Der Streit um die VG Wort betrifft Hunderttausende Urheber, aber das Thema ist abschreckend komplex. Es geht um die Frage, ob die Verwertungsgesellschaft pauschal einfach einen Teil der Tantiemen aus Urheberrechten, die sie einnimmt, an die Verleger überweisen darf. Ein Gericht hat das im Oktober bereits in zweiter Instanz in einem konkreten Fall für unzulässig erklärt. Es stellt damit die langjährige Praxis nicht nur der VG Wort, sondern auch der VG Bild-Kunst und der GEMA in Frage.
In den vergangenen Wochen haben der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sowie die VG Bild-Kunst und die Initiative Urheberrecht, für die der frühere Vorstand der VG Bild-Kunst, Gerhard Pfennig, als Sprecher tätig ist, zu dem Verfahren Stellung genommen. Auch die VG Wort selbst hat ihre erneute juristische Niederlage kommentiert, in Form von „wichtigen Fragen und Antworten“, in denen sich auch der bezeichnend pampige Satz findet: „Die VG WORT hat diesen Rechtsstreit nicht begonnen“ — das hat sie in der Tat nicht; sie hat halt nur, wie es aussieht, das Recht gebrochen. Die Verwertungsgesellschaft nimmt es dem Kläger, dem Urheberrechtler Martin Vogel, übel, dass er — bislang erfolgreich — sein Recht eingeklagt hat, dass Geld, das ihm zusteht, nicht an irgendwelche Verleger weitergeleitet wird.
Ende der kommenden Woche befasst sich eine außerordentliche Mitgliederversammlung der VG Wort mit dem Rechtsstreit und den notwendigen Konsequenzen daraus. Vogel tritt im Folgenden der Rechtsauffassung der VG Wort und damit auch der VG Bild-Kunst und der GEMA entgegen. Es ist auch ein Versuch, die Materie (halbwegs) verständlich aufzubereiten.
- Ein Gastbeitrag von Martin Vogel
In Presseerklärungen und Interviews versuchen die Verantwortlichen der VG Wort und des Börsenvereins (des Interessenverbands der Verleger), die Sach- und Rechtslage, von der die Verteilungspraxis der VG Wort und auch von VG Bild-Kunst und GEMA auszugehen haben, möglichst zu vernebeln. Dabei geht es ihnen vermutlich nicht zuletzt darum, Zeit zu gewinnen, damit die Nachforderungsansprüche der Urheber gegen diese Verwertungsgesellschaften und die Haftungsansprüche gegen die Verantwortlichen möglichst verjähren. Für die Vorstände und die Verwaltungsräte dieser Gesellschaften geht es dabei auch persönlich um den Vorwurf der Veruntreuung und um mögliche Schadensersatzforderungen.
Welcher Autor kennt schon die Hintergründe?
Vielen berufsmäßigen Autoren, vor allem auch Journalisten und Autoren literarischer Werke, erscheint der jährliche Scheck der VG Wort als ein Himmelsgeschenk. Oft genug bringt er Geld, das dringend benötigt wird, um irgendwie weiter über die Runden zu kommen. Vorausgegangen ist das mühselige Ausfüllen der Formulare, mit denen ein Wortautor jeden einzelnen Beitrag bei der VG Wort zu melden hat. Kaum ein Autor weiß, woher die Einnahmen der VG Wort stammen und wie der Anteil eines Autors an den Ausschüttungen ermittelt wird. Die VG Wort tut in der laufenden öffentlichen Diskussion wohlweislich nichts, um die weit über 400.000 Autoren, die sie als Treuhänderin vertritt, einfach und nachvollziehbar über ihr Verteilungsverfahren aufzuklären. Der Scheck oder eine Überweisung mit einer pauschalen Bemerkung zum Grund der Zahlung (etwa „Hauptausschüttung HA2012 für N.N.“, „2011 VG Wort Wissenschaft Zeitschriftenbeiträge xxx EUR“) müssen dem Autor genügen. Deshalb weiß auch kaum jemand, dass sein Scheck sehr viel höher ausfallen würde, wenn sich die VG Wort bei der Verteilung an Recht und Gesetz halten würde.
Wohin ist das Geld, das eigentlich den Autoren zusteht, abgeflossen?
Einen Großteil ihrer Einnahmen schüttet die VG Wort Jahr für Jahr pauschal an Verlage aus, ohne deren Berechtigung zu überprüfen oder auch nur überprüfen zu können. Die VG Wort tut so, als wäre die Beteiligung der Verlage an dem Vergütungsaufkommen ein Naturgesetz. Diese pauschale Verlegerbeteiligung ist grob rechtswidrig. Bereits zwei Gerichte, das Landgericht München I (Urteil vom 24.5.2012) und nunmehr auch das Oberlandesgericht München (Urteil vom 17. Oktober 2013), haben dies der VG Wort in einem Musterverfahren mit klaren und harten Worten bescheinigt.
Um welches Geld geht es?
Der größte Teil der Einnahmen der VG Wort stammt aus der sogenannten Gerätevergütung. Hersteller und Händler von Geräten, mit denen Privatkopien urheberrechtlich geschützter Werke, insbesondere von Wortautoren und Komponisten, hergestellt werden können (Kopiergeräte, Brenner, Drucker usw.), haben diese Gerätevergütung zu bezahlen (§§ 54 ff. UrhG.). Dazu kommt die sog. Betreibervergütung, die für den Betrieb von Kopiergeräten, z. B. in Copyshops, öffentlichen Bibliotheken und Bildungseinrichtungen, zu zahlen ist (§ 54c UrhG.). Im Jahr 2012 hat die VG Wort dadurch 65,19 Mio Euro eingenommen. Nach Abzug der Verwaltungskosten steht dieses Vergütungsaufkommen nach eindeutiger Rechtslage zu 100 Prozent den Autoren zu. Verlage haben daran keinerlei Rechte.
Wie ist die Rechtslage?
Nur selten kann ein Jurist sagen: Die Rechtslage ist eindeutig. Hier ist dies aber so. Unter Juristen kann nicht ernsthaft darüber gestritten werden, dass die pauschalen Ausschüttungen der VG Wort an die Verlage geltendem Recht krass widersprechen. Das ist auch der Grund, warum die VG Wort und der Börsenverein (als Interessenverband der Verlage) schon jetzt, vor dem rechtskräftigen Abschluss des Musterverfahrens, laut nach dem Gesetzgeber rufen. Dieser soll dafür sorgen, dass die Geldflüsse der VG Wort auch weiterhin zu einem Großteil zu den Verlagen abgeleitet werden können.
Rechtliche Ausgangslage
Hauptaufgabe der VG Wort ist es, Rechte der Urheber gegenüber Nutzern ihrer Werke wahrzunehmen, aus dieser Rechtewahrnehmung Erlöse zu erzielen und das Vergütungsaufkommen an die Berechtigten auszuschütten. Die VG Wort darf als Treuhänderin nur Personen an den Ausschüttungen beteiligen, die ihr nachweislich Rechte zur Wahrnehmung übertragen haben. Dies ist selbstverständlich und wird zudem vom Bundesgerichtshof immer wieder bestätigt. So steht es auch in der Satzung der VG Wort (§ 2). Nur hält sich die VG Wort nicht daran.
Das Vergütungsaufkommen der VG Wort stammt zum weitaus größten Teil aus der Gerätevergütung. Nach dem Urheberrechtsgesetz erwerben die Wortautoren die Ansprüche auf die Gerätevergütung schon mit der Schaffung ihrer Werke. Da nicht jeder einzelne Urheber seinen Anspruch auf eine Gerätevergütung bezogen auf sein Werk selbst geltend machen kann, schreibt das Gesetz vor, dass alle diese Ansprüche nur durch eine Verwertungsgesellschaft wie die VG Wort wahrgenommen werden dürfen. Das Vergütungsaufkommen ist dann möglichst leistungsgerecht an diejenigen auszuschütten, die ihre Rechte bei der Verwertungsgesellschaft eingebracht haben.
Verleger schaffen keine urheberrechtlich geschützten Werke. Ansprüche auf eine Gerätevergütung für einzelne Werke könnten sie deshalb nur besitzen, wenn sie solche Ansprüche von den Urhebern vertraglich erworben hätten. Aber genau dies schließen das Recht der Europäischen Union und das Urheberrechtsgesetz aus gutem Grund aus. Dies schützt die Urheber davor, die Vergütungsansprüche, die ihnen kraft Gesetzes zustehen, an die wirtschaftlich weit stärkeren Verleger abtreten zu müssen.
Recht der Europäischen Union
Nach dem Recht der Europäischen Union kann es ein Mitgliedstaat zulassen, dass Privatkopien geschützter Werke ohne Genehmigung der Urheber gefertigt werden. Eine solche Regelung beeinträchtigt die Urheber in ihren Rechten am Werk. Deshalb muss ein Mitgliedstaat, der eine Privatkopieausnahme einführt, den Urhebern dafür einen „gerechten Ausgleich“ sichern. In Deutschland wird dieser gerechte Ausgleich durch die Geräteabgabe gewährleistet. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in zwei Urteilen, dem Luksan-Urteil vom 9.2.2012 und dem Austro-Mechana-Urteil vom 11.7.2013, klar ausgesprochen, dass der Urheber (im damaligen Fall der Hauptregisseur eines Films) „unbedingt“ die Zahlung des Ausgleichs für eine Privatkopieausnahme erhalten müsse. Der EuGH hat deshalb ausdrücklich entschieden, dass der Anspruch des Urhebers auf den gerechten Ausgleich unverzichtbar ist. Dies gilt natürlich auch für die Wortautoren. Deshalb kann sich kein Verleger diesen Anspruch abtreten lassen, wenn es ihm dabei darum geht, den Anteil des Autors an der Gerätevergütung ganz oder teilweise in die eigene Tasche zu stecken.
In einem „Börsenblatt“-Interview vom 13.11.2013 hat der Geschäftsführer der VG Wort, Robert Staats, „erhebliche Zweifel“ daran geäußert, ob die Luksan-Entscheidung des EuGH auf die Konstellation bei der VG Wort übertragen werden könne. Die juristische Fachliteratur teilt diese Bedenken, für die Staats keine hinreichende Begründung nennt, durchweg nicht. Es ist ein bemerkenswertes Beispiel interessengeleiteter Argumentation, dass Staats seine angeblichen Bedenken wiederholt, obwohl der EuGH die Grundsätze seines Luksan-Urteils in der Entscheidung Austro-Mechana ausdrücklich und ganz allgemein für den „gerechten Ausgleich“ (das heißt auf Deutschland bezogen für die Verteilung der Gerätevergütung) bestätigt hat. Dieses erneute Urteil des EuGH wird von der VG Wort und anderen interessierten Kreisen vollständig mit Schweigen übergangen. Die VG Wort weiß nur zu gut, warum sie es, soweit irgend möglich, in der Öffentlichkeit vermeidet, die Rechtsprechung des EuGH, die ihren Standpunkt eindeutig widerlegt, auch nur entfernt anzusprechen.
