Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
Nachruf auf Frank Schirrmacher.
Als Medienredakteur für ihn zu arbeiten, war nicht immer ganz unanstrengend. Im Zweifel hatte er mit den Kollegen, über die ich irgendetwas Unfreundliches schreiben wollte, gerade großes Gemeinsames geplant. Und mit etwas Pech wollte er nicht riskieren, dass ein Artikel die Stimmung oder das Gelingen torpedierte.
Mit etwas Glück aber war ihm das egal. Viel mehr noch: Er freute sich sogar, dass er auf diese Weise den anderen demonstrieren konnte, wie unabhängig seine Redaktion agiert, wie unbeeinflusst von irgendwelchen eigenen Interessen oder denen des Verlages. Ein eigentlich unpassender kritischer Artikel, auf den er sich bei der nächsten Gelegenheit von einem anderen Verleger oder Chefredakteur ansprechen lassen musste, war dann kein Grund für eine Entschuldigung, sondern für Selbstbewusstsein.
Medienjournalismus ist in allen Redaktionen ein heikles Geschäft, ein Slalomlauf, bei dem man die Stangen, die man umfahren muss, teilweise nicht einmal sieht. Das war auch mit einem Herausgeber wie Frank Schirrmacher nicht ohne Konflikte. Aber immer wieder – und gerade wenn es darauf ankam – gab es von ihm die Ermutigung, mehr noch: die Aufforderung, sich nicht von irgendetwas beeinflussen zu lassen als dem eigenen journalistischen Gespür, schon gar nicht von seiner eigenen abweichenden Position.
Er war im besten Sinne unberechenbar. Das ist eine Eigenschaft, die den Redaktionsalltag manchmal aufregender macht, als man es sich wünscht. Aber sie hält wach. Und befreit.
Und dann war da irgendwann: Vertrauen. Und die Erfahrung, dass dieser Mann nicht nur eine überwältigende Bereitschaft hat, sich in Rage zu denken; sich für Dinge zu begeistern oder sich über sie zu erregen. Sondern auch die Fähigkeit, loszulassen. Wenn er seine fortwährend spürbare Spannung an der entscheidenden Stelle mit einer großen Entspanntheit kombinierte – das war ein besonderes Geschenk und eine unschlagbare Motivation.