Von Bums- und anderen Glücksgriffen

Dass Isi Yilmaz in seiner sympathisch-kaputten Münchner Kneipe X-Cess auf den Toiletten Haltegriffe angeschraubt hat, damit die Besucher beim spontanen Sex nicht immer die Spülkästen von der Wand reißen — diese Information wollten die Verantwortlichen von sueddeutsche.de ihren Lesern lieber nicht zumuten. Und auch die Geschichte, warum Yilmaz glaubt, irgendwann den „Nobel-Friedens-Dingsbums“ zu bekommen, musste Matthias Eberl aus seiner Audio-Diashow auf sueddeutsche.de über den Laden herausschneiden. Aber Eberl hat die ungekürzte Version einfach auf seine eigene Seite gestellt

— und dafür gestern den Deutschen Reporterpreis in der Kategorie „Beste Webreportage“ gewonnen. Eberl nahm den mit 5000 Euro dotierten Preis auch als Anerkennung für das jahrelange, oft miserabel bezahlte Experimentieren mit dem Genre der Audio-Slideshow und hatte den restlichen Abend im Berliner „Rodeo“ ein solches Glücksbärchen-Grinsen, dass kein Zweifel aufkam, dass es den richtigen getroffen hat.

Rund 70 Einsendungen hatte es in dieser Kategorie gegeben, und ich war (als Jury-Mitglied) ein bisschen enttäuscht, dass die Resonanz auf den Aufruf nicht größer und besser war. Die Qualität vieler eingereichter Beiträge war durchwachsen, und ein größerer Teil waren bloß online gestellte Artikel aus Zeitungen — die auszuzeichnen, hätte eine eigene Web-Kategorie einigermaßen sinnlos gemacht.

Es gab nur wenige wirklich überzeugende Kandidaten. Das liegt vermutlich auch daran, dass der Preis noch nicht bekannt genug ist, und das „Reporter-Forum“ als Veranstalter eher aus der klassischen Print-Reportage im Umfeld von „Spiegel“, „Geo“ und „Süddeutscher Zeitung“ kommt. Aber natürlich liegt es auch daran, dass es um den Online-Journalismus (noch) nicht so gut gestellt ist in Deutschland. Es fehlt die Ausstattung und die Kultur.

Und manchmal auch einfach der Gedanke, dass man in einem multimedialen Medium arbeitet, was mehr beinhaltet als nur die Möglichkeit, Klicks mit sinnlosen Bildergalerien in die Höhe zu treiben. Die nominierte Reportage von David Hugendick auf „Zeit Online“ zum Beispiel beschreibt wunderbar den Kampf des stotternden Autoren gegen saisonal wechselnde Buchstaben. Aber eigentlich hätte es so nahe gelegen, eine Aufnahme einzubinden, in der man sich die Sprechübungen selbst anhören kann!

Online-Journalisten brauchen besondes viel Idealismus. Von der Möglichkeit, Tage oder gar Wochen in eine Reportage zu investieren, können sie nur träumen. Insofern ist es kein Wunder, dass viele der Artikel, die in den Print-Kategorien des „Reporter-Preises“ nominiert waren, von ganz anderer Qualität sind, weil sie unter ganz anderen Bedingungen entstanden sind: mit üppigen Spesen- und Zeitbudgets.

Und einem manchmal etwas beunruhigenden Gefühl eigener Großartigkeit, was einen unguten Kontrast ergab: Während ich als Laudator in der Kategorie „Web-Reportagen“ gesagt hatte, dass es da noch Luft nach oben gibt, konnte man bei den Lobreden auf die richtigen Reporter das Gefühl haben, dass es fast einem Wunder glich, dass es den Juroren gelungen war, in einem unüberschaubaren Kreis perfekter Texte noch einzelne entdeckt zu haben, die es auf wundersame Weise geschafft hatten, 101-prozentig zu sein.

Keine Frage: Das „Reporter-Forum“ ist eine feine Einrichtung, die sich der Förderung der Kunst und des Handwerkes der Reportage verschrieben hat. Und es ist eine gute Idee, das mit einem eigenen Preis zu befördern. Aber es hatte für mich auch etwas Dekadentes zu sehen, wie die Großjournalisten nacheinander auf die Bühne kamen und Preis-Quartett spielten: Wer hat die meisten Preise, die frühesten Auszeichnungen, die höchsten Dotierungen, die lustigste Preisanekdote…

So ganz klar ist mir nicht, warum es einen neuen Preis braucht, um den „Spiegel“-Report „Der Bankraub“ aus dem vergangenen Jahr, der schon mehr Auszeichnungen bekommen hat, als sich die Schreiber erinnern können, noch einen weiteren, hoch dotierten Preis zu geben. Oder der (zurecht) vielfach preisgekrönten „Zeit“-Redakteurin Sabine Rückert. Es ist ja nicht so, dass diese Leute bei den bereits existierenden Auszeichnungen chronisch übergangen würden.

Der „Reporter-Preis“ hat sich selbst das Ziel gesetzt, Journalisten zu „ermutigen, Geschichten zu entdecken, die noch keiner kennt“. Wäre es nicht schön, wenn er dabei auch gezielt Reporter entdecken wollte, die noch keiner kennt, und sich vornimmt, Talente mit einem Geldsegen zu fördern, die nicht das solide Gehalt eines langjährigen Zeitschriftenredakteurs im Rücken haben?

Die Nominierten in der Kategorie „Web-Reportage“:

Die Gewinner in den anderen Kategorien:

Alle nominierten Artikel als PDF: Lokalreportage, Text des Jahres, Reportage.

[Offenlegung: Ich war nicht nur Mitglied der Web-Reportagen-Jury, sondern mit diesem Blogeintrag auch selbst in der Kategorie „Text des Jahres“ nominiert — was mich freut, aber zur Vermeidung naheliegender Inzucht- und Kungel-Vorwürfe doch eher keine gute Idee war.]

107 Replies to “Von Bums- und anderen Glücksgriffen”

  1. danke für diesen informativen artikel.
    er wäre noch besser ohne den klammertext im ersten absatz.
    dafür steht ja der link, damit so ein beredter schwanzfixierter türkenmacho sich o-ton mäßig mal bundesweit auslassen kann dem geneigten hörer gegenüber.

