Die fiesen Typen von n-tv.de

Noch hat sueddeutsche.de das Rennen um die Marktführerschaft im Segment der abwegigen Massenklickproduktion nicht endgültig für sich entschieden. Die Kollegen von n-tv.de wollen sich nicht geschlagen geben.

Vor ein paar Wochen fragten sie ihre Leser:

Ich weiß nicht, ob n-tv.de-Leser für ihre besonders sensiblen Mägen bekannt sind. Jedenfalls lösen bei ihnen anscheinend u.a. die Herren George W. Bush, Oskar Lafontaine, Michael Glos, Donald Rumsfeld, Gerhard Schröder, Wladimir Putin und Ronald Pofalla Brechreiz aus.

Aus diesen Wahlergebnissen gestaltete n-tv.de nun eine knapp 90-teilige Bildergalerie, in die neben die 20 fiesesten Typen noch Fotos gepackt wurden von Darth Vader, einem zerstörten Krankenhaus, Braunkohle-Tagebau, J. R. Ewing, Godzilla, Asiaten vor einem frühen Internet-Browser, Robert Hoyzer, einem Stoppschild, den Moderatoren von 9live, den Spielern des FC Bayern, einer Müllkippe und einer Trommel. Dazu schrieb jemand launige Texte und zeigte als grenzwertige Schlusspointe den „fiesen“ George W. Bush mit zwei amerikanischen Kriegsversehrten und schrieb darunter: „Selbst die Opfer können ihm nicht böse sein. Und hätten ihn niemals in diese Liste gewählt.“

So weit, so abwegig — und so alltäglich im Online-Medien-Geschäft heute.

Das Beste aber ist, dass n-tv.de diese Bildergalerie nun immer einsetzen kann, wenn einer der Fieslinge von der Liste in den Nachrichten ist.
Michael Glos fliegt viel mit der Luftwaffe? Bilderserie „Fiese Typen „. Sarkozy bald wieder Solo? Bilderserie „Fiese Typen“. Informant sagt in Bohlen-Prozess nicht aus? Bilderserie „Fiese Typen“.

Bei n-tv.de mag man die Galerie so sehr, dass sie sogar eingesetzt wird, wenn die „fiesen Typen“ selbst gar nicht im Mittelpunkt der Nachrichten stehen, sondern ihre Verbündeten oder Gegenspieler: Al Gore kriegt den Friedensnobelpreis? Bilderserie „Fiese Typen“ (wegen Bush). Prowestliche Parteien gewinnen Wahl in der Ukraine? Bilderserie „Fiese Typen“ (wegen Putin). Juschtschenko warnt vor Wahlfälschung? Bilderserie „Fiese Typen“ (wegen Putin).

Dabei hat n-tv.de längst eine viel-viel-teilige Bildergalerie von hinreichender Abwegigkeit, die in ungefähr alle Artikel eingebaut wird, die entfernt etwas mit Russland zu tun haben: „Von Caesar bis Honecker: Diktatoren der Welt“.

[Mit Dank an Sebastian!]

25 Replies to “Die fiesen Typen von n-tv.de”

  1. Hallo Stefan,

    ich verstehe, dass man sich aus journalistischer Sicht darüber lustig machen muss. Aber mal kurz weg von der Meta-Ebene(Medienjournalismus): Es bleibt das Problem, dass es immer ein paar Deppen gibt, die die verrücktesten Galerien richtig ernsthaft klicken. Ich arbeite selbst für ein Portal einer Zeitung mit dem Hang zu Daumenkinos und mir könnte es jedes Mal mein Nachwuchsjournalistenherz zerfetzen, wenn ich sehe, wie die Klickraten aussehen… Aber: Wir sind davon wirtschaftlich abhängig, denn die Werbekunden zahlen für jeden ausgelieferten Banner (also jeden PI). Da man selbst mit den abwegigsten Galerien auf jeden Fall den zehnfachen PI-Umsatz des Artikels schafft, kommen wir nicht drumrum und müssten das eigentlich sogar noch intensiver einsetzen…

    Besten Gruß
    Daniel

  2. Der Kerl heißt übrigens im wirklichen Leben Ronald Pofalla (ohne „r“ im Nachnamen). Nicht, dass dies irgendetwas zum Besseren wenden würde. Die Wahl ist angemessen ausgefallen und dürfte meinetwegen allzu gerne nur um den forschen Kavalier Laurenz Meyer oder etwa den kläffenden Pfaffen Peter Hintze ergänzt werden.

  3. 1. Frauen sind unfies?

    2. Ich wünsche mir Krakele Schreinemakers hinzu.

    3. Also, Autobahnen geht gar nicht?

  4. Ich geb’s zu, dass ich mich auch unter das Klickvieh gemischt habe. Es waren aber auch ein paar Texte dabei, wo es mich innerlich zerrissen hat. Einfach köstlich. Woran liegt es wohl, dass ich bei Ronald Pofalla immer an die Muppet-Show denken muss?

