Vor sechs Jahren wurde Alexander von Schönburg für einen Moment zum Gespött der Medienbranche. Schönburg war damals Chefredakteur einer edel gemeinten neuen Gruner+Jahr-Zeitschrift namens „Park Avenue“. Auf der Suche nach Themen und Ideen bat er in der Online-Community „A Small World“ um Hinweise und bot im Gegenzug fünfzig Drei-Monats-Freiabos.
Als das herauskam, kommentierte Thomas Knüwer im „Handelsblatt“-Blog „Indiskretion Ehrensache“ (ursprünglich hier):
Armer Alexander von Schönburg
In unserer Journalistenschule war es eine der obersten Regeln: „Der ärmste Mensch unter der Sonne ist ein Journalist ohne Thema.“ Somit ist „Park Avenue“-Chefredakteur Alexander von Schönburg ein journalistischer Bettler. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Damals, in der Journalistenschule, lief jeder Morgen gleich ab. Erst Zeitung lesen, dann „Themen finden & verkaufen“. Sprich: Jeder musste ein Thema an den Chefredakteur (also den Schul-Chef) bringen. Leicht war das nicht. Wer mit einem Thema scheiterte hörte: „Nächste Runde Hockenheim“ und war nochmal dran. Es konnte lange dauern…
Denn ein Journalist, der nicht weiß, worüber er schreiben soll ist in der Tat — sagen wir es offen — eine arme Sau. Da lassen verzweifelte Ressortleiter schon mal zehn Jahr alte Ausgaben aus dem Archiv holen, um sich Anregungen aus der Vergangenheit zu holen. Oder Chefredakteure betteln auf Internet-Plattformen (…)
… wie eben der arme Alexander von Schönburg. Knüwer gab zu bedenken:
Gerade mal eine Ausgabe ist bisher von „Park Avenue“ erschienen. Sonderlich einfallsreich war die ja nun nicht. Aber vermutlich hält sich von Schönburg einfach an den Bestseller, den er schrieb: „Die Kunst des stilvollen Verarmens. Wie man ohne Geld reich wird.“
Oder ohne Themen zum Chefredakteur.
Wie komme ich jetzt drauf? Ach ja. Thomas Knüwer ist zur Zeit Redaktionsleiter der neuen deutschen Ausgabe von „Wired“, die im Herbst zunächst einmalig als „GQ“-Beilage erscheinen soll. Im Redaktionsblog schreibt er:
Wir wünschen uns explizit Anregungen, Wünsche und Kritik. (…)
Wir sind auf der Suche nach Menschen, bevorzugt aus und in Deutschland, die wired sind. Die mit Leidenschaft neue Ideen vorantreiben, sich einem Thema verschrieben haben, die etwas verändern wollen. Und: Über die noch nicht alle großen Blätter und Blogs berichtet haben.
Wir freuen uns auf Vorschläge in den Kommentaren. Alle, deren Ideen und Anregungen wir umsetzen, werden im Impressum der Ausgabe selbstverständlich erwähnt.
Nächste Runde Hockenheim.
Textidee sensationell gut, Ausführung naja. Der Vergleich hinkt doch ein wenig, Herr Knüwer möchte „Anregungen, Wünsche und Kritik“, das ist doch völlig legitim, wenn man eine neue Zeitung macht, oder nicht?
Und dass man mit dem Anspruch, ein gutes Heft zu machen, alle Wege geht, ist doch völlig in Ordnung. Ob die Leute dann unbedingt mit ins Impressum wandern müssen ist vielleicht wieder eine andere Frage.
Anregungen, Wünsche und Kritik als hier besser zukünftig nicht mehr? ;) Das ist doch das Wesen eines Blogs.
Warum ist es für Herrn Knüwer völlig legitim, aber nicht für Herrn von Schönburg?
Und: Über die noch nicht alle großen Blätter und Blogs berichtet haben.
———–
Das klingt schon sehr verzweifelt.
Ich finde, dass es auch für Herrn von Schönburg legitim war und verstehe die Knüwersche Aufregung aus heutiger Sicht ebenfalls nicht. Ich verstehe aber auch die Aufregung dieses Artikels nicht.
Nächste Runde Hockenheim.
Welche Aufregung?
(Oh Gott, habe ich wieder vergessen, die unsichtbaren „SKANDAL!“-Banner über dem Eintrag abzunehmen?)
Keine Ahnung. Fand den Eintrag auch nicht aufregend, nur lustig.
Im ersten Moment dachte ich auch -na und?
Dann stelle ich mir jedoch vor, ich gehe in ein nobles Restaurant und in der Speisekarte steht: Unser Koch wäre für Rezepte, Ideen, Anregungen und Innovationen sehr dankbar.