  2. @zoey: Och jööö… der meint das doch nicht böse. (Ich hab die Beschreibung in der Klammer trotzdem rausgenommen, weil es, glaube ich, viel netter ist, sich die Auflösung selbst anzuhören.)

  3. ich schau mir das kunststück ja auch an.
    bin gespannt, ob herr yilmaz den (m) gästen ein paar avocados reicht.

  4. Darf man hier die Wortkombi „supereitles Rumgewichse“ benutzen? Oder wird das rausgestrichen? Ich finde jedenfalls, dass man nur so (und nicht anders) diesen Reporter-Preis charakterisieren kann. Was soll es denn, zum xten Mal die schon ymal ausgezeichneten Heroen des deutschen Journalismus von ZeitSpiegelGeoSternetc. auszuzeichnen? Warum muss es noch einen Preis geben, den sich die Branche für sich selbst verleiht? Interessiert das da draußen jemanden? Ich glaube: nein. Es widert eher an.

  5. Ich empfand Sabine Rückerts Reportage „Todfreunde“ als schwierig und nicht preiswürdig. Einfach, weil Rückert es nicht schafft, den Opfern gerecht zu werden. Bei einem Serienmörder schreit es doch danach. Da verstehe ich die Jury nicht.

  6. Schön, freut mich, dass diese Reportage gewonnen hat, die ist mir damals auch aufgefallen, Glückwunsch!
    Das Konzept der Süddeutsche-Audio-Slideshows ist zwar knallhart von „One in 8 million“ der NYT kopiert, aber dennoch ein sehr schönes Format.

    Aus medienökonomischer Sicht aber leider schwierig.

    Audioreportagen sind wohl leider weder „nutzwertig“ genug, noch vermarktungsfähig, um sich zu refinanzieren. So bleibt das wohl ein Redaktionsluxus.

  7. Die Nasen von sueddeutsche.de trauen sich übrigens nicht einmal, ihren Lesern die Wahrheit zu sagen. Sie zitieren die Begründung der Jury:

    „Eberl porträtiert mit einem Ton amüsanter Beiläufigkeit den Wirt einer Münchner Künstler-Kneipe. Die Jury hat an Eberls Geschichte beeindruckt, dass sie brillant erzählt ist, dass sie bis zum Ende spannend und überraschend bleibt, dass sie ihrer Hauptfigur genug Raum lässt, und, vor allem, dass sie technisch auf hohem Niveau produziert wurde. Mit Bildern, O-Tönen und Geräuschen aus der Kneipe schafft Eberl eine dichte Atmosphäre, die in dieser Form nur im Netz funktioniert, nicht in einer Print-Reportage.“

    Doch die Begründung hat im Original noch einen weiteren Satz:

    „Die Jury bedauert, dass diese Reportage auf süddeutsche.de nur in verkürzter Form zu sehen ist.“

    Der fehlt auf sueddeutsche.de. Die Wahrheit ist so schwer zu ertragen.

  8. Lieber Stefan Niggemeier,

    korrigieren Sie mich, aber ich lese Ihren Eintrag so:

    Wenn Online-Journalisten nur wenige ordentliche Reportagen (oder anderen ordentlichen Journalismus) hinkriegen, liegt das an den Mikro-Budgets.

    Wenn Holz-Dinosaurier-Print-Schreiber gute Geschichten hinkriegen, liegt das an Budgets, die so ausufernd groß sind, dass die Kollegen gar nicht mehr anders können, als gut zu sein.

    Aus ihren Einträgen der letzten Monate lese ich weiterhin, dass wenn die Holz-Print-Leute Mist bauen, dass nie an immer weiter zusammen gestrichenen Budgets liegt, sondern immer daran, dass sie faul/einfältig/eitel/und ohnehin von gestern sind.

    Kann es sein, dass Sie inzwischen doch mehr als ein bisschen voreingenommen sind?

    P.S.: Ich arbeite beim Holz-Medium „stern“

  9. @daste: Nein, das lesen Sie falsch, und das habe ich auch so nicht geschrieben. Man kann auch mit wenig Budget tolle Sachen machen (Stichwort „Idealismus“, womöglich auch „Selbstausbeutung“), und ein großes Budget ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für einen Report wie den des „Spiegel“ über die Bankenkrise.

    Ich weiß auch nicht, woher Sie das mit den Holz-Dinosauriern nehmen. Ich liebe Zeitungen und schreibe gerne für Zeitungen.

    Und können Sie mir hierfür…

    Aus ihren Einträgen der letzten Monate lese ich weiterhin, dass wenn die Holz-Print-Leute Mist bauen, dass nie an immer weiter zusammen gestrichenen Budgets liegt, sondern immer daran, dass sie faul/einfältig/eitel/und ohnehin von gestern sind.

    …einfach mal ein Beispiel nennen?

  10. @niggemeier

    Danke für die Präzisierung – die beruhigt mich. Zum Beispiel-Suchen habe ich jetzt (ha!) echt keine Zeit. Es ist mehr ein Bauchgefühl. Liegt vielleicht an zunehmender Dünnhäutigkeit und an meinem festen Glauben ,dass es erheblich mehr gute, aufrechte und ordentliche Schreiber gibt als die meisten hier glauben. Dass Sie das wissen, nehme ich Ihnen weiterhin ab.

  11. @ 12/13: Ja, sicher doch, der stern wurde jahrzehntelang (Jahrhunderte?) nur mit Bauchgefühl gemacht. Das ist das Prinzip dieses Blatts. Realität findet draußen statt. Hauptsache die These sitzt.

  12. @niggemeier.

    Na gut, wenn man den Ball auf die Torlinie legt, muss man sich nnicht beschweren, wenn der andere ihn dann auch reinhaut.

    Aber, mal aus dem Nähkästchen: Versuchen Sie mal ein Bauchgefühl bei unseren factcheckern (Dokumentaren) vorbeizubringen – Sie kommen nicht weit.

    Für den Rest: Dokumentare sind Kollegen, die die Richtigkeit aller Angaben in einem journalistischen Text überprüfen und vom Schreiber Belege einfordern und gegebenenfalls selbst nachrecherchieren. Ist eine Einrichtung von ganz, ganz früher. Im Netz total unnötig.

