(Verpixelung von mir.)
Bei Burdas Knallportal Bunte.de machen sie sich Sorgen um das Gewicht von Harper, der dreijährigen Tochter von Victoria und David Beckham. Unter dem Schutz der Anonymität hat dort ein redaktioneller Mitarbeiter einen Artikel verfasst, der fragt, ob das Mädchen „zu moppelig“ ist.
Während die beiden Stars rank und schlank durchs Leben gehen, zieht es Harper offenbar vor, getragen zu werden. Das zeigen aktuelle Aufnahmen. Zudem lässt es sich die kleine Prinzessin dabei noch schmecken, genießt augenscheinlich einen Softdrink. Wenn dem so ist, nimmt Harper mit einem Zug wohl mehr Kalorien zu sich als ihre Mutter in der ganzen Woche…
Können Becks und Posh ihrer Kleinen etwa keinen Wunsch abschlagen? Lassen sie bei der Erziehung die Zügel schleifen und geben ihr bedenkenlos Süßes und Fettiges im Übermaß? Die weitere Entwicklung der Dreijährigen wird es zeigen.
(Der „Wenn dem so ist“-Satz ist inzwischen ohne Erklärung verschwunden.)
Das eklige Fabulat auf der Grundlage von Paparazzi-Fotos hat der „Bunten“ viel Kritik beschert, aber offenbar auch reichlich Klicks — heute legt sie mit der Ferndiagnose eines Heilpraktikers nach.
Mathias Schindler hat das Machwerk gestern dazu bewegt, eine Mail an Dr. Oetker, einen Werbekunden von bunte.de, zu schreiben:
Sehr geehrter Herr Dr. Schillinger,
über soziale Netzwerke bin ich heute auf einen Textbeitrag auf der Website www.bunte.de hingewiesen worden, auf der — unabhängig von allen anderen Verstößen gegen Persönlichkeitsrecht und Würde der
Betroffenen — die Frage aufgeworfen wird, ob die dreijährige Tochter von zwei Prominenten zu dick sei. Neben diesem Text ist umfangreiche und entsprechend der üblichen TKPs wohl auch recht teure Werbung für Produkte Ihres Hauses (Screenshot als Referenz anbei). Sie finanzieren über Ihren Werbeetat ein solches Verhalten und ich werde Sie nicht aus der moralischen Verantwortung dafür entlassen.Es ist nicht anzunehmen, dass die Redaktion der Bunten über Nacht ihr Verhalten aus innerer Überzeugung heraus ändern wird, allerdings werde ich die nächste Kaufentscheidung an der Tiefkühltruhe meines Supermarktes davon abhängig machen, wie Sie meine Fragen beantworten:
1. Inwiefern finden sich die Grundsätze des Unternehmens Dr. Oetker GmbH im Umgang mit den Persönlichkeitsrechten von minderjährigen Kindern Prominenter durch die BUNTE im Einklang?
2. Welche Werbemaßnahmen führen Sie auf www.bunte.de durch und welche werden Sie in Zukunft durchführen?
Bitte erlauben Sie mir die Veröffentlichung Ihrer Antwort in den sozialen Medien.
Mit freundlichen Grüßen,
Mathias Schindler, Potsdam
Schillinger, Leiter der Hauptabteilung Öffentlichkeitsarbeit, antwortete:
Sehr geehrter Herr Schindler,
vielen Dank für Ihre Mail und den Hinweis auf das redaktionelle Umfeld unseres Werbebanners auf „bunte.de“.
Bei der Platzierung unserer Werbemittel in klassischen Medien wie TV, Print und Online ist uns als Familienunternehmen ein von Ethik geprägtes redaktionelles Umfeld sehr wichtig. Um diese Umfeld-Qualität zu gewährleisten, nehmen wir Preisaufschläge für Qualitäts-Umfelder gerne „in Kauf“ und akzeptieren hierfür selbst eine Verteuerung unserer Produktkampagnen. Platzierungen in „Dirty“ Talk Shows, im Dschungelcamp oder Big Brother wird es daher von unseren Produkten nicht geben, dies gilt auch für Online-Umfelder.