Tja, ob da wohl ein Drei-Sterne Koch am Herd steht?
Tatsächlich war ich auch sehr erstaunt, von einem Profi so etwas zu lesen. Sind die zu faul zur Recherche? Wozu soll ich mir ein Magazin kaufen, wen ich den Inhalt schon kenne weil ich auf ihn aufmerksam gemacht habe? Andererseits ist das dann wohl eine mögliche Reaktion/Antwort auf den ganzen Social-Media-Hype, Wandel des Journalismus, Gutjahr-Predigten. So stehts im aktuellen Economist: „The internet is making news more participatory, social, diverse….“. Jetzt darf der Leser eben per Twitter über Magazin-Logos abstimmen oder seinen LieblingsBlog weiterempfehlen. Aber hey, in jeglicher Zeitung steht doch auch schon seit jeher: „Kritik, Lob, Anregungen bitte an Blastrasse/leserbriefe@____.de“
Heißt das jetzt, Alexander von Schönburg war dem Wired-Chefredakteur in Sachen Social Media sechs Jahre voraus? Boah.
Stefan,
wir möchten unser Magazin nicht im Hinterzimmer gestalten, sondern Einblicke liefern und den Produktionsprozess öffnen. Magst Du blöd finden, finden manche ganz OK. Im Gegensatz zu Herrn von Schönburg suchen wir allerdings nicht in einer (zumindest damals, keine Ahnung ob das heute noch so ist) sehr abgeschlossenen Community nach“Little quirky stories, chit-chat, gossip“. Und im Gegensatz zu Herrn von Schönburg habe ich am ersten offiziellen Tag auch gesagt, dass wir offen sein wollen. Überraschen also kann das nur so halb.
In den ersten vier Tagen nach Bekanntwerden der Meldung, dass es ernst wird, gab es eine Flut von Tweets und Blog-Einträgen. Rund 10% davon waren negativ oder kritisch. Wired ist eben eine besondere Marke. Gerade diese Kritiker laden wir ein, sich zu beteiligen.
Eigentlich hatten wir genau mit solch einer Reaktion wie mit Deiner – oder wie mit der von „hallo“ oben – gerechnet. Erstaunlicherweise erfolgte sie aber eben nicht auf unserem Blog. Da kamen interessante Sachen rein. Komisch, oder?
Und, „hallo“, wir haben mehr Themen, als wir unterbringen können. Die Artikel, übrigens, werden länger sein als Tweets oder Blog-Kommentare. Da bleibt noch ausreichend Raum für Überraschungen.
Stellt sich die Frage: Würde ich den Artikel über von Schönburg heute nochmal so schreiben? Nein, ich glaube nicht. Es war ein blöder Artikel. Einer der blöden Artikel, die ich im Rahmen des Umzugs vom Handelsblatt offline gestellt habe. An die HB-Plattform aber komme ich nicht mehr ran. Die Kollegen wollten entgegen meinen Wünschen und aus SEO-Gründen die gesamten Texte im Netz halten.
Deshalb musstest Du, Stefan, ja auch auf das langsam vermosende HB-Blog verlinken (das auch nur noch über Suchmaschine erreichbar ist, glaube ich).
Ich tu Dir aber natürlich den Gefallen und stehe durchaus zu dem, was ich mal geschrieben habe. Könntest Du den Link bitte ändern hier hin? http://www.indiskretionehrensache.de/2005/09/armer-alexander-von-schoenburg/
Danke.
Oh, gerade bemerkt: Der letzte Abschnitt ist missverständlich formuliert. Der Gefallen bezog sich auf das Liefern des Links, nicht auf das Zudemstehenwasmanschreibt. Letzteres ist selbstverständlich.
Eher höflich. Wäre das in eurem Blog passiert, hättet ihr zurecht gesagt: „Mach ein eigenes Blog auf.“ Dass euer Blog dann nur für „Interessantes“ genutzt wird, ist doch toll.
Persönlich … kihihi … verstehe ich die Aufregung … hahahaha … auch nicht: Ich finde vieles, was ich vor 6 Jahren geschrieben habe, nicht nur stilistisch katastrophal.
Stefan Niggemeier auf dem Niveau von Don Alphonso und Meedia. Ein trauriger Tag für die Medien.
Kaum ist der PR-Wachhund Thomas Leif verjagt, geht es los. Journalisten machen PR. Any publicity ist good, speziell für ein neues Printprodukt, das vielleicht gar keiner vermisst.
