Die Unabhängigkeitserklärung des Andrew Sullivan

Andrew Sullivan versucht es jetzt allein. Er will zeigen, dass sich ein Blog wie seins dauerhaft finanzieren lässt: ohne Werbung, ohne Investoren, ohne Medienpartner. Nur durch die Unterstützung der Leser.

Sullivan ist einer der prominentesten und erfolgreichsten Blogger der Welt. Der Engländer lebt in den USA, ist schwul, katholisch, konservativ, HIV-positiv, Bärenliebhaber, Anhänger von Margret Thatcher und Barack Obama. Er ist kein Parteigänger, von niemandem. Er ist unbequem, unabhängig und lästig, klug, aggressiv und amüsant.

Seit über zwölf Jahren schreibt er manisch ins Netz, zeitweise für „Time“ und „Atlantic Monthly“, zuletzt für Tina Browns „The Daily Beast“. Sein Blog „The Dish“ zeigt, welch faszinierende neue Möglichkeiten dieses Medium bietet. Sullivan ist meinungsstark, aber seine Positionen stehen nicht für sich allein — er verweist auf die Argumente seiner Gegner und setzt sich mit ihnen auseinander; regelmäßig veröffentlicht er Kommentare von Lesern, die ihm widersprechen. Seine Positionen sind nicht festgemauert — er zögert nicht, Fehler zu korrigieren und Meinungen zu revidieren. Der Journalismus, den Sullivan in seinem Blog pflegt, hat nichts Statisches. Es ist ein fortwährender Strom von neuen Informationen und Argumenten, eine endlose Konversation mit seinen Lesern, seinen Gegnern, der Welt.

Die anhaltende Faszination der Unabhängigkeit des Bloggens beschreibt er so:

For the first time in human history, a writer — or group of writers and editors — can instantly reach readers — even hundreds of thousands of readers across the planet – with no intermediary at all.

Und die anhaltende Faszination der Konversation mit den Lesern so:

We have an official staff of 7, and an unofficial one of around a million unpaid obsessives.

Vergangene Woche hat er mit seinen beiden engsten Mitarbeitern eine eigene Firma gegründet, und von Februar an will er wieder unter andrewsullivan.com bloggen, finanziert allein von den Zuwendungen der Leser.

Es ist eine Mischung aus dem Metered-Modell der „New York Times“, bei dem der Leser eine bestimmte Zahl von Zugriffen frei hat, und dem „Freemium“-Modell, bei dem Premium-Inhalte kostenpflichtig sind. Beim „Daily Dish“ soll man unbegrenzt häufig ohne zu zahlen auf die Seite gehen können. Allein, wer bei längeren Texten auf „Weiterlesen“ klickt, muss nach einer bestimmten Häufigkeit zahlen.

Eine klassische Bezahlschranke gibt es nicht, der „Daily Dish“ will unbedingt offen bleiben für die Diskussion mit Lesern und anderen Blogs, aber die Stammleser sollen 19,99 Dollar jährlich zahlen — oder mehr.

Die Seite soll möglichst auf Dauer frei von Werbung sein, weil Werbung nervt und weil Online-Werbung dafür gesorgt hat, dass es wichtiger ist, Klicks zu generieren als Qualitätsinhalte.

If the money doesn’t come in, we’ll have to find another way to make a living.

Equally, the more you give us, the more we will be able to do.

Sullivan schreibt, er träume davon, lange journalistische Stücke in Auftrag geben zu können und vielleicht ein monatliches Magazins fürs Tablet herauszugeben. Und in dem radikalen Versuch, nur auf Leserfinanzierung zu setzen, sieht er ein Experiment, auch als Vorreiter für andere:

If this model works, we’ll have proof of principle that a small group of writers and editors can be paid directly by readers, and that an independent site, if tended to diligently, can grow an audience large enough to sustain it indefinitely.

The point of doing this as simply and as purely as possible is precisely to forge a path other smaller blogs and sites can follow. We believe in a bottom-up Internet, which allows a thousand flowers to bloom, rather than a corporate-dominated web where the promise of a free space becomes co-opted by large and powerful institutions and intrusive advertising algorithms. We want to help build a new media environment that is not solely about advertising or profit above everything, but that is dedicated first to content and quality.

(Klingt ein bisschen, als hätte er Johnny Haeusler gelesen.)

Die Paid-Content-Abwicklung übernimmt die Firma TinyPass, was mich daran erinnert, dass der Geschäftsführer der FAZ neulich öffentlich geklagt hat, dass sich seine Zeitung keine eigene Paywall leisten könne, weil es so viel Geld koste, sie zu entwickeln.

Abschlusspathos von Sullivan:

We have no marketing, no ads, no corporation behind us now. We only have you.

