Das Gute an der Sache war, dass man endlich einmal erfuhr, wie das eigentlich aussieht, was Frau Käßmann da überfahren hatte: eine „rote“ „Ampel“. Der Fernsehsender n-tv hatte Filmaufnahmen von mehreren Exemplaren aufgetan und zeigte sie viele Dutzend Mal in einer Dauerschleife, zusammen mit Archivbildern von Autos, Polizisten, anderen Autos, anderen Polizisten und einer Szene, bei der jemand der Bischöfin ein Glas Wasser eingießt. Aufgrund einer Panne konnte n-tv am Mittwoch nicht live die Rücktritts-Pressekonferenz übertragen. Also schaltete der Sender nach Berlin statt nach Hannover und ließ dort Heiner Bremer in seiner gewohnt rostigen Art spekulieren, was Käßman wohl „gleich in der Pressekonferenz“ tun wird, die längst auf N24 und Phoenix lief.
Nun erweckt der Rumpelsender schon an guten Tagen den Eindruck, man hätte vielleicht ein halbwegs ordentliches Nachrichtenprogramm machen können, wenn bloß nicht dauernd die Nachrichten dazwischen gekommen wäre. Dieses endlose Nichts aber hatte selbst für n-tv-Verhältnisse eine eigene Qualität. Bremer mutmaßte hinter dem Rücktritt einen Racheakt von Scheidungsgegnern in der Kirche und meinte, Käßmann hätte als Alkoholsünderin „glaubwürdiger vor Alkohol warnen können“. Moderatorin Petra Schwarzenberg analysierte ähnlich steil: „Der Schuss ist nach hinten losgegangen: Sie wollte Reue zeigen, und gleichzeitig bedauern jetzt alle den Verlust.“ Expertenimitator Jo Groebel erklärte, es sei „von außen ganz schwer zu beurteilen“, ob der Rücktritt notwendig war, aber „wir werden’s ja gleich hören“, und man könne gar nicht spekulieren, wer Käßmann jetzt folgen werde, aber: „Wahrscheinlich eine moderatere Persönlichkeit.“ Der n-tv-Internetreporter berichtete, dass es bei Twitter unterschiedliche Meinungen zum Thema gebe.
Nach zwanzig Minuten, in denen die Moderatorin um ebenso viele Jahre gealtert war, stand endlich die Leitung nach Hannover. Der Reporter berichtete live aus dem Raum, in dem Käßmann gerade ihren Rücktritt erläutert hatte, ihre Stimme sei „brüchig“ gewesen. Petra Schwarzenberger sagte dann zu ihm: „Sie haben ja sicher schon Reaktionen der Bürger in Hannover eingefangen, bevor die Mitteilung bekannt war.“ Und er erwiderte: „Die Reaktionen davor werden genau so sein wie sie jetzt auch sein werden: gespalten“. Es war wieder Alltag eingekehrt bei n-tv.
(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
Immerhin: keine Spur von Hektik aufgrund stroboskopartiger Lichtwechsel an der Ampel seitens einer eigens hingeschickten Praktikantin.
9000km entfernt von Deutschland frage ich mich ja sowieso: Gibt’s aktuell keine anderen Probleme bei euch? Da schautert es mich ja schon wieder, in weniger als drei Wochen zurückzukommen.
16:12 Bischöfin Käßmann tritt zurück
16:14 Bischöfin Käßmann tritt zurück
16:15 Bischöfin Käßmann tritt zurück
aber nun:
16:16 Käßmann tritt laut Bild zurück
16:18 Käßmann tritt laut Bild zurück
Da haben die sich wohl im internet auf dem Laufenden gehalten…
Kleine Korrektur, Anfang 2. Absatz: bei „[…] wenn bloß nicht dauernd die Nachrichten dazwischen gekommen wäre.“ fehlt ein „n“.
Wenn dieses „n“ in der Fernsehlandschaft noch zusammen mit einem „-tv“ fehlen würde, könnte man das schwerlich als großen Verlust bezeichnen… ;)
Zur Entschuldigung von n-tv: Sämtliche Anwesende waren sich einig, dass das eine der chaotischsten PKs war, die Hannover seit langem erlebt hat.
