(Vielleicht machen Sie sich einfach den Spaß und denken beim Lesen dieses Eintrages daran, wie sehr die Verlage die vermeintliche „Kostenlos-Kultur“ im Internet verfluchen, und fragen sich, für welche der journalistischen Leistungen, die Ihnen gleich begegnen, Sie bereit wären, Geld zu bezahlen, und sei es noch so wenig.)
Seit einigen Tagen zündet das „Hamburger Abendblatt“ ein eindrucksvolles Wahl-Werbe-Feuerwerk für Ursula von der Leyen. Es meldet, dass die Familienministerin eine mögliche Schweinegrippeimpfung von den Krankenkassen bezahlen lassen will. Es berichtet (gleich zweimal), dass die Familienministerin mehr Unterstützung für alleinerziehende Eltern fordert. Es freut sich (gleich zweimal), dass die Familienministerin Hamburgs Familienpolitik für „vorbildlich“ hält. Es meldet, dass die Familienministerin kritisiert, dass die Dienstwagenaffäre von Ulla Schmidt dem Ansehen der Politik schade (was eine gewisse Ironie hat, wenn man nicht nur das „Abendblatt“ liest). Und es freut sich, dass die Familienministerin den Kampf gegen „den Schmutz“ im Internet verstärken will.
Der Wortwechsel zwischen den „Abendblatt“-Redakteuren Jochen Gaugele und Maike Röttger und der Ministerin über die Säuberung des Internets ist ein Dokument journalistischer Arbeitsverweigerung. Nicht nur, dass den Text offenbar vor der Veröffentlichung niemand mehr gelesen hat. Fast jede Frage ist in dem Bewusstsein formuliert, dass Fragesteller und Gefragte sich einig sind. Die „Abendblatt“-Leute legen ihr einen Ball nach dem anderen vors Tor, damit sie verwandeln kann. Sie behelligen sie mit keinem einzigen Argument der Gegner der Netzsperren, die sogar ein ehemaliger Bundesverfassungsrichter für verfassungswidrig hält. Sie fragen zum Beispiel auch nicht, ob die Anhänger der jungen „Piratenpartei“ ein legitimes Anliegen haben. Sie fragen, ob von der Leyen nicht die Sorge habe, dass auch Unions-Wähler sich davon angezogen fühlen können. (Antwort: überhaupt nicht.) Am Ende machen sie sich nicht einmal mehr die Mühe, eine echte Frage zu formulieren.
Die Piratenpartei hat den ehemaligen SPD-Politiker Jörg Tauss aufgenommen, der20wegen [sic] des Besitzes von Kinderpornografie angeklagt ist. Wie kommt Ihnen das vor?
Ja, wie mag Frau von der Leyen das wohl vorkommen, als politische Gegnerin von Tauss, wenn schon die „Abendblatt“-Leute es offenkundig total daneben finden. (Mal abgesehen davon, dass Tauss noch gar nicht angeklagt ist — vorher muss mindestens noch die Immunität des Bundestagsabgeordneten aufgehoben werden. Aber wen kümmern so lästige Details des Rechtsstaates, wenn wir von ekligen Kinderschändern und ihren Verteidigern reden?)
Noch bevor sie ihr Schmierenstück im eigenen Online-Auftritt veröffentlichten, reichten die „Abendblatt“-Leute es an die Nachrichtenagentur dpa weiter, die prompt daraus eine Meldung mit dem Titel „Von der Leyen will gegen rechte Inhalte vorgehen“ machte.
Diese Überschrift ist in jeder Hinsicht überraschend, denn Frau von der Leyen hatte gegenüber dem „Abendblatt“ nichts dergleichen gesagt. Die entscheidende Stelle lautet:
abendblatt.de: Sie argumentieren, Grundregeln unserer Gesellschaft müssten online wie offline gelten. Warum sperren Sie dann nicht auch Internetseiten, die Nazipropaganda verbreiten oder Gewalt gegen Frauen verherrlichen?
Von der Leyen: Mir geht es jetzt um den Kampf gegen die ungehinderte Verbreitung von Bildern vergewaltigter Kinder. Der Straftatbestand Kinderpornografie ist klar abgrenzbar.20Doch [sic] wir werden weiter Diskussionen führen, wie wir Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenwürde im Internet im richtigen Maß erhalten. Sonst droht das großar tige [sic] Internet ein rechtsfreier Chaosraum zu werden, in dem man hemmungslos mobben, beleidigen und betrügen kann. Wo die Würde eines anderen verletzt wird, endet die eigene Freiheit. Welche Schritte für den Schutz dieser Grenzen notwendig sind, ist Teil einer unverzichtbaren Debatte, um die die Gesellschaft nicht herumkommt.
Was Frau von der Leyen fordert, ist eine Debatte. Von „Nazipropaganda“ spricht allein das „Abendblatt“. Die dpa-Schlagzeile „Von der Leyen will gegen rechte Inhalte vorgehen“ ist durch das Interview nicht gedeckt. Sie ist nicht einmal durch die Agenturmeldung selbst gedeckt. An keiner Stelle nimmt der dpa-Text jenseits der Überschrift auch nur Bezug auf „rechte Inhalte“. Der erste Satz zum Beispiel lautet:
Nach der Sperrung kinderpornografischer Seiten will Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) gegen weitere rechtswidrige Inhalte im Internet vorgehen.
