33 Replies to “Der „Guardian“ wird 50.000”

  1. Ich sehe eine Zeitung, die mit der Zeit immer reißerischer geworden ist. Eine Zeitung, die immer mehr Bilder statt Worte und Schlagzeilen statt Text sprechen lässt. Das soll gut sein? Finde ich nicht. Ich will nicht sagen, dass die ersten Ausgaben „besser“ waren – was ein grausiges Layout, das kann man ja kaum lesen – aber ich finde Bilder immer so unehrlich. Schreiend, schockend – schlecht. Information ist etwas anderes.

  2. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte … trotzdem ziemlich reißerisch geworden über die Zeit!

  3. Ein Bild kann aber auch mehr lügen als 1000 Worte – ob nun durch absichtliche Manipulation (Photoshop oder altmodische Fotomontagen) oder durch fehlenden Kontext (z.B. „Wer greift wen an?“, ungünstiger Ausschnitt, …). Das ist vor allem deshalb problematisch, weil einem Bild mehr geglaubt wird als einem Text – und das, obwohl inzwischen selbst Schüler mit ihren Photoshop-Raubkopien Bilder fürs Mobbing manipulieren…

    Wie auch immer – die Textwüste mag aus heutiger Sicht wie ein extremes Understatement wirken, aber vermutlich waren Fotos damals viel zu aufwendig und teuer. Und wem hätte ein Bild der toten Queen wirklich genutzt? Oder gar irgendein uraltes „Symbolfoto“ mit der noch lebenden Queen, Buckingham Palace, Windsor Castle oder irgendeinem Sarg?

    Irgendwie zeigt das Beispiel doch auch, das der Bild-Stil inzwischen üblich ist. Mehr als ein Foto und 5 Zeilen Text dazu will der Durchschnittsleser ja auch gar nicht haben, sonst ertrinkt er in der Informationsflut. Schließlich sind Paris Hilton und der Sack Reis in Peking auch noch sehr wichtig wenn man abends in der Kneipe mitreden will.

  4. Ich frage mich gerade, ob der Guardian von 1901 nur aus diesem einem eng bedruckten Blatt bestand – oder wurde dieses aus heutiger Sicht gewöhnungsbedürftige Layout auf x Seiten durchgezogen? Dann würde ich fast sagen, dass eine Tageszeitung von 1901 und den Paar Jahrzehnten danach mehr Rohtext hatte als der aktuelle Spiegel (abzüglich der Anzeigen ;-)

  5. bin ich zu blöd die website zu bedienen oder gibt es die zeitungsseiten tatsächlich nur im briefmarkenformat?

  6. Congratulations…

    zu den Kommentaren hier: Hat irgendwer von Euch mal den Guardian gelesen? Ich habe da meine Zweifel. Reißerisch? Alles Klar. *Kopfschüttel*

  7. Oliver: Ich fürchte, das sind die Leute, die auch mit FAZ-Abo-Kündigungen drohen, wenn häufiger als einmal im Jahr ein Foto auf der Titelseite erscheinen und die Fraktur zugunsten einer reißerischen Serifenschrift abgeschafft werden sollte. ;-)

  8. Ich kann diese „leseunfreundliche Bleiwüste = seriöser Journalismus“-Argumente nicht mehr hören. Kann jemand sagen, dass 9/11 ohne das oben abgebildete Bild auch nur annähernd diese Wirkung gehabt hätte? Zu einer Nachricht gehört neben der Information auch die wirksame Vermittlung. Technischer Fortschritt und Weiterentwicklung der Bild/Text-Sprache sind doch kein Teufelswerk. Hätten wir vielleicht auch beim Stummfilm bleiben sollen?

    Was mich erinnert – mein Philosophie-Lehrer Jochen Storch wollte uns einst weismachen, Schwarzweißfotografie sei inhärent realistischer als Farbfotografie.

    „Ein Bild kann aber auch mehr lügen als 1000 Worte“ – das ist schlichtweg Unsinn.

    Was mich nervt – gibt es die Seiten nicht in Größen, die es ermöglichen, auch die TEXTE zu lesen?

  9. @ Oliver:

    Nein, habe ich nicht. Und mir zumindest ging es bei meinem Comment gar nicht um den Guardian, sondern um den allgemeinen Trend, Nachrichten via Bild und nicht via Text zu vermitteln. Das hat, wie Mirko (5) schon ziemlich deutlich gemacht hat, einen hohen Manipulationseffekt.

    Außerdem muss „reißerischer“ ja nicht heißen, dass der Guardian reißerisch im Vergleich zu anderen Zeitungen ist – sondern in diesem Kontext nur im Vergleich zu früheren Ausgaben.