Soweit das Urteil des OLG München aus der Austro-Mechana-Entscheidung herleitet, dass es generell zulässig sei, Vergütungsansprüche des Urhebers an einen Verleger abzutreten, interpretiert es die Entscheidung erkennbar unzutreffend. Denn der EuGH lässt unmissverständlich eine Abtretung nur zu, wenn der gerechte Ausgleich dem Urheber dadurch zumindest mittelbar zugute kommt. Das ist nicht der Fall, wenn der Verleger die Vergütung aus der Geräteabgabe auch nur teilweise fremdnützig, also für den eigenen Geldbeutel, erhält. Deshalb ist nach Unionsrecht eine Abtretung an den Verleger nur zulässig, wenn dieser die Zahlungen der Verwertungsgesellschaft als Treuhänder für den Urheber in Empfang nimmt. Das kann auch der VG Wort, der VG Bild-Kunst und dem Börsenverein nicht entgangen sein. Trotzdem führen sie zusammen mit den in ihren Aufsichtsgremien und in der „Initiative Urheberrecht“ vertretenen Gewerkschaften DJV (Deutschen Journalistenverband) und ver.di weiterhin die Urheber als ihre Treugeber hinters Licht. Und die staatliche Aufsicht des Deutschen Patent- und Markenamts sieht bei diesem Treiben einfach weg.
Deutsches Urheberrecht
Das deutsche Urheberrecht darf nur in Übereinstimmung mit dem vorrangigen Recht der Europäischen Union ausgelegt werden. In § 63a des Urheberrechtsgesetzes ist zudem klar geregelt, dass der Urheber auf einen gesetzlichen Vergütungsanspruch (wie seinen Anspruch auf die Gerätevergütung) nicht verzichten kann. Er kann diesen Anspruch zwar an einen Verleger abtreten, aber nur zu dem Zweck, dass dieser den Anspruch bei einer Verwertungsgesellschaft wie der VG Wort einbringt. Da die Gerätevergütung aber nach zwingendem Unionsrecht allein dem Urheber zufließen muss, ist eine solche Abtretung, wie oben ausgeführt, allenfalls dann möglich, wenn der Verlag als Treuhänder des Urhebers handelt. Derartige Abtretungen an einen Verlag hat es bisher praktisch nie gegeben; etwas anderes behauptet auch die VG Wort nicht. In jedem Fall wäre der Verlag in einem solchen Fall aber verpflichtet, die gesamte Ausschüttung als Treuhänder an den Urheber weiterzuleiten.
Zu den Ausflüchten der VG Wort
Die VG Wort und der Börsenverein versuchen, die rechtswidrige Begünstigung der Verlage zu bemänteln. Sie verweisen auf die Satzung der VG Wort und darauf, dass die Verteilungspläne von der Mitgliederversammlung beschlossen würden. Das sind jedoch offensichtliche Schutzbehauptungen. Ein Verein wie die VG Wort muss sich bei seiner Satzung und den Beschlüssen seiner Gremien an zwingendes Recht halten. Das sollte gerade im Fall der VG Wort für jeden unmittelbar einleuchtend sein: Die VG Wort ist Treuhänderin von weit über 400.000 Autoren. Nur etwa 350 davon sind bei ihr Mitglied. Die Ansprüche aller Mitglieder und Nichtmitglieder auf eine leistungsgerechte Ausschüttung der erwirtschafteten Beträge dürfen nicht einfach durch Beschluss einer geringen Zahl von Vereinsmitgliedern beschnitten werden, damit einem Teil der Mitglieder (nämlich den Verlagen) ohne rechtliche Grundlage Vorteile zugeschanzt werden können. Abgesehen davon hat der Bundesgerichtshof wiederholt ausgeführt, dass sich die Verteilung der Verwertungsgesellschaften nicht nach den Bestimmungen der Vereinssatzungen zu richten hat, sondern nach dem Wahrnehmungsvertrag. Verteilungsquoten in der Satzung sind deshalb unbeachtlich. Dennoch berufen sich die betroffenen VG Wort und VG Bild-Kunst weiterhin dreist auf ihre Satzungen, wenn sie ihren Berechtigten weis machen, dass die bestehende Rechtslage zu einem nicht zu bewältigenden Verwaltungsaufwand führt.
Tradition
Die rechtswidrige Praxis der VG Wort, die Verlage auf Kosten der allein berechtigten Urheber pauschal an der Gerätevergütung zu beteiligen, hat eine langjährige, traurige Tradition. Rechtmäßig kann sie dadurch nicht werden.
Solidarprinzip
Einmütig erklären VG Wort und Börsenverein, dass Grundgedanke der pauschalen Regelung von Anfang an das Solidarprinzip gewesen sei. Viele Autoren werden sich bei diesen Worten die Augen reiben. Sie erfahren erst jetzt allmählich, wie „solidarisch“ sie über viele Jahre gegenüber den Verlagen gewesen sind, und dass diese „Solidarität“ dazu geführt hat, dass sie als wissenschaftliche Autoren nur 50 Prozent und als nicht-wissenschaftliche Autoren nur 70 Prozent des ihnen eigentlich zustehenden Ausschüttungsbetrags erhalten haben.
Vielen Autoren wird der Verweis auf das Solidarprinzip auch aus anderen Gründen schrill in den Ohren klingen. Die Mehrheit der Autoren macht, gerade im Wissenschaftsbereich, ganz andere Erfahrungen. Was soll ein wissenschaftlicher Autor von der Solidarität seines Verlags halten, wenn er diesem alle wichtigen Rechte abtreten musste und oft genug, statt ein Honorar zu erhalten, für die Drucklegung zahlen musste? Wie es um die Solidarität der Verlage steht, zeigt sich gerade auch in diesen Wochen: Die großen Verlage beginnen damit, sich von der VG Wort abzusetzen. Dies zeigen die Bestrebungen, das Leistungsschutzrecht der Presseverleger nicht durch die VG Wort wahrnehmen zu lassen.
Verwaltungsaufwand
Die VG Wort meint, es werde ihr ein ungeheurer Verwaltungsaufwand zugemutet, wenn sie nur an diejenigen ausschütten dürfte, die bei ihr Rechte eingebracht haben. Sie wäre dann gezwungen, die einzelnen Verträge zwischen Urhebern und Verlagen heranzuziehen und zu überprüfen. Dieser Verwaltungsaufwand sei nicht zu leisten und würde die Erträge weitgehend verschlingen.
Das Gegenteil ist richtig. Bei Beachtung der einfachen Sach- und Rechtslage ist der notwendige Verwaltungsaufwand der VG Wort erheblich geringer als bisher. Nach zwingendem Unionsrecht und deutschem Recht können nur Urheber Inhaber von Ansprüchen aus der Gerätevergütung sein. Diese Ansprüche sind unverzichtbar. Verlage können sie nicht zu eigenem Vorteil erwerben. Die VG Wort darf daher von vornherein nur an die Urheber ausschütten. In Betracht käme allenfalls, dass ein Verlag als Treuhänder für einen Urheber auftritt. Dann könnte die VG Wort den Anteil des Urhebers an den Verlag ausschütten, dies aber nur zu dem Zweck der Weiterleitung an den Urheber. Dass Verlage der VG Wort gegenüber auch nur erklären, Treuhänder von Autoren zu sein, behauptet die VG Wort selbst nicht.
Richtig ist nur, dass es der VG Wort nach ihrer bisherigen Verwaltungspraxis absolut unmöglich ist darzulegen, warum sie überhaupt an Verlage ausschüttet, obwohl diese nicht einmal behaupten müssen, Vergütungsansprüche bei der VG Wort eingebracht zu haben und dementsprechend auch keine Unterlagen dazu einreichen (dazu noch später).
Ausschüttung auf Leistungen der Verlage
Die VG Wort und der Börsenverein meinen, ohne den Beitrag der Verlage zur Veröffentlichung der Werke der Urheber hätten diese keine Einnahmen aus der Gerätevergütung erzielen können. Wegen dieser Leistung hätten es die Verlage verdient, an der Gerätevergütung beteiligt zu werden.
Verlage sind keine Wohltätigkeitsunternehmen. Die Erlöse aus dem Vertrieb der Werke der Urheber sind das Entgelt für die Leistungen der Verlage und der Grund, warum sie überhaupt tätig werden. Eine Beteiligung an der Gerätevergütung ist dagegen ausgeschlossen, weil diese nach dem klaren Unionsrecht und deutschem Recht allein den Urhebern zusteht. In den Topf, der für die Urheber mit der Gerätevergütung gefüllt wird, dürfen die Verleger nicht hineingreifen.
Einen Anspruch auf eine Gerätevergütung haben neben den Wortautoren auch andere Urheber wie Komponisten und Filmregisseure. Werden Tonträger mit geschützter Musik oder ein Film hergestellt, haben die Tonträger- und Filmproduzenten ein eigenes Leistungsschutzrecht. Nur auf diese eigenen Leistungsschutzrechte dürfen die Produzenten Ausschüttungen aus der Gerätevergütung erhalten. Der Urheberanteil an der Gerätevergütung ist dagegen nach zwingendem Recht ihrem Zugriff entzogen. Noch weniger dürfen Verleger, die nicht einmal ein eigenes Leistungsschutzrecht für ihre Druckwerke besitzen, sich aus dem Anteil an der Gerätevergütung bedienen, der allein den Wortautoren zufließen muss.
Bisherige Gerichtsentscheidungen
In dem Musterverfahren über die Verteilungspraxis der VG Wort haben die Gerichte bisher nicht eingehender auf das Unionsrecht abgestellt. Das war möglich, weil schon andere, ganz einfache Rechtsgrundsätze ihre Entscheidung begründen konnten, dass die pauschale Beteiligung der Verleger an den Ausschüttungen der VG Wort willkürlich und damit rechtswidrig ist. Verleger können, wie schon gesagt, keinesfalls Ansprüche auf eine Gerätevergütung erwerben. Aber selbst unterstellt, solche Abtretungen könnten wirksam sein, könnten sich die Verleger nur höchst selten darauf berufen. Das hat einen einfachen Grund bereits darin, dass Abtretungen an Verleger meist ins Leere gingen, weil die Autoren diese Ansprüche schon zuvor in ihren Wahrnehmungsverträgen an die VG Wort abgetreten haben. Nun tun die Verwertungsgesellschaften so, als hätte es diesen Grundsatz für sie nie gegeben. Spätestens das Urhebervertragsgesetz von 2002 hätte bei ihnen letzte Zweifel am bestehenden Abtretungsrecht beseitigen müssen. Denn der damals in Kraft getretene § 63a UrhG ließ zum Schutz des Urhebers eine Abtretung von Vergütungsansprüchen nur noch an eine Verwertungsgesellschaft zu.
Im Verhältnis der wissenschaftlichen Autoren zu den Verlagen sind Abtretungen der gesetzlichen Vergütungsansprüche ohnehin absolut unüblich. Dies schon deshalb, weil es häufig gar keinen schriftlichen Verlagsvertrag gibt. Das weiß auch die VG Wort. Denn die Verlage hatten gar kein Interesse, in schriftliche Verlagsverträge Abtretungsklauseln aufzunehmen, weil das für ihre Beteiligung durch die VG Wort völlig unnötig war. Warum hätten sie die Autoren darauf hinweisen sollen, dass die Verlage die Hälfte der VG Wort-Ausschüttungen einfach so einkassieren?
Verleger müssen gegenüber der VG Wort nicht einmal behaupten, Inhaber wahrzunehmender Rechte zu sein
Wie wenig sich die VG Wort bei ihrer Verteilungspraxis um die Rechtslage kümmert, zeigt ein Blick in ihre Verteilungspläne. Jeder Urheber, der seine Werke bei der VG Wort meldet, hat seine Erfahrungen mit dem mühsamen Ausfüllen der Meldeformulare. Mit diesen Einzelmeldungen belegt der Autor, welche urheberrechtlich geschützten Beiträge er verfasst hat und welche entsprechenden Rechte er damit der VG Wort zur treuhänderischen Wahrnehmung überträgt. Verlage könnten solche Einzelmeldungen im Rahmen ihres Unternehmens sehr viel einfacher erstellen. Von ihnen werden aber Einzelmeldungen nach den Vorschriften der Verteilungspläne gar nicht verlangt.