Die Fotographen waren (nachvollziehbarerweise) in erster Linie an den eigenen Bildern interessiert als auf die Scharten der (immobilen) TV-Kameras Rücksicht zu nehmen. Fotografen gewährt man in der Regel die erste Reihe, wenn diese als Gegenleistung die Köpfe einziehen. Daran gehalten haben sich die wenigsten, sodass in jeder Fernsehsendung (ob Live oder in späteren MAZen) Blitzlichter oder ganze Rücken die Sicht auf Frau Käßmann versperrten.
Desweiteren kam die EKD-Meldung für die PK (für 16:00Uhr angesetzt) erst um 13:50 über die Ticker. Da war es logischerweise ab 14 Uhr eine enorme Herausforderung eine SNG zu besorgen, die in 2 Stunden einsatzbereit war.
Ich bin wirklich kein Verfechter von n-tv, aber die Kritik muss der Fairness wegen vor den widrigen Umständen betrachtet werden. ALLE Sender waren selbst vor Ort, aber sowohl private als auch öffentlich-rechtliche Sender mussten teilweise auf Argentur-Material von der PK zurückgreifen. n-tv hat’s natürlich am dämlichsten erwischt. Und so ganz besonders nervenstark, wie sich Fernsehschaffende immer einschätzen, sind sie eben nur, wenn alles glatt läuft. Mangelnde Souveränität ist leicht ausgemacht und mit spitzem Finger ist schnell nicht frei von Hohn draufgezeigt – aber manchmal sind es eben die Umstände. Ich begrüße jede Kritik an dem „Nachrichten“-Sender. Aber im Käßmann-Fall muss ich der Umstände wegen und der ähnlichen Schwächen vieler anderer Sender widersprechen.
Ein Racheakt von Scheidungsgegnern.
Schon klar: Eine Bischöfin trinkt während der Fastenzeit nicht zu knapp Alkohol, rauscht mit ihrem Phaeton über eine rote Ampel und wird dabei erwischt. In anderen Medien habe ich bezüglich des Rücktritts das Wort „konsequent“ gehört und gelesen, aber der Racheakt klingt natürlich plausibler…
Zugegeben: 20 Minuten können sehr lang sein, wenn man sie mit Inhalt füllen muss. Aber meinen die das wirklich ernst?
Ich frage mich gerade, wofür diese „Re“ in „Reaktionen“ stehen mag.
@Daniel A.: Doch, doch. Alice Schwarzer äusserte bereits einen ähnlichen Verdacht. Und die muss es schließlich wissen.
Ich frage mich gerade, wofür dieses „Re“ in „Reaktionen“ stehen mag.
@Daniel A.: Doch, doch. Alice Schwarzer äusserte bereits einen ähnlichen Verdacht. Und die muss es schließlich wissen.
Zwölf Minuten ist aber echt ’ne ziemlich lange Rotphase, da wär‘ ich selbst nüchtern drübergefahren…
(BREAKING NEWS: n-tv entlastet Käßmann mit neuen Beweisen zum Tathergang!)
Warum heißt der Beitrag „Kaßmann“ und nicht „n-tv“?
@Gregor Keuschnig
weil die kolumnen immer mit namen von leuten betitelt werden ;-)
hat „Tathergang“ eigentlich das zeug zum neuen „Brathering“?Die Berichterstattung war wirklich ein Witz. Willkürlicher Zusammenschnitt von Archivbildern von Ampeln, Alkoholtests und Frau Käßmann in der 30-Sekunden-Dauerschleife. Wenn man versucht, CNN zu kopieren, sollte man das mit Inhalt tun – oder ansonsten wenigstens das Bild des Korrespondenten zeigen. Auch wenn er nichts zu sagen hat.
@Keffster: Natürlich kann man es entschuldigen, dass ein Ü-Wagen mal nicht rechtzeitig vor Ort ist. Dann aber als Nachrichtensender so zu tun, als würde das zu übertragende Nachrichtenereignis noch gar nicht stattfinden, ist nicht zu entschuldigen.
An Leermeldungen haben wir uns doch schon gewöhnt. Mich wundert derzeit vielmehr die Milde in der Berichterstattung über sie. Beispielsweise hat man bei SPIEGEL ONLINE derzeit die Wahl zwischen drei Antworten auf die folgende Frage.