Von einer „Lawine“ von Mitgliedschaften schreibt er ein paar Stunden nach der Ankündigung; aktuell sollen es 36 pro Minute sein, was mindestens 43.200 Dollar pro Stunde entspräche. Natürlich bedeutet dieser erste Rausch noch keine Garantie, dass Sullivans Hoffnung aufgehen wird und er seinen „Dish“ auf Dauer komfortabel finanzieren kann. Aber ich hoffe und traue ihm zu, dass das gelingt.

Die Leser werden nicht nur nicht auf dieses Blog verzichten wollen, das so manisch und persönlich, so relevant und abwegig und so offen für Widerspruch betrieben wird. Sie werden es unterstützen wollen. Und diese Leser als Unterstützer zu haben, wird nicht nur den „Dish“ stärken, sondern auch die Beziehung zwischen beiden.

Das Modell, das Andrew Sullivan mit dem „Dish“ probiert — ich glaube, das wird eine Zukunft sein.

62 Replies to “Die Unabhängigkeitserklärung des Andrew Sullivan”

  1. >Sullivan ist einer der prominentesten und erfolgreichsten >Blogger der Welt.

    Du auch.

    >Der Engländer lebt in den USA, ist schwul, katholisch, >konservativ, HIV-positiv, Bärenliebhaber, Anhänger von >Margret Thatcher und Barack Obama. Er ist kein Parteigänger, >von niemandem. Er ist unbequem, unabhängig und lästig, >klug, aggressiv und amüsant.

    Du bist auch schwul, unbequem, unabhängig, lästig, klug, aggressiv und amüsant.

    Bitte mach Du das auch. Ich zahl auch 20 EUR/Monat. Dann aber für mehr Einträge.

  2. Nicht „offenes Web“ à la Haeusler, aber vielleicht auch in diesem Zusammenhang interessant:

    Marco Arment, Entwickler der iOS-App Instapaper, hat kürzlich The Magazine ins Leben gerufen – ein Magazin für iPad und iPhone, mit Texten, die besser als durchschnittliche Blog-Artikel sein sollen und für die die Leser deshalb zahlen wollen sollen. General-Themen zum Start: „loosely about technology, but also gives tech writers a venue to explore other topics that like-minded geeks might find interesting“ – wobei sich das schon nach kurzer Zeit erweitert.

    Das Ganze ist im iOS-Zeitungskiosk erhältlich, für 1,99 EUR pro Monat, erscheint 14tägig und enthält (mittlerweile) jeweils sechs Artikel.

    Arment erklärt hier, was er vorhat:
    http://www.marco.org/2012/10/11/the-magazine
    http://the-magazine.org/1/foreword

    In seinem Artikel zur Einstellung von News Corps „Daily“ vom 3. Dezember schreibt er, dass The Magazine – nach nur zwei Monaten – bereits profitabel ist.

  3. Wenn er nicht immer so aggressiv wäre bei Real Time… Und wenn seine Ansichten nicht so stock-konservativ wären…

    Absolut nicht mein Fall der Mann aber mit ihm wird es wenigstens nicht langweilig. Er ist die laute Version von David Frum.

    Wäre schön wenn sich das Projekt trägt, als Gegengewicht zu konservativen Durchgeknallten mit Schiefertafeln und Kreide.

  4. In den USA gibt es ja schon meherer Blogs, die sich von ihre Lesern bezahlen lassen, da gibt es die Memebership Modelle von John Gruber (daringfireball.net), The Loop (Jim Dalrymple) und Shawn Blanc. Alle freiwillig und in diesem Jahr hat Ben Brooks seine BrooksReview hinter eine Bezahlschranke gesteckt (http://brooksreview.net/2012/07/new-tbr/). Bin gespannt, wann das in Deuthscland los geht.

  5. Im Zusammenhang mit Leserfinanzierung fällt mir immer wieder als erstes Wikipedia ein, eine Internetseite, deren Zuspruch und Bedeutung man wohl als sehr hoch einschätzen kann. In ziemlich regelmäßigen Abständen finden sich dort Spendenaufrufe, ein Zeichen dafür, daß mindestens ein regelmäßiger Anstoß nötig ist, um Zahlungsbereitschaft bei den Nutzern zu wecken und selbständiges Handeln nicht in ausreichendem Maß erfolgt.
    Mit dem im Artikel genannten Abonnentenmodell und inhärenter Erinnerung durch Automatismen läßt sich dem vermutlich zu einem gewissen Grad gegensteuern. Nichtsdestotrotz gehe ich, bis sich tatsächlich zeigt, daß dieser oder andere Blogs so funktionieren, weiter davon aus, daß freiwilliges „Crowdfunding“ nur für kurzfristige (zugegeben große) Geldschübe aber nicht für beständige Finanzierung taugt.