Die Bunte sowie der Online-Ableger „bunte.de“ sind uns bislang nicht als „problematisches“ Umfeld aufgefallen. Wir werden Ihren Hinweis jedoch zum Anlass nehmen, unsere Platzierung auf „bunte.de“ zukünftig kritisch zu begleiten und diese Erfahrungen in unsere Platzierungsstrategie einfließen zu lassen.
Einen direkten Einfluss auf die Redaktion lehnen wir jedoch ab, da wir auf der Grundlage des Grundgesetzes an den Sinn einer Trennung von Redaktion und Werbung glauben und entsprechend handeln. Wir werden gleichwohl dem Verlag unsere Position darstellen.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Schillinger
Ich kann nicht beurteilen, ob das nur eine Standardantwort ist. Aber es liest sich doch erstaunlich deutlich.
Und das wäre doch eine erfreuliche Entwicklung: Wenn besinnungslos auf Klicks und Krawall optimierte Medien wie bunte.de von (potentiellen) Werbekunden als das beurteilt werden, was sie sind. Mir würden da jetzt noch ein paar andere Ausdrücke einfallen, aber für den Anfang tut’s problematisches Umfeld auch.
Werbekunden, die den Redaktionen drohen, ihre Verträge nicht zu verlängern, wenn nicht diese und jene inhaltliche Änderung umgesetzt wird? Ich weiß ja nicht. Das klingt irgendwie auch nicht besser als der Beitrag auf »bunte.de«…
*Werbekunden, die den VERLAGEN drohen
wollte ich schreiben
Ich habe nun sicher noch weniger Ahnung davon, aber da das ziemlich exakt der Text ist, den ich selbst geschrieben hätte, um einen lästigen Kunden abzuwimmeln, ohne explizit zu sagen, dass ich nicht beabsichtige, irgendwie ernsthaft auf seine Kritik zu reagieren, finde ich ihn eigentlich kein bisschen erstaunlich.
Würde mich aber natürlich auch freuen, wenn es anders wäre.
@Alex: Für mich klingt es erheblich besser. Werbekunden, die sich weigern, Publikationen zu unterstützen, die durch ihre wurstige bis vorsätzlich boshafte Berichterstattung nicht nur deren Opfern schaden, sondern auch bei ihren Lesern zu dem Bild beitragen, derlei sei in Ordnung und üblich im Journalismus? Klingt toll für mich.
Unrealistisch.
Aber toll.
Man hätte Dr. Oetker auch fragen können, inwiefern sie es lustig finden, in einem Umfeld zu werben, dass diejenigen, die ihre Produkte gerne und ausgiebig konsumieren, bloß- und an den Pranger stellt.
@Alex: Ich seh da aber schon einen Unterschied zwischen „$blatt berichtet generell unseriös und tritt Rechte Dritter mit Füßen“ und „$blatt soll gefälligst positiv über unsere Produkte / Firmenziele / etc. berichten“. Im ersten Fall schlägt eine solche Berichterstattung durchaus auf die Werbekunden durch, die sich dann überlegen müssen, ob sie da noch guten Gewissens werben können.
@Muriel, #5
Natürlich klingt das toll – erstmal. Aber die Frage ist, wo man die Grenze zieht, ab wann ein Bericht noch „boshafte Berichterstattung“ ist oder vielleicht schon „berechtige, kritische Berichterstattung“, die aber dem Werbekunden nicht passt.
Klingt für mich erstmal wie der übliche Brief, den alle bekommen die ihren Mund halten sollen. Es wird davon abhängen wie viel Druck man auf Oetker ausübt und vor allem wie viele. Dieser Blogbeitrag hilft da schon weiter. Als ob die Bunte plötzlich über Nacht sich um 180° gewandelt hat und aus heiterem Himmel jetzt sowas schreibt…Konnt man vorher ja nicht ahnen!