  13. Ach Gottchen, die factchecker beim stern. Und wo waren die damals? Na, daste, weißt schon.

  14. Niggemeier hat ja neben das Geld – auf das hier sofort und immer eingegangen wird und mit „Budget“ bezeichnet wurde – den Zeitfaktor genannt, ich glaube dieser ist wesentlicher.

  15. Nachtrag zum Zeitfaktor: Es ist wie mit dem Bachelor, meine Texte waren zusammengeschusteter, weniger recherchiert, weniger sauber zitiert, als meine späteren Arbeiten -nach der Flucht aus diesem Bologna-Intermezzo – im Magister.

  16. Lieber Herr Niggemeier,

    Sie schreiben:

    „Die Qualität vieler eingereichter Beiträge war durchwachsen, und ein größerer Teil waren bloß online gestellte Artikel aus Zeitungen — die auszuzeichnen, hätte eine eigene Web-Kategorie einigermaßen sinnlos gemacht. Es gab nur wenige wirklich überzeugende Kandidaten.“

    Die Kulturredaktion des Freitag gehörte bestimmt nicht zu diesen Kandiaten – aber wir gehörten auch gar nicht in diese Kategorie.

    Ich habe unseren Text „Früchtetee der Literaturkritik“ in der Kategorie „Text des Jahres“ eingereicht. Und so war ich dann einigermaßen erstaunt, dass der Beitrag – eine Online-Kritik zur ZDF-Sendung Die Vorleser – von der Kategorie „Text des Jahres“ in die Kategorie „Web-Reportage“ umgebucht wurde.
    Nun kann man vielleicht sagen, dass unsere Kritik kein ‚Text des Jahres‘ ist, eine Web-Reportage ist sie aber selbst beim besten Willen nicht. Ich hatte den Eindruck, dass die Zuständigen mit dieser Umbuchung einfach das dürftige Angebot in dieser Kategorie quantitativ stärken und möglicherweise auch den Namen „Freitag“ irgendwo unterbringen wollten (immerhin zahlt die Rudolf-Augstein-Stiftung den Preis). Jedenfalls kam ich mir etwas verarscht vor. Und nun finde ihr Urteil allgemein wohl zutreffend aber in unserem Fall halt fehlgehend.
    Schöne Grüße

  17. Die Audio-Slideshow finde ich wirklich sehr schön. Als beste Sportreportage möchte ich diesen Kommentarstrang hier nachnominieren. Und Die Frau am Fenster ist den Springfield Kindernachrichten absolut würdig.

  18. Und ich möchte noch hinzufügen, dass Michael Angele eigentlich wegen seiner früheren „Altpapier“-Texte nachträglich einen Preis verdient hätte.

    :-)

  19. @14,16:

    Das Bauchgefühl der Fact-Cecker wurde damals umgangen, weil die Redaktion umgangen wurde.

    Heute fehlt den Blattmachern vom Stern oft das Bauchgefühl. Nämlich das Bauchgefühl, welche Themen ankommen.

  20. Nun ja, Herr Niggemeier, man kann sich sicherlich darüber streiten, ob die Laudatio (!) im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung der richtige Ort und der passende Moment sind, um über das Niveau der nominierten Beiträge zu lamentieren.
    Ich persönlich fand zunächst einmal ausserordentlich „uncharmant“. Es ist nämlich eigentlich egal, ob sie vollkommen recht haben oder nicht oder vielleicht sogar die Meinung der kompletten Jury wiedergaben: In einer Laudatio gehört sich etwas nicht.
    Auch egal, ob es von Ihnen als Ansporn oder Motivation gemeint war: Für die Nominierten, die im Saal sassen war es ein unerfreulicher Moment.
    Neben mir (nominiert, aber ich sag jetzt hier natürlich nicht, für welchen Beitrag; Sie Herr Niggemeier, können es natürlich simpel anhand meiner Emal sehen…) sassen zwei weitere in der Kategorie Web-Reportage nominierte und man konnte uns unisono nach Luft schnappen hören.

  21. @ xy: Vielleicht haben Sie recht mit dem unisono nach Luft Schnappen, aber machen Sie das nicht zulange, sonst nennt man das Hyperventilieren.

  22. @27.: warum nicht? und überhaupt: hä?!

    böser böser niggemeier! das nächste mal ein bisschen was netteres sagen, dann schmeckt der seckt nämlich besser.

  23. @xy: Ich verstehe, was Sie meinen, und womöglich haben Sie Recht. Nur: Ich habe nicht über das Niveau der nominierten Beiträge lamentiert. Ich habe über das Niveau der eingereichten Beiträge lamentiert. Mag sein, dass das wie ein rein akademischer Unterschied klingt; mag sein, dass ich das nicht deutlich genug gemacht habe.

    Nichtsdesoweniger: Die nominierten Kandidaten waren nominiert, weil wir sie nominierungswürdig fanden. Und den preisgekrönten, weil wir ihn preiswürdig fanden.

  24. @ Alberto Green:
    Nett, dass Sie sich Sorgen machen. Keine Angst, wir schnappten 1x und habe dann hektisch nach dem netten Kellner mit den Weinflaschen gewinkt….

  25. Nachtrag:
    Ich gebe zu, dass ich eben ein bisschen beleidigt geklungen habe. Sollte es nicht wirklich.
    Und der Gewinnerbeitrag hat absolut zu recht gewonnen.
    Und ich gebe hier nun auch zu, dass ich mich gebauchpinselt fühlte, dass eine Jury, in der ausgerechnet der von mir so geschätzte Herr Niggemeier sass, dann auch ausgerechnet meinen Beitrag für nominierungswürdig hielt. Vielleicht war ich deshalb über die Laudatio so verdutzt.

  26. Dass der Herr Niggemeier bei einer Laudatio nicht auch mal fünfe gerade sein lassen kann, finde ich auch befremdlich.

  27. Lieber Stefan Niggemeier,

    ich mache hier kein Fass auf. Aber eingedenk der Tatsache, dass unser Text in die Kategorie „beste Web-Reportage“ ungefähr wie ein Essay in die Kategorie für das beste Gedicht passt, ist die Aussage „Die nominierten Kandidaten waren nominiert, weil wir sie nominierungswürdig fanden “ schon etwas dünn.
    Erwarte keine Antwort, wollte es nur anmerken.
    Schöne Grüße

  28. Nr. 27, XY: Diese Ansicht teile ich nicht. Ich finde es furchtbar, wenn bei einer Laudatio nur rumgeschleimt und rumgesülzt wird. Eben solches gilt auch für Abschlussreden und dergl.