Margot Käßmann tritt von ihren Spitzenämtern zurück, weil sie ihre Autorität nach der Fahrt unter Alkoholeinfluss für beschädigt hält. Ein richtiger Schritt?
* Ja. Sie tut, was sie für richtig hält und bleibt dadurch authentisch.
* Nein. Diese Erfahrung von Fehlbarkeit lässt sie doch umso menschlicher erscheinen – gerade ein Grund, zu bleiben.
* Ich weiß es nicht.
Und das bei einer Person, die sich Moralpredigten anmaßt, während sie in der Fastenzeit (!) volltrunken über rote Ampeln fährt, was in meinen Augen schon nüchtern kein Kavaliersdelikt ist. Würde man im Vergleich dazu einem erzkonservativen verheirateten Politiker eine schwule außereheliche Affäre nachweisen, dann würde über einen Rücktritt nicht einmal diskutiert werden – er hätte gar keine andere Wahl, weil er auf unbestimmte Zeit jede Glaubwürdigkeit verloren hätte.
Diese doppelten Maßstäbe sind IMHO ein weit gravierenderes Journalismus-Problem als der verzweifelte Versuch, über ein Ereignis zu berichten, über das man berichten möchte, aber nicht berichten kann.
Noch schöner wäre es doch, wenn die Damen und Herren von n-tv einfach das Bild von N24 abgefilmt und als eigene Schalte verkauft hätten … aber vielleicht kommt das noch.
@11/ca-fi
Verstehe. Da habe ich dann die nächste Frage: Wer ist „Curling“?
@Keffster: Also jetzt mal im Ernst: Ist es wirklich notwendig
a) eine PK zu dem Thema anzuberaumen?
b) dutzende Kamerateams hinzuschicken?
Gibt es wirklich keine größeren Probleme?
@Stefan: Vollkommen richtig.
@ Ali: Selbstverständlich muss man da eine Pressekonferenz zum Thema veranstalten. Man kann seinen Rücktritt selbstverständlich auch per Pressemitteilung bekannt geben. Ein schreibender Redakteur wäre wohl noch halbwegs zufrieden, weil er aus der PM zitieren kann. Die Foto-Abteilung des Blattes wäre vermutlich ziemlich ins Rudern geraten, weil Archiv-Bilder eben das Problem der Unaktualität haben. Und ähnlich wäre das Problem beim TV. Der hier angesprochene Fall zeigt doch, was passiert, wenn ein Thema als *wichtig* angesehen, ihm daher viel Sendezeit eingeräumt wird und es dann dazu aber keine Bilder und Töne gibt. Auch als Zuschauer sehe ich lieber den Rücktritt von Käßmann persönlich als von Jo Groebel vorgelesen und noch schlimmer: interpretiert.
Zitat: „Dieses endlose Nichts aber hatte selbst für n-tv-Verhältnisse eine eigene Qualität.“
Hiermit möchte ich auf die „Tsunami-auf-Hawaii“-Berichterstattung auf CNN hinweisen, welche einen neuen Maßstab in Bezug auf „endloses Nichts“ darstellte und sicherlich eines eigenen Beitrags würdig ist. Da hat selbst die Alpenwebcamcollage morgens auf Bayern 3 mehr Dynamik.
…und während eine totalitäre Institution wie die katholische Kirche der Justizministerin ein 24Stunden-Ultimatum stellt -wofür eigentlich? Kommt sonst Jack Bauer??- macht die Harald-Schmidt-Show am vergangenen Donnerstag über weite Strecken aus dem schweren, aber privaten Fehler von Käßmann ein pupertäres Spassfeuerwerk auf Pocher-Niveau, traut sich aber mit (k)einer Silbe nur an das Mißbrauchskartell der römischen Kirche. Die „Heute-Show“ Tags darauf machte es genau umgekehrt. So etwas nennt man Haltung!
@thomas hackenberg: Deshalb schlafe ich bei Schmidt ja auch regelmäßig ein, bei der heute show nicht.
für Ali aus Afrika, damit er weiß was ihn erwartet, wenn er wieder nach D kommt, für thomas hackenberg und SvenR.