So gönnerhaft das Grundgesetz einbringen klingt stark nach dem Greifen von Strohhalmen und vor allem wird dann gerne mal diese Menschenwürde, die in diesem GG auch erwähnt wird, wohl kaum beachtet.
zu #7
(nicht, dass „berechtige, kritische Berichterstattung“ bei bunte.de zu erwarten wäre, aber ich denke, es ist klar, was ich sagen will)
Die Entgegnung des Dr.Oetker-Sprechers ist in der Tat sympathisch, aber sie zieht den Fokus leider auch ein bisschen weg von dem verachtenswerten Treiben als solchem bei bunte.de. Bewusst geworden ist mir das selber in der Tat auch erst gestern, aber diese perfiden, hämischen Gewichtstexte haben da offenbar Methode. Ein gutes Beispiel ist auch der Text vor einigen Tagen über Pierce Brosnans Frau: „Warum ist Keelye so dick geworden – und warum bleibt er trotzdem bei ihr?“ (ich zitiere nicht wörtlich, sondern sinngemäß.)
Und so wie sie bei der „dicken“ dreijährigen Harper Beckham heute mit dem Heipraktiker nachgelegt haben, wurde bei Brosnan neulich mit einer Bildergelarie nachgelegt: „Keelyes Vorgängerinnen – alles blonde, schlanke Models. Waurm also steht er nun bloß auf brünett und fett?“
Guckt da niemand von all den hochbezahlten Online-Verantwortlichen bei Burda mal drauf, mit was für spekulatorischem Dreck bunte.de (seit wann eigentlich? waren die schon immer so?) seine Seiten füllt?
@Alex: Ja, das ist eine durchaus interessante Frage.
@Maggi: Die Leute von Burda werden auf die Zahl der Klicks gucken, auf was sonst?
@Alex: Oetker schreibt der Redaktion ja nicht vor sie zu schreiben haben. Sie würden, falls sie es denn tun, einfach kein Geld mehr in eine Sache stecken, die uns im Endeffekt allen schadet. Es würde Unternehmen in ihrer Freiheit, wo sie Werbung schalten gewaltig einschränken, wenn sie wenn ihnen etwas nicht gefällt trotzdem weiter Werbung schalten müssten. Die dürfen jeder Zeit mit der Werbung aufhören.
Gilt auch für Aboküdigungen bei Zeitungen. Steht ihnen persönlich auch frei, wenn sie wegen bestimmten Berichterstattung kündigen ist das aber auch eine versuchte Einflussnahme nach ihrer Argumentation.
@ Stefan: Naja, das ist mir schon auch klar. Aber: Die Geschichten müssten ja nicht derart unterirdisch sein, wie sie jetzt sind, oder? Ich habe gerade gesehen, dass der „Heilpraktiker für Psychotherapie“ (!!!! nicht zu verwechseln mit einem Psychotherapeuten), der das Gewicht der kleinen Harper kommentiert, offenbar Chefredakteur des Magazin „Mein Tierheilpraktiker“ ist. Das ist doch alles total durchgeknallt, sowas könnte man sich ja für eine Mediensatire gar nicht besser ausdenken! Meine Frage wäre: Gäbe es denn so viel weniger Reichweite, wenn die Inhalte nur ein bisschen weniger hämisch wären?
@Alex Dieser Fall ist insofern einfach, da Produkte von Dr. Oetker nicht Bestandteil des Artikels sind. Eine Äußerung von Dr. Oetker als Werbekunden ist also eine Äußerung in Bezug auf das allgemeine Werbeumfeld, da sehe ich kein problematisches Verhalten.
Mir gefällt vor allem die unmissverständliche Bewertung des Umfelds von Sendungen wie dem „Dschungelcamp“: Hier sollen ja sogar manche Medienjournalisten so ihre Probleme haben, die ethische Problematik zu erkennen.