    Vor dem Problem stand ich 2003 auch, als ich die Abschlussrede nach dem Abitur halten sollte. Die Rede war gut, ohne Frage. Viele haben mich gelobt. Aber ich habe mir auch unheimlich viel Antipathie zugezogen, weil ich es wagte, berechtigte Kritik zu üben. Das finde ich nicht korrekt.

    Eine Rede sollte ehrlich sein.

  29. Habe mir grade die Gewinnerreportage reingezogen…
    Sehr geil und echt schade, dass ich den Laden verpasst habe, als ich noch in München gewohnt habe…
    München kann sich ja leider keiner mehr leisten…

  30. Was 39) betrifft, der hier wohl sonst unter dem Namen eines Verleger-Sohns auftritt: herzlichen Dank trotz allem für den Link zum Video, der hier auf große Heiterkeit stieß. Ein wenig Mitleid gab es mit Mutter Hedwig, die so tapfer während dieser „vielbeachteten“ Rede durchhielt.
    Und nun gehen Sie bitte wieder zurück auf ihren eigenen Spielplatz. Es ist ziemlich unhöflich, andauernd hier mit themenfremden und überflüssigen Beiträgen reinzuplatzen. Es gehört sich einfach nicht.

  31. Das ist immer schrecklich, wenn man als Leser einen gelöschten Beitrag verpasst. Das ist so, als hätte man 5 Folgen seiner Lieblingsserie hintereinander verpasst. Schrecklich.

  32. @1/2

    Eyyyyyyy, Moruk, lan, deine Mama, meine Mama, alle Mütter blablabla. *Hose in die Socke steck*

    Ist das „Türkenmacho“ genug……?

    ………Türkenmacho…………..

    Randinfo: Bin in Deutschland auf die Welt gekommen, meine Eltern sind halt Türken. Aber der „Türkenmacho“ passt auch, mein Guter. Passt scho.

  33. Ob der Reporterpreis nun „Journalisten ermutigen soll, Geschichten zu entdecken, die noch keiner kennt” oder nur „supereitles Rumgewichse“ darstellt, will ich hier nicht hinterfragen. Die Geschichten, die dabei herausgekommen sind, haben mir jedenfalls die letzten vier Stunden versüßt, mich nicht dümmer gemacht als ich bin und ausserdem zur Reinigung meiner Bindehautsäcke beigetragen. Wenn das der „Qualitätsjournalismus“ sein soll, dessen Refinanzierung zukünftig auf dem Spiel steht, so bin ich, in Ermangelung monetärer Mittel, gerne bereit zumindest die „Interessanz“ der entstehenden Produkte durch Aggregation und einen Kommentar wie diesen zu würdigen. Immerhin. Vielen Dank.

  34. @ Michael Angele: Stefan Niggemeier hat es bereits gesagt, aber vielleicht nicht deutlich genug: Für das Einsortieren der Beiträge in Kategorien waren die Juroren nicht zuständig. Hier wird der falsche Baum angebellt.

  35. @Kathrin Passig

    Als Juror könnte man ja mal sagen: Der Beitrag hat bei uns aber nichts verloren, oder was weiß ich. Wie gesagt, wollt’s nur anmerken. Aber dieses Rechthaben geht mir schon ein wenig auf den Senkel. Wieso nicht einfach mal sagen: Stimmt, oder was weiß ich. Na ja, sind alte Geschichten zwischen Baum und Hund…

  36. zu dumm, einreichtermin verschlafen. bestimmt hätte die angedachte slideshow über frau feierabend – die gehwegreinemachefrau aus meiner strasse – bei der jury beachtung gefunden. der text hat es von der qype-review in die BILD geschafft, und frau feierabend hatte sogar einen auftritt bei rtl-supertalent, ich mein‘ .. 
    beste lokalreportage für das münchner kumpelnest ist eine gute wahl, freue mich mit dem namensverwandten honigkuchengesicht!

  37. Die Kneipen-Slideshow ist ja ganz nett. Aber auch nicht mehr. Verglichen mit mediastorm.org sehr amateurhaft. Stand da vielleicht der Wunsch der Jury im Vordergrund etwas „technisch zukunftsweisendes“ auszuzeichnen, auch wenn es inhaltlich dürftig ist, anstatt einfach nur eine gute Erzählung, einen guten Text?

  38. @SN, betreffend ##40, 41, 42: Wäre es nicht besser, oder vielleicht transparenter, einen Beitrag nicht völlig zu löschen, sondern nur den Text durch den Vermerk GELÖSCHT zu ersetzen? Dann kämen solche in der Luft hängenden Kommentare wie #40 und 41 von treets nicht vor. #42 (Martin) hat ganz recht, sowas reißt furchtbare Lücken ;)

  39. Erst einmal Danke für den Text und die Links zu den sehr guten Texten. Auch mich freut es, dass die Reportage von Matthias Eberl gewonnen hat. Beim anschauen habe ich mir ständig dabei gedacht: „Der/die/das kennst Du doch – irgendwie!“. Sowohl die Kneipe, der Protagonist, die Besucher als auch die Aufmachung der Reportage. Ebenso begrüße ich es, dass nicht nur ein reiner Text diesen Preis gewonnen hat, da die möglichen Darstellungsformen im Internet professionell und ausgewogen ausgenutzt wurden. Dieses Gefühl zwischen alt bekannten und dennoch neu finde ich sehr spannend und mag es persönlich sehr.