„Rechtswidrige“ — vielleicht. „Rechte“ — keine Rede.
Das ist schon ein außerordentlich grober Schnitzer für eine Nachrichtenagentur. Aber können wir bitte auch endlich über die unsägliche Praxis reden, dass es genügt, dass irgendein Medium eine E-Mail mit angeblichen Vorabinformationen an eine Nachrichtenagentur schickt, um sämtliche die wenigen verbliebenen Prüfmaßstäbe außer Kraft zu setzen?
Ich meine, ein Blatt wie „Die Aktuelle“, das sich nicht schämt, über einen Menschen auf seinen Titel zu schreiben, er habe sich „zum Sterben in die Berge“ zurückgezogen, ein Blatt, das, wenn es nicht auf Papier, sondern im Internet erschiene, Frau von der Leyen und ihren Freunden vom „Abendblatt“ sofort als Beweis für die Notwendigkeit einer Schmutz-Säuberung diente, ein solches Blatt teilt dpa mit, was es herausgefunden hat, und dpa bringt das dann unters Volk.
Anderes Beispiel: „Die Welt“ tut so, als habe sie exklusiven Zugriff auf eine EU-Studie über Arbeitszeiten, und dpa, Reuters, epd, AP verbreiten die einseitige „Welt“-Interpretation, ohne die zehn Minuten zu investieren, die es dauern würde, sich bei der Quelle selbst zu informieren und ein eigenes Bild zu verschaffen.
Und diese ungeprüften Agenturmeldungen werden dann wieder ungeprüft weiterverbreitet. Und nicht nur von all den Online-Medien, bei denen das automatisch passiert. Unter dem „Spiegel Online“-Artikel über die Arbeitszeiten-Studie stehen nicht weniger als drei Agenturkürzel. Der Mitarbeiter hat sich richtig Mühe gegeben, seinen Text aus mehreren Quellen zusammenzusetzen — Quellen, die alle auf derselben einseitigen Interpretation durch die „Welt“ beruhen. Den Weg zur Quelle suchte er nicht — so wenig wie seine Kollegen von „Focus Online“ und viele andere. Noch einmal: Er bräuchte dazu keine Kontakte nach Brüssel. Er braucht nur eine Suchmaschine und Englischkenntnisse und ein kleines bisschen Zeit und einen Widerwillen gegen unnötiges Abschreiben.
Aber zurück zur Internetgeschichte vom „Abendblatt“ und Frau von der Leyen. Obwohl einem Redakteur schon bei einer flüchtigen Prüfung auffallen müsste, dass die dpa-Überschrift nicht von der dpa-Meldung gedeckt ist, tauchte die grenzwertige Meldung mit der Falschüberschrift zum Beispiel bei „Focus Online“ auf.
Heute Nachmittag hatte die Agentur dann endlich ihre Hausaufgaben gemacht — vielleicht hat sich auch nur das Familienministerium selbst gemeldet, um auf den Irrtum hinzuweisen –, jedenfalls brachte dpa um 15:23 Uhr eine Art Korrektur mit dem Titel:
Ministerium: Von der Leyen nicht für mehr Internetsperren
Und damit kommen wir zum erwartbaren, vorläufigen Ende dieses Trauerspiels mit vielen Beteiligten. Denn die Leute von „Focus Online“ bringen zwar nun die neue richtige dpa-Meldung statt der alten falschen, aber weisen natürlich an keiner Stelle darauf hin, dass sie selbst mehrere Stunden lang das Gegenteil dessen behauptet hatten, was sie jetzt behaupten. Die alte Adresse (http://www.focus.de/…/familie-von-der-leyen-will-gegen-rechte-inhalte-vorgehen…) leitet einfach auf die neue um (http://www.focus.de/…/familie-ministerium-von-der-leyen-nicht-fuer-weitere-sperren…) Auch bei „Focus Online“ werden nicht einmal die elementarsten Regeln für einen transparenten Umgang mit Korrekturen eingehalten.
Darüber müssen wir endlich reden — über Mindeststandards beim Recherchieren und Korrigieren. Und dann können wir gerne über neue Bezahlmodelle reden. Die Leistung, die die beteiligten Medien am Sonntag wieder zeigten, ist selbst umsonst noch zu teuer.
(Kunstpause.)
Und während all diese vermeintlich professionellen Journalisten mit Nichtnachdenken und Nichtrecherchieren beschäftigt waren, hat der Rechtsanwalt Udo Vetter in seinem Lawblog diese fundierte Analyse der tatsächlichen Äußerungen von der Leyens veröffentlicht.
[via Spiegelfechter]
Hierzu vielleicht noch die Anmerkung, dass das „wirkliche Leben“ im Vergleich zum Internet viel eher ein „rechtsfreier Raum“ ist.
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30569/1.html
Meinungsfreiheit ist eine Qualität, kein Grundrecht. So oder ähnlich habe ich es in der Schule gelernt.