Dies bedeutet: Verleger müssen der VG Wort gegenüber nicht einmal durch Einzelmeldungen behaupten, dass sie bezogen auf bestimmte Werke von den Autoren Vergütungsansprüche erworben haben. Die VG Wort schüttet an Verleger einfach so aus, blind und pauschal. Entgegen ihren Treuhänderpflichten orientiert sie sich bei den Einzelausschüttungen an Verleger nicht daran, ob und welche Rechte bei ihr eingebracht worden sein sollen. Maßgebend sind für sie vielmehr nach der Rechtslage sachfremde Kriterien wie z. B. bei Fachbüchern deren Aufnahme in das Verzeichnis lieferbarer Bücher.
Würde eine rechtmäßige Verteilungspraxis letztlich doch zum Schaden der Autoren ausschlagen?
Die VG Wort ist durch ihre rechtswidrige Verteilungspraxis in eine schwierige Lage gekommen. Sie hat zu Unrecht große Teile des Vergütungsaufkommens pauschal an Verleger ausgeschüttet. Haftungs- und strafrechtliche Konsequenzen wegen möglicher Veruntreuungen sind nicht ausgeschlossen. Es ist nachvollziehbar, dass die dafür Verantwortlichen äußerst unruhig geworden sind. Die Urheber sollten sich aber von dieser Unruhe nicht anstecken lassen.
Die Behauptung der VG Wort und von Pfennig auf der Website der VG Bild-Kunst, der vom OLG München gerade zu Gunsten des Klägers entschiedene Prozess könne dazu führen, dass ein Großteil der Urheber in Zukunft schlechter als bisher gestellt werde, ist eine grobe Irreführung. Das gegenwärtige Verteilungssystem dient nicht dem Schutz der Autoren, wie VG Wort und VG Bild-Kunst behaupten. Es führt vielmehr zur teilweisen (bis zu hälftigen) Enteignung der Urheber, denen nach dem Unionsrecht zwingend der volle Ertrag des gesetzlichen Anspruchs auf die Gerätevergütung zufließen muss.
Ebenso ist unerfindlich, warum die Schlagkraft der Urheber bei der Durchsetzung der Urheberinteressen leiden müsste, wenn die VG Wort korrekt nur an die Urheber ausschüttet. Die Erfahrung zeigt, dass die Verleger (wie andere Verwerter) schon im eigenen Interesse auf eine Stärkung des Urheberrechts dringen, wenn dies auch für sie nützlich ist. Es ist nicht ersichtlich, dass sie gegenüber dem Gesetzgeber auch tätig werden, wenn das nur im Interesse der Urheber liegt (z. B. beim Urhebervertragsrecht). Selbst dann, wenn die Verleger so weit gehen sollten, die VG Wort zu verlassen, wäre das für die Urheber alles andere als eine Katastrophe: Bereits das Aufkommen aus der Gerätevergütung (2012: 65,19 Mio Euro), das allein den Urhebern zusteht, genügt, um die VG Wort als schlagkräftige Organisation der Urheber zu erhalten. Für die Urheber würde das bedeuten, dass ihre Verwertungsgesellschaft nicht mehr auf ihre Kosten unsinnige Summen ausgibt, um unter Einsatz teurer juristischer Gutachten und unter Ausschöpfung aller Rechtsmittel Prozesse nur zu dem Zweck zu führen, an den Ausschüttungen an Nichtberechtigte wie die Verleger festhalten zu können. Gewonnen hätten die Urheber eine Verwertungsgesellschaft, die nur für ihre Interessen kämpft.
Nachtrag, 25. November. Urban Pappi, geschäftsführender Vorstand der VG Bild-Kunst, antwortet auf Martin Vogels Vorwürfe in den Kommentaren.
Als juristischer Laie frage ich mich, wie die juristische Bedeutung des hier im juristischen Kontext verwendeten Wortes „krass“ ist.
Kann mir der Autor das ggf. erklären?
Für mich klingt „krass“ eher wie Jugend-Slang denn wie ein juristisches Wort.
Die juristische Bedeutung gleicht der normalen. Für diese empfiehlt sich der Duden, welcher ‚krass‘ abseits der Jugendsprache als „in seiner Art besonders extrem“ definiert. Nicht nur in der Juristerei begegnet es einem in dieser Bedeutung z.B. häufig in der Zusammensetzung „krasses Missverhältnis“.
Falls noch Zweifel an der ernsthaften rechtswissenschaftlichen Verwendung bestehen, ist die Suchanfrage „bverfg krass“ bei Google zu empfehlen, die auf der ersten Seite direkt mehrere Urteile auswirft, in denen das BVerfG in seinen Urteilsbegründungen das Wort ‚krass‘ verwendet hat, z.B. aus dem Jahre 2012 (https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20120417_1bvr307110.html) oder aus dem Jahre 1981 (http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv057361.html, hier natürlich noch als ‚kraß‘).
Alle Achtung! Martin Vogel scheint da eine Riesenlawine in Gang gesetzt zu haben, die es in sich hat! Da sollten sich die Damen und Herren Autoren aber freien, dass sich jemand so ins Zeug legt das System zu ihren Gunsten zu korrigieren! Toll!!!
Wie weit in die Vergangenheit würden denn bei einer Neuregelung die Ansprüche geletend gemacht werden, also ab wann beginnt die Verjährung, falls die VG Wort alles zurück zahlen müsste?
Anders gefragt: wurde schonmal nachgerechnet, mit welcher
Summe zu rechnen wäre? Und wo käme das Geld denn her?
Die VG Wort selbst sollte das Geld ja nicht mehr haben, es wurde ja quasi alles an Verlage und Autoren gezahlt. Bei einer Rückzahlung müssten also die Verlage zurückzahlen.
Da laut EU Recht der Autor seinen Anteil ja bekommen MUSS, könnte ich mir sogar vorstellen, dass es hier keine Verjährungsfristen gibt. Aber das ist nur von mir geraten ^^°
[…] Die VG Wort enteignet Urheber, vernebelt die klare Rechtslage und spielt auf Zeit « Ste… – Lang, aber lesenswert. […]
Lieber Martin Vogel,
vielen Dank für den informativen und aufschlussreichen Text. Eine Verständnisfrage hätte ich:
Sie schreiben:
„Dabei geht es ihnen vermutlich nicht zuletzt darum, Zeit zu gewinnen, damit die Nachforderungsansprüche der Urheber gegen diese Verwertungsgesellschaften und die Haftungsansprüche gegen die Verantwortlichen möglichst verjähren.“
Inwiefern muss ich als Urheber und langjähriger VG-Wort-Geschädigter denn selbst tätig werden, um einer etwaigen Verjährung entgegenzuwirken? Oder hat der von Ihnen angestrengte Rechtsstreit für alle eine aufschiebende Wirkung?
Beste Grüße,
TH
[…] Bei Stefan Niggemeier ist zu lesen, dass das Verfahren von VG Wort und GEMA, Pauschalbeträge in die Tasche von Verlegern zu leiten, möglicherweise unzulässigist. […]
Der Urheber muss ja irgendwie einen Vetrag mit dem Verwerter haben, der regelt, wieviel er kriegt. Der Verwerter ist ja erstmal einfach ein Unternehmen und nach der bezahlung dieser in Berträgen vereinbarten Gebühren wird der Gewinn ermittelt. Wenn nun aus den erwirtschafteten Gewinnen Tantiemen an die Gesellschafter gezahlt werden, so what? Was die Gesellschafter letztlich damit machen, ist ja deren Ding. Seltsam, wenn dann damit wieder Geschäftspartner bezahlt werden, aber ob oder nicht, der Urheber bekommt ja ohnehin nur soviel, wie er vereinbart hat. Ich bin mir sicher, dass der Verwerter einen Mist gebaut hat, womit er hoffentlich nicht, aber wahrscheinlich, wie beim LSR wieder irgendwie durchkommt.
@Chris Pillen: Ich fürchte, Sie haben wirklich gar nicht verstanden, worum es hier geht.
Hallo,
wenn man mal grob rechnet (ohne Verwaltungsaufwand) dann sind den Urhebern alleine bei der Gerätevergütung 20.000.000 Euro entgangen! Also quasi ein Drittel mehr Geld.
Unglaublich – ein Schaden der wahrscheinlich höher ist als der Schaden durch Raubkopien.
YO!
Schon die Überschrift bringt mich auf die Palme und auch der Beitrag überzeugt mich nicht. Mir gefällt nicht, dass Verlage mal wieder grundsätzlich als die Bösen dargestellt werden und die Autoren als die Opferlämmer, die ihrer Rechte beraubt zur Schlachtbank geführt werden. Für mich klingt der ganze Artikel, als wolle hier jemand unbedingt einen Keil zwischen Urhebern und Verlagen treiben und beide dadurch schwächen. Und manche Urheber wittern Morgenluft (sprich Geld) und folgen gutgläubig.
Ich bin Autorin (mit und ohne Verlag – je nach Buch) und meine Meinung ist anders: Dass Bücher genutzt (Kopien angefertigt etc.) werden können, ist nicht nur ein Verdienst der Texturheber, sondern auch der Verlage , die Texte aufbereiten, bebildern, Grafiken anfertigen lassen, layouten, Kataloge erstellen, Vertriebsstrukturen pflegen und vermarkten( wenn der Urheber nicht selbst veröffentlicht, das kann man ja). Insofern sehe ich da schon der Fairness halber einen Anspruch der Verlage an den Einnahmen aus der Nutzung. Wie diese Verteilung im Detail geregelt wird – darüber kann man diskutieren, aber ich sehe die VG-Wort nicht als den Texturhebern alleine verpflichtet – sie ist kein Berufsverband der Autoren, sondern Verlage und Texturheber kämpfen über die VG-Wort gemeinsam für die Gerätevergütungen etc, weil sie auch beide für die Werke etwas getan haben. Und wir Autoren reiben uns nicht die Augen angesichts der aktuellen Meldungen, die Verteilungspläne hängen im Internet http://www.vgwort.de/publikationen-dokumente/verteilungsplaene.html und Informationen werden von der VG-Wort ständig per Newsletter oder Briefpost an uns geschickt.
Über Details der Einnahmenverteilung u. Ä. kann man sich meiner Meinung nach gerne streiten, Verbesserungsmöglichkeiten gibt es immer und überall, aber ich finde Verlage und Autoren sollten Seite an Seite in der VG-Wort bleiben, miteinander diskutieren und fair miteinander umgehen. Gemeinsam sind wir auf jeden Fall stärker.
@Eva Schumann: Wenn Autoren — ausweislich eines Urteils nun schon in zweiter Instanz — ihrer Rechte beraubt werden, dann stört es Sie, wenn es so dargestellt wird, als würden Autoren ihrer Rechte beraubt?
Es geht hier nicht um „Verbesserungsmöglichkeiten“, sondern um die Frage, ob das System, nach dem VG Wort & Co. seit vielen Jahren arbeiten, grundsätzlich rechtswidrig ist.
Eigentlich kaum zu glauben, dass jahrelang allesamt einer Praxis hinterhertrotten und erst jetzt anscheinend überhaupt erst einmal die Feststellung der Rechtswidrigkeit getroffen wurde.
Hat sich damit bisher keiner beschäftigt und mal geklagt? Schwelt das schon seit Jahren und ich habe was verpasst?
Verrückt.