Ohne Input kein Output. Das gilt für Wired, das gilt für das Blog hier. Da war der Input ein sechs Jahre alter, nach heutigem Urteil des Autors „blöder“ Artikel. Der Output war…nunja…entsprechend.
Im Austeilen seid Ihr Euch nicht unähnlich, Stefan und Thomas. Wobei der Herr Knüwer immer gerne auch mal ein bisschen lauter draufkloppt, mit Schwert und Morgenstern arbeitet und Du, Stefan, mehr so das Florett führst. Knüwi muss daher öfter mal zurückrudern (wohin denn auch sonst?), und ist darin mittlerweile geübt. Er lehnt sich gern weit raus, ist aber m.E. nach noch nie – um im Bild zu bleiben – aus dem Fenster gefallen. Es passiert viel zu selten, dass einer schreibt, er stehe zu dem, was er einstmals geschrieben hat, würde es so aber nicht mehr tun. Chapeau.
Was ist denn das, „Wired“? Wirkt ein bisschen wie „Das Magazin für Internetausdrucker“
Na ja, der Vergleich zeigt ja letztlich nur, dass man in sechs Jahren und in einer anderen Position durchaus seine Meinung ändern kann.
Außerdem ist heute die Leser/Nutzer-Einbindung im Zuge der Social-Media Evolution natürlich interessanter und wichtiger als 2005. Da hat sich schon ’ne Menge geändert. Es ist einfach „normaler“ geworden, sich an sein Publikum zu wenden – viele Netz-Vordenker fordern das ja auch richtiger Weise.
Thomas Knüwer hat ’ne große Klappe, aber die muss man auch haben, wenn man gehört werden will. Und sein Posting hier, ist durchaus nachvollziehbar.
Insofern: Der Journalist, der sich noch nie in einem Artikel/Beitrag geirrt oder zu weit aus dem Fenster gelehnt hat, der werfe den ersten Stein …
Ich denke, dass im ersten Satz die Lösung drinsteckt, sogar in den ersten drei Worten: „vor sechs Jahren“
Damals twitterte niemand, keiner war bei Facebook, Videos streamte man nicht, man mietete sie in einer Videothek.
Knüwer lag damals falsch, nicht heute.
Und damals lagen wir alle falsch.
Merkwürdige Journalistenbissigkeit. Und: Darf man nicht in sechs Jahren mal seine Meinung ändern? Zumal sich die Bedingungen ja auch verändert haben (#20/malte).
Der simple Gag diese Beitrags ist, dass jemand über Jahre ätzende Kritik und Häme verteilte und nun in der Position des Kritisierten ist. Eigentlich ist das eine Standard-Konstellation in Sitcoms.
Die wahrgenommene Aufregung mancher Leser liegt vielleicht an der Tonalität des Zitats, das den halben Blogbeitrag ausmacht.
Was soll denn dieses ölige Gedutze?
@Harald Eisenmann #23: Diese öligen Kommentare wurden alle am Oberstaufener Duz-Schalter abgegeben.
@malte: gibt genug leute die vor 6 Jahren sich schon genauso intensiv virtuell austauschten wie heute… warum die weniger gute Ideen haben sollten wie die Massen von facebook und Twitter erschließt sich mir grad nicht… ich bezweifel jedenfalls das ursprünglich überhaupt wegen der „extremen abgeschlossenenheit“ der Community das handeln von Schönburg kritisiert wurde… und gerade als jemand der „wired“ als deutsche Ausgabe rausbringen möchte sollte sich auch mit „abgeschlossenen Randgruppen“ auseinandersetzen, die eben hierzulande das Vorbild schon kennen und nicht die GQ lesen wollen…
Jetzt gibt es hier eben auch einen Artikel, den Stefan in 6 Jahren so nicht mehr schreiben würde.
Thomas Knüwer lebt und argumentiert nicht 100%ig konsistent. Schlimm, sowas.
@27: Nein, nicht schlimm, aber eine wunderschöne Pointe:
„Wie ein Boom-,Boom-,Boomerang“ kommt die damalige Kritik zum Kritiker zurück :-)
@malte: „..Und damals lagen wir alle falsch…“ Ich liege fast jede Nacht falsch und habe dann morgens Nacken- und Kopfschmerzen.
Folgenden Satz von Sibylle Berg las ich am 6. Juli bei spon:
„..sie haben eine Meinung, vergessend, dass eine Meinung nur der flüchtige Zustand zwischen alter und neuer Information ist. …“
P.S.: Besser Hockenheim als daheim hocken.
Vielleicht sollte man auf dem Hockenheimring mal ein
„Jim-Clark-Gedächtnisrennen“ veranstalten. [Sarkasmusmodus off]
Hui, so eine Aufregung. Den überschaubaren Kern dieses Eintrags hat Torsten in #22 schon erklärt.