Bei „meinen“ wichtigsten Journalisten schaue ich jeden Tag rein. Nein, ich meine nicht die C&P-Schreiberlinge, sondern Leute mit Profil und Standpunkt. Das die derzeitigen Bezahlmodelle, denn es gibt sie doch, funktionieren sieht man hier und anderswo. Ihr gelegentlicher Abstecher zur FAZ bereitet mir schon Bauchschmerzen genug, aber das ist nicht Ihr Problem. ;-)
P.
Jeder der mit „Internet ist rechtsfreier Raum“ kommt, sollte mit 10 Abmahnungen zugepflastert werden.
[…] Niggemeier regt sich über den Umgang der Medien mit dem Abendblatt-Artikel […]
Ich glaub ja, das ist nur ein Trick.
Die Qualitätsjournalisten tun alles dafür, dass einem gar nicht mehr auffällt, was für Merkwürdigkeiten Frau von der Leyen über das großartige Internet und rechtsfreiem Chaosraum da von sich gibt :D
Und wo findet man dann die fundierteste Analyse des Gesprächs? Im rechtsfreien Chaosraum – ganz umsonst. (Da wo laut Managermagazin ja soviel gequirlt wird)
Gibt es eigentlich irgendeinen für erfahrene Journalisten ganz offensichtlichen Grund, dass in diesem Text mehrfach völlig unmotiviert die Zahl 20 herumsteht? Nummerieren die damit Zeilen, oder will das Abendblatt eine subliminale Botschaft verschicken?
Steter C&P-Tropfen höhlt den Stein…
->
Bei mir nicht mehr!
->
Journalismus darf kein recherchefreier Raum sein, oder? :)
->
Klarmachen zum Ändern! http://www.piratenpartei.de
Das Abendblatt darf kein Leyen- und kein laienfreier Raum sein!
(Wer es nicht weiß: „Hamburger Abendblatt“ ist ein Springer-Produkt. Äpfel und Stämme und so.)
@Muriel (7.): Ich befürchte, der Grund ist ein fürchterlich trivialer Grund, der möglicherweise aus technischen Unzulänglichkeiten von verwendeten Email-Systemen resultiert. Emails werden oft als „quoted-printable“ verschickt, und da wird dann am Ende einer Zeile oft ein „=20“ eingesetzt, welches ein Leerzeichen repräsentiert (0x20 Hex = 32 Dezimal = Ascii-Code eines Leerzeichens). Und wenn nun irgendwo das quoted-printable nicht richtig umgesetzt wird, dann verschwindet evtl. das Gleichheitszeichen, aber die 20 bleiben stehen. Das dies niemand in der Redaktion auffällt, ist aber auch ein weiteres Zeichen für die Schlampigkeit, mit der dort gearbeitet wird.
@SZenso (2)
Artikel 5 Grundgesetz
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift
und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus
allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu
unterrichten. — ff–
@Muriel (7)
hexadezimal 20 im ASCII – Code entspricht dezimal 32.
a bis z = hex 41 bis hex 5A
Der Code hex 20 eintspricht dem Leerzeichen. (Space)
Übersicht:
http://www.torsten-horn.de/techdocs/ascii.htm
Nicht jeder Interpreter in Blogsoftwares kann diesen
Code übersetzen und negiert die führenden Zeichen
z.Bsp. &#, die einen solchen Code im Text einleiten.
﴾͡๏̯͡๏﴿
sollte das Gesicht einer Eule zeigen, wenn die hier
verwendete Software richtig interpretiert.
siehe auch ™ für Trademark.
Warum schreibe ich diesen Schrott so früh am Morgen?
Es ist kalt und regnet.
Da wird wieder das Verfahren von Tauss erwähnt, aber warum das Abendblatt sich bei #Zensursula nach ihrer Gerichtsverhandlung wegen der Verbreitung von Kinderpornographie erkundigt hat…?
http://www.presseschauer.de/?p=826
Sorry, Muriel, Dirk,
es war ja schon erklärt.
Ich sehe gerade, diese Software kann’s.
Eule = *64830;*#865;*#3663;*#815;*#865;*#3663;*#64831;
TM= *#8482;
* ist durch & zu ersetzen
Abgehakt= *#8730
√
@Dirk, oldman: Danke schön, wieder was gelernt.
@boomel: Beim allem Verständnis für deine Begeisterung: Rechnest du wirklich damit, dass die Piraten etwas an der (Nicht-)Recherchetechnik der deutschen Journalisten ändern werden? Falls ja, wüsste ich gerne, wie das vonstattengehen sollte.
[…] der Zukunftswerkstatt Auktuelles: Geht sterben (9) 3. August 2009 Lesenswert: Geht sterben von Stefan […]
Kann es sein, dass sich Stefan Niggemeier für diesen Text mehr Zeit genommen hat, als sämtliche Redaktionen (!) von abendblatt, dpa, focus und-was-weiss-ich-noch zusammen?
Mir ist einfach nur noch übel!