  6. Klar geht das mit der Leserfinanzierung. Du wirst nur nicht hingehen und über Crowdsoucing versuchen können, ein ganz neues Produkt mit ganz neuen Leuten aufzuziehen. Oder wie Murdoch einen Launch wie in der alten Printwelt einfach auf ein neues Online-Magazin zu adaptieren. Falsche Denke, das klappt so nicht.

    Du musst dir erstmal einen Namen machen, und zwar direkt als Person. Durch ein Blog, eigenständig oder unter einer Dachmarke innerhalb einer Redaktion. Jahrelang eine treue Leserschaft erarbeiten und dann quasi als Eigenverlag durch die Fans monetarisieren lassen. All diejenigen, die sich als Online-Journalist derzeit noch von einem alten Printverlagshaus alimentieren lassen, können diese guten Voraussetzungen natürlich als Sprungbrett nutzen. Wobei der Reichweitenvorteil aber erstmal ganz klar bei den englischsprachigen Publikationen liegt.

  7. @hwilker

    The Magazine hat auch noch den Vorteil, dass man eigentlich den Zugang zur Plattform abonniert und nicht einzelne Ausgaben.

    D.h. wer jetzt mal die 1,99€ ausgibt bekommt auch Zugriff auf alle früheren Ausgabe, d.h. wem 6 Artikel pro Ausgabe zu wenig für den Preis sind, der kann auch einfach alle 2 Monate mal abonnieren und dann wieder canceln und kann trotzdem alles lesen.

    Was Bezahlschranken bei Blogs angeht:

    Man darf nicht vergessen, dass es einen kleinen aber feinen Unterschied zwischen amerikanischen und deutschen Blogs gibt.

    Bei ähnlichen Lebenshaltungs/Betriebskosten kann ein deutsches Blog knapp 100 Millionen Muttersprachler erreichen, während ein amerikanisches Blog die Bevölkerung von den USA, Kanada, Großbritannien, Irland, Australien als Muttersprachler hat und ansonsten die Sprache aber auch überall als Fremdsprache gelehrt wird.

    Und zuletzt: Dass die FAZ klagt, dass die Entwicklung einer Paywall zu viel kostet kann ich aber voll verstehen – in großen Firmen/Organisationen gehen doch allein für die Frage welche Glasur die Donuts in der Kantine haben sollten mindestens zwei einstündige Besprechungen drauf.

    Wenn es dann darum geht eine Paywall für eine Seite mit zig Tausenden von Lesern einzurichten, die Abonnenten durchlässt, Besucher via Google News Link (da will man dann ja von Google das Geld^^) aber sonst niemanden – oder nur 20 Mal im Monat, bevor gezahlt werden muss, dann ist das eine Sache wofür 5 Webentwickler und 2 Manager ein halbes Jahr in Besprechungen sitzen und dann noch mal 3 Monate das ganze wirklich umsetzen.

    Das kann man nicht mit der Frage ob man in seinem Privatblog (an dem man allein oder mit maximal 2 anderen schreibt) einen Flattr-Button hinzufügt oder auch eine Paywall einrichtet, die am Ende maximal 2000 Abonnenten haben wird, nicht (idealerweise) 100.000.

  8. Eigentlich ist es doch ungerecht, dass ausgerechnet die treuesten Fans bezahlen müssen, während die Gelegenheitsleser kostenlos rein dürfen. Anstatt Rabattmarken für Stammkunden gibt’s hier also Gratis-Burger für Gelegenheitskunden und Extra-Charge für Stammkunden. Tolles Modell. ;)