Aber die Verspanntheit der Reaktionen macht mich jetzt doch stutzig. Themensuche per Internetaufruf soll damals schlecht gewesen sein, weil sie in einem geschlossenen Forum stattfand und heute gut, weil es eh Twitter und sowas gibt? Schönburg machte damals ein Klatschblatt für trendbewusste Leute, deshalb fragte er in einem entsprechenden Forum nach Klatsch. Knüwer macht heute Wired und sucht deshalb nach Themen und Leuten, die „wired“ sind. Ich seh da keinen Unterschied. Man kann beides blöd oder beides modern finden. Aber das eine peinlich daneben und das andere vorbildlich – das ist schon eine Verrenkung.
Natürlich darf man in 6 Jahren seine Meinung ändern oder auf einfach mal daneben gehauen haben. Ich finde es einfach bemerkenwert, dass rückblickend offenbar nicht der Blogger und Internetexperte Knüwer, sondern der piefige Schönburg seiner Zeit voraus war.
..ich finde es lustig, dass damals(tm) Themen nur in den alten Zeitungen der Konkurrenz gesucht wurden und jeder das so toll fand, dass das Suchen/Erfragen ausserhalb dieser Quelle als pfuibäh galt..
@ Stefan: Naja, aber so richtig verspannt sind die Reaktionen auch nicht. (außer die von Knüwer, Keuschnig und Eisenmann, aber die zählen nicht).
Deine Wahl der Prioritäten ist im Moment ja auch nicht gerade nachvollziehbar.
Auf der Insel zerlegt sich gerade Murdochs Medienimperium – was wohl gerade für Medeinjournailsiten ein gefundenes Fressen sein dürfte – während wir uns hier über das sprichwörtliche „Geschwätz von Gestern“ unterhalten oder die absolut aktuelle und keineswegs seit Jahren durchgenudelte Debatte über Verleger vs. ÖR zum Gefühlt tausendsten Mal durchexerzieren.
Könnten die deutschen bloggenden Journalisten vielleicht mal aufhören sich wie Elche zu benehmen? Es gibt neben „Guck mal was der andere vor 5 Jahren doofes gesagt hat“ eine Reihe wichtiger Geschichten im Moment.
Ansonsten fang ich vielleicht mal an zu graben, wann du dass letzte Mal in den eigenen Fettnapf getreten bist.
Laut gelacht. Der letzte Satz saß.
Thomas Knüwer ist nach seiner eigenen Definition ein journalistischer Bettler. Und lebt ganz gut damit, weil die Idee doch nicht so blöd ist.
Da freu ich mich auf den Herbst.
Auch großes Talent hat leider bislang nur die wenigsten Kritiker darin hindern können, mittelfristig zu widerwärtigen Wadenbeißern zu werden.
Und dank Blog erleben wir das jetzt hautnah mit.
Ich versteh die Kritik an diesem Artikel hier nicht. Ich finde es immer wieder interessant, wenn Journalisten erstmal gegen andere austeilen und dann ihre Meinung um 180 Grad auf die gleiche umändern. Und wenn man als Journalist selber nicht weiß, welche Themen die Leser interessieren könnten, sollte man vielleicht besser den Beruf wechseln.
Warum eigentlich liest man(n) die GQ? Ich hab dem Heft mal 2 Chancen gegeben und für mich ist das nur ein teurer Luxus-Neckermann-Katalog ohne redaktionellen Anspruch.
erst einmal besser machen. Dann kann man sich wundern das es klappt.
Die deutschen Blogger leiden im Moment alle ein wenig an „foot in mouth disease“.
[Achtung: Die Niggemeier-Fanboys beißen wieder!]
@ Jeff Kelly (#33):
Es war ja nur eine Frage der Zeit, bis das gute alte Totschlagargument „Es gibt doch so viele wichtige(re) Themen“ gebracht wurde. Wer das bringt, sollte sich fragen, warum er am PC sitzt und irrelevante Kommentare ins Internet schreibt, anstatt die Probleme der Welt oder wenigstens Deutschlands zu lösen.
Und wenn jemandem die deutschen Blogs zu elchig, kleinkariert, altmodisch, irrelevant oder daneben sind, der kann ja selbst ein besseres Blog aufmachen und dort die wirklich relevanten und aktuellen Themen abhandeln. Dann kann der Niggemeier hier in Ruhe weiter über jahrealtes dummes Geschwätz beckmessern und Tierkitsch bringen, während anderswo die Katting Ätsch der deutschen Blogwelt den Zeitgeist seziert und der Welt zeigt, wo der Hammer hängt. Oder so ähnlich.