Ein mutiger Schritt, wenn man bedenkt, wie mächtig die Content-Industrie ist. Wenn Sie Unterstützung bei Ihrem Prozess brauchen, etwa um die Anwälte zu bezahlen, würd ich eine Crowdfunding-Kampagne vorschlagen, ich würde sofort bezahlen. Ich würde zwar nichts von der VG Wort bekommen, aber ich finde diese Verteilung einfach unverschämt. Eine an sich gute Idee wird von diesem Verein ad absurdum geführt.
Leistungsschutzrecht, das TV-Anstalten, Filmproduzenten, und auch Verlage haben, heißt ja nichts anderes als das sie eine Leistung erbringen wie oben beschrieben, die dann auch zu schützen ist.
Mir hat ein Jurist nun auch gesagt, dass die für die Autoren Wissenschaft bei der VG Wort ungünstigste Quote auch historische Ursachen hat, als sich zwei Verwertungsgesellschaften vereinigt haben, wurde aus der Wissenschaft die 50:50-Regel mitgebracht. Die will wohl keiner bei der VG Wort ändern.
Aber letztlich wird doch hier um die analoge Welt prozessiert – in der digitalen Welt sind doch gerade die Fachautoren extrem benachteiligt. Dort wird nur nach Zählmarken gezahlt, als Autor habe ich schon mal keinen Einfluss, ob mein Verlag eine setzt. Technisch ist das kompliziert und kostet Geld. Gezählt wird Lesen, Klicks, das potentielle Interesse am Kopieren eines Artikels wird im Gegensatz zur analogen Welt nicht gewertet. Und gerade Fachverlage haben effektive Bezahlschranken- die Urheber gehen dann leer aus.
Wie ist das eigentlich bei der GEMA? Bekommen die Musik-Verlage auch Geld aus dem Urheber-Topf?
Bedankt!
Noch wird dem Anschein nach ja wohl alles versucht, die Geschichte unter der Decke zu halten und weiterhin scheinheilige Vernebelungsaktionen zu starten.
Da es hier um etliche schon (vermutlich zu Unrecht) erhaltene Millionenbeträge geht, bin ich mal gespannt, ob sich in Bälde eine ähnliche Medien – Kampagne, wie seinerzeit für das nichtnutzige „LSR“entwickelt…
Naheliegende, neutralere Berichterstatter könnten in diesem Fall eventuell die Öffentlich-Rechtlichen sein.Oder haben die etwa auch irgendein ungeklärtes Interesse an den VG-Wort Geldern?
Ok, es scheint so zu sein, dass sich Verlage mit mindestens fragwürdigen Mitteln Geld verschafft haben. Letztlich könnte man aber auch sagen, dass das ganze Urheberrecht ein philosophisch recht wackliges Konstrukt ist (das wird durch die Digitalisierung dann noch wackliger), das aber installiert wurde, damit geistig Arbeitende eine Bezahlung bekommen. Das funktionierte so halbwegs und mit diversen Tricks (s.o.), so dass eine Verlags- und Schriftkultur entstehen konnte.
Letztlich ist das natürlich blöd, auf tönernen Füßen zu stehen. Aber trotzdem und auch wenn die Verlage hier moralisch nicht gut dastehen, sollte trotzdem ein Bewusstsein bestehen, dass wir eine Schriftkultur brauchen, früher hat man dafür Verlage gebraucht, vielleicht auch in Zukunft, und wir sollten so konstruktiv wie nur möglich dieses Problem anpacken: Wie können wir eine niveauvolle Schrift-/Publikiationskultur im 21. Jahrhundert schaffen?
Als geschäftsführender Vorstand der VG Bild-Kunst habe ich mich mit dem Verfahren, wie sollte es auch anders sein, ausführlich beschäftigt. Die Sache ist schwierig und nicht so eindeutig, wie sie Herr Vogel im Blogbeitrag darstellt, leider. Hier in der gebotenen Kürze einige Gedanken:
1. Der geltende Verteilungsplan der VG Bild-Kunst ist von mir zu befolgen, es sei denn, er ist rechtswidrig.
2. Ob der geltende Verteilungsplan rechtswidrig ist, kann ich nicht alleine entscheiden. Sonst würde ich mich über den Willen unserer Mitglieder stellen, die ihn beschlossen haben. Auch Herr Vogel kann mir das nicht sagen. Ob der Verteilungsplan rechtswidrig ist, entscheidet nur das Gesetz (wenn es eindeutig formuliert ist), ein Gericht oder die Aufsichtsbehörde.
a) Das Gesetz: In der Amtlichen Begründung zum Zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft (BT-Drucksache 16/1828) findet sich der Satz: „Ein Ausschluss der Verleger von der pauschalen Vergütung wäre angesichts der von ihnen erbrachten erheblichen Leistung auch sachlich nicht hinnehmbar.“Ich hoffe, man stimmt mir zu, dass dem Gesetz die Rechtswidrigkeit der pauschalen Verlegerbeteiligung so ohne weiteres nicht zu entnehmen ist.
b) Das Gericht: Seit dem 17.10.2013 liegt nun ein Urteil eines Oberlandesgerichts vor, das Herrn Vogel Recht gibt. Aber es ist noch nicht rechtskräftig, da die VG Wort in die Revision geht. Man kann die lange Verfahrensdauer beklagen, aber so ist nunmal unser Rechtsstaat. Es wurden schon viele Verfahren vom BGH anders gesehen als von einem OLG.
c) Die Aufsicht: Das Deutsche Patent- und Markenamt hat sich zur Rechtswidrigkeit des Verteilungsplans nicht geäußert. Es sorgt jedoch dafür, dass wir Rückstellungen bilden, so dass wir rückabwickeln können, sollte sich die Rechtswidrigkeit des Verteilungsplans später tatsächlich herausstellen.
Und was ist mit dem angeblich eindeutigen europäischen Recht?
Die Sache wäre in der Tat einfach, wäre den zitierten EuGH-Entscheidungen eindeutig zu entnehmen, dass die gesamten Vergütungen den Urhebern zustehen. Warum sieht dann aber selbst das OLG München dies in seinem Urteil vom 17.10.13 anders? Das räumt ja auch Herr Vogel ein, Zitat von oben: „Soweit das Urteil des OLG München aus der Austro-Mechana-Entscheidung herleitet, dass es generell zulässig sei, Vergütungsansprüche des Urhebers an einen Verleger abzutreten, interpretiert es die Entscheidung erkennbar unzutreffend.“Ist vielleicht das gesamte Urteil „erkennbar unzutreffend“? Oder nur der Teil, der Herrn Vogel nicht passt?
Momentan geht die VG Bild-Kunst nicht davon aus, dass ihr Verteilungsplan rechtswidrig ist. Aber wir prüfen nach dem Urteil des OLG sehr genau, wie man die Verteilung umstellen müsste, wenn sich eine Rechtswidrigkeit tatsächlich herausstellen sollte.
Und glauben Sie mir: es ist unangenehm, wenn man 52.000 Urheberinnen und Urheber vertritt (und auch Verleger und Produzenten) und sich dem Vorwurf der Untreue ausgesetzt sieht. Das nimmt man nicht auf die leichte Schulter, sondern überdenkt jede einzelne Entscheidung sehr genau.
Urban Pappi
@20 Urban Pappi:
Oh je – ich erinnere mich gerade an einen Freund, der in einem total tollen(wirklich!) Verein tätig ist.
(Er hat persönlich mit einer 6-stelligen Steuernachzahlung zu tun, wg. evtl. nachträglicher Aberkennung der Gemeinnützigkeit.)
Ich rate Ihnen hier schon einmal zu einer persönlichen juristischen Beratung!
(Ich habe z.B. auch schon mal fast ein Aufsichtsratsmandat angenommen – bis ich über die persönlichen Haftungen informiert wurde :-()
Ich habe genau keine Ahnung, wie Ihre VG organisiert ist, unterstelle Ihnen als Person aber beste Motive.
Deshalb meine (Laien-)Anmerkungen:
a) Das Gesetz: Eine Begründung ist mit einem Gesetzestext nicht fest verknüpft.
b) Das Gericht: Ein der ersten Instanz entsprechendes Urteil der zweiten ist IMO mindestens ein Handlungsaufruf.
c) Die Aufsicht: geht auf Nummer Sicher – kostet sie ja nichts.
Deshalb empfehle ich Ihnen und Ihrer VG, sich intensive fachliche Beratung einzuholen – hier brennt ein großes Feuer.
Die öffentlich-rechtlichen lassen ihre Rechte in einer anderen Verwertungsgesellschaft wahrnehmen, daher erhalten die Journalisten bei der VG Wort auch 100%. Daher können die Anstalten neutral sein.
Ähnliches droht auch beim Leistungsschutzrecht für Presseverlage, wo die Verlage unterschiedliche Wege gehen, ein Teil sogar die Hälfte der Anteile VG Media aufkaufen will, während sie Tausende Journalisten entlässt. Dort wird sich die VG Wort am 29. die Wahrnehmung der Urheberrechte der Journalisten übertragen lassen.
„Verleger schaffen keine urheberrechtlich geschützten Werke.“
Dieser Satz von Herrn Vogel ist der falsche Kern seiner Argumentation, denn die Verlage unterstützen die Schaffung der Werke z.B. durch die Bereitstellung der Leistungen des Lektorats und Korrektorats. D.h. die Verlage nehmen ganz konkret inhaltlichen Einfluss auf die Entstehung der Werke. Man kann nun darüber streiten, wie stark dieser Einfluss ist. Tatsächlich wird er von Werk zu Werk ganz unterschiedlich sein. Mancher Autor schreibt sein Werk schon fast veröffentlichungsreif, manch Werk kann durch den Lektor gerade noch mühsam vor der Katastrophe gerettet werden. Ich bin selbst Autor und würde mich über höhere Schecks von der VG Wort selbstverständlich freuen. Ich bin aber auch Jurist und muss daher den Verlagen zugestehen, dass auch ihre Leistung eine Honorierung verdient. Die Kopierpauschale und die Betriebspauschale stellen ein Entgelt für die Herstellung und Verteilung von Privatkopien durch die Erwerber der urheberrechtlich geschützten Werke dar. Ohne die Mitwirkung der Verlage gäbe es aber weder etwas zu kopieren noch zu verteilen, insofern erscheint mir eine Beteiligung der Verlage an diesen Pauschalen rechtlich durchaus plausibel, wie immer man das ökonomisch bewerten mag.
Sie schrieben:
„»Verleger schaffen keine urheberrechtlich geschützten Werke.»
Dieser Satz von Herrn Vogel ist der falsche Kern seiner Argumentation, denn die Verlage unterstützen die Schaffung der Werke z.B. durch die Bereitstellung der Leistungen des Lektorats und Korrektorats…“
Da sie zudem Jurist sind, möchte ich Folgendes ergänzen:
Werke im Sinne des § 1 und § 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG) sind persönliche geistige Schöpfungen auf den Gebieten der Literatur, der Wissenschaft und der Kunst. In einer nicht abschließenden Aufzählung werden in § 2 Abs. 1 UrhG als „Geschützte Werke“ erwähnt:
Sprachwerke
Datenverarbeitung, Computerprogramme
Musikwerke
Pantomimische Werke einschließlich Werke der Tanzkunst
Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst
Lichtbildwerke
Filmwerke
Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art
Maßgeblich ist aber die Definition in § 2 Abs. 2 UrhG, wonach Werke im Sinne des Gesetzes nur persönliche geistige Schöpfungen sind. Voraussetzung dafür ist die Individualität der Schöpfung, wofür sich die Schöpfungshöhe als quantitatives Maß der Individualität durchgesetzt hat.[2]
„Von sonstigen Erzeugnissen unterscheidet sich ein urheberrechtlich geschütztes Werk dadurch, das etwas Neues und Besonderes, von bisher Bekannten zu Unterscheidendes darstellt und auf diese Weise dem individuellen menschlichen Geist Ausdruck verleiht. Charakteristische Merkmale des Werkes sind somit sein geistiger Inhalt, seine Ausdrucksform, und seine Individualität. Zufallswerke sind keine Werke in diesem Sinne, da sie nicht durch den individuellen Geist geprägt sind. Geschützt ist jedes einzelne Werk als solches, nicht hingegen die Werkgattung, der es angehört.“
– Bundesgerichtshof: BGHZ 18, 175 ff.[3]
Es mag ausserdem Lektoren geben, die „persönliche geistige Schöpfungen“ erbringen.