  10. Sicher, „Objektivität“ ist eine Illusion. Jeder Mensch – und somit auch Journalisten – lässt mehr oder weniger seine Meinung einfließen. Was währen auch nackte Fakten ohne jegliche Interpretation? Die meisten wüssten damit ohne den komplexen Kontext auch gar nichts anzufangen.

    Das Problem bei Bildern ist, dass sie so wirken, als wären sie eine objektive, unverfälschte Wiedergabe der Wirklichkeit, die dann vom Leser individuell interpretiert wird. Das ist aber eben so nicht (immer) der Fall. Wenn z.B. ein Bild von einem ausrastenden Menschen gezeigt wird, fehlt (zumindest im Bild) komplett die Information warum – aber es entsteht der Eindruck, dass dieser Mensch ein brutaler Spinner ist. Man denke z.B. auch an die Geschichte mit Scientology vs. BBC (iirc?)…

    Dass Bilder selbstverständlich auch weitere wichtige Informationen und „korrekte“ Gefühle (z.B. Hilfsbereitschaft bei Umweltkatastrophen) hervorrufen können, steht aber auch außer Frage.

  11. @Simon: Wieso soll ein von einem Menschen geschriebener Text objektiver sein, als ein von einer Maschine gemachtes Foto?

  12. @ Simon – die Meinung des Autors ist nur ein Aspekt der Subjektivität von Journalismus. Es ist ja ebenso die Aufgabe, das Interesse des Leser auf sich zu ziehen, ihn „dabei“ zu halten. Man spricht also bewusst (und korrekterweise) die Emotionen an. Ob das mittlerweile überbewertet wird, und dahinter die eigentliche Information verschwindet, steht auf einem anderen Blatt.

    @ ajo – In der Tat – das Wort ist erstmal subjektiver, denn für sich genommen bildet es nichts ab. Beispiel: Wenn ich schreibe „mein Haus ist rot“, ist das eine Lüge, die mich keinen Aufwand kostet. Wenn ich allerdings ein Bild von meinem Haus dazu setze, muss ich es erstmal digital manipulieren, weil es in Wirklichkeit eben sandgelb ist. Und wenn ich ein anderes (rotes) Haus abbilde, entsteht die Lüge ja auch erst durch die Betextung „das ist MEIN rotes Haus“.

    Korrektur: Mein alter Philo-Lehrer hieß Joachim Storch, und Google hat tatsächlich den Text zu einer seiner Foto-Ausstellungen parat.

  13. @5 Mirko

    „Und wem hätte ein Bild der toten Queen wirklich genutzt?“

    gugel mal nach dem Ersten Kanzler Bismarck ;)

    @ viele hier

    Was habt ihr denn auf einmal? Es gibt gute und schlechte Texte und gute und schlechte Bilder und wenns ideal läuft ergänzen sie sich.

    MfG

  14. @ ajo / 17:

    „Wieso soll ein von einem Menschen geschriebener Text objektiver sein, als ein von einer Maschine gemachtes Foto?“

    Ein Photo wird halt nicht von einer Maschine gemacht…

    Das Beispiel von Mirko (Scientology vs. BBC) macht das ziemlich deutlich.

  15. Ein Photo wird halt nicht von einer Maschine gemacht…

    Im Passbildautomaten schon. Oder bei der Speed Camera. CCTV Kameras filmen auch ziemlich automatisch. Und inzwischen gibt’s Kameras die Bewegungen oder Geraeuschen folgen koennen.

    Und einige der Automatiken in modernen Kameras zeigen dem unbedarften Photographen wie er/sie das Bild zu machen hat.

  16. möchte mich jetzt nicht an der bild vs. text debatte beteiligen, sage aber: ein guter text braucht kein bild, ein gutes bild schadet aber auch nie (tolle aussage was?!). Ansonsten finde ich es vielmehr interessant, dass der guardian wohl zuerst nur in manchester erschienen ist und auch die auswahl der titelbilder ist teilweise erstaunlich und zeigt natürlich auch den manchmal sehr anderen fokus auf die geschichte und deren berichte.

  17. Der Guardian hat jetzt auch Bilder (modernes Teufelszeug!)
    Der Guardian druckt jetzt auch in Farbe (verwirrt den Leser!)
    Der Guardian hat jetzt ein neues Layout (mehr Platz für die Anzeigen!)
    Der Guardian hat jetzt auch ein neues Logo (werden die Leser die Zeitung noch kaufen?)

    Fragen über Fragen stellen sich damit natürlich, die abschließend nur mit „Hoffentlich bin ich zu blöd für den Guardian“ beantwortet werden können.