„Das richtige Maß“ oder Der Tod ist ein Meister aus Deutschland…
Liebe Ursula von der Leyen, es gibt kein „richtiges Maß“ für „Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenwürde“. Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenwürde sind unendlich! Ich verstehe, daß dies nicht in Ihr Bild von der Welt, den Menschen und de…
[…] Jetzt auch bei Stefan Niggemeier, der sich allerdings mehr auf die Interviewer und Agenturen kapriziert als auf die Frau Ministerin […]
Wundervoll war auch das Bauerntheater um Wiedekings Abgang. Mindestens eine Woche lang kam im Stundentakt einer mit erfundenen Konjunktivnachrichten á la „aus schwerstinformierten, nicht näher bekannten Kreisen“. Gerne übrigens Spiegel online. Und nachdem dieser Quark dann einmal durch sämtliche Onlinemedien durch abgeschrieben wurde, hatte das Handelsblatt noch die Stirn zu formulieren „nach einhelligen Medienberichten“.
Ohgottogottogott….
Was ist nur aus „meinem“ schönen Abendblatt geworden, das ich seit ca. 3 Jahren nicht mehr lese?
@muriel
Ich gehe davon aus das diese Kulturrevolution, die bereits eine eigene Partei hervorbringt, in Wechselwirkung die Verlage erfassen wird und somit neue Standards für die Arbeit der Redakteure schafft.
Zum Beispiel:
Die Süddeutsche wirbt seit Monaten auf B5 mit „Qualitätsanspruch“ um Abonnenten. Durch so freundliche Weblogs wie diesem hier steigt die Kontrolle dieses Anspruchs.
Wer sich diesem Qualitätsanspruch, wie oben im Blogeintrag schön beschrieben, mittels C&P entzieht, landet früher oder später in der Tonne.
Und derart krasse Ausreisser wie eine „Hamburger Bankrott Erklärung“ (das war ein technisch sehr guter aber für mich persönlich trauriger Beitrag – bin CC Symphatisant mit Backlinks) wird es mit einer Piratenpartei garantiert nicht geben. Also erwirken die Piraten nicht direkt eine Recherchetätigkeit, aber sie sind ein Teil dieser qualitätsfördernden Front die auf die (bald ehemaligen) Leitmedien zurollt.
Ein Paradigmenwechsel bei den Verlagen wird ebenso stattfinden wie in der Politik. Und mit jedem jungen Menschen der in diese Verlagswelt startet, rückt er näher und das ist auch gut so!
[…] neuer Bericht über die Untiefen des Nicht-Journalismus liefert Stefan Niggemeier im neunten Teil der Reihe “Geh sterben”. Dieses Mal beobachtet er die begeisterte Berichterstattung der Hamburger Morgenpost über und mit […]
Piraten entern Law- & Niggemeierblog!
Überall, also jetzt auch hier, der Kampfruf „Klarmachen zum Ändern“ – das nervt. Erstens will ich nicht, dass sich die anderen Parteien aufgerufen fühlen, ebenfalls mit Kommentarspam die Blogosphäre zu ändern, äh, entern und dergestalt zu einem unwirtlichen Ort zu machen. Zweitens gehen mir als recherchierendem Journalisten Pauschalurteile, wie sie Wahlkämpfer gerne mal verbreiten, arg auf den Senkel. Kollege Niggemeier greift zu Recht Redaktionen an, die ihre Arbeit schlecht machen, und in der Tat gibt es davon nicht wenige. Aber er nennt die Übeltäter immer beim Namen. Aus der Piratenszene kommen mir eindeutig zuviele Verallgemeinerungen – was nicht anderes bedeutet, dass die Urheber selbst denkfaul (oder zu dumm zum Differenzieren) sind. Bevor diese Typen sich hier in gleicher Weise breitmachen, wie ich es woanders schon gelesen habe, eine freundliche Warnung: Recherchefaule Journalisten könnten die Kritik abtun als Steinwürfe aus dem Glashaus. Das würde zwar das Vorurteil festigen, aber eben nichts ändern.
Darum die dringende Bitte an mitdiskutierende Piraten: keine billigen Wahlparolen, sondern fundierte Debattenbeiträge!
Besten Dank!
Nur zur Erinnerung – man kann mit Korrekturen auch so umgehen:
http://www.nytimes.com/2009/08/02/opinion/02pubed.html
Respekt!
Aber die dreissig Silberlinge von Vodafone nimmt man gern.
Was könnte dieses Blog erreichen, mit einer Spur von Geradlinigkeit.
@Ulf J. Froitzheim
Wenn Ihnen das zu pauschal war tut es mir ernsthaft leid. Die große Keule schwingen will ich hier garnicht und ein Freund des gepflegten spammings bin ich auch nicht. Allerdings hat mich dieses copy und paste Thema auf mehreren Ebenen erwischt.
Als Nichtredakteur in einem Verlagshaus. Als relativ junger Zeitungsleser und als Mitglied der Piratenpartei.
Hier vermischen sich eventuell gleich 3 Dinge:
– ich will nicht für dumm verkauft werden wenn ich mir eine so meinte ich recherchierte TZ kaufe
– Evolution für die Verlage damit es uns nicht GANZ so kalt erwischt wie die Amerikaner
– Piratiges Thema das eben durch fehlende Recherchetätigkeit entstand.
