Bauer-Verlag

Klatsch vom Fließband. Ein Verlag mit Gespür für den Massengeschmack: Bauer paßt zum Privatfernsehen.

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Sie hätten, statt des ganzen Bieterverfahrens um die Kirch Media, einfach einen Leo-Kirch-Ähnlichkeitswettbewerb veranstalten können – Heinz Heinrich Bauer hätte bestimmt gewonnen. Der Mann ist konservativ und öffentlichkeitsscheu, Christ und Patriarch, mythenumweht, und daß es von ihm nicht wie von Kirch nur eine Handvoll unscharfe Porträtfotos gibt, sondern zwei Handvoll, liegt allein daran, daß er sich einmal im Jahr öffentlich zeigt: bei der „Goldenen Feder“. Das ist eine merkwürdige Preisverleihung, die seit 1999 so organisiert ist, daß sehr viele, sehr prominente Menschen vorbeikommen, damit wenigstens an einem Tag im Jahr so etwas wie publizistischer Glanz auf das Unternehmen fällt. Aber selbst dann sitzt der heute 62 Jahre alte Verleger vorn an seinem Tisch und schweigt und läßt die Begrüßungsworte auf der Bühne von seiner Frau sprechen.

Warum der Hamburger Heinrich Bauer Verlag eine teure Image-Veranstaltung braucht, läßt sich nachvollziehen, wenn man einmal an den Kiosk geht, sich diverse Bauer-Zeitschriften greift, kurz grübelt, ob man einem Kassierer Rechenschaft über sein Kaufverhalten schuldet, und draußen das Zeitschriftenpaket verschämt zusammenrollt. Die Illustrierte „Neue Revue“, die eigentlich seit drei Jahren in einer Liga mit „Stern“ und „Bunte“ spielen soll, macht in dieser Woche mit der Information auf, daß Prinzessin Diana ihre Rivalin Camilla mit Gift im Champagnerglas töten wollte. Im Inneren enthüllt sie, daß man sich mit Homosexualiät keineswegs abfinden müsse, wie die Tochter von Berlusconi mit ihrem neuen, ehemals schwulen Freund bewiesen habe: „Sie hat ihn umgedreht.“ Die „Neue Revue“ markiert das obere Ende des Qualitätsspektrums des Bauer Verlages. Weiter unten befinden sich „Blitz Illu“ und „Coupé“, in denen es heute mehr denn je monoton um Genitalien und Stellungen geht. Das ist in diesem Fall ein Vorteil; vorher hatten dazwischen noch mehr Horror-Geschichten Platz, die auf unsägliche Weise Vorurteile pflegten und Panik schürten. Deutlich konsequenter, und gerne mal auf dem Index, sind die Titel „Sexy“, „Sexwoche“ und „Schlüsselloch“. Abgerundet wird dieses Segment durch Angebote wie schluck-alles.de.

Fast jede zweite verkaufte Klatschzeitschrift stammt aus dem Hause Bauer. Sie bedienen unterschiedliche Niveaus, am liebsten aber jenes, auf dem es genügt, wenn Günther Jauch in der „Achtziger Jahre Show“ darüber scherzt, wie gefährlich lange er damals in der Sonne gelegen habe, um daraus ein Titelthema zu stricken: Die Angst, in der Jauchs Familie wegen des Hautkrebses lebe.

Mehr noch dominiert Bauer den Markt der Fernsehzeitschriften und verdankt ihm sein größtes Format: „TV Movie“, die zu besten Zeiten mehr als drei Millionen verkaufte und heute noch zweieinhalb Millionen Exemplare abesetzt. Ihr Konzept einer vierzehntäglichen Fernsehzeitschrift mit umfangreichen Spielfilmtips war zwar eigentlich Dirk Mantheys Idee – sein Milchstraßenverlag hatte es mit „TV Spielfilm“ erfunden. Kreativität ist nicht die Stärke des Verlags oder seines Verlegers. Beide beherrschen aber eine Umsetzung im Detail, die bei den Massen ankommt. Notfalls zögert der Verlag nicht, seine Macht durch Preiskämpfe zu verteidigen: Als ein Konkurrent ein neues Segment im Fernsehzeitschriftenmarkt eröffnete – billiger und dünner als „TV Movie“ und „TV Spielfilm“ – setzte Bauer schnell ein eigenes Heft namens „TV 14“ zusammen und verkaufte es so lange zum Schleuderpreis, bis es alle Auflagenrekorde gebrochen hatte und die kleineren Mitbewerber abgehängt hatte. Mitbewerber, die nicht über die Fließbandproduktion und das finanzielle Polster des Bauer Verlages verfügten, dessen Verleger angeblich schon persönlich nachzählt, ob in einer Druckerei nicht zu viele Lampen hängen.

