Die Aserbaidschan-Connection von dapd

Erinnern Sie sich an die merkwürdig regimefreundliche Berichterstattung der deutschen Nachrichtenagentur dapd über Aserbaidschan? Als ich darüber vor einigen Wochen gebloggt habe, kannte ich das hier noch nicht:

Martin Vorderwülbecke, Vorstand und Miteigentümer von dapd, war im vergangenen Dezember in Baku. Er hat sich dort mit Vertretern der staatlichen Nachrichtenagentur AzerTAc getroffen. Und die berichtet darüber wie folgt (Übersetzung von mir):

Die deutsche Nachrichtenagentur dapd betrachtet eine Kooperation mit der staatlichen aserbaidschanischen Nachrichtenagentur AzerTAc als sehr wichtig. (…)

Die Diskussion konzentrierte sich auf die Frage, wie eine Zusammenarbeit zwischen AzerTAc und dapd etabliert und ein Erfahrungsaustausch durchgeführt werden kann. (…)

Martin Vorderwülbecke sagte, die Etablierung einer Zusammenarbeit zwischen AzerTAc und dapd würde dazu beitragen, die Beziehungen zwischen Deutschland und Aserbaidschan anzukurbeln. Er fügte hinzu, dass es dapd wichtig sei, Nachrichten über Aserbaidschan nach Deutschland zu liefern.

Vorderwülbecke wies darauf hin, dass dapd ein neues Büro in Aserbaidschan eröffnen werde. Er sagte, ein Erfahrungsaustausch zwischen dapd und AzerTAc sei für die beiden Agenturen nützlich.

Tsis.

Das ist aber alles sehr kuschelig da. Der Eigentümer von dapd reist nach Aserbaidschan und möchte die deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen verbessern? Ein Beiratsmitglied von dapd hat beste Kontakte zur PR-Agentur, die das Image von Aserbaidschan aufpolieren hilft? Und der dapd-Mann vor Ort taucht das Regime gelegentlich in ein mildes freundliches Licht?

Kann natürlich sein, dass das alles Zufall ist.

Ich habe bei dapd nachgefragt, wie ich mir die Kooperation mit AzerTAc vorstellen muss, ob die Agentur ihre Aufgabe darin sieht, für gute Beziehungen zwischen Staaten allgemein oder diesen beiden konkret zu sorgen, und wie dpad von einem Erfahrungstausch mit AzerTAc profitieren könnte. Ich bekam die folgende Antwort:

Es gibt keine Kooperation mit AzerTAc. Insofern erübrigen sich Ihre Fragen.

Ging dann aber noch weiter:

Richtig ist, dass dapd bilaterale Vertragsbeziehungen mit Nachrichtenagenturen in 25 Ländern unterhält, u.a. China, Japan, Tschechien und Schweden. Außerdem führt dapd laufend Sondierungsgespräche, um für die Kunden eine eigene Berichterstattung (z. B. aus Aserbaidschan, Turkmenistan, Usbekistan oder Iran) sicherzustellen. dapd berichtet seit einigen Wochen mit zwei eigenen Korrespondenten unabhängig aus Aserbaidschan und wird von dort auch weiterhin berichten. dapd setzt zudem auf das Netzwerk von unabhängigen AP-Journalisten.

Das klärt natürlich in keiner Weise, warum kein Geringerer als der Vorstandsvorsitzende von dapd nach Baku fährt und Kontakte pflegt, die seine Gesprächspartner als weitreichende Kooperationsangebote darstellen.

(Der dapd-Sprecher wies dann noch dezent darauf hin, dass die dapd-Konkurrenz dpa mit AzerTAc kooperiere: Beide sind im Agenturennetzwerk EANA. Dabei handelt es sich allerdings nach Angaben von dpa bloß um einen Dachververband, wie es ihn für viele Branchen auf europäischer Ebene gibt: „Es gab und es gibt keinerlei Kooperation zwischen der dpa und AzerTAc“, so ein Sprecher. „Die dpa bezieht keine Informationen von AzerTAc und wertet deren Agenturdienste nicht aus. Umgekehrt liefern wir auch keine Inhalte und Dienste an AzerTAc.“)