„Armer Thomas Knüwer“ ist vielleicht nicht gerade ein Glanzlicht. Ich habe in diesem Blog durchaus Wichtigeres, Besseres, Spannenderes, Witzigeres gelesen. Aber meine Güte, soll ich deswegen jetzt mein Geld zurückverlangen? Kündigen und bei meedia weiterlesen?
„Ich habe in diesem Blog durchaus Wichtigeres, Besseres, Spannenderes, Witzigeres gelesen.“
Hätte ich kaum besser sagen können.
Dann sind wir uns in dem immerhin einig :)
Hey natürlich ist es gewissermassen ein Appell „das es wichtigeres auf diesem Planeten gibt“.
Allerdings gibt es im Moment tatsächlich wichtigeres. Im Ernst, News International hat die Hälfte ihres Börsenwertes verloren. Bebekah Brooks (neé Wade) gerade die News of the World eingestellt und muss wahrscheinlich mit einer Anklage rechnen.
Reporter haben auf der Suche nach Dreck für die erste Seite vermutlich nicht nur zahlreiche Gesetze gebrochen sondern Beweismittel in einem Mordfall gelöscht (damit auf der Mailbox genug Platz bleibt für die Anrufe der Familie) und damit möglicherweise dem Mörder genug Zeit verschafft dass dieser entkommen konnte. Gefasst wurde er erst 3 Jahre später nachdem er zwei weitere Mädchen getötet hatte und ein weiteres versucht hatte zu töten.
Reporter haben Polizisten, Pflegepersonal und Beamten bestochen um an Dokumente heranzukommen. Die halbe politische Landschaft Grossbritannien hat das zugelassen weil alle von dere Presse profitieren. Premier Cameron hat einen der jetzt im Verdacht stehenden Chefredakteure als Berater engagiert und ist „Duzfreund“ diverser in den Skandal verstrickter Personen.
In Deutschland wird gerade dem Spiegel mit einer Anklage gedroht, weil er den Panzerdeal mit Saudi Arabien verraten hat.
In den USA werfen gerade die 24-Stunden Nachrichtensender mit Dreck auf die Strafprozessordnung, nachdem sie eine Angeklagte zunächst jahrelang als bereits verurteilte Mörderin behandelt hatten, einfach nur weil ihnen das Urteil der Geschworenen nicht passt.
Da könnte man zahlreiche Artikel über jounalistische Ethik schreiben und das ausanalysieren.
Dagegen wirkt ein „Schaut mal was ein Kollege vor 5 Jahren dummes gesagt hat“ irgendwie, keine Ahnung, banal?
Im Kern ist es doch immer wieder um das gleiche:
Journalisten schreiben viel, gerne kritisch und erwecken dabei den Eindruck, dass sie (fast) alles wissen und vor allem vieles besser wissen – (und viele erwecken nicht nur diesen Eindruck, sondern sind auch noch selbst davon überzeugt.) – was aber sehr oft nicht der fall ist.
Herr Niggermeier hält den Journalisten immer wieder den Spiegel vor, doch der erhoffte Lernerfolg – nämlich dass die Journalisten etwas genauer Nachdenken / Prüfen, etc bevor sie etwas schreiben und dass sie ihre eigenen Positionen auch mal so kritisch betrachten wie die von anderen – der stellt sich leider in der Regel nicht ein.
Statdessen wird auf „jeder macht mal Fehler“ und „jeder lernt dazu“ usw. verwiesen.
Aber genauso wie beim Politikerspruch „was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“ ist das ganze nicht zu Ende gedacht.
Wenn man in der Vergangenheit Fehler gemacht hat, seid dem dazugelernt hat und vielleicht manches heute nicht mehr (so) schreiben würde, dann ist auch so manches, das man heute schreibt evtl. fehlerhaft.
Doch genau dieser Gedankengang schein bei vielen Journalisten komplett blockiert zu sein. Die Unterstellung der bloßen Möglichkeit dass manches was sie so schreiben einfach falsch ist, wird als Majestätsbeleidigung empfunden.
Schließlich sind es doch die (Print-) Journalisten, die so sauber und sorgfältig recherchieren, alle Quellen prüfen usw. – ganz im Gegenzug zu dem „Mist“ im Internet, Bloggern und co.
Diese Überlegenheit der (Print-) Journalisten (die ein klein wenig durchaus vorhanden ist, zumindes theoretisch) wird maßlos übertrieben, als Argument für die Existenzberechtigung für kostenpflichtige Zeitungen und „Leistungsschutzrecht“ mißbraucht.