  40. Ich ahne, dass es scheiße aussieht, noch einen hinterher zu schießen, nachdem daste die Einschläge so elegant genommen hat, aber zum Verhältnis Holz- und Online-Medien muss aus meiner Sicht noch eine Kleinigkeit gesagt sein: Die Tatsache, dass es nicht mehr guten, tatsächlich multimedialen Journalismus in Deutschland gibt liegt auch daran, dass es sich die angestellten Kollegen bei den Holzmedien sehr lange sehr bequem gemacht haben, und den Online-Ableger ihres eigenen Titels mit einiger Scham schlecht geredet anstatt ihn mit Ideen und (möglicherweise sogar freiwillig geleisteter Mehrarbeit) zu unterstützen. Es waren und sind Pionierzeiten, und ausgerechnet ein Berufsstand, der sich auf die Säulen „Neues entdecken“ und „Geschichten erzählen“ stützt hat sich in breiter Front geweigert, neue Möglichkeiten zu entdecken Geschichten zu erzählen. Auch und gerade beim Stern, dessen Online-Auftritt aus meiner Sicht eher lächerlich ist und der Marke und ihrer Geschichte in Nichts gerecht wird. Hat der Stern überhaupt eine Online-Reportage zu diesem Preis eingereicht? Oder hatte man gerade keine? Vielleicht deshalb, weil man noch nie so etwas wie eine echte Online-Reportage produziert hat? Beim STERN, den ehemaligen Gralshütern der Reportage?
    Der Beitrag der großen Verlagshäuser zum Online-Journalismus in Deutschland ist bisher bis auf wenige, winzige, gut gemeinte Versuche eine Zumutung. Es verwundert nicht, dass ein Selbständiger diesen Preis gewinnt, der sich auf dem Weg, neue Erzählformen zu finden, selbst ausbeutet. Diese Typen sind nämlich bis heute die einzigen, die Neues schaffen, und das ist tatsächlich auch ein Vorwurf an daste und seine Kollegen. Wo seid ihr eigentlich all die Jahre gewesen? Beschäftigt damit, einfach immer weiter zu machen? Weil die Welt schließlich für immer bleibt, wie sie ist? Es kann euch doch nicht egal sein, dass alle schönen neuen journalistischen Formen ohne euch entstehen. Ihr wart einmal die besten in der Liga. Jetzt seit ihr die Besten bei den 1. oder 2. Herren – bei den Senioren.
    Aus meiner Sicht ist „Stefan Niggemeier“, neben allem anderen, wahrscheinlich die zukunftsfähigere Medienmarke als der „Stern“. Ich glaube (und hoffe für ihn), er wird noch von seiner Arbeit leben können, wenn der Stern nichts anderes mehr einfährt als Millionenverluste.

  41. @Michalis: Danke für die Blumen, aber Sie kennen offenbar die großen Erfolge von stern.de noch nicht. Die arbeiten nach der erfolgreichen „Expand Your Brand“-Strategie jetzt an deren konsequenter Fortsetzung: „Expand your Structure“ und setzen auf den Ausbau von Softwareentwicklungskompetenz und den Aufbau von Netzwerkstrukturen. Die Seite selbst ist in den vergangenen Monaten — offenbar ohne, dass es jemand gemerkt hätte — qualitativ deutlich weiterentwickelt und modernisiert worden und hat ihr Profil geschärft. Jetzt geht es darum, vom News-Portal zum „Information Service Provider“ zu werden. Steht alles in meinem Lieblingsmediendienst.

    Wenn das nicht die Zukunft ist, was dann? Journalismus??

  42. @Stefan: Ich bin, nachdem ich die entschlossenen Sätze Management-Sprech gehört habe, kurz aufgestanden und habe salutiert. Dann habe ich einige Minuten in ehrfürchtigem Schweigen verharrt. Inzwischen allerdings wächst in mir ein bisschen die Befürchtung, dass es vielleicht gar nicht an mir liegt, dass diese Strategie wirkt, als hätte Gruner & Jahr schon wieder einen neuen Chef.

  43. @55:

    Infohonorare sind eine Art Aufwandsentschädigung und in der Regel sehr niedrig. Sie sind im gesamten Gewerbe üblich und es gibt überhaupt keinen Grund, deswegen hier die Welle zu machen.

  44. @56:

    Wer eine Frage stellt, macht eine Welle? Dann bin ich gerne Wellenmacher. Leute, die man interviewen möchte, mit einem Honorar zu locken ist „im gesamten Gewerbe üblich“? Dann nennt man auch: Pauschalurteil. Ich hoffe, das trifft nicht auf Herrn Niggemeier zu. Und wenn es üblich wäre: macht es das richtig?

  45. @55: „Ist das die Art von Reporter, die mit diesem Preis gefördert werden soll?“

    Nein, bei der Jurysitzung wurde nicht über die charakterliche Eignung der Reporterin diskutiert, noch kannte jemand ihr Vorleben – einziges Kriterium war ihr Text, und den fanden die Juroren sehr gelungen.

    @ 21, Umbuchung, Michael Angele

    Ja, die Vorjuroren Print haben Ihren Text „Früchtetee der Literaturkritik“ an die Vorjury Online weitergeleitet, weil sie fand, dass er dort besser aufgehoben wäre. Niemand wollte Sie „verarschen“, noch wollte jemand Jakob Augstein einen Gefallen tun – man wollte einfach Ihrem Text eine zusätzliche Chance geben. Die er dann ja auch bekam: Er wurde für die Endrunde bei der Webreportage nominiert. Für uns gehören Live-Blogs sehr wohl zu den neuen Erzählformen im Netz, wir werden sie auch weiterhin berücksichtigen bei der „Webreportage“.

    @4, „supereitles Rumgewichse“

    Tja. Viele Leute haben viel Freizeit geopfert, um diesen Preis ins Leben zu rufen, einen Preis, der unabhängig ist von irgendwelchen äußeren Interessen (die meisten Journalistenpreise sind bekanntlich reine PR-Maßnahmen), und dann solche Sätze. Das tut schon weh.

    Nein: Wir wollen, dass der Preis eine Debatte anregt, über das Schreiben, das Erzählen, über Qualität und wie sie entsteht. Diese Debatte wird jetzt unter anderem hier geführt. Wie schön.

  46. @treets: Informantenhonorare sind eine Pest. Die Idee einer „kleinen Aufwandsentschädigung“ finde ich in Ordnung. Als Informant, der eine Geschichte zu erzählen hat oder jemand kennt, der eine Geschichte zu erzählen hat, kann man aber heutzutage den Preis ordentlich in die Höhe treiben. Wer als Medium oder Journalist nicht mitmachen will oder kann, zieht den Kürzeren (bzw. wird sogar von Informanten als „Ausbeuter“ betrachtet, schließlich zahlt diese oder jene Boulevardzeitung eine stattliche Summe. Die haben dann in den Augen vieler Menschen“Anstand“, schließlich sind die Zeiten hart und jeder muss gucken, wo er bleibt…).

