And mostly what I need from you

BBC-Chef Michael Grade verlässt den Sender, um Chef der kommerziellen Konkurrenz ITV zu werden. Die Exklusiv-Meldung des „Daily Telegraph“ ist eine Sensation und ein Schlag für die BBC. Oder in den Worten des „Telegraph“:

Grade’s defection will stun colleagues and cause mayhem inside the BBC …

Ich wette: Jedes deutsche Medienunternehmen, das ähnlich mit so ungünstigen Neuigkeiten in die Schlagzeilen geriete, würde die Meldung in seiner eigenen Berichterstattung verstecken, herunterspielen, schönfärben.

Und die BBC?

Macht mit der Meldung aktuell die UK-Ausgabe ihrer Nachrichtenseite auf. Schreibt gleich im zweiten Absatz des längeren Artikels:

The move will be a blow to the BBC, …

Und zitiert dann den Ressortleiter Wirtschaft des Senders mit den Worten:

„The timing of Michael Grade’s departure to ITV could hardly be worse for the BBC. … As one member of the BBC board of governors put it to me, it’s a mess.“

Noch einmal: Das sagt ein leitender BBC-Mann. In einem großen BBC-Artikel. Auf der BBC-Seite. Über die BBC.

Dafür liebe ich diese Anstalt.

Nachtrag. Und einen Tag später gibt’s auch noch einen kleinen Blick hinter die Kulissen. Wie cool ist das.

9 Replies to “And mostly what I need from you”

  1. Nicht nur der Umgang mit sich selbst zeichnet die BBC aus – auch ihre Sendungen, wie „Top Gear“, „Gardeners World“ oder „Spring Watch“ genauso wie „Panorama“. Bei letzterem könnte man aus einer britischen zwanzig gleichnamige deutsche Sendungen machen, auch wenn der Anspruch hierzulande ähnlich ist.

    Schön, dass es seit einigen Jahren möglich ist, die BBC-Sender auch in D zu empfangen.

  2. Von Politikerinterviews ganz zu schweigen: Da werden Politiker nicht nur gefragt – nein, da wird sogar noch eine Antwort auf die Frage erwartet und bei Bedarf (wieder & wieder) nachgefragt. Sowas würde ich auch gerne auf Deutsch hören…

  3. Es war auch schon atemberaubend, wie die BBC ihre vermeintliche Schuld nach dem Hutton-Report in den Nachrichten aufbereitet hat.

    Was die Qualität der Interviews betrifft: Es ist immer lustig, wie „Newsnight“-Moderator Jeremy Paxman – allerdings vergeblich – versucht, Spin zu hinterfragen. Vor allem das Gespräch mit Michael Howard ist klasse: http://www.youtube.com/watch?v=sCo7qbzEX3c

    Das muss aber nicht nur die BBC sein (John Snow von Channel 4 kann auch gut nachfragen), und auch nicht Fernsehen: die Prime Minister’s Question Time im Parlament ist auch deutlich härter als Bundestagsdebatten.

    Insgesamt gibt es in England weniger Interesse an Politiker-Sprechblasen: in den Nachrichten kommen kaum welche vor (und Industriebosse u.ä. werden erst gar nicht vor die Kamera gelassen), und so Formate wie „Christiansen“ gibt es auch nicht. Höchstens „Question Time“, in der The Great British Public die Fragen stellen darf. Erst im letzten Wahlkampf hat da eine Hausfrau Tony Blair regelrecht ins Schwitzen gebracht.

  4. Damit hat mich heute morgen um 6:00 und 6:30 (snooze function ;-)) mein Radio geweckt, gleich die erste Meldung beim Today Programme.

    Allerdings moechte ich Norbert etwas widersprechen:

    Prime Minister’s Question Time mag etwas haerter sein als Bundestagsdebatten (kann ich nicht beurteilen, Bundestagsdebatten habe ich seit Jahren nichts von gehoert), aber ein grosser Teil davon ist auch zur Schau, Ritual halt. Mit der teilweise antiquierten Sprache (would the right honourable gentleman…) werden grosse Teil der Bevoelkerung und insbesondere junge Leute abgestossen.

    Und Politiker-Sprechblasen? Alles voll damit! Spin, Spin, Spin, Spin Doctors, da gibt’s regelmaessig Diskussionen drueber. Die Tories sind gerade dabei eine riesige Image Kampagne durchzuziehen um das Image der „nasty party“ loszuwerden. Ein Teil davon sind auch nur Sprechblasen (hug a hoody…).

    Tabloid politics sind auch ueberall zu finden, die Tabloids bringen ein Thema auf und verschiedene Politiker hecheln hinterher. Und meistens ist es nach ein paar Wochen vergessen.