Vor-Mai
(eine Collage in grün und schwarz)
Der kalte Winter ist vorbei,
Der letzte Schnee verwehte.
Was Mensch jetzt trinkt ist einerlei,
Es helfen nur Gebete
Der Frühling naht, es welkt das Grün
Und kriegt schon schwarze Flecken.
Vom Minarett ein Muezzin,
Der wird die Wähler wecken.
Mit Kreuzen kann der Muselmann
Auch hier die Welt verändern.
Im Beichtstuhl sitzt ein Kirchenmann
Derweil mit Kinderschändern.
Sitzt dort auch Nachts und schläft nicht mehr,
Alpträumt von Messe- Ständern.
Die CDU braucht Geld so sehr
In allen Bundesländern.
Als Infostand im Mess` -Gewand
Vermieten sich die Schwarzen.
Die Spender bleiben unerkannt
Und Kröten haben Warzen.
Wie man die schluckt, das wissen die,
Die wir einst „Ökos“ nannten.
Die Stimmungsforscher rechnen wie
Verrückt mit Unbekannten,
Mit Wählern und mit Leidenschaft,
Doch niemals mit Konstanten.
Nichts wissen gibt dem Wähler Kraft.
Und alle Wahlverwandten,
Die hoffen, dass der Mai was schafft.
Was hilft statt Wüst zu schimpfen?
Mit Rüttgers Club statt Traubensaft
Die kranke Seele impfen.
@ Gregor Keuschnig: Eine sehr berechtigte Frage. Aber bei der Entwicklung von n-tv müssten demnächst noch sehr sehr viele Artikel „n-tv“ heißen. Vielleicht müsste man eine Kategorie „Ach, n-tv, du schon wieder (hier schnell wachsende Zahl)!“ erfinden.
@Nimuan: Erzkonservative, katholische Politiker, die Menschen im Suff zu Tode fahren, werden in Bayern Minister und können als krönenden Abschluss ihrer politischen Laufbahn in den Vorstand der Bahn wechseln. Ob Frau Käßmann auch noch so eine steile Karriere bevorsteht, weiß ich nicht.
@ Digital Tom
Und das ganze sogar ohne Gewissensbisse. Das sind die praktischen „Vorteile“ des Sakramentes Beichte.
@19 apropos Hawaii-Tsunami: In „offiziellen“ Radionachrichten hörte ich tatsächlich vorgestern oder gestern die erstaunliche Meldung, dass der Tsunami vor Hawaii „bereits die Höhe von EinMeterFünfzig“ erreicht hat.
SurFer, latürnich.
@16 Gregor Keuschnig
>>Alvin Curling (born November 15, 1939) is a prominent Black Canadian. He was Canada’s envoy to the Dominican Republic from 2005-2006. A former politician in Ontario, Canada, he was Speaker of the Legislative Assembly of Ontario until he resigned on August 19, 2005 to accept his diplomatic appointment.
Quelle: Wikipedia
Man stelle sich vor ein röm.-katholischer Bischof wäre mit 1,5 Promille bei rot über eine Ampel gefahren.
Der blutjunge Polizist zum Priester: „Bitte blasen“
Nicht auszudenken…
und der Priester: „Du zuerst….“
@JO (25):
Falsch. Ohne Reue keine Absolution.
20, 21 (Th. Hackenberg und Sven R.):
Harald Schmidt hatte die katholische Kurche längst zuvor, genauer zwei Wochen zuvor bös aufs Korn genommen. Also bitte schon etwas genauer hinschauen vor dem Urteilsspruch.
Und warum ausgerechnet die „Heute-Show“ so bejubelt wird, mag sich mir nicht ganz erschließen. Ich kann da weder Haltung noch Niveau erkennen. Verglichen etwa mit „Neues aus der Anstalt“ wirken die Gags von Welke und Co eher wie aus einer Schülerzeitung entnommen.
Der n-tv-Internetreporter berichtete, dass es bei Twitter unterschiedliche Meinungen zum Thema gebe.
hihihi…
So etwas kurz vor dem Beschluss zu Afghanistan.
Das kann kein Zufall sein.
Auf jeden Fall ist sie jetzt weg.