Die Fokussierung auf Figur und Gewicht und das beständige Messen an Schönheitsidealen ist ein wesentlicher Grund für Ess- und andere psychische Störungen. Es ist schon eklig genug, wenn (oft nur vermeintliche) Gewichtszu- und -abnahmen bei mehr oder minder prominenten Erwachsenen beliebtes Thema dieser Schundschreiber sind, aber das Gewicht von einzelnen Kindern ist als Boulevard-Thema noch mal ne ganze Stange ekliger.
Der Oetker-Brief ist nett formuliert, aber wenig sagend: Es sei den Oetker-PR-Fuzzis also bisher noch nicht aufgefallen, was deutsche Boulevardmedien im Allgemeinen und Bunte im Speziellen so für Unsinn daherschreiben (wer’s glaubt …), aber sie würden jetzt natürlich mit Argusaugen drauf achten (ja, klar, natürlich …), man würde dem Verlag die Position darstellen …
Immerhin, das Letzte könnte tatsächlich einen positiven Effekt haben – wenn es denn tatsächlich passierte und wenn die Antwort des Burda-PR-Fuzzis mit den bei solchen Themen garantiert hohen Klickzahlen beim Oetker-Fuzzi nicht ein hochbefriedigtes „Oh, ja. dann!“ erzeugte, was ich mir viel eher als das Gefasel von „hohen Standards“ vorstellen kann.
Hmm, ich verstehe die Mail von Herrn Schindler als schon so sehr auf Krawall gebürstet („ich werde Sie nicht aus der moralischen Verantwortung entlassen“, „allerdings werde ich die nächste Kaufentscheidung davon abhängig machen“, „Veröffentlichung Ihrer Antwort“), dass mehr als nichtssagende Worthülsen gar nicht zu erwarten waren.
@Andi
Da bin ich der ganz gegenteiligen Auffassung. Die Mail ist durch die konkreten Fragen gerade so formuliert, dass der Konzern nicht mit einem Musterbrief oder nichtssagenden Worthülsen antworten kann. Von „Krawall“ kann keine Rede sein, der Schreiber ist ausgesprochen höflich. Diese Mail sollte als Musterbeispiel für Anfragen an Firmen in die Lehrbücher eingehen, wenn man eine vernünftige Antwort bekommen möchte.
@19: Na ja: „Werde Sie nicht aus der moralischen Verantwortung entlassen“ ist schon ein bisschen grenzwertig. War mir jedenfalls bislang nicht bekannt, dass ein Herr Schindler über das Entlassen aus moralischer Verantwortung entscheidet – dachte immer, das sei der Job des Papstes.
@Blunt
Mit diesem rhetorischen Kniff lockt er aber Oetker aus der Reserve und beugt dem Standardsatz: „Wir übernehmen für die redaktionellen Inhalte keine Verantwortung bla bla.“ vor. Ist ihm ja auch ganz gut gelungen.
@ Frank Reichelt (#19):
Ohne die von mir zitierten Teile würde ich das womöglich sogar ähnlich sehen, aber so wie oben würde ich das unter „Querulant“ einsortieren. Da wird nicht nach Informationen gefragt, sondern eine bestimmte Antwort eingefordert, und dem kann ein Unternehmenssprecher schwerlich nachkommen.
Interessant ist es doch erst, wenn man alle Werbekunden anschreibt. (Oder wurde Dr. Oetker ironischerweise gezielt wegen des Artikelthemas gewählt?)
Bei schnellem Durchklicken durch die Rubriken habe ich Anzeigen von Deichmann, MediaMarkt, meinestadt.de, monster.de, L’Oreal, Colgate und – ganz interessant! – vom Kinderhilfswerk „Plan“ gesehen.
Ich gehe mal davon aus, dass die Unternehmen nicht selbst Werbung bei Bunte.de buchen, sondern dies irgendwie über Agenturen geht, oder? (Ich kenn mich da nicht so aus) Da müsste doch rauszukriegen sein, wer dort alles wirbt.
Wie gesagt, eine Reaktion von allen Werbekunden wäre interessant – so eine einzelne halbgeschwurbelte Antwort sagt noch wenig aus. Nebenbei gesagt: Die Fragestellung finde ich genau richtig.