Aber glauben Sie mir ich wollte Sie nicht belästigen, und pauschale Wahlkampfparolen höre ich als bekennender Paintballer und Killerspieler seit Jahren/Monaten – an diese Verunglimpfungen gewöhnt man sich irgendwann. Ich muss von vielen (NICHT allen) aus Ihrem Berufsstand seit Jahren Lügen und Unwahrheiten gepaart mit 0 Ahnung ertragen. Also der kleine Aufruf das sich hier politisch was ändern muss (und auch wird) werden Sie hoffentlich noch ertragen können.
Und Ihre Aussage: „Bevor diese Typen…“ – ist sehr sehr differenziert :p
Bevor das in sinnlosem Forenbashing endet, schreiben Sie mir eine eMail oder rufen Sie mich an. Belästigen wollte ich Sie auf jeden Fall nicht :)
treffender artikel. das nachrichtengeschäft (regionalzeitung bekommt prominentes interview, sichert im gegenzug schlaffe fragen zu, haut eine agentur raus) berücksichtigt alle, nur nicht den leser. das ist kein journalismus mehr. muss man beobachten, auch bei anderen zeitungen.
wer darin wahlwerbung oder die üblichen beton-vorurteile gegen springer erkennt – mag sein. fairerweise muss man dazu sagen, dass heute die leyen-aussage im abendblatt von der opposition auseinander genommen wurde. das stück muss entstanden sein, BEVOR dieser lesenswerte artikel von herrn niggemeier erschienen ist. (http://www.abendblatt.de/hamburg/article1121049/Hamburger-Eltern-Wir-brauchen-mehr-Erzieher.html) Im zweiten Teil des Textes steht relativ fundierte Kritik an Ursula.
Macht es das besser? Am hier geschilderten Grundproblem wohl nichts. Aber immerhin, am Ende ist das Bild für den Leser jedenfalls differenzierter.
Ist zwar ein bißchen off-topic, aber da es schon in den Kommentaren thematisiert wurde, möchte ich auch noch kurz ein bißchen Senf dazugeben. So nobel, lobens- und unterstützenswert die Ziele der Piratenpartei doch auch sein mögen, so ist sowohl der Parteiname als auch dieser Slogan nur dazu geeignet potentielle Wähler abzuschrecken – entweder man will ernsthafte Politik machen oder eine Spaßpartei sein. Wenn es aber um ernsthafte Ziele geht, dann doch bitte keinen Namen, bei dem Lieschen Müller erst mal an Somalia und Kriminelle im Allgemeinen denken muß. *kopfschüttel*
Passend dazu ist ja, dass auf regionaler Ebene Zeitungen quasi nur noch „stadtpolitikunterstützende Schreiberlinge“ beschäftigen. Gut paßt hier nicht ganz, aber irgendwie halt doch. Was in den „großen“ Zeitungen und Medien im Allgemeinen zu bemerken ist, der Verlust von Qualität, setzt sich ja im Kleinen fort. Da werden auch Mißbilligungen des Presserates nicht mehr ernst genommen etc. etc.
Andererseits habe ich auch das Gefühl, dass diejenigen die es wirklch stört und nervt sich zurückgezogen haben in Blogs und unter sich bleiben, statt dauerhaft mit Leserbriefen die Presse zu bombardieren – wäre das nicht auch ein Mittel?
@boomel (und andere): boah. Wer erklärt mir denn mal die ganzen Abkürzungen? B5, C&P, CC, TZ, GANZ usw. (und so weiter)
Ein furioser, brillianter Artikel, Herr Niggemeier! Ich fürchte nur, am Ehrgeiz vieler Online-Journalisten, Beiträge, aus welcher Quelle auch immer, schnellstmöglich ungelesen hochzuladen, wird das nichts ändern. Content-Pusher (Artikelschieber) wäre eine schöne Berufsbezeichnung.
Der Deutschlandfunk war sich gestern übrigens nicht zu schade, die Wahl irgendwelcher Sportfans (manchmal auch irrtümlich Sport“journalisten“ genannt) irgendwelcher Fußballer des Jahres mehrfach in den Nachrichten zu senden. Natürlich mit Angabe, welche Fußballfanpostille diese Wahl veranstaltet hat. Schöne Werbung für das Blättchen!
@sleepcontent
:)
Also :
B5 = MDR Info für Bayern also ein Radiosender des Bayerischen Rundfunks
C&P = Copy und Paste = Kopieren und Einfügen
CC = Creative Commons = http://de.wikipedia.org/wiki/Creative_Commons
TZ = Tageszeitung
GANZ = war nur das normale Wort „ganz“ :)
Die peinlichen Interview-Bandespiele zwischen Frau von der Leyen oder anderen PolitikerInnen mit der etablierten Presse über das ach so böse und schmutzige Internet – als ob es draußen vor der Tür anders wäre – ebnen den Weg für Leistungsschutzrechte und andere abwürgende Strafsteuern. Wenn „das Internet“ hundertfach als chaotisch, rechtsfrei, schmuddelig … bezeichnet wurde, glaubt es die Masse irgendwann und begrüßt das saubere, gut recherchierte und redigierte sowie geordnete Verleger-Internet, für das man dann auch gern eine I-GEZ zahlt.