Wo ist jetzt der Widerspruch zu meiner Aussage? Gibt es einen? Was soll mir Ihr Post sagen? Lektorat hat keine Schöpfungshöhe?! Das hängt vom Einzelfall ab. Verlage sind nicht die Urheber der von ihnen verlegten Werke? Wahr, aber eine Binsenweisheit. Nochmals meine These: Die Verlage investieren auf mannigfaltige Weise in die Entstehung des Werkes, geistig, ökonomisch und ideell. Es ist daher aus meiner Sicht genauso unsinnig die Erträge der streitbefangenen Pauschalen pauschal den Verlagen zuzuweisen, wie es umgekehrt unsinnig wäre, sie pauschal den Autoren zuzuweisen. Ohnehin muss die VG Wort sich primär an den individuell-konkreten Verlagsverträgen orientieren. In Abwesenheit solcher einschlägigen Regelungen aber halte ich daran fest, dass rein aus Fairness dem Verlag ein Anteil an den Pauschalen zustehen kann. Richtig interessant wird die Frage erst, wenn man in die Definition des Verlages auch reine Veröffentlichungsplattformen wie Amazon mit einbezieht.
Vielen Dank für diesen Artikel!!!
Ich bin schockiert. Auch über die Reaktion mancher Diskussionsbeiträge hier, wie etwa den von Eva Schumann. Ich weis nicht, ob Frau Schumann jemals versucht hat als „Freie“ zu existieren. Wenn Sie sehen könnten, wie opulent Verlage residieren und wie ärmlich die meisten freien Autoren leben, würden Sie so nicht mehr argumentieren können. Es ist schon sehr pauschal und unüberlegt einfach zu argumentieren, Verlage würden für die Autoren schliesslich auch etwas tun. Dafür werden sie ja sowie so entsprechend entlohnt. Verlage werden in diesem System z.Z. doppelt bezahlt. Das ist so unethisch wie die versteckten Gebühren der Banken. Kein Autor, den ich kenne, würde dem je zustimmen.
Verlage sollten und dürfen nicht weiter Geld auf Kosten der Autoren verdienen! Vor allem muss es auch für die VG-Wort Konsequenzen haben. Strafrechtliche Konsequenzen halte ich für absolut notwendig. Ungestraft darf das nicht bleiben!
[…] Beten ist besser als Druck auf die Regierung zu machen.Einen schwerwiegenden Vorwurf macht der Jurist Martin Vogel der VG Wort, mit der er seit Jahren im Rechtsstreit liegt, weil er die […]
Niemand wird gezwungen als freier Autor tätig zu sein. Jeder kann sich bemühen Verlagsautor zu werden. Die Metapher der „fetten“ Verlage in ihren schönen Residenzen ist falsch. Erstens besteht die Welt bei weitem nicht nur aus großen Publikumsverlagen zweitens produzieren auch die mittlerweile zum Teil rote Zahlen und nicht wenige Verlagsmitarbeiter betreiben Selbstausbeutung auf Höchstniveau oder werden wegen der schlechten Marktlage und der digitalen Konkurrenz in externe Werkverträge weggedrückt. Schockiert bin ich über Leute, die immer noch ein derartig undifferenziertes Weltbild pflegen, wie Sie, wo die Verlage die bösen Geldsäcke und die Autoren die armen Ausbeutungsopfer sind.
Leider muss ich sowohl dem VG Bild-Kunst-Vorstand Urban Pappi wie auch meinem Vorredner Thomas Elbel zustimmen, während mich die Ausführungen des Juristen und Klägers Dr. Martin Vogel nach wie vor sowenig zu überzeugen vermögen, wie die Begründungen der Vorinstanzen LG und OLG.
Dass ‚leider‘ in meiner Vorrede rührt übrigens aus dem Umstand, dass meine Kolleg(inn)en und ich in einer europa-genossenschaftlich organisierten Autorengemeinschaft gewiss nichts dagegen hätten, alle Erlöse aus der Reproabgabe (Geräteabgabe) ungeteilt vereinnahmen zu können. Wie alle Journalisten haben wir nämlich ganz schön zu knabbern an dem Trend, die Urheber-Vergütungen immer mehr auszudünnen. Und nicht selten wird aus dem Knabbern ein Nagen am Hungertuch. Was uns Urheber nicht gerade zu Jubelpersern der Verlage, aber auch nicht zu deren Gegnern macht.
Gleichwohl sind wir der Überzeugung, dass die Praxis der VG-WORT-Verteilung der Erträgnisse an Urheber und Verlage vom Grundsatz her nicht zu beanstanden ist. Wobei es sich womöglich als nötig erweisen könnte, die angewandten Quoten zu überprüfen. Was aber letztlich eine Frage im Binnenverhältnis der VG wäre und Satzung und Verteilungspläne beträfen, die
nun mal unstrittig in der Kompetenz der VG und deren Mitglieder und Wahrnehmungsberechtigten liegen. Die VG WORT ist nun mal eine Gemeinschaft zur Treuen Hand von Verlegern und Autoren. Keinem Wahrnehmungsberechtigten bleibt dieser Umstand verborgen.
Zum Grundsatz der Beteiligung von Verlagen und Urhebern hat mein Vorredner herausgearbeitet, um was es geht: Der Urheber mag sein Werk in der Tat allein geschaffen haben – dafür wird er jedoch von einem Herausgeber für den Erstabdruck honoriert. Die in Deutschland vom Urhheberrecht gedeckte Herstellung von privaten Kopien sind freilich Kopien nicht etwa vom Ursprungswerk des Autors – also von dessen Manuskript -, sondern bedürfen zwingend des Vorliegens einer Erstdruck-Fassung und damit der Mitwirkung eines Verlages. Dessen nicht unbeträchtliche Teilleistung als Voraussetzung einer privaten Kopie überhaupt, kann nicht einfach so untergehen. Vielmehr weiß auch jeder verständige Autor: Ohne Erstdruck keine Kopie, ohne Kopie keiner Uerheberrechts-Abgabe.
An dem laufenden Verfahren und eben auch an den Ausführungen des Patent-Rechtlers Dr. Martin Vogel stört mich neben der konsequenten Nichtbeachtung des beschriebenen Zusammenspiels von Urhebern und Verlagen vor allem zweierlei: Zum einen sein verbaler Auftritt als Anwalt der Entrechteten mit Vokabeln wie ‚Enteignung‘, ‚Untreue‘, ja ‚Unterschlagung‘. Das ist nicht die Sprache eines nüchternen Juristen, sondern Sprachgebrauch aus zorniger Betroffenheit. Das mag dem Kläger zustehen, passt aber nicht zu der Monstranz allerheiligster Rechtsgläubigkeit, die Dr. Vogel so gerne vor sich herträgt. Wobei in diesen Kontext die mitunter wehleidig wirkende Klage des Dr. Vogel passt, er habe die Kosten-Risiken eines solchen Verfahrens ganz alleine zu tragen.
Ganz alleine wohl nicht. Erst eine endgültige Kostenentscheidung wird mir zum Beispiel Auskunft darüber geben, welchen Teil dieses Risikos meine Kolleg(inn)en und ich ganz ohne unser Zutun zu tragen haben. Martin Vogel konnte ja schwerlich erwarten, dass sich die VG WORT quasi auf seinen Zuruf ihre Existenzgrundlage selbst entzieht, oder dass Mitglieder und Wahrnehmungsberechtigte gegen ihre Vorstände putschen.
Und unser Missfallen eregt durchaus auch die lange Vorgeschichte dieses Streitverfahrens, in der es ebenfalls verbal nicht gerade zimperlich zuging. Schließlich war der Kläger einst beim Paten- und Markenamt einer der Aufseher der Verwertungsgesellschaften – und ist dort mit seinen Überlegungen sachlich-fachlich nicht durchgedrungen. Immerhin halte ich es auch für bemerkenswert, dass Dr. Vogel inzwischen auf Urteile und Sachverhalte begründend abhebt, die erst nach seiner Klage entstanden sind.
Freilich: Auch die VG WORT hat sich in diesem Streit nicht eben mit Ruhm bekleckert. So war die Informationspolitik der VG WORT zu diesem Casus geradezu hanebüchen unzureichend. In 2012 und in 2013 wurden die Hauptsschüttungen für die Vorjahre mit dürren Worten kurzfristig ausgesetzt, was in der Tat rechtswidrig war. Das führte z.B. in unserer Genossenschaft zu argen finanziellen Problemen, weil unsere Satzung vorsieht, dass die VG-Ausschüttungen aus der Repro-Abgabe vollständig in die Volontärsausbildung fließen.
Damit hat sich die VG-WORT-Geschäftsführung gerade unter den Autoren ohne Not manches Wohlwollen verscherzt. Und manches Vertrauen vermutlich auch – Grundlage meines seit Jahrzehnten bestehenden Wahrnehmungsvertrages mit der VG WORT sind aber nicht allein dessen Buchstaben, sondern das auf Vertrauen basierende Treuhandverhältnis.
Aber diese verbesserungsbedürftigen Umstände sind eine Angelegenheit eines Binnenverhältnisses und berühren letztlich nicht die Implikationen aus diesem Rechtsstreit. Der im Übrigen – entgegen der Darstellung des Klägers nach wie vor ein Rechtsstreit in seinem Einzelfall und nicht etwa ein Präzedenzfall ist.
Was wir voraussichtlich nach meinem Dafürhalten aus der Rechtsprechung zu erwarten haben, wird eine vorläufige Entscheidung des BGH samt Vorlage des Casus beim EuGH sein. Obsiegen wird am Ende salomonische Weisheit.
Bis dahin brauchen wir alle. Beteiligte wie Unbeteiligte, die Gnade der Geduld und das Wissen um die simple Juristen-Weisheit: „Auf Hoher See und vor Gericht sind wir alle in Gottes Hand.“
@thomas elbel
„Niemand wird gezwungen als freier Autor tätig zu sein. Jeder kann sich bemühen Verlagsautor zu werden.“
Völlig richtig – jeder kann Verlagsautor werden, und das ist, sagen wir es doch mal, ein Traumjob: Festanstellung mit 14. Monatsgehalt, Schriftstellervilla, geregelte Anschlagszahlen, Verlagspension und literarischer Dienstwagen.
»Niemand wird gezwungen als freier Autor tätig zu sein. Jeder kann sich bemühen Verlagsautor zu werden.«
Ach, das geht noch besser: Niemand wird nämlich gezwungen rote Zahlen zu schreiben.Jeder kann sich bemühen schwarze Zahlen zu schreiben.