  9. Danke, dass Du „eine Zukunft“ sagst und nicht „die Zukunft“, wie es so viele professionell Begeisterte tun.

  10. Das kann sehr gut klappen. Das Vorgehen hat alle Ingredienzen eines „good sell“. Das Angebot muss ja nicht nur valide und bekannt sein, es muss auch adäquat verkauft werden. Hier geht einer den richtigen Weg der „Gesinnungspartnerschaft“. Ganz getreu dem Motto „make those people feel good about themselves“ werden die Leser zu Mitarbeitern geadelt. Das schafft das Gefühl _wechselseitiger_ Anerkennung, die Leser erhalten damit psychisch einen Renommee-Mehrwert (wie einst bei der FAZ), vielleicht entsteht da sogar etwas, was eines Tages eine Art Statussignal darstellen könnte. Der Jahresbeitrag ist gering, kostet ungefähr so viel wie 1 Buch, kann also leicht als „fair“empfunden werden und wirkt zudem wie ein Vereinsbeitrag zu einer guten Sache, nicht so sehr ein Bezahlen in der Erwartung, anschließend „beliefert“ zu werden. Also nirgends ein Anpreisen der Ware! Im Gegenteil, es wird noch auf Defizite hingewiesen, die man zukünftig vielleicht „mit eurer Hilfe“ beseitigen möchte.
    Diese Art des „Un-Verkaufens“ der Ware ist das, was für Spezial-Content-Anbieter und Blogs gut funktionieren kann. Die Ökonomie dahinter hängt nicht allein am niedrigen Preis, sondern natürlich auch an dem Preis-Relevanz-Verhältnis. Es sind auch Fach-Content-Produkte denkbar, die 1000 Euro im Jahr kosten (gibt es ja schon) – das ist nur eine Frage von Relevanz, Qualität, Zielgruppe, Exklusivität. Das „Entbündeln“ von Inhalten würde ja auch ein Entbündeln der Preisstrategien ermöglichen. Am Ende muss es eben nur auch richtig verkauft werden …

  11. „Die Seite soll möglichst auf Dauer frei von Werbung sein, weil Werbung nervt und weil Online-Werbung dafür gesorgt hat, dass es wichtiger ist, Klicks zu generieren als Qualitätsinhalte. “

    Interessante, zum Blog passende Werbung nervt mich nicht, und ob ich schreibe, um Qualität zu liefern oder um Klicks zu erzielen, ist eine Sache meines eigenen Anspruchs.

    Und was für eine „Unabhängigkeit“ ist es denn, wenn ich um Almosen (die Almosen bleiben, wie auch immer ich sie nenne) bitte, anstatt eine klare Leistung für einen klaren Gegenwert zu verkaufen? Wo sich andere andienen, um Klicks zu generieren, muss man sich dann andienen, um so cool und innovativ rüberzukommen, dass meine Gefolgschaft zahlt.

    Im Kern geht es beim Verkaufen ums Gefallen. Immer und überall. Dass die Hilfslosigkeit, in Ermangelung an anderen Ideen der Monetarisierung einfach mal zu betteln, hier noch als Innovation gefeiert wird, das, ja das lässt sich wohl am ehesten durch die Fakten des 2. Absatzes erklären.

  12. Sullivan ist mir unsympatisch, weil er ein Clinton-Hasser ist, der Bill Clinton für eine innerlich verrottete Kreatur hält. Lesen tu ich ihn trotzdem, man bekommt einen guten Einblick in die aktuellen US-Themen. Aber bezahlen würde ich nicht.

    Stefan Niggemeier ist mir unsympathisch geworden, seit er Peter Altmeier zwangsouten wollte. Lesen tu ich hier trotzdem noch, denn bestimmte Themen werden hier besser behandelt als anderswo. Aber bezahlen würde ich nicht.

    Dabei fällt mir auf, dass ich nicht wenige Blogs und Magazine online lese, die mir ziemlich gegen den Strich gehen, die aber trotzdem Informationen bieten, an die ich anders nicht komme. Oder einen Standpunkt, den ich zwar lächerlich finde, den ich aber trotzdem kennen möchte. Bezahlen würde ich dafür nicht, ich will die doch nicht auch noch unterstützen.

    Das neue freiwillige Bezahlsystem der taz wurde noch nicht erwähnt, obwohl es in die selbe Kerbe schlägt. Ich tippe mal darauf, dass ein großer Anteil der taz-Leser ebenfalls mitliest, obwohl ihnen die Richtung der taz eher nicht passt. Man muss ja nur die Kommentare dort lesen, um diesen Eindruck zu bekommen. Bezahlen würde wohl nur ein Teil dieser Leser.

    Schlussfolgerung:
    Bezahlschranken führen dazu, dass sich die Informationsbeschaffung stärker auf jene Quellen konzentriert, die mit der eigenen Einstellung weitgehend übereinstimmen. Vor allem diese möchte man finanziell unterstützen, der Blick über den Tellerrand wird unwahrscheinlicher.
    Insofern ist es begrüßenswert, dass Sullivan keine klassische Bezahlschranke einrichten will, sondern nur längere Premium-Artikel (ab einer bestimmten Anzahl) für zahlende Leser reservieren will. Trotzdem ist auch das schon eine Veränderung, die auf Dauer das Angebot verschlechtern kann. Auf dem Blog von Dirk Müller (Mr. Dax) gibt es auch kostenlose und kostenpflichtige Texte, die kostenlosen sind aber kaum mehr als Teaser.
    Und eines fällt auch auf: eine Bezahlung pro Text ist für die Schreiber unattraktiv, sie möchten eine komfortable dauerhafte Finanzierung mit monatlichen oder jährlichen Zahlungen. Ist das wirklich auch im Interesse der Leser?