    Ob Industriebosse nicht vor die Kamera gelassen werden weiss ich nicht, da ich keinen Fernseher habe. Aber im Radio, unter anderem BBC 4 und Five Live, sind die andauernd zu hoeren. Wuerde mich wundern wenn der CBI Vorsitzende, Lord Browne und aehnliche Leute nicht auch im Fernsehen auftauchen.

    Im Moment spricht allerdings alles nur von den Ashes ;-)

  5. Hi Armin

    Scheint ja doch viele zu geben, die britische Medien konsumieren.

    Ja, David Cameron übertreibt es voll mit Spin und Substanzlosigkeit und hat noch Tony Blair überholt. (Übrigens göttlich, wie ein Reporter mal herausgefunden hat, dass der ach so ökologische Tory-Führer zwar morgens vor allen Kameras mit dem Fahrrad seine Wohnung verlässt, der Chauffeur mit dem Auto aber die Akten hinterherbringt). Und klar gibt es in England auch nervige Debatten.

    Trotzdem bringt das Fernsehen deutlich weniger Sprechblasen, und CBI-Leute sehe ich fast nie (genauso wie Gewerkschaftsleute, aber deren Einfluss ist ja mittlerweile begrenzt). Vor allem fragt man nicht wie hier jeden Hinterbänkler, und eine belanglose Interview-Äußerung in einer Sonntagszeitung schafft es auch nicht in die Hauptnachrichten. Naja, da gibt es halt keine Minsterpräsidenten und nicht allzuviele Parteien…

    Liegt wohl auch daran, dass die BBC-TV-Nachrichten durchaus boulevardesker sind als beispielsweise die Tagesschau. Obwohl sich die BBC das mit der Gewichtung mal überlegen sollte. Ich kann all die nervigen Aufmacher über entlaufene/verhafete/verurteilte Pädophile nicht mehr sehen.

  6. Norbert, was fuer Medien soll ich sonst konsumieren? Sind schliesslich die, die ich hier empfangen kann, Deutsches Fernsehen (fuer mich ohne Fernseher aber sowieso uninteressant) ist hier schwer zu bekommen, Radio aehnlich. Fernsehen soll wohl ueber Satellit teilweise gehen, Radio vermutlich uebers Interweb.

    ;-)

    Mal davon abgesehen interessiert mich Deutsche Politik inzwischen vergleichsweise wenig. Praktisch alle Entscheidungen die mein taegliches Leben betreffen werden von der Britischen Regierung getroffen. Waehlen darf ich sie zwar nicht, aber es interessiert mich halt doch was mit meinen Steuern passiert und ob ich demnaechst eine ID card bekomme. Nur die Ashes gehen ziemlich an mir vorbei, trotz massenhaft Berichten allueberall (Obwohl der Russell Crowe jingle ziemlich gut ist, muss ich sagen).

    Und wenn ich das teilweise so hoere habe ich das Gefuehl dass die hier genauso viele Sprechblasen ablassen wie in Deutschland. Irgendein Betroffenheitsgelaber, diverse Profilierungsversuche, kommt alles immer wieder.

    Ich bin zu lange aus Deutschland weg um die Unterschiede wirklich beurteilen zu koennen, nichtsdestotrotz wuerde ich die BBC sehr missen wenn ich hier mal weg muesste.

    Jedenfalls darf auf Five Live waehrend ich dies schreibe einer von Virgin Train erklaeren weshalb sie fuer die above inflation price rises ja nun gar nichts koennen. Auch und gerade hier kommt die Wirtschaft in den Medien sicher nicht zu kurz.

  7. An diesen Beitrag musste ich unwillkürlich denken, als ich nun die ersten ARD-Meldungen (in Videotext und 17:00h-Tagesschau) zu Jauchs Rückzieher verfolgt habe. Wie ist nun das Verhalten in eigener Sache seitens der ARD im Vergleich zu dem der BBC einzuordnen (bzw ist ein Vergleich überhaupt zulässig, wenn Jauch doch bloß Deutschlands erster Moderator ist und Grade als BBC-Chairman des Königreichs erster Fernsehmann überhaupt war?)?
    Ich weiß nicht, wie Profijournalisten das beurteilen, aber mir als Laien war die Information auf der Startseite des Videotextes und in der Tagesschau neutral und auffällig genug, um sich nicht dem Verdacht der Schönfärberei oder des Versteckspiels auszusetzen. Aber ich bin halt doch Laie.
    P.S.
    Und mit der Blog-Etikette kenne ich mich auch nicht genügend aus, um zu wissen, ob es statthaft ist, einen so alten Beitrag wieder auszugraben!?

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