Ist eigentlich doch alles ganz einfach, kein Grund zum Rumflennen…
@Nasrim: Ich bin freie Journalistin, Bloggerin, Autorin usw. und ich weiß genau, wie schwer das ist! Aber die VG-Wort ist nicht dazu da, Unzufriedenheiten mit den Vertragsbedingungen, die man als Freier/Autor mit seinem Verlag hat, auszugleichen – das muss man schon selbst bzw. der Agent mit dem Verlag aushandeln oder man veröffentlicht eben selbst. In der VG-Wort haben sich Texturheber und Verlage vor vielen Jahren zusammengetan, um zusätzliche Einnahmen für das Verleihen, Vervielfältigen etc. von Bibliotheken, Kopiergerätehersteller etc. zu erhalten – weil es eben viele Nutzungsmöglichkeiten gibt, bei dem sonst die, die die Arbeit hatten , damit da was zum nutzen da ist (Urheber UND Verlage), sonst leer ausgehen.
Es gibt bei der VG-Wort mindestens eine Mitgliederversammlung pro Jahr. Alles was getan und verteilt wird, hängt offen im Internet – http://www.vgwort.de/die-vg-wort.html – und wird auch per Newsletter und per Post an alle verschickt. Jeder Wahrnehmungsberechtigte kann sich da engagieren: Wer mit den Verteilungsdetails der VG-Wort unzufrieden ist, kann sich über die Mitgliederversammlung für Änderungen einsetzen. Die VG-Wort macht nicht irgendwas, was Verlage sagen oder wozu sie gerade Lust hat, sondern das, was beschlossen wurde bzw. in der Satzung steht – immer mit dem Versuch der Rechtslage zu entsprechen, was aber gar nicht so einfach ist, weil die eben nicht so eindeutig auslegbar ist und sich immer wieder auch ändert – http://www.vgwort.de/fileadmin/pdf/stellungnahmen/OLG_Stellungnahme_24.10.2013.pdf
@Eva Schumann: Bei Ihnen klingt der Verein wie ein Musterbeispiel der Transparenz. Meine Erfahrungen sind da ein bisschen anders: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/die-vg-wort-gibt-8-braeuchte-aber-was-auf-die-12/ , http://www.stefan-niggemeier.de/blog/die-vg-wort-gibt-8-aufs-wort-aufs-geld-und-aufs-recht-vielleicht-nicht-so/
Vielleicht müssten Sie auch dazu sagen, dass man als Wahrnehmungsberechtigter der VG Wort keineswegs Mitglied der VG Wort ist. Die Hürde, überhaupt nur etwas in die Mitgliederversammlung zu bekommen, ist gewaltig.
@Stefan Niggemeier zu Eva Schumann
Das mag ja so sein, ändert aber nichts daran, dass – wie Frau Schumann, Herr Pappi und ich argumentieren – die Sicht von Herrn Vogel etwas unterkomplex ist und den Rollen der Beteiligten nicht gerecht wird. Bei ihm und Ihnen bekommt man den Eindruck, das OLG habe bereits vor Revision durch den BGH per göttlichem Ratschluss festgestellt, dass die VG Wort der Bösewicht in einem Schurkenstück, die Verlage seine willigen Helfer und die Autoren ein Haufen armer, von kollektivem Stockholm-Syndrom befallener Opfer sind, die dringender Hilfe durch die empörten Vogels und Kramms dieses Landes bedürfen.
Ich kann jedem nur empfehlen, einmal zur Versammlung der Wahrnehmungsberechtigten zu fahren. Nichts könnte abwegiger sein als der Gedanke, dass die Menschen, die dort oben auf dem Podium sitzen, als Treuhänder für die unten im Saal arbeiten und ihnen gar so etwas wie Rechenschaft schulden. Und die Art, wie Martin Vogel von den VG-Wort-Leuten und führenden Gewerkschaftsvertretern dafür diffamiert wurde, dass er berechtigte Fragen stellte und sein Recht einklagte, ist gut dokumentiert und eindrucksvoll.
Dass die Rechtslage kompliziert ist, daran habe ich keinen Zweifel (schon deshalb nicht, weil ich nicht behaupten kann, sie auch nur annähernd durchschaut zu haben). Ich glaube auch nicht, dass es zum Verständnis hilft, die handelnden Personen und Institutionen nach Gut und Böse zu sortieren. Aber angesichts des jahrelangen erst internen, dann juristischen Kampfes von Vogel dann zu sagen: „Hey, steht doch alles im Internet und kann sich doch jeder engagieren, und die Verlage sind doch unsere Freunde, wir dürfen uns da nicht auseinanderdividieren lassen“, das ist eine Form von Naivität, die ich schwer erträglich finde.
@Stefan Niggemeier
»Hey, steht doch alles im Internet und kann sich doch jeder engagieren, und die Verlage sind doch unsere Freunde, wir dürfen uns da nicht auseinanderdividieren lassen«, das ist eine Form von Naivität, die ich schwer erträglich finde.“
Nur, dass das hier auch keiner so gesagt hat. Aber man kann es ja einfach mal unterstellen.
Ich habe eben den umgekehrten Eindruck, gerade wenn ich einige der gegenläufigen Kommentare zu diesem Text lese. Egal in welchen Bereich der „Urheberrechtsdebatte“ man schaut, ist der dramaturgische Narrativ immer erstaunlich ähnlich. Auf der einen Seite die böse, geldgierige Seite der Verlage und Verwerter und auf der anderen die augenscheinlich schwachen, armen, hilfsbedürftigen, aber bedauerlicherweise für ihr eigenes Schicksal blinden Urheber, die externer Intervention bedürfen. Das trendet gerade extrem und geht mir gehörig auf den Zeiger.
Was Herr Vogel da tut, tut er in aller erster Linie einmal für sich selbst und das bis jetzt mit immer noch offenem Ergebnis. Das die Verwertungsgesellschaften allesamt, was Transparenz und Mitgliederfreundlichkeit angeht, sich bei alledem kaum mit Ruhm bekleckern steht dabei m.E. auf einem anderen Blatt. Hier geht es zuvörderst einmal um Verteilungsgerechtigkeit und ich hatte einmal versucht, Verständnis dafür zu wecken, dass die weitverbreitete Sicht „Alles den Autoren“ nicht nur juristisch sondern auch moralisch durchaus hinterfragbar ist.
@Thoma Elbel
Sie meinen man kann es ja einfach mal unterstellen, so wie Sie mal unterstellen, dass die Verlage hier „geldgierig“ und „böse“ genannt werden? Beide Worte finde ich mit einer Ausnahme (SN in seiner Antwort an Sie) nämlich nur in Ihren und Eva Schumanns Beiträgen.Und jetzt in meinem. Und wenn Sie jetzt (zurecht) sicher gleich den Kontext des Artikels und mancher Kommentare bemühen wollen, kann ich nur Antworten: Besonders der Inhalt von Frau Schumanns Beiträgen lässt sich im Kontext der Diskussion sehr wohl so interpretieren, wie es SN gemacht hat.
Argumentationsmäßig finde ich aber immer noch die Tatsache am besten, dass doch jeder Raketeningenieur werden kann wenn er nur fest genug wolle…
Man sollte m. E. grundsätzlich zwischen zwei Fragen unterscheiden:
1. ) die „moralische“, welche sich darauf richtet, ob den Verlegern ein Anteil an den VG-Wort-Erlösen aufgrund ihrer Leistung und ihrer Beteiligung am Produkt Buch gebühren soll (mit dem Argument, es gebe ohne Verleger kein Buch bzw. es bestehe hier eine Art „Solidargemeinschaft“).
Und 2.) die rechtliche, die von der ersten zu trennen ist und darauf zielt, wer exakt Inhaber des besagten Rechts und damit alleiniger Anspruchsberechtigter ist. Das ist nach dem Gesetz zunächst der Schöpfer des Werks, also der Urheber, und zwar AUSSCHLIESSLICH (nebenbei: es entsteht kein wie auch immer geartetes Urheberrecht des Verlags, nur weil der Lektor den Text ändert; allenfalls könnte – bei entsprechend umfassenden Änderungen mit eigener Schöpfungshöhe – der Lektor persönlich (Mit-)Urheber werden und als solcher Wahrnehmungsrechte bei der VG Wort anmelden).
Dem Verleger stehen an dem Werk zunächst mal überhaupt keine Nutzungs- und Verwertungsrechte zu; das gilt für alle Einzelrechte des Urhebers an seinem Werk, auch die gesetzlichen Vergütungsansprüche. Es ist unter allen Beteiligten völlig unstreitig, dass dieses Recht qua Gesetz zunächst mal allein dem Urheber zusteht und folglich erst vertraglich auf den Verleger übergeleitet werden muss, um diesem zugutezukommen.
Allein die Frage, wer in Herrn Dr. Vogels Fall Inhaber besagten Rechts war, hatten beide mit dem Fall befassten Instanzen zu entscheiden. Hier wurde – m. E. rechtlich absolut sauber und zutreffend – festgestellt, dass Rechte, die vorher schon vom Autor an die Verwertungsgesellschaft abgetreten worden sind (nämlich per Wahrnehmungsvertrag), hinterher nicht noch einmal an einen Verlag abgetreten werden können. Da hilft auch nichts, dass viele Verlagsverträge AGB-mäßig eine Abtretungsklausel enthalten – die kann dann nur noch ins Leere zielen.
Ferner wurde ebenso zutreffend festgestellt, dass solche kraft Gesetztes dem Urheber zustehenden Rechte auch nicht durch eine schlichte Satzung pauschal und contra legem anderen Berechtigten zugewiesen werden können. Dies gilt erst recht in Fällen, wo gar kein Wahrnehmungsvertrag mit Bezugnahme auf die VG-Wort-Satzung vorliegt, wie etwa bei den vielfach in der Wissenschaft üblichen einfachen Meldungen.
Hier wurde wirklich bloß schlichtes geltendes Recht angewendet. Schon an dieser eher popeligen Hürde musste im Fall von Herrn Vogel ein pauschaler Abzug von Verlegeranteilen scheitern. Ob das auch für andere Fälle gilt, konnte hier dahinstehen.
Allerdings sind m. E. die Aussichten dergestalt, dass die weitaus meisten anderen Fälle ebenfalls davon erfasst sind, denn die unionsrechtlichen Bedenken können, sobald sie erst in die rechtliche Wertung einfließen, ähnliche Auswirkungen auf die bisherige Ausschüttungspraxis haben, womit diese insgesamt, also für alle Verlegeranteile, hinfällig werden kann. Anders als ein Vorredner hier sehe ich aber noch nicht unbedingt den EuGH am Werke, denn hier reicht vielleicht ein obiter dictum. Doch das wird sich ja dann finden.
Die hier in den Kommentaren auch aufgeworfene Frage, wieso man das jahrzehntelang so gehandhabt hat, lässt sich leicht beantworten: Wer nichts will, der kriegt nichts(Dispositionsmaxime im Zivilverfahren). Doch m. W. brodelt die Debatte schon schon seit sehr vielen Jahren und wurde erst nach langen außergerichtlichen Bemühungen des Klägers rechtshängig gemacht. Die EuGH-Entscheidungen sind zudem noch relativ neu.
Das alles beantwortet möglicherweise nicht die Frage, ob ein Verlegeranteil dennoch legitim wäre; falls man das bejahen möchte, wäre der Gesetzgeber gefragt, etwa indem er ein zusätzliches Leistungsschutzrecht schafft, welches neben dem gesetzlichen Vergütungsrecht des Urhebers existiert. Mit derzeit geltendem Recht ist ein pauschaler Abzug von Verlegeranteilen aber m. E. nicht in Einklang zu bringen, eine Klärung und saubere Regelung daher überfällig.