  13. @14: Eine Bezahlung pro Text oder Zeichen wird in der Regel der von dir skizzierten Entwicklung hin zu der Mehrheit der Leser gefälligen Texten nur verstärken. Das mag für die Themenauswahl noch halbwegs akzeptabel sein, für kritisches journalistisches Arbeiten ist es aber genau der falsche Ansatz.

    Content hinter Bezahlschranken wird sicherlich weniger Reichweite haben als die kostenlosen Pendants. Dafür sind die free-to-read Modelle qualitativ oder quantitativ systematisch unterlegen, da es entweder „nur“ ein Hobby ist oder die wirtschaftlichen Zwänge (egal ob als Selbsterkenntnis eines Freischaffenden oder durch den Arbeitgeber) Einfluss auf die Veröffentlichungen gewinnen.
    Und dann ist sicherlich auch noch mal zu unterscheiden, welche Inhalte man publiziert. Meinungsstarke Blogs polarisieren natürlich die Leserschaft. Veröffentlichungen, die sich noch deutlich mehr auf mehr Fakten stützen und diese sauber aufbereitet präsentieren, haben dieses Problem nicht (werden sich aber beim „bekannt werden“ schwerer tun). Es ist imho durchaus vorstellbar, dass die erfolgreichen Bezahlmodelle einen professionalisierenden Einfluss auf die Blogger haben werden. Ebenso werden reine Polemiker, Heilsbringer, Pamphleteers, Ranter und Hassprediger zahlende Leser finden.
    Das ganze ist meiner Meinung nach auch eine Zeit-/Generationengeschichte und wird fast automatisch wachsen. Wie schnell und wer Gewinner dieser Entwicklung ist, das können die Mitspieler heute schon beeinflussen. Aber ich drifte ab :)

  14. @16: Aber eine der Stärken des Internets ist es doch, dass sich schnelle Empfehlungssysteme entwickelt haben, durch die wichtige Texte verstärkt werden (Blogs, Twitter, Perlentaucher etc.). Wenn die auf einen wichtigen, interessanten Text verweisen, der einzeln kostenpflichtig ist, dann kauf ich den eventuell. Nicht unbedingt deshalb, weil er meine Meinung repräsentiert, sondern weil viele ihn wichtig finden.
    Wenn ich aber erst ein Jahresabo eingehen muss, um den Text zu lesen, werd ich mir das dreimal überlegen und dann kommt die Sympathiefrage ins Spiel.

  15. Nur fürs Protokoll: Dass Sie Peter Altmaier nicht zwangsouten wollten haben sie in ihrem diesbezüglichen Artikel aber so geschickt verborgen, dass es wirklich keiner gemerkt hat.

  16. Ich weiß nicht, ob ich gerne für einen Blog bezahlen würde. Für eine Zeitung habe ich allerdings bezahlt. Auch Zeitungen hätte man umsonst lesen können in der Bibliothek. Dort hätte man sogar mehrere Zeitungen lesen können. Zu Hause hatte ich nur das eine Blatt. Und ich habe jährlich dafür Geld überwiesen. Wer weiß, vielleicht braucht es lediglich einen Anstoß. Es gibt zumindest Blogs, die solide Arbeit leisten und deren Autoren ein Einkommen verdient hätten (um mal Missverständnissen vorzubeugen, damit meine ich nicht meinen eigenen ^^).

  17. @Stefan:
    Als ich das damals gelesen habe, hatte ich zwar durchaus das Gefühl, dass hier etwas Relevantes und Wichtiges angesprochen wird, aber irgendwie war es doch mit dem Finger auf einen bestimmten Menschen gezeigt. Ich fand das schon grenzwertig.

    Einen Artikel über schwule Fussballer würde man ja auch nicht damit schmücken Namen zu nennen. Und in der CDU herrscht auch oft genug Stadionatmosphäre.