  47. Oh nein!

    Das x-cess ist eh immer so überlaufen, und jetzt auch noch das.

    Liebe Leute die ihr den Laden nicht kennt:
    Geht nicht hin. Bleibt zu Hause. Lest ein Buch!

    Danke

  48. @57: Bravo! Stefanie sie gefallen Uns!

    @56:
    Frau Antje Windmann schreibt von einem „Infohonorar!“ nicht von einer „Aufwandsentschädigung“.

    Man stelle sich mal vor, treets Totschlagargumente: „ist halt im gesamten Gewerbe üblich“ mach Schule, wie soll dann bitte schön der „Sollwert“ im Journalismus erreicht werden?

    Weitere robotische Fragen an treets ( von Stefanie inspiriert):

    1. Wer bestimmt was „gesamten Gewerbe üblich“ ist?

    2. Steigt der Informationsgehalt einer Reportage, jehöher das „Infohonorar!“ ist?

    3. Steigt das „Infohonorar!“ bei einer höheren gesellschaftslichen Position mit?

    MfG
    Eure Wellenmaschine
    Roboter

  49. Es ist eben gerade nicht im gesamten Gewerbe – ich nenne es lieber: Profession – üblich. Ich glaube, dass Reporter, die ihren Informanten Honorare zahlen, die Ausnahme sind. Darum sollten wir ihre Haltung nicht weniger kritisch hinterfragen. Es geht nämlich nicht nur um Haltung, sondern auch um Zukunft. Oder wollen Reporter ihre eigene Profession untergraben, indem sie den Eindruck verbreiten, dass Journalisten für Informationen bezahlen?

  50. Ja, war vielleicht etwas harsch, aber ich find’s schon merkwürdig, fast luhmannesk, wie sich bei Preisen immer, immer und immer wieder die selben Leute in der Jury und auf dem Podium treffen. Was in aller Welt unterscheidet denn z.B. den Kisch-Preis von Ihrem Preis? Sie könnten fusionieren, und niemand würde es merken, Ausgezeichnete und Juroren und Gala-Gäste (wahrscheinlich auch immer die selben) hätten halt nur einen Termin weniger, an dem sie sich treffen und, äh, feiern könnten.
    Innovativ wäre es gewesen, mal einen Preis auszuloben, der den Leuten eine Chance gibt, die keine Großverlage als geduldige Financiers und eine weiche, warme Festanstellung im Rücken haben. Dafür hätten Sie dann aber Ihre Kollegen von ZeitSpiegelGeoundmeinetwegenauchdemstern sperren müssen.
    Oder, anders gefragt: Ist der soundsovielte Journalistenpreis wirklich etwas, was noch gefehlt hat?

  51. @Ariel Hauptmeier

    ich würde vorschlagen, den Begriff Web-Reportage für Ihren Preis zu überdenken. Er macht für viele Textformen im Netz einfach keinen Sinn. Oder würden Sie eine Glosse von Harald Martenstein als Reportage des Jahres auszeichnen – mit dem Argument, er verwende „narrative Elemente“?
    Das Ganze zeigt einfach, wie stiefmütterlich und unbeholfen online immer noch behandelt wird.

  52. @Ariel Hauptmeier:

    Es war nicht Aufgabe der Jury, die charakterliche Eignung und das Vorleben von Antje Windmann zu beurteilen. Aber die Frage, mit welchen Recherchemethoden eine Reportage entstanden ist, sollte für die Jury nicht unerheblich sein. Man könnte doch in die Statuten des Preises aufnehmen, dass Reportagen, bei denen Informantenhonorare flossen, vom Wettbewerb ausgeschlossen sind. Das wäre keine Garantie. Aber ein Zeichen.

  53. 63: Stefanie, passt ihr Heiligenschein eigentlich unter einen Regenschirm? Meine Güte, was für ein Getue wegen ein paar Kröten. Als ob dadurch die Unmoral im Journalismus manifestiert würde…

    „Es geht nämlich nicht nur um Haltung, sondern auch um Zukunft.“

    Darunter ging es wohl nicht, gell? Menschen, die wegen Pipifax gleich mit der dicksten Moralkeule zuschlagen müssen, gehen mir mehr und mehr auf den Keks.

  54. @ (#66) Stefanie

    Leider kann ich Ihrer tiefe Empörung ebenfalls nicht teilen. Auch in der Wissenschaft erhalten Proband für ihre Mitarbeit Geld, ebenso die Schöffen vor Gericht – ohne den Wahrheitsgehalt der Aussagen zu hinterfragen. Was ist denn daran bitte schlimm, für den Zeitaufwand, den eine Privatperson (ich meine jetzt nicht Pressesprecher oder irgend welche Personen des öffentlichen Interesses) für ein Gespräch opfert, eine kleine Entschädigung zu zahlen? Vor allem: Wo beginnt dann das „Bezahlen“? Bei einem Kaffee, einem Essen, einer Zeitschrift/Magazin oder erst bei Geld und sei es nur Geld für eine Fahrkarte zu einem Gespräch?

    So lange niemand sich deswegen bereichert finde ich es völlig legitim, auch andere am eigenen Lohn (den man ja durch die Information erhält) mit Teil haben zulassen.

  55. Ja, dieses Getue wegen ein paar Kröten nervt. Die Heiligenschein-Journalisten sollten sich endlich den Üblichkeiten des Gewerbes und der Wissenschaft anpassen und Privatpersonen grundsätzlich ein Informationshonorar zahlen, besonders Frauen, die mehrmals abgetrieben haben. Auch Alleinerziehenden. Denen aber nur bei Veröffentlichung:

    http://www.alleinerziehend.net/recht/scheidung-trennung-unterhalt/p29788-dringend-journalistin-sucht-interviewpartner/?highlight=%22Antje+Windmann%22#post29788

  56. 70, Stefanie:

    Von „grundsätzlich… zahlen“ hat hier keiner gesprochen, auch ich nicht. Vielleicht gibt es bei Ihnen grundsätzlich nur das Grundsätzliche. Offenbar haben Sie auch grundsätzlich etwas gegen eine Autorin und möchten diese gerne hier etwas vorführen. Natürlich nur aus lauteren Motiven heraus, ist schon klar.