9 Replies to “Die Aserbaidschan-Connection von dapd”

  1. Wer glaubt dieser gleichgeschalteten Presse denn schon ein Wort?
    (Ich meine natürlich die aus Aserbaidschan.)

  2. »Die dpa bezieht keine Informationen von AzerTAc und wertet deren Agenturdienste nicht aus. Umgekehrt liefern wir auch keine Inhalte und Dienste an AzerTAc.«

    Verstehe ich ja, dass man AzerTAc nicht als unabhängigen Nachrichten-Lieferanten sieht. Aber nicht mal Nachrichten von denen auswerten? Ich dachte bisher, dass alle Agenturen von allen anderen Agenturen Dienste beziehen – vielleicht gäbe es ja trotzdem was davon zu verwursten.

  3. Ich denke nebenbei allerdings, daß AzerTAc auch ein Interesse daran hätte, die Zusammenarbeit als besonders glänzend darzustellen. Wie weit die Kooperation geht und ob feste Vereinbarungen bestehen wäre eine tiefere Recherche wert – die Glaubwürdigkeit beider beteiligten Seiten sehe ich nicht als sicher an.

  4. Ich schließe mich meinen beiden Vorrednern an.

    Für die AzerTac dürfte es sehr zuträglich sein, eine Kooperation mit einer deutschen Agentur so rosig und sich selbst entsprechend wichtig darzustellen. Das macht nach außen doch ein gutes Bild. Frei nach dem Motto: Wir sind wer, die Deutschen interessieren sich für uns! Seht her, wir sind so toll! Aus diesem Grund und aufgrund der Tatsache, dass die staatliche Presse dort weder unabhängig noch objektiv ist, sehe ich diesen Artikel als alleinigen Beweis kritisch.

    Was die dpa angeht, so stimme ich mit Thomas überein. Die Ausführungen in der Klammer und die mit Häme angedeuteten Schlussfolgerungen sind mir ein bisschen zu kurz gesprungen.

    Bleiben jedoch immernoch die Fragen: Wer hat Recht? Was ist die Wahrheit? Man wird wohl weiter ein Auge darauf haben müssen.

  5. Die AzerTAc-Meldung ist kein Beweis für irgendwas, aber dass der dapd-Besitzer eigens nach Baku gefahren ist und hier solche Gespräche geführt hat, finde ich gerade angesichts der merkwürdigen dapd-Berichterstattung schon sehr bemerkenswert.

  6. nehmen wir mal an, es gibt diesen bemerkenswerten zusammenhang zwischen jenen gesprächen in baku und den prospekthaften dapd-berichten über dieses befremdliche land. dann hieße das, die dapd würde ihre wirtschaftlichen interessen über die journalistische ethik stellen (klar, darum geht’s hier ja).

    falls dem also so wäre, und wenn man bedenkt, dass es hier um public relations für ein land geht, und wenn man sich dann die ausschreibungsanforderungen des auswärtigen amtes vor augen führt, dann könnte man fast auf den wirren gedanken kommen, dass nicht allein der hohe preis die dpa aus dem rennen geworfen hatte, sondern ggf. auch (und vor allem?) die bereitschaft, (im gegensatz zur dpa?) auch mal fünfe gerade sein zu lassen und das deutschlandbild im ausland bei bedarf etwas anzuhübschen.

    (nein, ich arbeite nicht bei der dpa)

  7. Auch Reporter ohne Grenzen hat sich des Themas angenommen:
    „In Deutschland, wo die Medien vor dem ESC ausführlich über Verletzungen der Pressefreiheit in Aserbaidschan berichtet hatten, bemüht sich das Regime intensiv darum, sein Image aufzubessern – unter anderem mit Hilfe der Berliner PR-Agentur Consultum Communications. Dass der Beiratsvorsitzende dieser PR-Agentur, der ehemalige ZDF-Intendant Dieter Stolte, gleichzeitig als Beiratsmitglied der Nachrichtenagentur dapd deren redaktionelle Unabhängigkeit garantieren soll, hat Reporter ohne Grenzen mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. “
    Quelle: http://www.reporter-ohne-grenzen.de/presse/pressemitteilungen/meldung-im-detail/artikel/hundert-tage-nach-dem-eurovision-song-contest-regierungskritiker-gelten-als-verraeter/

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