Sehe ich das falsch, oder geht doch
„Ministerium: Von der Leyen nicht für mehr Internetsperren“
ja gerade NICHT aus der Meldung hervor? Uschi sagt doch eindeutig, sie wolle zwar jetzt erstmal nur das eine Thema, aber später, ja später werde man sicher „Diskussionen führen“, wie man Weiteres in die Wege leiten könne.
Ach, Uschi mach‘ kein Quatsch!
Um auf die einleitende Frage zurückzukommen: Für die im Text verlinkte Tillack-Recherche bei stern.de wäre ich (auch wenn sie eigentlich nur eine Petitesse ist) in der Tat bereit, Geld zu bezahlen.
@Stefan Niggemeier.
Ich MUSS Ihnen an dieser Stelle meine zutiefst empfundene Bewunderung für Ihre (Sisyphos-)Arbeit mitteilen.
Ich wünsche Ihnen, mir, und uns allen, dass Ihre Appelle in naher Zukunft Gehör finden werden.
@ K.P
Falsch. Die stadtpolitische Berichterstattung im Abendblatt jedenfalls ist sehr kritisch – so kritisch, dass es fast schon an Dauernörgerlei grenzt – aber regierungstreu? blödsinn.
kleiner Tip: mal regelmäßig Zeitung lesen, bevor man mit großspurigen Kommentaren daher kommt.
Danke auch erstmal von mir für diese ausführliche Aufarbeitung.
Naja in anderen Ländern mit staatlichen Medien würde man so eine einseitige Propaganda verurteilen- hier ist es die schöne Meinungsfreiheit.
Wer weiß, wer sich wo diese Praxis abgeguckt hat. Denn ob nun Zeitungen Meldungen an eine Agentur weitergeben und diese dann fröhlich an alle weiterverteilt – oder ob eine Investmentbank ein Kreditpaket erstellt und dieses von einer Ratingagentur absegnen lässt und dieses dann an die ganze Welt verscherbelt – die Folgen tragen wir und müssen selbst herausfinden, was da überhaupt schief läuft.
Dass Frau vdL keine rechten Seiten sperren will, ist sicherlich richtig (Gegenteiliges hätte mich bei ihr auch gewundert). Sie sagt im Interview aber auch nicht, dass sie auf den Ausbau der Internet-Zensur verzichten will, ganz im Gegenteil …
@boomel 26
„ein Freund des gepflegten spammings bin ich auch nicht“
Dann ist es ja einfach, das missionarische Parteibekenntnis wegzulassen, das uns in die Hirne zu massieren für Piratenparteigänger oberste Bürgerpflicht zu sein scheint.
Danke schon mal dafür.
„Den kleinen Aufruf, dass sich hier politisch was ändern muss (und auch wird)“, könnte ich besser ertragen, wenn er nicht in Form eines Cut&Paste-Textbausteins daherkäme. Ich stelle mir gerade mit Entsetzen vor, dass Jünger der Sozialdemokratie ihre Postings mit „Anpacken. Für unser Land.“ signieren würden oder die Merkel-Freunde mit „Mitmachen. Team Deutschland. Ja.“ Davon hebt sich das ceterum censeo der Piraten – sorry – nicht nennenswert ab.
Also: Ich packe gern mit an, in einem Team, damit sich was entert, äh, ändert (im real noch existierenden Journalismus). Schon klar. Was dabei nicht hilft, sind Floskeln. (Deshalb differenziere ich auch nicht zwischen Floskel-Verbreitern.)
Mein Vorschlag an Stefan: Für jedes Posting mit Slogan Wahlwerbegebühr kassieren! ;-)
@Susanna (#25): Ja, was könnte denn dieses Blog mit einer Spur von Geradlinigkeit erreichen? Gesetzt, der Verzicht auf Werbung (insbesondere natürlich Vodafone-Werbung) sei mit einer Spur von Geradlinigkeit gleichzusetzen – was würde passieren? Würden die ganzen Geradlinigen im Internet, die sich jetzt leider angewidert von dem korkenziehernden Niggemeier-Blog abwenden (müssen, um ihre Integrität zu wahren), in Scharen hier geniale Kommentare abgeben, zielführend diskutieren und das Internet zu einem besseren Ort machen?
Guter Beitrag!
@Kommentare:
ein Vorschlag an Stefan: Für jedes Getrolle
Trollgebühr kassieren! ;-)
Ursula würde wohl eher linke Seiten sperren lassen. Bald gibt es Meinungsfreiheit light – man darf alles denken, aber nicht mehr sagen. Halbfettmargarine für Hirn und Mundwerk, ab 27. September 2009 vorgeschriebener Bestandteil der Volksdiät.
Danke für den Kommentar und die Auszüge aus dem „Interview“. Ich als Hamburger lese das Blatt schon seit Jahren nicht mehr, weil mir diese arschkriecherische Haltung gegenüber Politikern (sofern sie aus dem Lager der CDU kommen) gegen den Strich geht.
Aber da der Chefredakteur ja von der BamS kommt, [/ironiemodus_on] wird ihm der Erfolg sicher bald recht geben [/ironiemodus_off]. Traurig, dass es in einer Stadt wie Hamburg keine lesbare regionale Tageszeitung gibt.
[…] Stefan Niggemeier schreibt erhellenden Blogbeitrag über Qualitäts- Journalismus http://www.stefan-niggemeier.de/blog/geht-sterben-9/ […]
hat sich das im korrigierten Focusartikel mal einer genauer durchgelesen?
nicht keine Ausweitung, doppelte Verneinung, also doch für eine Ausweitung der Sperren.
Tjaja. ;-)
[…] http://www.stefan-niggemeier.de/blog/geht-sterben-9/ […]
Was ist denn daran so falsch? In 1984 wird doch auch die Vergangenheit richtig korrigiert und keiner hat ein Interesse daran. Schließlich ist es zum Wohle des Volkes.
Ich finde im Übrigen auch, dass »rechtsfreier Raum™« dringend ein kleines TM benötigt, sieht dann gleich noch professioneller aus: »rechtsfreier Raum™«.
Ich liebe Rätsel.
Rechtsfreier Raum ™ ?
Plenarsaal
Hab‘ ich gewonnen?
Weil Stefan Niggemeier (mit den Medien) reden will: Sollten wir uns nicht für einen starken öffentlich-rechtlichen Journalismus im Netz einsetzen, statt zu hoffen mit den privaten Medienproduzenten zu reden würde irgendwas bringen?
[…] Piraten. Stefan Niggemeyer hat einen schoenen Beitrag veroeffentlicht, der ganz gut erklaert, warum die deutschen Medien im Internet kein Geld verdienen. Der ist zwar schon etwas aelter, aber beim Spiegel gibt’s einen ganz guten Bericht ueber den […]
[…] Stefan Niggemeier: Geht sterben […]
[…] Geht sterben von Stefan Niggemeier (tags: journalismus zensursula) […]
@46 (corax): Genau das ist mir auch als erstes im Focus Online-Artikel aufgefallen. ;-)
[…] Politiker sind heutzutage im Flippermodus. Der Wähler merkt: Der will uns etwas sagen. Allein: Der Sinn der Worte muss dunkel bleiben. Ebenso verhielt es sich mit dem Interview, das Ursula von der Leyen dem Hamburger Abendblunt gegeben hat. […]
Das Internet ist das Weltgehirn – ein Spiegel unserer Gesellschaft. Nur wer den Mut hat die Probleme in der Gesellschaft anzugehen, anstatt mit Stoppschildern die Spiegelbilder auszublenden, wird wirklich etwas für unsere Gesellschaft tun. Nur kompromisslose Freiheit für die Spiegelbilder (= das Internet) kann uns ein unverfälschtes Bild der Realität liefern. Aber dazu ist Selbstverantwortung und kritische Auseinandersetzung notwendig – Dazu scheinen die meisten Menschen noch nicht bereit zu sein und sie lassen sich lieber von Realitätsfremden Politikern Heile Heile Welt vesprechen! Was für ein trauriges Zeitalter, in dem die Illusion weit mehr bedeutet als die Realität. Aber so war es schon immer mit dem Wahnsinn des Menschseins. Vielleicht aber sind wir nun an einem Punkt das zu erkennen – Eben weil wir das Netz als Spiegel haben !
[…] persönliche Prognose lautet daher: Man wird das Sommerloch weiterhin nutzen, um mit Testballonen die Meinung der Bevölkerung zu eruieren. Politiker werden schauen, wie weit sie mit ihren […]
[…] ist es ja en vogue, über die vermeintliche „Kostenlos-Kultur” journalistischer Leistungen im Internet zu diskutieren. Daher widmet sich sportticker.net heute dem Thema […]
Ein Online-Medium, für welches ich gerne bezahlen würde, ist „derStandard.at“. Die Zeitung wurde hier zwar schon ein paar Mal „geblitzt“, meines Erachtens jedoch in den meisten (allen?) Fällen aus Versehen.
Stefan,
verzeihen Sie mir die kleine Klugscheißerei, aber die Immunität von Tauss ist längst aufgehoben worden. Das passiert bereits dann, wenn Ermittlungen gegen einen Abgeordneten geplant sind.
Quelle:
http://netzpolitik.org/2009/immunitaet-von-tauss-wegen-kinderpornographie-aufgehoben/
Ansonsten: Super Artikel!
@Milo: Die Klugscheißerei verzeihe ich gerne (vor allem, weil der Punkt ja nicht ganz unwichtig ist), aber nach übereinstimmenden Presseberichten muss die Immunität erneut aufgehoben werden. Zum Beispiel „SZ“, 22. Juli:
@29:
Ich weiß ja nicht, welche regionalen Zeitungen Sie lesen. Aber die beiden Zeitungen, für die ich bisher als Lokalredakteur gearbeitet habe, sind anders. In beiden war/ist eine kritische Haltung durchaus erwünscht. Einen Maulkorb gab es nicht und auch keine vom Chefredakteur oder der Ressortleitung vorgegebene politische Leitlinie.
Als Redakteur konnte ich immer Mißstände und Themen aufgreifen und anprangern wie ich das für richtig hielt. Und wenn ich mich mit einem Bürgermeister „angelegt“ habe, was durchaus vorkam, hatte ich jeweils die Rückendeckung meiner Vorgesetzten. Man hat mir immer freie Hand gelassen – und ich war/bin bestimmt kein angepasster Hofschreiber. :-)
@29:
Kleiner Nachtrag noch:
Wenn Sie zu viele „stadtpolitikunterstützende Schreiberlinge” sehen, dann ist das in meinen Augen vermutlich eher ein individuelles Problem des jeweiligen Schreiberlings. Manchen fehlt vielleicht wirklich der Biss, auch mal unangenehme Dinge aufzuschreiben oder gegenüber Verwaltungen kritisch nachzufragen. Solche Kollegen kenne ich natürlich auch.
Aber ich glaube nicht, dass das die Schuld der Einstellungspolitik irgendwelcher Verlage ist.
Warum sollten Journalisten anders sein als der Rest der Bevölkerung? Einige haben Zivilcourage, andere eben nicht.
@Thomas
Berufsethos?
Warum sollten Ärzte anders sein als der Rest der Bevölkerung?
Oder Feuerwehrleute, Polizisten ….
Gruß
Hallo corax. Ja, wäre schön, wenn jeder diesen Berufsethos hätte.
Und natürlich rege ich mich auf, wenn Kollegen mit irgendwelchen „Großkopferten“ zu sanft umgehen. Aber diesen Berufsthos von jedem zu erwarten, ist eine Illusion. Oder glaubst Du, jeder Arzt, Polizist oder Pfarrer ist ein Heiliger?
Ich habe diesen Beruf mal ergriffen, weil ich neugierig bin. Auf Menschen, Geschichten, Zusammenhänge. Und weil ich mich hin und wieder gerne mit Obrigkeiten anlege. Ich mache das jetzt seit 9 Jahren und hab immer noch einen Heidenspaß daran.
Aber ich erlebe auch genug Kollegen, die anders sind. Die diesen Beruf aus anderen Gründen gewählt haben (Geld, Mitteilungsbedürfnis, schriftstellerische Begabung, …). Und es gibt Kollegen, die in der Knochenmühle des Redaktionsalltags abstumpfen und ihre alten Ideale aus den Augen verlieren.
Berufsethos? Den versuche ich mir zu bewahren – für meinen kleinen Zuständigkeitsbereich. Und ich möchte nicht bei irgendwelchen Verallgemeinerungen in einen Topf mit anderen geworfen werden.
So wie in Post #29 alle Journalisten und Verlage über einen Kamm zu scheren, ist ungerecht. Wie in jedem Berufszweig gibt es auch im Journalismus engagierte und weniger engagierte Vertreter. Aber die meisten Kollegen, die ich in meinen bisherigen Redaktionen (zwei süddeutschen Regionalzeitungen) erlebt habe, geben sich wirklich Mühe. Das Problem sehe ich eher in den vielen Stellenstreichungen, immer mehr Redaktionsbürokratie, Sparzwang und der stetigen Arbeitsverdichtung.
Aber inhaltliche Vorgaben für meine Reportagen, Interviews etc. – wie in #29 angedeutet – hatte ich nie. Da haben mir alle Ressortleiter und Chefredakteure immer freie Hand gelassen. Und als die mich eingestellt haben, wussten die auch, dass ich kein angepasster Ja-Sager bin. Mag sein, dass das beim Hamburger Abendblatt anders ist. Aber ich hatte bisher nur parteipolitisch neutrale Vorgesetzte, die sich gottseidank an den Sachthemen orientiert haben.
@62ff. Sehr lobenswert, das alles – wirklich. Nur eines sähe ich gern korrigiert: Es heißt DAS Berufsethos. Gruß, Klugscheißer vom Dienst
@Thomas: Die Lebenswirklichkeit kann vielfältiger sein, als man denkt. Ich habe einmal bei einem Blatt gearbeitet, in dem inoffiziell die mehr als unheimlich klingende Parole galt, „Wir sind der Transmissionsriemen für die positiven Entwicklungen in der Region“. Ich habe meinen Job gemacht, wie ich ihn verstehe – was ausrecherchiert, also wahr ist, kann nicht „negativ“ im Sinne der Parole sein, auch wenn es kritisch ist und dem einen oder anderen nicht in den Kram passen mag. Und ich eckte an – aber nur kurz. Es stellte sich nämlich heraus, dass die Chefs allergisch waren gegen eine bestimmte Art von vorurteils-durchtränktem Journalismus, der die „kritische“ Meinung vor die unvoreingenommene Recherche stellt: Sie wollten fundierte Kritik, nicht Genörgel oder Krawalljournalismus, denn auch die Lokalzeitung hat bei aller notwendigen Kritikfähigkeit fair zu bleiben. Es gab nach ersten Irritationen dann auch nicht mehr das geringste Problem für mich. Die tatsächlich provokativ formulierte Ansage war als eine Art Wellenbrecher gedacht für meinungsstarke, aber kenntnisarme Prinzipienreiter in der Redaktion, deren Artikel immer wieder berechtigten Ärger bei interessierten Lesern oder Betroffenen erregten, weil sie Schlagseite hatten, ohne ganz falsch zu sein.
[…] während jener Bahnfahrt auch ein paar Texte von Stefan Niggemeier in Ruhe linear gelesen (bspw. "Geht sterben (9)"). Und immer wieder taucht bei beiden das gegenwärtig ganz heißte Ding Paid Content auf. Ich will […]