Und sie führt zu einer Arroganz der Journalisten die sie sich mit der Zeit selbst einreden / schreiben.
Dass sich die Methoden immer mehr angleichen, immer weniger recherchiert und geprüft wird, immer mehr nur noch Agenturmeldungen ab- und umkopiert werden, wird gerne verschwiegen und – womöglich auch vor sich selbst – verleugnet. (Das würde ja die Existenzgrundlage für die vielen schönen Dinge gefährden)
Dafür, dass sie ab und zu wachgerüttelt werden, sollten die Journalisten eigentlich dankbar sein, aber scheinbar mangelt es schon an der Bereitschaft zur Einsicht.
Würden jedenfalls nur noch Artikel und Zeitungen erscheinen die so (sorgfältig) erstellt wurden, wie die Verlage es von sich selbst behaupten, die Journalisten nur noch über Dinge schreiben, wo sie sich auskennen und das bloße Agentuemeldungen abschreiben wegfallen oder auf wenige Zeitungen reduziert, dann würde der Papierverbrauch der Branche um 90% sinken.
Leider wäre dann wohl auch Herr Niggermeier arbeitslos, aber keine sorge, auf unsere Presselandschaft hierzulande ist verlass.
@ Jeff Kelly (#43):
Da könnte man zahlreiche Artikel über jounalistische Ethik schreiben und das ausanalysieren.
Dann mal los und frisch in die Tasten gehauen.
Dagegen wirkt ein „Schaut mal was ein Kollege vor 5 Jahren dummes gesagt hat” irgendwie, keine Ahnung, banal?
Dazu s. #44 von MM, das trifft es haargenau (ich war nur zu faul, mir soviele Gedanken zu machen und die dann auch noch aufzuschreiben).
@ gnaddrig: Ich möchte, dass im Protokoll aufgenommen wird, dass SvenR und ich diesen Artikel nur mit „Naja“ beantwortet haben. Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass mich keine Konsequenzen ereilt haben, die mit meinen zögerlichen und unglaublich widerlich defätistischen Kommentaren zu diesem vorzüglichen Artikel in Zusammenhang stehen. SvenRs Unfall ist allein auf seine schluddrige Nachlässigkeit bei der Wartung seines Automobils zurückzuführen. Auch lässt sich mein blaues Auge damit erklären, dass ich wohl mit dem Kopf zuerst aufgeschlagen bin, als ich aus Versehen in die am Heizkörper befestigten Handschellen gefallen bin.
@ Alberto Green: Es ist natürlich nicht einfach in diesem Zeitalter ständigen Wandels, dauernder Beschleunigung und zunehmend rücksichtloser Profitmaximierung bei gleichzeigiter Spaßhabepflicht. Da kann es jedem mal passieren, dass er sich eine blutige Nase holt oder den Moralischen kriegt. Das rechtfertigt aber keine Schlamperei, zum Beispiel muss es „schludrig“ heißen, nicht „schluddrig“, oder ist das regional unterschiedlich? Wie dem auch sei, umso besser, dass immer einer in die Bresche springt und die Fahne hochhält. Es geht weiter, Alberto, es geht weiter! Nicht aufgeben!
@Jeff Kelly:
„..Allerdings gibt es im Moment tatsächlich wichtigeres. Im Ernst, News International hat die Hälfte ihres Börsenwertes verloren. Bebekah Brooks (neé Wade) gerade die News of the World eingestellt und muss wahrscheinlich mit einer Anklage rechnen…“
Aber das sind doch alles „Good News“. Das will doch Niemand lesen.
@ gnaddrig: Ich werde natürlich behaupten, dass die Schreibweise „schluddrig“ Absicht war.
@ Alberto Green: Das lässt sich sicher auch irgendwie begründen. Der Zweck heiligt schließlich die Mittel.
Da ich überhaupt keine Meinung zum Thema habe, hier stattdessen meine Überschriftenvorschläge für eine Story:
„Knüwer im Kreatief“
„W(e)ired: Chefredakteur bettelt um Content“
„VorBILD: Knüwer engagiert Leserreporter!“
„Aus für Knüwer? Chefredakteur fällt nichts mehr ein“
„Knüwer macht den Schäuble: Sparen um jeden Preis“
„Völlig gaga: Ahnungsloser soll Technologie-Magazin leiten“
Täte das für eine Journalistenschule reichen? (Wenigstens für ne kleine?)
Ich möchte, das wir uns wieder bei den Schwitzhänden anpacken (nach soviel anstrengender Kommentierarbeit) und uns gemeinsam darauf freuen, dass der Herr Medienjournalist seine unzweifelhaft bestehende Kompetenz mal zu einer uns Leserschaft durchaus interessierende Aufarbeitung der von Herrn Kelly genannten Ereignisse nutzt.