Das passt ja wieder wie die Faust aufs Auge.
Bei Bunte-Online wissen die Mädels ohne Rechtschreibprüfung nicht mal, wie man die Pferdegangart richtig schreibt.
Und das auch noch im Legastheniker-RTL…
@23: Ja, interessant wird es erst, wenn man alle Werbekunden anschreibt. Ich hatte nur die Zeit dafür, eine Mail an den Dr. Oetker-Pressesprecher zu schicken. Ich habe aber auch nichts dagegen, wenn jemand die anderen Partner von bunte.de nachholt und sich von meinem Text inspirieren lässt.
@19: Du hast genau erfasst, was meine Absicht bei der Formulierung war.
Glenn Beck hatte die Erfahrung ja auch gemacht. Jetzt verkauft er seine Hetze direkt an Idioten.
Recht gute Antwort, aber: Dr Oetker ist jetzt neben dem Staat grundrechtsverpflichtet?
Oooooooook….. muss mal meinen Art. 1 III GG neu kommentieren…
Dass dieses dreijährige Kind nicht dick ist, sieht ein Blinder. Und dass ein Stadtbummel zwischen tausenden Beinen fremder Menschen für ein so kleines Kind sehr anstrengend ist, sollte man nicht nur als Eltern anerkennen können.
Die Antwort von Oetker fand ich nicht schlecht. Ob es nun eine angepasste Vorlage ist, kann ich nicht beurteilen.
Bei „Wer wird Millionär“ war heute eine Bunte online-„Journalistin“. Nachdem Jauch ihr klargemacht hat, dass Bunte und er sich ignorieren, musste sie dann leider bei der Frage, wie man „Gal(l)op(p)“ schreibt, ausscheiden. Das hätte vielen hier gefallen.
Hi Stefan, verstehe ich diesen Artikel richtig:
Wenn Werbekunden Einfluss auf die redaktionellen Inhalte eines Mediums nehmen, dann findest Du das nicht prinzipiell verwerflich, sondern in manchen Fällen auch erfreulich?
Es wundert mich doch etwas, dass hier einzelne Kommentatoren Schwierigkeiten damit haben, einen Unterschied zwischen „Einfluss auf Inhalte nehmen, damit mein Unternehmen gut da steht“ und „einem Medium mitteilen, dass man nicht neben moralisch verachtenswürdigen Inhalten werben möchte“ auszumachen. Das scheint mir eigentlich nicht so schwer.
@Georg:
Es geht doch nicht darum, auf redaktionelle Inhalte Einfluss zu nehmen. Es geht darum, sich an ethische und journalistische Grundsätze zu halten. Und – so wie in diesem Fall – vor allem auch an moralische. Solche Grundsätze haben im Normalfall auch die Unternehmen als Werbekunden festgelegt.
Sollen die Vögel der Bunte sich über Gewichtsprobleme von Sigmar Gabriel und Patricia Riekel auslassen, wenn sie solche Stories der untersten Schublade mögen. Aber hier geht es um ein 3jähriges Kind, das sich nicht wehren kann. Und womöglich kriegen es wegen der Entfernung die Eltern auch nicht mit. Bei so etwas hört (für mich zumindest) der Spaß mit der Pressefreiheit auf.
Ich finde Schillingers Antwortschreiben ebenfalls positiv und bemerkenswert konkret. Das ist bei derart forsch vorgetragenen (siehe #18) Anfragen per Email sicher nicht unbedingt selbstverständlich. Besonders mit dem zweiten Absatz macht Schillinger doch erfreulich deutlich, an welchen Maßstäben sich das Unternehmen hier in Zukunft messen lassen will.
Dass er versprechen würde, ab sofort nicht mehr bei Bunte(.de) zu werben war nicht zu erwarten und ist wahrscheinlich auch in Zukunft unrealistisch. Ich kann mir auch kaum vorstellen, dass man bei Dr. Oetker nun mit Argusaugen das Werbeumfeld verfolgen wird. Aber wenn(!) ein Werbekunde dieser Größenordnung seinen Einfluss geltend macht, ist das doch schon ein guter Schritt. Und je öfter Beschwerden wie diese hier zukünftig an das Unternehmen herangetragen werden, desto wahrscheinlicher wird es, dass man dort irgendwann auch aufgrund der nun hier veröffentlichten eigenen Maßstäbe echte Konsequenzen zieht.