@alter Jakob
Sie müssen ja nur mal den Titel von Herrn Niggemeiers Artikel nehmen, wo vor dem Hintergrund eines nicht rechtskräftigen Urteils und einer – wie Herr Niggemeier in einem vorangegangenen Kommentar selbst eingesteht – komplexen, undurchschaubaren Rechtslage, von Enteignung, Vernebelung und Zeitspiel der VG Wort die Rede ist. Genau mit solchen einseitigen, überpolemischen Wertungen werden die Klischees bedient, von denen ich spreche.
@Thomas Elbel: Auch wenn Ihnen dieser Einwand jetzt akademisch vorkommen mag: Die Überschrift ist zwar von mir, aber die des Gastbeitrags von Martin Vogel. (Und dem traue ich durchaus zu, die Rechtslage, anders als ich, zu durchschauen.)
@Thomas Elbel:
Ich weiß wie Sie auf Ihre Interpretation der Texte von SN kommen (das habe ich ja angedeutet mit dem „zurecht“ in Klammern). Ich wollte nur verdeutlichen, dass im Kontext der hier stattfindenden Diskussion, die Beiträge von Frau Schuhmann durchaus als entweder naiv oder tendenziös angesehen werden können.
Was die Rechtslage angeht: Wenn SN diese für kompliziert hält, dann ist das eine Sache. Insbesondere wenn er gleich hinzufügt diese gar nicht zu durchschauen.
Da kann ich mit den argumentativen Erläuterungen von E. Völler viel eher etwas anfangen. Und der hält die Rechtslage für relativ klar (und geht dabei auch auf einen Großteil Ihrer Argumente ein). Die erste und zweite Instanz waren sich auch einig, dass die Auslegung des Gesetzes die Beteiligung der Verlage in der Form, in der es die VG-Wort betreibt, ausschließt (der BGH steht natürlich noch aus). Und natürlich Martin Vogel und dessen Rechtsbeistand, die haben auch keine Zweifel an der Rechtslage (zugegeben, die sind natürlich Partei). Wenn ich Geld setzen müsste, wer beim BGH gewinnt, würde ich bei der jetzigen Ausgangslage nicht auf die VG-Wort wetten.
Ob das die Verlage zu grundsätzlich bösen Institutionen macht… das weiß ich nicht. ist mir auch herzlich wurscht. Das ein Medienjournalist aber einen verlagskritischen Artikel von einem Gastkommentator veröffentlicht, finde ich nicht so verwerflich. Und als Gegengewicht wird ja auch auf den Kommentar von Herrn Pappi verwiesen.
„Das ein Medienjournalist aber einen verlagskritischen Artikel von einem Gastkommentator veröffentlicht, finde ich nicht so verwerflich.“ Ich auch nicht. Habe ich das irgendwo gesagt?
Ansonsten hört sich „dass die Auslegung des Gesetzes die Beteiligung der Verlage in der Form, in der es die VG-Wort betreibt, ausschließt“schon wieder ganz anders an als „Enteignung“. Und das ist ja meine Kernkritik an dem Kommentar von Herrn Vogel. Er ist undifferenziert und unsachlich. Jetzt mag man wieder einwenden: „Herr Vogel ist ja auch Partei.“ Da würde ich entgegnen: „Genau. Und deswegen ungeeignet, dass Thema mit journalistischem Mehrwert zu beleuchten.“
Was ihre Prognose angeht: Schaun wir mal. Wenn der BGH immer so entscheidet wie die OLGs können wir ihn dann ja mal bald abschaffen.
Lieber Herr Elbel und Co.,
es ein Annahme, dass hier schwarz/ weiß gedacht wird und Verleger diffamiert werden. Keineswegs. Aber, wie wohl alle hier, habe auch ich Erfahrungen mit verschiendenen Verlagen gesammelt. Ich weis, wie das Gros der Verlage lebt und arbeitet. Natürlich gibt es kleine Verlage, die rumknapsen – aber die bilden nicht die Mehrheit und ich möchte sie einmal außen vor lassen. Tatsächlich ist die Lage der Autorinnen und Autoren in diesem Land zum Teil dramatisch schlecht und sie ist dabei sich noch weiter zu verschlechtern. Es ist für mich nicht nachvoll ziehbar, wieso nicht alle Autoren Herr Dr. Vogel unendlich dankbar sind für sein Engagement. Dass man sich hier um kleinste Punkte streiten muss, ist einfach unglaublich. Zeigt aber wohl, dass einige Schriftsteller immer noch auf hohen Niveau klagen und dass es nicht allen schlecht geht – weil sie a) Vermögen geerbt haben oder b) jemanden Haben, der sie mit-versorgt oder c) einen Brotjob haben.
Angsichts der weiterhin virulenten ökonomischen Krise, wage ich zu phrophezeien, dass die „fetten Mäuse“ unter uns bald abspecken werden und dass sich in 2 bis 3 Jahren kaum noch jemand unter den Schriftstellern finden wird, der meint die Interessen der Verleger vertreten zu müssen. Krisen haben eben manchmal auch ihr Gutes.
@Nasrim,
Soso, sie kennen also die Verlagswelt besser als alle anderen und meinen, die Verlagswelt besteht hauptsächlich aus gut bestallten Großverlagen. Ein klein wenig Recherche würde sie eines besseren belehren. Die deutsche Verlagsszene besteht allem Konzentrationsdruck zum Trotz immer noch mehrheitlich aus hochengagierten KMUs. Aber man kann sich die Welt natürlich so zurecht biegen, dass sie zu den eigenen Argumenten passt. Dass die Situation für deutsche Autoren immer schlechter wird, hat sicherlich nichts mit dieser Verlagsszene oder der VG Wort zu tun und die Initiative von Herrn Vogel, so verdienstvoll sie auch immer sein mag, wird an dieser Situation nichts ändern, denn die hat eher etwas mit der allgemein erodierenden Wertschätzung für künstlerische Leistungen zu tun.
Auch wird hier sich nicht um „kleinste Punkte“ gestritten, sondern um bedeutende Fragen der Verteilungsgerechtigkeit. Auch in den Verlagen arbeiten Menschen, meist unterbezahlt, die ihren Lebensunterhalt verdienen müssen.
Die blanke Unterstellung, wer hier im Sinne der Verlage argumentiere, sei wohl reicher Erbe oder lasse sich von irgendwem aushalten, ist eine schlichte Frechheit. Maßen Sie sich bitte nicht an, anderer Leute Lebensumstände einschätzen zu können. Auch Ihnen steht es im Übrigen frei, sich einen Zweiterwerb zu suchen, mit allen zusätzlichen Belastungen und Ablenkungen, die das mit sich bringt. Auch Herr Vogel lebte ja offensichtlich nicht vom Schreiben allein, sondern von einem sicherlich nicht schlecht dotierten Job im DPMA, von wo er die VG Wort, die er jetzt verklagt beaufsichtigte.
Im Übrigen können Sie Ihr anmaßendes Herumgeunke gern für sich behalten.
Eine „fette Maus“
hat irgendjemand genaue zahlen, wie gut oder schlecht es denn nun den verlagen geht, und wie gut es den autoren im verhältnis geht?
Eine der wenigen guten Einfälle im Entwurf des Koalitionsvertrages ist die Idee, die Verwertungsgesellschaften besser zu beaufsichtigen. Dass das Patent- und Markenamt seiner Arbeit nachkommt. Aber die Politiker denken da eher an die Gema als die VG Wort.
Zweiten, mir kommen ehrlich gesagt nicht die Tränen, wenn ich mir die Gehälter ansehe, die gerade für die Redakteure Zeitschriften ausgehandelt worden sind.
Wir müssen wohl der Tatsache ins Auge blicken, dass es ein kleine Zahl gut situierter Redakteure gibt, der eine große Masse an Freien-Prekariat gegenüber steht.
Dann zu Stefans Eindruck der VG Wort-MV. Wie viele der rund 170.000 Mitglieder kommen da? Den Mitgliedern ist die Macht nicht bewusst, die sie haben. Auch um Verteilungspläne zu beeinflussen. Denn die werden dort beschlossen. Oder einen anderen Vorstand zu wählen.
Also Stefan, such dir viele Mitstreiter. Ich glaube, du kannst dir auch Stimmen von Mitgliedern übertragen lassen, die persönlich nicht kommen können.
@ E.Völler
> nebenbei: es entsteht kein wie auch immer geartetes Urheberrecht des Verlags, nur weil der Lektor den Text ändert; allenfalls könnte – bei entsprechend umfassenden Änderungen mit eigener Schöpfungshöhe — der Lektor persönlich (Mit-)Urheber werden und als solcher Wahrnehmungsrechte bei der VG Wort anmelden
Nun, das könnte er tatsächlich, so wie ein Redakteur durchaus auch Texte bei der VG Wort als Mitautor melden könnte. Aber nur in Absprache mit dem Autor.
Allerdings machen Buchlektoren das eher auf andere Art: Z.B., indem sie Fotografien des Autors durch eigene Knipsfotos ersetzen (und für diese dann abrechnen, vielleicht nicht bei der VG Bildkunst, aber beim Verlag), und indem sie sich selbst als „Herausgeber“ mit auf den Titel setzen.
> Dem Verleger stehen an dem Werk zunächst mal überhaupt keine Nutzungs– und Verwertungsrechte zu;
Wenn er dessen Verleger ist, dann schon. Sonst kann er es ja gar nicht verlegen, ohne Nutzungsrechte.
Die Probleme liegen da an ganz anderer Stelle: Mancher Verleger blockiert seine Autoren selbst dann weiter, wenn er von diesen gar keine Bücher mehr haben will. Deren Fotos gar nicht mehr haben will. Aber auch nicht will, daß die Autoren dann zu einem anderen Verlag gehen.
Was den konkreten Fall betrifft, so dürfte die 50:50-Aufteilung im Bereich Wissenschaft das Problem sein. Die ist nicht fair. Bei 70:30, wie in den Bereichen außerhalb Wissenschaft, kommt man den reellen Verhältnissen schon näher. Der Autor liefert sein Werk, der Verleger sollte aber auch seinen Teil dazu beitragen, daß ein Buch oder eine Zeitschrift erfolgreich ist und tut dies üblicherweise auch, DKZV mal außen vorgelassen.
Wenn Autoren von Verlagen über den Tisch gezogen werden, dann am wenigsten in Sachen VG Wort. Bei der ja auch – im Gegensatz z.B. zur GEMA – die „Kleinen“ sehr wohl ihren Anteil bekommen.
@katharina: Das ist nicht die Zahl der Mitglieder, sondern der Wahrnehmungsberechtigten. Und die haben ziemlich exakt null Macht, um die Verteilungspläne zu beeinflussen.
Hallo Herr Niggemeier,
würden Sie mir denn zustimmen, das das satzungsgemäße Verfahren der Abstimmungen in der VG WORT nicht nur nach Ihrer Überzeugung durchaus einer angeregten Diskussion bedürfte, die aber wiederum nur das Binnenverhältnis, also die Selbstverwaltung betrifft?
Und hier muss ich eingestehen, dass ich offenbaren Nachholbedarf in Sachen Basisdemokratie habe. Denn so hoch sind die Zugangshürden zur Mitgliedschaft denn doch nicht, dass ich sie nicht längst hätte nehmen müssen in den vergangenen Jahrzehnten. Damit dürfte ein nicht unbeträchtlicher Teil des Unbehagens auch aus der höchstpersönlichen Bequemlichkeit rühren. Und ich denke, nicht nur ich habe mich da so kommod eingerichtet.