  18. Ich glaube, dass die kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und medialen Unterschiede zwischen Europa (nicht nur D.) und USA so gross sind, dass das Sullivan-Modell nicht umsetztbar sein wird. Auch englischsprachige Leute wie George Monbiot oder Charlie Booker koennten nicht einfach so von ihrem exclusive Blog leben und bekaemen sagen wir 50.000 Pfund im Jahr von Lesern. Und in Deutschland? Sascha Lobo? Hendryk Broder? Udo Vetter? Don Alphonso? Wuerden die Sullivan’s Weg gehen sehen die bald recht alt aus. Vielleicht liegt das an den im internationalen Vergleich doch vergleichsweise hochwertigen Publikationen wie Guardian, SZ und natuerlich dem oeffentlich-rechtlichen Fernsehen wie BBC und ARD/ZDF das sich ein ‚Personenkult‘ nicht durchsetzt. Das hat vor ca. 20 Jahren nicht im Late Night Fernsehen funktioniert, das funktioniert nicht im politischen Satire-Bereich (Jon Stewart) und es gibt auch keinen Lifestyle-Milliardaer wie Oprah in Europa. Diese personenbezogenen Formate fehlen einfach. Und bei Gruppen-Blogs, bei AchGut, Nachdenkseiten oder Ruhrbaronen? So einen direkten Bezug wie bei Sullivan wuerde man da nie haben; sicher, man kann einen Foerderverein o.ae. gruenden, aber es geht ja hier explizit um Fomate bei denen EIN Name fuer Inhalten buergt und keine Werbung usw. dazwischengeschaltet wird. Kurzum: Das Modell wird auf die USA beschraenkt bleiben.

  19. Der Mann hat schon einen Namen. Der lässt sich verkaufen. Wie sollte das für einen Newcomer finanzierbar sein? Das ist doch das gleiche wie Crowdfunding. Wenn man bereits einen Namen hat wird das gut klappen, neue Ideen von neuen Leuten haben es aber ungleich schwerer und sind viel mehr auf Glück angewiesen.

    Dazu kommt, dass in Deutschland kaum etwas für Inhalte bezahlt wird. In Europa ist Deutschland mit das Schlusslicht was solche Ausgaben betrifft. In anderen Ländern hat es sich länger schon durchgesetz, dass man eben auch mal etwas bezahlen muss. Das ist übrigens auch in Sachen Pay-TV so, dass in Deutschland Jahrzehntelang absolut nicht funktioniert hat. Oder im Kino, der Deutsche geht im Schnitt 1,4 mal im Jahr ins Kino. Das ist auch ein sehr niedriger Schnitt.
    Es liegt also auch an der allgemeinen Zahlungsmoral und da wird sich etwas ändern müssen bei dt. Konsumenten.
    Es gab doch neulich erst beim Tagesspiegel eine Umfrage, ob man für guten Onlinejournalismus zahlen würde.
    http://weblogs.evangelisch.de/sites/default/files/tagesspiegel.de_1.jpeg
    67% sagen Nein.
    Ich will das jetzt nicht als repräsentativ verkaufen, aber wenn man bedenkt, dass viele immer behaupten gerne zahlen zu würden, wenn es möglich wäre und es nur die richtigen Zahlungsmodelle gäbe, dann ist so ein Ergebniss schon krass.

  20. Übrigens: Ein schöne s mediales Thema wäre es doch sich mit der Ähnlichkeit der Argumentation von Sarrazin-Verteidigern und von Augstein-Verteidigern („Das wird man nochmal sagen dürfen“, „absolutes Tabu“,“wird versucht mundtot zu machen“, „man immunisiert sich gegen Kritik“) hier mal zu beschäftigen.

  21. @ Stefan Niggemeier: Nicht ganz themenbezogen, aber eine Frage die ich mir schon öfters gestellt habe: Kann man Ihnen eigentlich ausschließlich über Flattr Spenden zukommen lassen? Wenn ja wäre eine Möglichkeit auch ohne Paywall mehr Einnahmen zu generieren, den Leuten mehr Optionen zum Spenden anzubieten. Die Taz bietet da z.B. 5 Möglichkeiten, auch so beliebte wie PayPal oder Überweisung. Ich hätte Ihnen gerne schon mal gespendet, aber Flattr nutze ich auch wegen der verpflichtenden monatlichen Einzahlung nicht.

  22. @Raoul: Soweit ich weiß, müssen Sie bei Flattr nicht mehr jeden Monat einzahlen oder andere flattrn. Außerdem gibt es die Möglichkeit, wenn Sie bei Flattr angemeldet sind, auf der Userseite ( https://flattr.com/profile/niggi ) einen Betrag nach Wahl zu spenden.

    Im Moment habe ich nicht geplant, andere Spendenmöglichkeiten anzubieten — aber danke der Nachfrage!

  23. Man sollte aber auch zugeben, dass sein Erfolg auf, vorsichtig ausgedrückt, extremen Meinungen beruht und vieles sich nicht belegen lässt, weil es nur seiner Phantasie entspringt!

  24. @ Stefan Niggemeier: Stimmt. Wiki war da zumindest nicht ganz eindeutig.

