das dargestellt haben. Das ist wirklich nicht auf Sie gemünzt.
@ Heino #36: Verallgemeinerungen sind
scheißeunzureichend. Aber manchmal sind sie sowas von passend.Welcher Franzose hat den ein Baguette auf, eine Zigarette unter dem Arm und raucht dazu sein Baret? Welcher Engländer säuft, ist „gefängnistätowiert“, hat schlechte Zähne im Mund und prügelt sich auf dem Fußballplatz?
Warum soll es dann für „uns Deutsche“ anders sein?
Kennen Sie „Kartoffeln“ von Jan Delay?
Lukas, wenn Du schon Eins, zwei, drei als Vergleich heranziehst – damals fanden auch viele Leute die Thematisierung in der gegebenen Form (als Komödie) unangemessen. Ob Spaß rund um den Mauerbau oder Liebesgeschichte im Stasi-Gefängnis, man muss einfach akzeptieren, dass Leute das für keine gute Idee halten können. Vielleicht, weil es für sie kein Stück abstrakte Geschichte ist, sondern sie ganz konkret darunter gelitten haben. Es wird auch nicht jeder KZ-Häftling Benigni lustig finden. Manch einer vielleicht schon. Irgendwie ist der Versuch, Leuten vorschreiben zu wollen, was sie nicht gut oder schlecht finden dürfen auch nicht besser, wenn er von Dir statt von einem Hubertus Knabe kommt. Ist übrigens nicht typisch deutsch, das Bedenkentragen. In den USA wird zu jeder öffentlich geäußerten Meinung immer irgendeine Gruppe empört Protest einlegen. Ja, auch bei ungelegten Eiern.
„Mein Kampf“ ist auch nur’n Buch.
Man kann nicht einfach alles mit „typisch deutsch“ abtun. Mir geht es ehrlich gesagt mit dem ach so informierten Wissen über die Hintergründe von Scientology trotzdem auf den Geist, dass ausgerechnet der Sesselspringer Tom Cruise Stauffenberg spielt.
Vielleicht wenn ich total unwissend wäre dann wär’s mir egal. Aber manchmal kotzt einen einfach die Ignoranz mancher Leute, die einfach nur KOHLE machen wollen (Cruise) ziemlich an. Als ob er für den Film nen Oscar bekommen wollte.
Vor allen Dingen geht es mir auf die Nerven, dass Billy Wilder, Tom Cruise und der MDR in einen Topf geworfen werden. Das hat Wilder nicht verdient.
„“Mein Kampf“ ist auch nur’n Buch“
Nebenbei bemerkt ein absolut Antiquiertes Propagandawerk, dass Niemanden mehr hinterm Ofen hervorlockt.
Ich habe den Text nicht gelesen, weil ich den Einstieg voll scheiße fand.
[…] kleines Zitat eines Wortkünstlers „Sachen im Vorfeld kritisieren” ist eine Disziplin, in der die Deutschen derart Weltmeister sind, dass von den Chinesen ausnahmsweise keine Gefahr droht. […]
@ Flo / 33:
Der Artikel ist nicht von Stefan ;) Ich sag nur: Urlaubsvertretung.
@ 44 Hab ich auch schon gemerkt. Und ich hatte mich schon gefreut, dachte, er sei zurück ;-)
@Michael Gantenberg (26)
Ist das mit Ihrem Drehbuch ein Witz? U-Boot, WK2? Na, auf den Stoff bin ich gespannt. Mit Verlaub: Ich bin sicher, da schon mal was gesehen zu haben. Lief Sonntagnacht auch auf Arte.
@alle
In Lukas Heinsers Artikel klingt doch an, dass es weniger um die Bedenken an sich geht. Die sind gerechtfertigt bzw. diskussionsfähig, weil ihr Ursprung ernsthaft ist. Es geht eher darum, dass diese Bedenken zur persönlichen Profilierung missbraucht und mit dem üblichen Gekeuche wie die übliche Sau von den üblichen Leuten durch das übliche Dorf getrieben werden. Das ist anstrengend weil verwieselt, polarisiert und zieht jeden Versuch sachlicher Auseinandersetzung auf ermüdendes Niveau.
@Lukas Heinser
‚Die Trennung von Staat und Irrsinn‘. Nicht schlecht, gern gelesen.
@ 45 Ich kann mir keinen Artikel von Stefan vorstellen, der mit den Worten „Eigentlich mag ich es nicht…“ beginnt.
[…] übrigens gestern schon geriet die kommentierebene des ersten beitrag vom blogsitter lukas zum pein… […]
ist der Verfasser denn der Ansicht, dass es die Stasi gegeben hat?
Nunja. Wenn man wie Herr Knabe (der meinen vollen Respekt hat) an so vielen Fronten gegen Geschichtsverfälscher und -verharmloser kämpft, kann man gelegentlich auch mal übers Ziel hinausschießen.
Googeln Sie doch mal nach dem „Insiderkomitee zur kritischen Aneignung der Geschichte des MfS“. Oder der „Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung e.V.“
August Dass Blogs eben keine Content-Eimer sind, sondern höchst personenfixierte Mikromedien, …
Würde ja gerne was dazu schreiben. Aber als Schweizer darf man ja in der EU nicht mitreden.