Nehmen Sie das als ein mea-culpa-Geständnis und als persönliche Absichtserklärung, künftig aktiver zu werden. Was nichts an meiner grundsätzlichen Überzeugung zu dem Casus Dr. Vogel versus VG WORT ändert.
Mit freundlichem Gruß.
K.W. Meisterburg
Ich finde insbes. die letzten Kommentare von Herrn Meisterburg, @Katharina und @DL2MCD insbesondere zu den Unterschieden zwischen Wissenschaft und Belletristik und der Bequemlichkeit der Mitglieder runden das Bild nun ab. Ich fände es sehr verdienstvoll, wenn Herr Niggemeier auf der Grundlage aller Kommentare noch einmal in eine vertiefte Betrachtung der ganzen Angelegenheit einsteigen würde. Ich wäre jedenfalls sehr gepannt auf eine WIRKLICH differenzierte Betrachtung der Angelegenheit und will alles in allem keinesfalls den Eindruck erwecken, dass die VG Wort hier über jede Kritik erhaben ist.
Da es letztlich um Geld geht, und nur um Geld – kann es keine eindeutige Betrachtungsweise und glasklare Rechtsauffassung der Thematik geben.
Da kann der Herr Niggemeier noch so tief in die Materie einsteigen und weitere Artikel schreiben; es wird immer jemanden geben, der es aus welchen (oft auch selbstbefindlichen Gründen) aber mal so ganz anders sieht.
Es geht nicht um eine erschöpfende Beschreibung, die allen Sichten gerecht wird, sondern um eine fundierte Analyse, die die wirklichen Streitpunkte aufzeigt ohne in wohlfeilen Populismus und Klischeehaftigkeit zu verfallen.
Noch ne (aufbereitete) Hand voll Trollfutter:
Es geht nicht um eine erschöpfende Beschreibung, die allen Sichten gerecht wird, sondern um eine fundierte Analyse, die die erst kürzlich von Herrn Thomas Elbel herausgearbeiteten, wirklichen Streitpunkte aufzeigt, ohne in wohlfeilen Populismus und Klischeehaftigkeit zu verfallen.
Wie es zum Beispiel all den anderen Interessierten, ja selbst Gerichten, OLG`s oder gar dem BGH offensichtlich immer mal wieder passieren kann…
;-)
@Thomas Elbel: http://irights.info/2009/01/21/eine-starkung-zum-schaden-der-autoren-dossier-von-ilja-braun-zu-vg-wort-und-%C2%A763a/782
#54
Vielen Dank für den Link.
Es ist eventuell ein wenig off Topic, da der Artikel jedoch bereits 2009 abgefasst wurde, wirft er überraschend nochmal ein anderes Licht auf das bisher weitgehend „ungenutzte“ Leistungsschutzrecht für Verleger.
Insbesondere die letzten Absätze (Eigenes Leistungsschutzrecht für Verleger?) haben mich noch einmal an den offensichtlichen „Flop“ des LSR erinnert und auch nachdenklich gestimmt.
Dort heißt es nämlich (Zitat):
[…] Wäre es aber nicht ein Terrainverlust für die Autoren, wenn man den Verlegern eine eigene Rechtsposition (LSR) zugestehen würde?
Im Gegenteil, meint Thomas Hoeren vom Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht an der Universität Münster. „Die Verleger müssten dann mal von ihrem hohen Ross herunter, sich für die eigentlichen Autoren der Bücher zu halten. Aber im Gegenzug würde man ihre originär verlegerische Leistung als solche anerkennen. Sie könnten stolz sein auf ihr Lektorat, ihre Pressearbeit, ihre Programmgestaltung und ihre Autorenbetreuung.”
Weil sie jedoch derzeit kein eigenes Leistungsschutzrecht hätten, seien sie gezwungen, so Hoeren, „sich die Autorenrechte einzuverleiben. Im Rahmen des Urheberrechts sind sie quasi gezwungen zu sagen: Ich bin ein Nichts, ich kann keine eigenen Rechte einbringen, ich habe nur das zu bieten, was ich den Autoren im Kleingedruckten weggenommen habe. Ist das ein Leitbild für einen Verleger?”
Die Übertragbarkeit von Vergütungsansprüchen ist auch für Martin Kretschmer von der Bournemouth University der wesentliche Knackpunkt des Urheberrechts. „So lange Vergütungsansprüche übertragbar sind, landen sie immer beim Stärkeren”, meint er, „und das ist in der Regel der Verleger.” Allerdings, gibt er zu bedenken, würde sich daran durch die bloße Einführung eines Leistungsschutzrechts nichts ändern, wie man an der Musikbranche sehen könne, wo die Leistungsschutzrechte genauso übertragen würden wie die Urheberrechte. „Durch eine Umbenennung ändert man nichts an der wirtschaftlichen Dynamik”, meint er. „Sie müsste mit einer Regulierung der Übertragbarkeit von Vergütungsansprüchen einhergehen.”
War aber nicht genau eine solche Einschränkung der Übertragbarkeit das ursprüngliche Anliegen des §63a im Sinne des Stärkungsgesetzes? „Allerdings”, sagt Kretschmer.[…]”
Mh.
@Katharina
Mal abgesehen davon, dass es ein Unterschied ist, was in einem Tarifvertrag (aus dem viele Verlage schon aussgestiegen sind) steht und wie er in der Praxis gehandhabt wird (z.B. Redakteure, die faktisch 60-70 Stunden die Wochen in leitenden Funktionen arbeiten nach einem einfachen Redakteursvertrag zu bezahlen) :
– glaubst Du dass die Verlage ihre (zu Recht oder Unrecht erhaltenen) VG-Wort-Einnahmen an Ihre Redakteure verteilen würden?
– würdest Du in irgendeiner anderen Branche die Interessen von Angestellten (Redakteure) mit ihren Arbeitgebern (Verlagen) gleichsetzen? Etwa bei der Verkäuferin von Karstadt oder dem Fließband-Arbeiter von Opel?
Dass Du es trotzdem tust, ist entweder naiv oder bösartig.
Die VG Wort hat angekündigt, dass Sie die Verjährung von Ansprüchen in Kauf nehmen wird, und gegen Berechtigten, die gegen die Verjährung Einspruch erheben, den Gerichtsweg gehen werden. Das ist wirklich unglaublich, pure Rechtsbeugung. Zudem kündigt Sie vernebelt an, dass die zwar Ansprüche rückwirkend ( aber vermutlich nur ( so kann man den Text Nebel aufgrund der Erfahrung deuten ) hinsichtlich des noch nicht verjährten Zeiraums ) pauschal und unter Berücksichtigung von Härten (!) ausgleichen will. Bei den einzelnen Autoren geht es meist nur um Beträge weit kleiner als € 1000. Da wird wohl keiner klagen . Das ist eine bodenlose Frechheit der Vg Wort. http://www.vgwort.de/fileadmin/pdf/allgemeine_pdf/Entscheidungen_der_Gremien_3_12_2013.pdf
[…] Gründung der VG Wort auf einer Übereinkunft zwischen Autoren UND Verlagen. Unter dem Titel “Die VG Wort enteignet Urheber, vernebelt die klare Rechtslage und spielt auf Zeit” legt Dr. Vogel auf dem Blog von Stefan Niggemeier noch einmal nach. Nichtsdestotrotz sehe […]
Wer den aktuell verschickten Jahresbericht 2013 der VG Wort in Händen hält, möchte doch mal folgendes gegenchecken:
Zu den Kosten der Verwaltung für das Münchner und Berliner Büro und zu der Vergütung der inzwischen 5 !! Vorstände und der ca. 100 !!! Mitarbeiter sagt die VG Wort: nichts, kein Zahlenwerk, keine prozentuale Aufschlüsselung. Habe ich mich da verguckt? oder kommt man so damit tatsächlich immer noch durch???
Muss an mir liegen, habe es einfach nicht gefunden….
… also, es gibt auf Seite 10 pauschale Angaben zu den Verwaltungskosten (knapp 9 Mio. Euro), die Vergütungen werden Teil dieser Summe sein. Allerdings sind darin sicherlich auch Büromieten und alle anderen Bürokosten enthalten.
Auf Seite 6 links oben als Nettokosten für das Berliner Büro 71.000 Euro genannt.
Auf Seite 5 rechts unten die Anzahl für die Beschäftigten, zwei geschäftsführende Vorstandsmitglieder (offenbar hauptamtlich, die anderen drei sind wohl ehrenamtlich tätig) sowie 85 Voll- oder Teilzeitkräfte.
Gibt es eigentlich irgendwo eine Koordination der VG-Wort-Wahrnehmungsberechtigten? Geht jemand auf die Versammlung am 23.5., 19h in Berlin?
It’s really a nice and helpful piece of info. I’m glad that you simply shared this helpful info with us. Please keep us up to date like this. Thanks for sharing.
Dank an Herrn Dr. Vogel: Nun haben vier Gerichte entschieden – was eine echte Bananenrepublik sein will, setzt sich natürlich darüber hinweg. Schon scharren die Lobbyisten mit den Füßen. Unabhängigkeit der Gerichte? Pustekuchen! Uns gefällt eine Gerichtsentscheidung nicht? Schnell wird der Minister in die Spur geschickt!
EuGH und BGH haben gesprochen – doch das ist in einer echten Banananrepublik nicht hinzunehmen, schließlich gilt die Unabhängigkeit unserer Gerichte nur so lange, wie sie denen, bei denen Verlegervilla, Pferderennstall, Kinder in englischen Universitäten, Bentleys, Rolex und dergleichen mit zur Grundausstattung zählt, nicht ins Handwerk pfuschen. Wir haben Verständnis: Es hat Bürgerkriege bedurft, damit die Sklaverei abgeschafft wurde und wir können nicht erwarten, daß diese Pfründe „bloß“ mit Gerichtsentscheidungen aufgelöst werden!
@Autorin: „Verlegervilla“ fand ich lustig. Die Autorin hat offensichtlich nur Verlage á la Burda und Springer im Kopf, welche gutbezahlte Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzende haben, die sich eine solche Villa leisten können. Auf eine Vielzahl von Kleinverlagen trifft das aber ganz und garnicht zu.
Eine Vielzahl von Autoren stoßen bei den Großverlagen (wenn überhaupt) nur auf ein kühles Lächeln, wenn sie ihre Veröffentlichungswünsche vorstellen. Wer aber veröffentlicht die Titel, die gerade nicht zu den Kassenschlagern werden? Genau, die kleinere Verlage. Hier wird mit spitzem Stift kalkuliert, wie man einen Titel überhaupt kostendeckend produzieren und anbieten kann. Von einer Verlegervilla und Ähnlichem ist man leider ganz weit weg. Die Einnahmen aus dem VG-Wort-Topf sind dabei jedenfalls ein kleiner Baustein der Kalkulation, der jetzt für die Verlage wegfällt.
Den Verlagen kann es eigentlich auch egal sein, dann wird halt ein Titel mal nicht veröffentlicht, wenn es sich nicht mehr rechnet oder der Autor muss halt was dazuschießen. Insofern wird die Regelung für die Autoren ausgehen wie das Hornberger Schießen.
Wir brauchen ein System, das sowohl den Autoren, als auch den Verlagen einen vernünftigen Beitrag zu ihren Einnahmen beisteuert. Da hilft Polemik überhaupt nicht weiter. Wie das genau aussehen könnte, darüber kann diskutiert werden, aber ein Verlegerbashing ohne Hintergrundwissen ist dabei wenig hilfreich.
Jetzt kommen die Verzichtserklärungen von Verlagen, mit Briefkopf der VG Wort zu den Autoren.
Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt.