D!

In der Schule hätte man den Detlef längst gefragt, ob er nicht mal mit Gleichaltrigen spielen will, statt immer mit den Kleinen von der Unterstufe. Man hätte sich das eine Weile angesehen, wie er die Mädchen provoziert und sich daran aufgeilt, daß die ihm nicht gewachsen sind, und dann hätte man ihn beiseite genommen und ihm erklärt, daß sein kleines Repertoire von Psychotricks zwar ganz nett ist, man tolle Kerle aber nicht daran erkennt, daß sie kleine Mädchen zum Heulen bringen können und es auch tun. Aber das hier ist keine Schule, das ist „Popstars“, die Pro-Sieben-Castingshow. Hier wird der dickhosige Typ, der sich auf dem Pausenhof stark fühlt, weil er oft genug sitzen geblieben ist, um doppelt so alt zu sein wie alle anderen, am Ende tatsächlich Chef.

Und so darf Detlef „D!“ Soost, der bekannte Berliner Demotivationstrainer, vor einem Millionenpublikum das zitternde Etwas vor ihm anmachen: „Wer sagt denn, daß du dran bist?“ Und wenn eine Vorsängerin versucht, tapfer zu sein und meint, das sei schon okay, daß sie rausgeflogen ist, sagt er ihr: „Du sagst, das sei okay, aber du findest das nicht okay. Hast du mal was von Body Language gehört?“, geht und nimmt ihr kleines Stückchen Selbstachtung als Trophäe mit.

Noch schlimmer ist „D!“, wenn er die Mädchen nicht runter macht, sondern mit ihnen redet wie mit Erwachsenen – also: wie mit kleinen, etwas behinderten, irgendwie kostbaren Erwachsenen. Er sagt dann Sätze wie: „Vielleicht bist du noch wie ein junger Wein, wo noch ein bißchen Zeit ins Land gehen muß, bis deine Zeit gekommen ist.“ Vor dem Casting gibt er den Hunderten Mädchen noch etwas mit, das ihm „persönlich ganz wichtig“ sei. Pause. Achtung, jetzt kommt’s: „Nutzt Eure Chance“.

Einmal, da ist der „D!“ richtig böse geworden. Er hat gemerkt, daß einige Mädchen gar nicht ihre Seele verkaufen würden, um Popstars zu werden, sondern nur einen lustigen Nachmittag verbringen wollten. „Spinnst Du?“, hat er eine angeschrien, „überleg’ Dir, wessen Zeit du verschwendest“ (als ob sie nicht offenbar genau das getan hatte). Dann stellte er sich vor die versammelten Kandidatinnen und donnerte: „Mädels: Eine Sache! Wer von euch vorhat, sich hier statt ins Kino zu gehen, einfach ein bißchen lustig zu machen, der sollte JETZT rausgehen. Weil, sonst gibt’s RICHTIG Ärger.“

Ist aber keine gegangen. Spätestestens nächstes Jahr sind die ersten 16-jährigen „Mädels“ soweit, daß sie an dieser Stelle aufstehen, lachen und anfangen, ihn mit seinen CDs zu bewerfen.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

2 Replies to “D!”

  1. Halb so wild? Mitnichten!
    Herr Niggemeier spricht mir aus dem Herzen – zwar ist D! (man muss gar nicht lange überlegen, für was das steht) nur eine der vielen unerträglichen Auswüchse des „Jedem-seine-5-Minuten-Ruhm“-Casting-Wahnsinns, doch mit Sicherheit eine der übelsten…
    Schlimm, das so jemandem eine Plattform geboten wird – und noch schlimmer, das nicht viel mehr Menschen dabei die Galle hochkommt…
    Es gilt eben immer noch: Man kann gar nicht soviel essen wie man kotzen möchte!

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