@40: In der Tat, das hat Billy Wilder wirklich nicht verdient.
Gassner’s Law, you lost :D
@49: Natürlich gehe ich davon aus, dass es die Stasi gegeben hat. Es gibt für mich keinen Grund, an der Existenz dieser Behörde und den von ihr begangenen Verbrechen zu zweifeln. Wieso?
Lukas, vielleicht meint er ja „gegeben HAT“? Vielleicht will er damit ja nur darauf hinweisen, dass man durchaus auch die Gegenwartsform verwenden könnte?
wenn überhaupt „etwas typisch“ deutsch ist, dann das, irgendetwas als „typisch deutsch“ zu bezeichnen..
Natürlich sind wir noch da. Natürlich gewandelt, aber die Existenz der Stasi zu bezweifeln ist ein Fehler. Ich sage ihnen, wir werden noch von ihnen hören. Bald, sehr bald…
@56:
Haeh? *Augenbraue hochzieh
Dann lies dir zum Verständnis seines Widerwillens gegen jedes kulturelle Stasi-Trallafitti doch einfach das mal durch.
Sagt ein Wort wie „Bedenkenträger“ nicht mehr noch etwas über den Sprecher aus als über den Besprochenen. Leichter Beigeschmack von LTI. (Ich weiss, was jetzt kommt…)
@Issmirschlecht
Das ist mir auch (unangenehm) aufgefallen. Ich kann an dem Wort „Bedenkenträger“ – außer dem extrem abstrakten Charakter des Worts – nicht Negatives entdecken. Um es mal etwas zuzuspitzen: Ist es nicht das Wesen einer auch von unten funktionierenden Demokratie, dass jemand „Bedenken trägt“ und diese auch vorträgt?
Was wäre das Gegenteil einer angeblich „typisch deutschen“ Gesellschaft der Bedenkenträger? Eine Gesellschaft der „keine Bedenken Tragenden“. Eine solche wünsche ich mir nie wieder.
Je mehr man sich mit dem Text auseinandersetzt, desto offenkundiger wird, dass er diese Auseiandersetzung wohl kaum verdienen dürfte.
@ #61: Sprache, die persönliche Ansichten ausdrückt, sagt immer mehr über den sprechenden als über das, worüber gesprochen wird. Das ist trivial, das gilt auch für deinen Kommentar. Aber wer bei dem Wort Bedenkenträger an die Sprache des Dritten Reiches erinner wird, sollte das etwas genauer erklären und sich nicht hinter einer Abkürzung (LTI) und einer Andeutung (Ich weiß, was jetzt kommt…) verstecken
Übrigens erinnere ich mich, dass es in Polen recht kontroverse Diskussionen über Schlöndorffs Solidarnosc-Film gab, z.B. auch zum Thema der historischen Genauigkeit. Waren diese Diskussionen „typisch polnisch“? Oder stellen Sie sich mal einen Atatürk-Film mit historisch unverbrieften künstlerischen Ausschmückungen vor – da werden Sie „typisch türkische“ Reaktionen erleben, aber heidewitzka!
Für die Ahnungslosen: LTI ist die Abkürzung für die ‚Lingua Tertii Imperii‘, ein Buch, das Viktor Klemperer über die Sprache des Dritten Reiches schrieb. Kann man aber auch selbst herausfinden …
Ad 63. Der Punkt ist eben der, dass hier (beim Gebrauch von „Bedenkenträger“) keine besonders persönliche Ansicht zum Ausdruck kommt, sondern eine, die so durch und durch konventionell ist, dass man sie problemlos lexikalisch verarbeiten kann. Es ist der Mainstream, der sich oppositionell geriert, und das weckt zunächst einmal einen gewissen ästhetischen Widerwillen. Aber Du hast Recht: Um das zu sagen, hätte ich auch auf das „Wörterbuch der Gemeinplätze“ verweisen können und nicht Klemperer bemühen müssen.
In Richtung Klemperer weist eher der denunzierende Aspekt der Vokabel. Ich sprach vom „Beigeschmack“. Es ist eine Nuance, aber eine, die stört.
Und um mich hier endgültig als PC-Apostel zu outen und selbst ein verpöntes Wort ins Spiel zu bringen: Ich bin für ein Revival von »Betroffenheit«. Dann hätte man zumindest eine Kategorie an der Hand, um die jeweiligen Einwände von Knabe bzw. irgendwelcher Feuilleton-Hansel nicht unterschiedslos unter dasselbe Nationalstereotyp zu subsumieren.
@ #66: Ich habe den Sinn des ersten Absatz überhaupt nicht verstanden, un der „denunzierende Aspekt der Vokabel“ geht mir auch nicht auf. Schließlich: gegen das unterschiedslose Subsumieren unter dasselbe Nationalstereotyp bin ich auch, aber in wie fern „Betroffenheit“ da helfen könnte, bleibt mir verborgen.
Allerdings werden wir das hier wohl auch nicht klären können.
http://www.spiegel.de/reise/aktuell/0,1518,499304,00.html
Es geht auch anders: ein Hotel statt eines Films.
@68: Dann ist es ja nur gut, dass das hier außer Landes liegt …