„TV Movie“ war lange ein strategisch besonders wichtiges Objekt für Bauer, weil es den Weg zu Anzeigen von Markenartiklern eröffnete. In die meisten anderen Blätter traute sich kaum ein Unternehmen, das einen Ruf zu verlieren hätte. „TV Movie“ war die erste Bauer-Zeitschrift, die sich nennenswert aus Werbeerlösen finanzierte. Bauer-Blätter sind Vertriebs-Zeitschriften, und damit war viele Jahre ein Makel und ein Minderwertigkeitskomplex verbunden. Als Heinz Bauer 1999 den PR-Profi und ehemaligen Kohl-Sprecher Andreas Fritzenkötter als Verlagssprecher engagierte, der auch die „Goldene Feder“ neu erfand, ging es nicht nur darum, etwas für die Außenwirkung zu tun. Fritzenkötter nahm sich auch vor, so etwas wie ein gutes Gefühl in der Mitarbeiterschaft aufzubauen. Anders als der Hamburger Rivale Gruner + Jahr, der schöne, edle Hefte herstellte und dessen Journalisten stolz waren, dazu beitragen zu dürfen, war an den Bauer-Zeitschriften nichts schön und edel – außer der Auflage. Die Gruner + Jahr-Zeitschriften hatten Preise, Image, große Namen; die Bauer-Titel waren seelenlose Produkte, von namenlosen Menschen in industrialisierten, rationalisierten Prozessen gefüllt und von Chefredakteuren kontrolliert, die bis zu fünf Titel gleichzeitig führen mußten oder durften. Und doch hatten die Bauers ein entscheidendes Argument gegen den Hochmut der Gruner + Jahr-Leute: Sie machten die Zeitschriften, die Millionen Menschen lesen wollten.

Es ist ein Argument, das jetzt schlagend geworden ist. Mit dem Einbruch der Anzeigenmärkte stehen plötzlich jene gut da, die nie viele Anzeigen hatten. Nicht die Qualitäts-, sondern die Massenpresse. Es ist kein Zufall, daß Bauer bislang im Fernsehen an einem Sender wie RTL 2 beteiligt war. Nicht nur wegen der offensichtlichen Nähe des Verlags, der „Bravo“ herausgibt, zu einem jungen Vollprogramm und nicht etwa, weil der Verlag auf Sex und Provokation festgelegt sei, die das RTL-2-Profil jahrelang ausmachten. Sondern weil ihm die Inhalte egal sind. Während sich die Bertelsmann- und RTL-Leute wanden, wenn RTL 2 sein Heil wieder in neuen Untiefen suchte, war Bauer daran interessiert, daß am Ende das Geld stimmte. Wenn RTL-2-Geschäftsführer Josef Andorfer glaubte, mit Flachsinn am meisten Gewinn machen zu können, gut. Wenn er glaubte, durch den Verzicht darauf am meisten Gewinn machen zu können, auch gut.

Bauer hat im Print-Bereich umgesetzt, was für das Privatfernsehen längst gilt: daß so etwas wie ein verlegerischer inhaltlicher Anspruch an Medien Ballast ist und nur die Quote zählt. Er hat längst die Sparmentalität in seinem Unternehmen umgesetzt, die zumindest in den nächsten Jahren das Fernsehen prägen muß, das weitere schmerzhafte Schritte noch vor sich hat. Bauer steht dafür, dies durchzusetzen. Und schließlich gewinnt er so die Millionen Kunden zurück, die ihm in den vergangenen Jahren verlorengegangen sind, als das Fernsehen die Themen der Boulevardpresse entdeckte.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

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