Und das ist übrigens eine Themenanregung eines Lesers Jeff Kelly an den Journalisten S. Niggemeier. Ist das nicht eigentlich sehr passend für diesen Blogeintrag?
Eins noch: Es gehört wohl zum Kreuze, dass der Jopurnalist tragen muss, dass man ihm sein Geschwätz von gestern immer wieder schwarz auf weiss unter die Nase halten kann. Da haben wir vom einfachen Volk es schon etwas einfacher, wenn wir nicht gerade unseren Senf zu den Würsten des Internets geben. Warum auch immer wir das tun.
…ja, ich weiß….
und jetzt ein experiment:
jeder hier, der über 35 jahre alt ist, gehe in sich und denke an das jahr 2005. gleicher beruf oder branche wie heute? gut. haben sich eure ansichten, euer informationsstand, oder die beruflicht umwelt zwischen damals und jetzt kein iota bewegt? ist euch nichts, aber auch gar nichts, leicht peinlich jetzt, von all den dingen die ihr gewusst zu haben glaubtet im jahre 2005?
wer diese frage mit „ja“ beantwortet, ist entweder ein katholischer würdenträger oder ein entwicklungsunfähiger lehrer für mathe und latein an einem schweizer internat.
der rest lebt und lernt. und macht anderen das lernen nicht zum vorwurf.
p.s. die themen hier waren auch schonmal vielfältiger und interessanter. vielleicht mal crowdsourcen?
@karen(54): komische theorie und ich kann mich wirklich nicht entsinnen das ich vor 6 Jahren lauthals über Dinge lustig gemacht habe die ich heute selber mache und bin weder katholisch noch Lehrer…
es ist eine Sache Dinge nicht besser zu wissen, es ist eine andere abfällig über andere deswegen zu schreiben.
Wie schon gesagt, die Geschichte hat einfach eine lustige Pointe. Niemand macht Herrn Knüwer einen Vorwurf, wir machen uns einfach etwas lustig über ihn. Das ist doch schön.
Also ich würde sagen:
Schönburg hat vor 6-600 Jahren ein Magazin gemacht, eine Ausgabe erscheinen lassen, und dann für die nächsten um Anregungen ersucht. Knüwer hat sich drüber aufgeregt, weil er vielleicht nicht gesehen hat, dass Schönburg einfach nur etwas Neues ausprobiert hat.
Knüwer wiederum leitet seit 6-60 Tagen eine Entwicklungsredaktion und probiert nun auch etwas Neues aus: schon während der Entwicklung offen Anregungen suchen und nicht die üblich Heimlichtuerei pflegen.
Jetzt regt sich Niggemeier darüber auf, weil er nicht sieht, dass Knüwer nur etwas Neues ausprobieren will.
Und nun?
1. Schönburg hat versagt (Park Avenue tot)
2. Knüwer versagt oder auch nicht (wired noch nicht geboren)
3. Niggemeier schreibt korrekt, aber sechs Jahre zu spät.
Gebt Euch die Hände und trinkt ein Bier zusammen.
@jokahl:
Wo?
Gehört denn der Knüwer nicht zu den ‚Guten‘?
Neinein, SvenR (#17), da muss ich sehr deutlich widersprechen. Um „im Bild zu bleiben“, hätte Herr Knüwer nicht „noch nie aus dem Fenster“ fallen, sondern noch nie ins Wasser plumpsen müssen.
Wenn wir vielleicht Ruderboote mit Bullaugen…
@Alberto #46: Hä? Ich verstehe Dich nicht mehr…
@inga#60: Bei uns zu Hause lehnt man sich weit aus dem Fenster. Wo lehnt man sich bei Euch so raus?
@SvenR: Beim Rudern?
@59: Er gehört zu den Lauten.
@Stefan #63: Eine Redensart, bei der man sich beim (Hin- oder Zurück-) Rudern zu weit hinaus lehnt, ist mir nicht geläufig.
Im September werde ich mir zum ersten Mal eine „GQ“ kaufen. Von daher funktioniert Knüwers Marketing-PR in eigener Sache bislang doch ganz gut. Ein Mitarbeiter der „Wired“-Redaktion erklärte mir jüngst in vertrauter Runde, dass sich die erste Ausgabe mit dem Thema „Geeks“ beschäftigen wird. Auch wenn ich nicht die Lösungen für sämtliche globale Probleme erwarte, könnte die Lektüre interessant werden. Deshalb halte ich mich mit kritischen Anmerkungen erstmal zurück.