  18. @ Armin:

    Selbst wenn man deine Aufzählung an „Photo-Maschinen“ mit hereinnimmt: Die Bildauswahl – welches Bild, welcher Ausschnitt – übernimmt ein Mensch. Ohne das irgendwie kenntlich zu machen.

  19. Also ich find ja die Farbe Blau schöner als die Farbe Rot
    weil kurzwelliger und 440 Hz schöner als 264 Hz. :-)

    „Über Musik zu reden ist wie über Architektur zu tanzen.“

    Frank Zappa

  20. Mit der Ausstrahlung farbiger Programme hat ein neuer Abschnitt in der Geschichte des Fernsehens begonnen. Anlässlich der Eröffnungsfeierlichkeiten der Berliner Funkausstellung hielt der künstlerische Farbberater der ARD, Herr Dietmar Pohle, vor einem kleinen ausgewählten Kreis von Fachleuten ein beachtenswertes Referat. Um auch Ihnen eine intimere Kenntnis der Materie zu vermitteln, haben wir diese Ansprache mitgeschnitten.

    Meine Damen und Herren,

    Vorweg ein Wort an die Hausfrau. An der Unterseite des Fernsehgerätes heraustretende Farbreste sind für Mensch und Tier völlig unschädlich und lassen sich aus Haargarn und Bettwäsche mit etwas Zitrone mühelos entfernen.
    Als künstlerischer Farbberater des Deutschen Fernsehens erlaube ich mir, Sie in unsere Programmgestaltung einzuführen. Um erst gar keine Eintönigkeit aufkommen zu lassen, senden wir jeweils am Montag in einem ganz, ganz zarten Himmelblau; für Dienstag haben wir uns ein wunderhübsches blasses Grün ausgedacht. Für Mittwoch ein aufregendes Beige mit entzückendem Streifen in Aubergine, passend zu jedem Gerät. Der Donnerstag ist in einem tollen, also wirklich ganz, ganz tollen Rose gehalten. Am Freitag gibt es ein sehr, sehr schickes Lila in störungsfreiem Changeant. Am Sonnabend senden wir gebrochenes Weiss, und am Sonntag empfangen Sie ab 11 Uhr vormittags ein festliches warmes Schwarz mit dezentem Nadelstreifen, etwas für vollschlanke Fernsehfreunde.

    Natürlich kann man es trotz subtilstem farbpsychologischem Einfühlungsvermögen nicht jedem recht machen. Für alle diejenigen Fernsehteilnehmer, deren Geschmack sich nicht mit dem unsrigen deckt, senden wir dienstags von 14.30 Uhr bis 15.45 Uhr und Freitag von 16.15 Uhr bis 17.00 Uhr aus einem Seitenkanal ein ganz, ganz scheussliches Braun.

    Guten Abend

    Loriot.

  21. @9: Zumindest solange ich ihn gelesen habe, fand ich den „Grauniad“ durchaus reißerisch und oft auch sehr selbstgerecht. Das hat allerdings weniger etwas mit den Bildern sondern den Autoren zu tun. Möglicherweise ist das ja inzwischen besser geworden, allerdings gehört er für mich inzwischen zu den Zeitungen, die ich nicht mehr anfasse, wenn ich nicht muß (was an der Berichterstattung über mehrere Themen lag, die zufällig in mein Fachgebiet fielen (u.a. Gentechnik): die Berichte waren nicht nur schlecht recherchiert, sondern auch derart manipulativ, dass man sie eher in einem Tabloid erwartet haette).

  22. Tabloid – aber die FR………….?

    Machen wir doch zwei Fußballmannschaften auf – auf der einen Seite die Kulturpessimisten (Bild pfui – Schwarz weiße Jahrhundertwendetrikots) – auf der anderen Seite die Kulturoptimisten (Bild hui – regenbogenfarbene Bognerkollektion)..

    Ich setz mich dann auch auf die Tribüne mit ner Schachtel Popkorn.

  23. re #30. Das ist aber auch keine grosse Ueberraschung, man muss ja nur wissen wer was liest:

    The Times:
    Read by the people who run the country.
    Daily Mirror:
    Read by the people who think they run the country.
    Guardian:
    Read by the people who think they ought to run the country.
    Morning Star:
    Read by the people who think the country ought to be run by another country.
    Daily Mail:
    Read by the wives of the people who own the country.
    Financial Times:
    Read by the people who own the country.
    Daily Express:
    Read by the people who think that the country ought to be run as it used to be.
    Daily Telegraph:
    Read by the people who think it still is.
    The Sun:
    Their readers don’t care who runs the country as long as she has big tits.

  24. … eben, deshalb habe ich ja auch Sir Humphrey als großes Vorbild! (wobei das Zitat IIRC ja von Hacker und Bernard stammt).

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