    Trotzdem glaube ich, daß eine ganz große Chance, User dazu zu bewegen auch freiwillig zu zahlen, darin liegt, ihnen diesen Bezahlvorgang so einfach wie möglich zu machen. Wer gerne etwas spenden will, dafür aber erstmal ordentlich Zeit aufwenden muß, lässt es dann meist doch eher. Lässt sich das Ganze aber schnell erledigen, handelt man ähnlich wie bei den Impulsartikeln an der Supermarktkasse und nimmt/gibt auch gerne mal was dazu. Das muß ja per se nichts Schlechtes sein. Ich habe mich auch schon über ein in letzter Sekunde an der Kasse erworbenes Nussini gefreut.

  25. Falls Sullivans Versuch ein finanzieller Erfolg wird, dann finde ich einen Punkt höchst bemerkenswert: Von den 204 Blogs/Zeitungen/Magazinen in meinem Feedreader ist er so ziemlich der einzige, der keine Kommentarspalte anbietet.

    Stattdessen werden vereinzelt Abschnitte ausgewählter Leserzuschriften in eigenen Beiträgen veröffentlicht, wobei die Namen der Leser nicht genannt werden („Another reader writes:“). Der Anteil der Zuschriften, der veröffentlicht wird, dürfte maximal im Promillebereich liegen, vermutlich aber weit darunter. Die Abschnitte werden meist von Sullivan kurz kommentiert.

    Daneben gibt es regelmäßig eingeschickte Fotos der Leser zu sehen, die den Blick aus dem Fenster des Lesers zeigen. Daraus ist ein beliebter wöchentlicher Wettbewerb entstanden, bei dem die Leser wiederum raten dürfen, an welchem Punkt der Erdkugel das Foto entstanden ist. Im Grunde eine peer-to-peer Geschichte, bei der Sullivan nur die Abwicklung und Preisverleihung übernimmt. Im neuen Preismodell dürfen bei diesem beliebten Wettbewerb nur noch die zahlenden Abonnenten Bilder oder Lösungen einschicken. In allen Fällen bleiben die Leser anonym. Namen der Leser oder Links zu Blogs/Homepages werden grundsätzlich nicht veröffentlicht.

    Hier ist Sullivans Erklärung, warum er keine Kommentarspalte anbietet (auch die Leser wollen es angeblich so):
    http://andrewsullivan.thedailybeast.com/2011/11/ask-me-anything-why-arent-comments-allowed.html

    (Und der Vollständigkeit halber hier noch seine Einschätzung von Bill Clinton):
    http://andrewsullivan.thedailybeast.com/2012/01/ask-me-anything-why-bill-clinton-was-a-complete-shit-but-a-good-president.html

  26. Andrew Sullivans Blog ist sowas von öde. Er zitiert ständig irgendwen oder irgendwas und schreibt dann maximal drei eigene Sätze dazu. Seine Meinungen sind vor allem immer hysterisch und verlieren sich in Nebensächlichkeiten.
    Seine Behauptung, konservativ zu sein, wird durch nichts belegt, außer vielleicht dem Republikaner-Mantra des Steuersenkens/Ausgabenkürzens. In gesellschaftspolitischen Fragen steht er ganz weit auf der linken Seite (er hat außerdem schon zum zweiten Mal Obama unterstützt).
    Wer mal eine Weile Peter Hitchens‘ Blog in der ‚Mail on Sunday‘ gelesen hat, weiß, was echter Kulturkonservatismus ist.
    Was mir allerdings an Sullivan imponiert, ist, wie offen er mit seiner Homosexualität umgeht. Das ist ein großes Verdienst, davor habe ich Respekt.

  27. Die Erklärungsvideos sind interessant.

    Ich muss zugeben ich stimme ihm zu dass Clinton sicherlich ein hochintelligenter, pathologischer Lügner ist.

    Das Problem dabei ist, dass es sich hier um einen Politiker handelt.

    Man muss schon ziemlich dicke Eier haben wenn man der Ansicht ist, eine Person wäre ein schlechter Präsident, weil sie fremd vögelt und lügt wenn es deshalb zu einem Amtsenthebungsverfahren kommt wegen „Einflußnahme“.

    Mich erinnert das immer an die Diskussion bzw. Equal Pay, Don’t Ask Don’t Tell und Homo-Ehe. Wenn ein Republikaner im Weißen Haus ist hat man als Kommentator alle Hände voll zu tun, den Fahneneid, Abstinence Only, Intelligent Design und Prayer aus den Schulen raus zu halten – aber wenn dann Demoraken im Amt sind erwartet man von das als Grundvoraussetzung. Und OBEN DRAUF dann noch Equal Pay etc. pp.

    Wie gesagt für mich ein Grund warum ich Sullivan nicht ernst nehmen kann. Kompletter mental disconnect.