  57. Im Gerede von der angeblichen Dekadenz der Printjournalisten auf dieser Veranstaltung drückt sich doch etwas ganz anderes aus: Der Neid darüber, dass nicht alle prekär leben müssen. Anstatt davon zu träumen, dass auch Journalisten und Blogger mit neuen Formen im Internet Geld und Anerkennung verdienen, will man es denen absprechen, die (noch?) damit rechnen können. Wenn der Traum aber nur darin besteht, die Printjournalisten von ihrem vermeintlich hohen Ross herunterzuholen, das man an solchen Veranstaltungen meint, besichtigen zu können (nicht ohne dennoch das fette Essen und die Jurygage abzugreifen), dann finde ich diesen Nihilismus erbärmlich. Wäre es nicht schöner, es gäbe anstelle von weniger selbstbewussten, anständig bezahlten Journalisten und weniger schönen Preisen mehr selbstbewusste, anständig bezahlte Onlineschreiber mit genauso schönen oder noch schöneren Preisen?

  58. @Rainer: Holla, das ist aber mal ein interessanter Vorwurf.

    Ja, die Bedingungen unter denen wenige Reporter beim „Spiegel“ und einer Handvoll anderer Medien noch arbeiten können, sind beneidenswert, im positiven Sinne. Ich gönne sie den Kollegen — und vor allem auch mir als Leser und, sagen wir: Staatsbürger. Weil diese Art teurer Journalismus unverzichtbar ist. Auch dazu dienen solche Preise: Die Verlage darin zu bestärken, diese Inseln zu bewahren, auch wenn sie sich vermutlich nicht unmittelbar „rechnen“.

    Ich spreche den Kollegen weder Geld noch Anerkennung ab. Ich frage mich nur, warum man den Journalisten, die ohnehin schon gut ausgestattet sind, noch ein üppiges Preisgeld geben muss. Und ich fühle mich abgestoßen von der Überheblichkeit, der Sattheit, der Eitelkeit, die ich dort bei einzelnen Kollegen (nicht bei allen!) glaube wahrgenommen zu haben. Ich finde es merkwürdig, wenn bei so einer Gelegenheit plötzlich der Journalismus in den Hintergrund rückt und im Vordergrund stehen stattdessen Journalisten, die mit ihren gesammelten Auszeichnungen prahlen (ich habe das oben „Preis-Quartett“ genannt, „Schwanzvergleich“ wäre auch ein treffender Ausdruck).

    Und der Satz mit der Jurygage und dem „fetten Essen“, das von den neidischen Nihilisten „abgegriffen“ wurde, ist erbärmlich. Das leckere Essen und der ganze schöne Abend waren ein verdienter Lohn für alle Nominierten, egal aus welchem Medium. Und das Preisgeld war gerade für die, die unter prekären Bedingungen arbeiten müssen, eine handfeste Form der Anerkennung.

  59. Es gab übrigens entweder keine Jurygage, oder ich weiß davon nichts. Und selbst wenn es eine gäbe: In der Webreportagenkategorie waren 70 Beiträge zu sichten; wenn man da auch nur fünf Minuten Lese- oder Anguckzeit veranschlagt, dauert das Ganze schon sechs Stunden, die Jurydiskussion dauerte noch mal drei, für Else Buschheuer kommt noch die An- und Abreise dazu … Ich kenne mich nicht aus mit der Höhe von Jurygagen, falls es so was irgendwo gibt, aber ich vermute mal, ihre Abgreifwürdigkeit hielte sich in überschaubarsten Grenzen.

  60. Und ich frage mich nur, warum man Journalisten, die ohnehin schon gut mit Preisen ausgestattet sind, noch ein üppiges Preisgeld in Höhe von 10.000 € aus dem Topf der GEZ geben muss, Herr Niggemeier.

  61. @75:

    Ich glaube nicht, dass SN ein üppiges Einkommen hat. Und wenn ich Ihnen mal so erzählen würde, wie fahrlässig Millionen aus dem GEZ-Topf verschleudert werden, relativiert sich ihr Einwand doch erheblich.

    Wie der Kölner sagt: man muss auch gönnen können.

  62. Ich gönne Herrn Niggemeier seinen Verdienst und seine Preise. Aber warum gönnt er dann den anderen ihre nicht? Die prahlen doch damit kaum weniger als er.

  63. Man kann doch die Selbstbeweihräucherung anderer kritisieren, aber dennoch stolz auf die eigenen Leistungen sein. Dass die journalistische Leistung von Herrn Niggemeier unter Selbstgefälligkeit leidet, kann ich nicht erkennen.
    (Ich kann allerdings auch nicht beurteilen, oder Vorwurf in der Sache zutrifft, aber ich finde er hat das Recht ihn zu äußern)

  64. Lieber Herr Niggemeier. Als ich die Liste der Nominierten für den Reporterpreis gelesen habe, ist mir die Lust am Abstimmen vergangen. Bis auf zwei Texte kannte ich alle. Blasberg, Rückert, Brinkbäumer – sie las sich wie eine Liste bereits gekürter Preisträger. Und auch wenn diese Journalisten – keine Frage- großartig sind, dieser Reporterpreis wird seinem Ziel ANDERE, NEUE, vielleicht JUNGE Talente zu fördern in meinen Augen überhaupt garnicht gerecht. Das Ergebnis langweilt und enttäuscht zugleich. Und es lässt etwas vermuten, was auf der Hand liegt: Die Spitze des Journalismus liest und nominiert nur in ihrem Dunstkreis. Man kann es Ihnen kaum vorwerfen: Der Rest ist Ihnen vermutlich nicht elitär genug. Schade.

  65. @ (#70) Stefanie

    Mir ist gerade durch Ihren zweiten Hinweis aufgefallen, dass ich bei meinem letzten Kommentar den Axel-Springer-Verlag mit dem Springer-Verlag verwechselt habe. Natürlich kann ich nun ihren Protest besser nachvollziehen, denn es macht schon einen großen Unterschied ob jemand als Autor eines Fachbuches sich Gesprächspartner sucht für ein Thema, um dass er sich naturgemäß schon seit Monaten, wenn nicht sogar Jahren, beschäftigt oder ob das ein BILD-am-Sonntagjournalist macht.