  5. Sehen die Redakteure überhaupt noch, welche Galerie welchem Artikel zugeordnet wird? Vielleicht ist das inzwischen auf Automatik gestellt…

  6. Also gerade bei Klickgallerien liefert n-tv im Vergleich zu anderen mal echt unterhaltsame Sachen ab. Die Texte die bei sueddeutsche.de unter den Bildern stehen sind meist einfach nur geistlos und wirken uninspiriert hingeklatscht, während bei n-tv bis weilen ein gewisser zynisch bis sarkastischer Wortwitz zu erkennen ist.

  7. Obwohl man natürlich in diesem Fall – mal abgesehen von der vollkommen sinnbefreiten und wohl recht willkürlich zusammengestellten Bildergalerie – sehen muss, daß man sich mittels Javascript durch die Galerie bewegt. Ich kann nicht ganz nachvollziehen, wie das besonders viele PI bringen soll.

  8. eigentlich doch eine witzige idee, fiese typen aufzuspüren, sie in eine bildergalerie zu verbannen und immer und überall wieder aus dem archiv zu holen. auf die dauer nur sehr wenig aktuell und erschreckend langweilig, denn jeden tag kommen weltweit wieder ein paar fiese typen mehr aus den löchern und palästen, die es so gibt. daz eine kleine frage: wie bezeichnet man eigentlich weibliche fiese typen korrekt?

  9. Wartet mal ab, demnächst gibts noch die zahlenmäßig zur Unendlichkeit strebenden Galerie „Promis, die bei uns erwähnt werden“.

    Sag mal Stefan, wie schaffst du es eigentlich, drei Wochen alte, sicher längst verschwundene, Originalseitenteile zu Screenshots zu machen? Das würde ich echt gern wissen.

  10. Ah ja. Ich hatte es befürchtet. Manchmal habe ich das Gefühl, hier und auch beim bildblog, dass Stefan und Christoph nie den 20-Gigabyte-Cache des Browsers löschen, dito den Verlauf, oder mit irgendeiner Software alles dokumentieren, was sie jemals an Seiten besucht und geklickt haben…

  11. Wie wärs mit einem Online-Portal, das alle großen Themen in Bilder-Form aufgreift und daraus ein verständliches Klick-Abenteuer formt.

    http://www.Die-Welt-in-Bildern.de wäre eine Möglichkeit.

    Und unter den Bildern bietet sich noch die Möglichkeit für einen hochkarätigen Zweizeiler.

  12. Sprachlich ist der Begriff „fiese Typen“ jedoch hervoragend.
    In meiner ewigen Bestenliste großartiger Buchstabenkombinationen rangiert er gleich hinter „heiße Poliebe“ aber noch vor Klassikern der deutschen Sprache wie „naturgeil“, „zeigefreudig“ und „massierte Abwehr“.

  13. Wann kommen endlich die Werbekunden auf die Idee, dass die Zahl der PI nicht unbedingt etwas über die Beliebtheit des Mediums aussagt, sondern eher darüber, wie niedrig die Schamgrenze der Macher liegt?

  14. Die können sich doch von N24 den Markus Frick holen, der hat doch jetzt Zeit, denn seine Serie „Make Money – die Markus Frick Show“ wurde abgesetzt.

  15. @20 Wann kommen endlich die Werbekunden auf die Idee, dass die Zahl der PI nicht unbedingt etwas über die Beliebtheit des Mediums aussagt, sondern eher darüber, wie niedrig die Schamgrenze der Macher liegt?

    Ist das für die Reklame nicht piepegal? und sogar noch viel besser?

  16. @23: Die Werbekunden dürften doch daran interessiert sein, dass viele unterschiedliche Nutzer ihre Werbung sehen – oder aber, dass einzelne User möglichst lange auf einer Seite verweilen und damit auch ihre Anzeige entsprechend lange zu sehen bekommen. Wenn sich dagegen einer mit wundem Daumen hektisch durch die Bildergalerien klickt und dadurch besonders viele PI generiert, hat der Werbekunde noch lange keinen Mehrwert.

  17. (1) Danke für den Einblick. Da würde mich doch mal interessieren, was die Kollegen von der Werbewirkungsforschung dazu beizutragen hätten?! Ob die sagen würden, dass jeder Kontakt mit der Werbebotschaft wirkt? Vom Gefühl her würde ich ja sagen, mit jedem weiteren Kontakt nimmt die Wirkung exponentiell ab.
    (24) Sehe ich auch so. Dass die Herren Werbetreibenden da nicht auf eine preisgünstigere Variante der Abrechnung Hinwirken wundert mich ja schon fast. Sonst wird doch geknausert, wo es nur geht. Oh Geschäftsidee. Ich muss weg!

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