  28. Ich ziehe die Erklärung vor, die der Journalist Adam Curtis in seiner BBC-Doku Reihe „The Power of Nightmares“ausgebreitet hat: Das „Monster“ Clinton als eine Fabrikation der Neokonservativen.
    [Hier ein Ausschnitt, siehe vor allem ab dem Beginn und ab ca. 8:00 über Clinton, dann weiter in part 6].
    http://www.youtube.com/watch?v=_fbikR9OMhQ

    Sullivan hat das Amtsenthebungsverfahren heftigst unterstützt, genauso wie er später auch den „war on terror“ und den Irakkrieg heftig befürwortete und gegen die „dekadente“ Linke gewettert hat, die für den Krieg nicht bereit wäre. Sein Gesinnungswandel und seine Abwendung von den Positionen der Republikaner ist erst neueren Datums, seitdem sich die Partei immer stärker radikalisiert hat.

    In puncto Clinton ist er der alten Linie treu geblieben.

  29. ähm, sebastian, so wie ich daß mitbekommen habe, reichts die cookies zu löschen und maximalst noch noScript zu verwenden (sofern mit FF unterwegs). ich weiss natürlich, daß der „normal“-user an sowas simples i.d.r. nicht denkt, aber das als „payWALL“ zu bezeichnen ist schon n treppemwitz. ne, stimmt nich, der treppenwitz ist in der hinsicht der spruch vom geschäftsführer der FAZ.

  30. m(

    Du musst die Links die ich hinterlasse nicht klicken aber wenn Du es jetzt eventuell dann doch mal machen würdest würd ich gerne neben Dir stehen und zuschauen wie Du langsam rot wirst vor Scham.

    MP3s die man von Amazon kaufen kann haben auch keinen Kopierschutz (mehr). Es geht bei diesen Maßnahmen darum, das Kauf-Erlebnis so einfach zu machen und die Übermittlung der Inhalte so einfach zu gestalten, dass das kleine Hindernis beim Zugriff die Leute dazu animiert, einfach zu kaufen anstatt immer wieder einen Cookie zu löschen (sprich durch ein paar Reifen zu hüpfen).

    Ich kann ja verstehen dass Du Dir über das Thema nicht wirklich viele Gedanken gemacht hast aber sei doch bitte nicht auch noch stolz drauf.

  31. wozu soll ich nem link folgen, der GENAU das aussagt, was ich geschrieben habe? bin jetzt deinem link gefolgt und was steht da? zitat buissnessinsider:

    „Read articles in a browser that lets you delete cookies when you close it.“

    und sowas bezeichnen die als „hack“. wow. welcher browser verhindert bitte coockie-löschung?

    nochmal: ich finds einfach albern, sowas als pay“wall“ zu bezeichnen und bezugnehmend darauf bezeichne ich die aussage vom FAZ-geschäftsführer als treppenwitz. und natürlich habe ich mir gedanken drüber gemacht und verstehe selbstverständlich die intension der NYT, da brauchst du mir jetzt nicht mit mp3-DRM zu kommen und wer hier durch „reifen hüpft“ sei mal dahingestellt.

    nix für ungut.

  32. Hab die Kommentare jetzt nicht gelesen, muss aber sagen: Ich lese die Artikel von Herrn Niggemeier zwar ganz gerne – aber … 20 Euro oder 20 Dollar würde ich dafür nicht bezahlen. So wichtig sind sie mir einfach nicht.

  33. Ich wäre bereit, für viele Artikel von Herrn Niggemeier etwas zu bezahlen, allerdings würde ich für einige aber auch eine Rückerstattung verlangen!

  34. Interessant, hier endlich mal zu erfahren, wie wichtig oder unwichtig einzelnen Lesern die Artikel von Herrn Niggemeier sind. An Herrn Reichelt sei die Frage gerichtet, ob er seine Tageszeitung mitunter auch zurückgehen lässt oder hinsichtlich des Preises nochmal nachverhandelt, wenn ein Artikel mal nicht zu gut gelungen ist.

  35. An DasKleineTeilchen: hätte ich ja vielleicht selber drauf kommen können. Bin ich aber nicht und deshalb möchte ich mich hiermit bedanken!

  36. Ein interessanter Beitrag zu einem interessanten Modell. Ich vermute aber, dass Andrew Sullivan mit seinem Modell nicht beabsichtigt, Vorbild für alle Blogger der Welt zu werden. Sein Geschäftsmodell lässt sich sicherlich nicht ohne Anpassungen in alle denkbaren nationalen und kulturellen Konstellationen übernehmen. Aber als Interimsmodell und Denkanstoß ist sein Weg bestimmt tauglich.

  37. Ich vermute, dass Andrew Sullivans Beispiel immer weiter Schule machen wird. Auch in Europa und Deutschland – ob wir wollen oder nicht.

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