    Mir zeigt das jedoch, dass mein schlechtes Gefühl eben nicht an einem Interview Honorar festzumachen ist, sondern an dem Auftraggeber und der Recherchemethodik die dahinter steckt. Natürlich ist widerlich, wenn mit wichtigen Sozialen Themen in einer solch fahrlässigen Art umgegangen wird. Daher stimme ich gerne in Ihren Protest mit ein.

    Übrigens, wenn ich mit verallgemeinerten Aussagen konfrontiert werde, beginnt in meinem Kopf ein Prozess, Gegenbeispiele zu finden um das Absolute zu zerstören. Befasse ich mich jedoch mit einem speziellen Beispiel oder höre der Meinung einer Person zu, so fällt es mir persönlich immer leichter nicht direkt in eine Kontra-Position zu treten und einem Gespräch konstruktiv zu folgen.

  66. guter Reportage über das wie es im echten Leben wirklich abläuft. Kannte den Preis bisher noch nicht, bin jetzt aber positiv drauf aufmerksam geworden und werde mich wohl auch intensiver damit beschäftigen, klingt irgendwie sehr interssant :-)

  67. @81, JO:

    Sie beurteilen, pardon: verurteilen eine Ihnen unbekannte Journalistin, eine Ihnen unbekannte Recherche, einen Ihnen unbekannten Artikel nur auf Grund des Auftraggebers?

  68. @82, treets:

    Sie ignorieren, pardon: verleugnen die Tatsache, dass es hier nur um eines geht: ein Prinzip. Man könnte, wenn man die Kommentare anderer so verzerrt wiedergeben würde wie Sie, vermuten, dass Sie ihre Informanten im Auftrag desselben Diekmannesken Verlags bezahlen wie die Kollegin, über die Sie schützend Ihren kleinen Regenschirm halten.

  69. treets sollte nicht so unterschätzt werden.
    statt zu verzerren bringt er hier eher ein bißchen licht ins verwirrende dunkel schwer nachvollziehbarer aussagen. danke treets.

  70. Äh, Nora (Nr. 79), ist das nicht genau was SN in seinem Text sagt?! Oder ist da eine dreifach gebrochene Ironie mit doppeltem Boden in ihrem Kommentar die ich nicht verstehe?

  71. @85, zoey:

    Ein wirklich verwirrende, schwer nachvollziehbare Aussage: Journalisten sollten für Informationen nicht bezahlen.

  72. @Stefanie
    zum beispiel: #71 und #82 haben durchaus sehr erhellt.
    und warum sie in #84 auf die vermutung eines zusammenhangs mit dem diekmannesken verlag kommen – erschließt sich mir nicht.
    aber das soll sie nicht weiter stören. das verständnis-problem kann ja auch einfach an mir liegen.

  73. Alf (81),

    gute Internetseite, die Sie da haben über das wie es in echten Bädern wirklich abläuft. Kannte die Seite bisher noch nicht, bin jetzt aber positiv drauf aufmerksam geworden und werde mich wohl auch intensiver damit beschäftigen, klingt irgendwie sehr interessant :-)

    Einmal die Duschabtrennung Highline von Artweger, bitte!

  74. Ich bin überrascht, mit welcher Polemik hier zum Teil diskutiert wird.

    Erklärt sich eine Privatperson nach einem kurzen Vorgespräch zu einem Interview/Fototermin bereit, aus freiem Willen, finde ich es vollkommen legitim, ihr für Zeit, Telefonkosten etc. eine Aufwandsentschädigung zu zahlen. Nur diese war gemeint.

    Ob man es letztlich Infohonorar oder Aufwandsentschädigung nennt, ist Haarspalterei und geht am Kern der Debatte vorbei.

    Und um es vorwegzunehmen, auch bei der Umsetzung meiner Reportage „Die Frau am Fenster“ habe ich gezahlt.

    Ich habe die Tochter der alten Dame zum Mittagessen eingeladen.

    Herzliche Grüße,
    Antje Windmann

  75. Uuuuh, ein Mittagessen! Da können sich die Höchstpriester des Journalismus und Enddeuter aller anderen ethisch-moralischen Menschheitsfragen ja gleich wieder in der nach unten offenen Kommentarspalte ihre anonymen Lästermäuler zerreissen.

  76. @93: Und die alte Dame musste hungrig zuschauen?
    Teilen Sie mir ihre Adresse mit, dann bringe ich ihr eine schöne Mahlzeit vorbei.

  77. Hahahaha, ich nominiere den Isi schon mal für den Nobel-Friedens-Dingsbums. Das Wort im Zusammenhang mit der Grundthematik in der Kneipe ist klasse! Danke für den Beitrag. Und außerdem kann man für jede abgerockte Knreipe in Schicki-Micki-München echt dankbar sein. Ich freu mich über den Preis mit. :)

  78. Schöner Artikel und ein prima Beispiel für den Nischenjournalismus. Wenn sich die sueddeutsche schon ziert den ganzen Beitrag zu bringen, nur um ein paar konservativen Leser nicht vor den Kopf zu stoßen, wird es Zeit, sich über kleinen Journalismus für eine kleine Leserschaft zu freuen. Schön das auch Artikel dieser Kategorie unter den nominierten gelandet sind.
    Die Zeitschrift von heute kann sich eben doch jeder in seinem Feed-Reader zusammenstellen. „Der Blick in die Welt kann eine Zeitung versperren.“

  79. […] Exzess im X-Cess Den Reporterpreis für die beste Webreportage erhielt Matthias Eberl für seine betonte Diashow über die Münchener Kneipe X-Cess, die früher mal eine Dönerbude war und wo Captain Yilmaz Griffe über die Spülkasten der Toilette montierte, damit die Gäste beim Toilettenfick nicht immer die Spülkästen aus der Wand reißen. Praktisch! Auf seiner Internetseite Rufposten hat Eberl die ungekürzte Version seiner Reportage “Außen Puff, innen die Hölle” hinterlegt, die ebenso authentisch wie eindrucksvoll ist und zeigt, das Kult nicht vermarktet wird, sondern entsteht. Den Artikel in der Onlinepräsenz sueddeutsche.de hat man gekürzt, oder besser gesagt zensiert, offenbar möchte man seine konservativen Leser nicht vor dem Kopf bumsen, ähhh st0ßen. (via Niggemeier) […]

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