@66 Das wäre dann doch ein schönes Projekt für ihre neue Seite: Eine Blattkritik von wired!
@ karen (#54): Ich weiß (praktisch) alles (besser) und habe (eigentlich) immer recht. Das hat sich seit 2005 nicht geändert. Da natürlich nicht alle in dieser glücklichen Lage sein können (sonst wäre ich ja nichts Besseres), bin ich mit Leuten, die (am Besten von mir) lernen, meistens recht nachsichtig.
Es ist doch legitim, Ideen verlinkter Target Groups zu sondieren, man will die Leser ja da abholen, wo sie sind.
Ich werde ab Januar mit ein paar guten Kollegen etwa den „New Yorker“ nach Deutschland bringen (zunächst als einmalige Beilage von „Men’s Health“), wobei wir uns noch unschlüssig sind, ob das Magazin hierzulande „Berliner“ oder „Frankfurter“ heißen soll. (Ursprünglich war noch „Münchner“ im Gespräch, aber wird haben uns in einer ersten Auswahlrunde schnell dagegen entschieden.)
In der Debütausgabe soll es schwerpunktmäßig um die neue literarische Remix-Kultur gehen, wobei wir das Thema sowohl im übertragenen Sinn (etwa Hegemann, Arbeitstitel des Artikels: „LOL Roadkill“) als auch ganz konkret (Buchstabensuppe) behandeln wollen und zur ironischen Brechung auf der Metaebene einige Seiten als Mashups darstellen werden, zur Not auch auf Kosten der guten Lesbarkeit.
Hier dazu aus gegebenem Anlass also schon einmal vorab der Hinweis, dass Tipps und Themenvorschläge besonders eingepluggeder und nerdophiler Multiplikatoren dabei herzlich willkommen sind.
@ Marc-Oliver: Wie wärs mit „The Oer-Erkenschwicker“?
(Seid ihr wahnsinnig oder ist mein Ironiedetektor wieder kaputt?)
@Alberto #70: Beides.
@ SvenR: Darauf habe ich mich jetzt auch geeinigt.
@SvenR (#62): Die Frage ist doch nicht, wo man sich bei uns oder bei Euch so rauslehnt, sondern wo sich Herr Knüwer rauslehnt, nachdem er gerade zurückgerudert ist. Einigen wir uns einfach auf Ollys Bullauge?
Ach, die Experimentalredaktion eines Printheftes, die dem Anschein nach vor allem damit beschäftigt ist, der Welt zu zeigen, dass man das Internet verstanden habe…
Bleibe skeptisch.
@inga #73: Als ob ich Sprichwörter nicht gelten lassen würde, nur weil ich sie nicht kenne oder es sie nicht gibt…
Schöne Grüße an Herrn Knüwer, ich kenne Ihn aus der Handelsblatt Redaktion, er war dort sehr unbeliebt weil er sich für den gekrönten Alpha-Journalisten hielt, erst recht nachdem sein Blog unter der Handelsblatt Flagge etwas billige Popularität errungen hatte.
An Knüwers Blog hat mich besonders genervt, dass es inhaltlich belanglos war und er auch noch andauernd Kommentare zensiert hat (vgl. http://hanneswurst.wordpress.com/2007/10/04/thomas-knuwer-was-ist-ein-visit-was-ist-ein-pi-wer-bin-ich/)
Diesem unbegabten Possenreißer hätte ich eher einen Posten in Zensursulas Ministerium zugetraut, aber er scheint erfolgreich das renommierte Wired-Magazin eingeschmälzt zu haben. Hoffentlich fliegt er in der Probezeit, denn ich bin mir sicher, dass Knüwer einen „Rammstein“ bestellt wenn er den Speicher seines (natürlich) Macs erweitern möchte, weil er einfach durchgängig Kultur und Technik miteinander verwechselt.
Also: Man sortiert einen Artikel in einem eigenen Blog aus, weil man Ihn nicht gut fand. Schaltet ihn dann aber wieder frei, weil man bei Herrn Niggemeier erwähnt wird und bettelt dazu noch um einen Backlink…
Finden aber vielleicht auch nur wir witzig.
[…] Stefan Niggemeier und Felix Schwenzel , ein nach offener rechnung klingendes dings im lauf. “plötzlich” angefangen hatte stefan. dann kam […]
[…] gerne lesen würde, einen Blogeintrag machte, in dem es mehr oder minder hieß, Knüwer sei ein Blattmacher ohne Ideen. Erstaunlich, wenn man doch auf der anderen Seite gerne über die Teilhabe von Lesern bzw. die […]
[…] Stefan Niggemeier über Thomas Knüwer […]