@Frank Reichelt: Mag sein. Allerdings kann ich bei Dr. Oetker in der Tat keine Verantwortlichkeit erkennen – jedenfalls, was den zurückliegenden Fall betrifft. Schließlich kann kein Unternehmen der Welt vorhersehen, in welchem Kontext sich seine morgen erscheinende Anzeige befinden wird. Vor diesem Hintergrund sehe ich hier weniger einen rhetorischen als einen sophistischen Kniff: Indem ich dich öffentlich dazu ermahne, dich deiner Verantwortung zu stellen, kannst du es dir gar nicht erst leisten, deren Existenz zu bezweifeln.
Ich will es nicht dramatisieren. Allerdings scheint es mir manchmal, als sei in Zeiten der allgegenwärtigen Schwarmempörung – in der sich auch das kleinste Würstchen als oberster Tugendwächter mit Verantwortungsentlassungskompetenz fühlen darf – die Fähigkeit zu einfachen höflichen Kundenanfragen erodiert.
Als Mutter eines Dreijährigen kommt mir angesichts des BUNTE-Artikels die Galle hoch. Nicht, dass ich dieses Drecksblatt je kaufe. Prognose: Wenn die kleine Harper ein „Sexy Teen“ geworden ist und bekannt wird, dass sie sich gerne mal den Finger in den Hals steckt, um Mamas Size Zero zu halten, wird die BUNTE sicher Mitleid heucheln.
Die Mail von Herrn Schindler fand ich klasse (sowohl per se, als auch im Tonfall), und die Reaktion von Oetker zufrieden stellend.
@FelixK: Also Du meinst, es ist legitim, wenn ein Unternehmen einem Medium mitteilt, dass es nicht neben Inhalten werben möchte, die es selbst für moralisch verachtenswürdig hält? Und schließlich auch die Werbebuchungen streicht, wenn das Medium seine Inhalte nicht entsprechend ändert?
@Thomas K.: Auch wenn Sie Pressefreiheit als Spaß empfinden: Heikel ist die Sache durchaus. Denn wo „moralische Grundsätze“ berührt werden, ist keineswegs so eindeutig zu bestimmen, wie es ein Kodex des Werberates suggeriert. Derselbe Blogger, der hier einen Rückzug des Werbekunden im vorliegenden Fall erfreulich fände, lobt seit Jahren das RTL-Dschungelcamp über den grünen Klee. Natürlich ist es jedem Unternehmen selbst überlassen, in welchem Umfeld es werben will: Ob wir von Seiten der Medienrezipienten aber den Werbekunden eine Mitverantwortung und damit im Umkehrschluss ja auch ein Recht auf Mitgestaltung journalistischer Inhalte zuschreiben sollten, erscheint mir doch sehr zweifelhaft.
@ Blunt: Das Dschungelcamp ist ja wohl nicht ansatzweise mit der Hetze über ein dreijähriges Kind zu vergleichen! Für Sie zum mitschreiben: Alle Dschungelcampteilnehmer sind FREIWILLIG dabei.
Das eigentliche Problem ist doch, dass hier weiter an einem Frauenbild gefeilt wird, das diese nur über Äußerlichkeiten definiert – und das dieser Maßstab jetzt auch schon an Kleinkinder angelegt wird!
Wir als Kunden sind genau das – und wenn uns Dr. Oetker anwidert, weil sie -mal angenommen- den Regenwald abholzen lassen, dann können wir das im Supermarkt zum Ausdruck bringen! Und es ist auch unser Recht, dies Dr. Oetker schriftlich wissen zu lassen!
Was soll daran verwerflich sein?
Wenn Dr. Oetker sich in der Bunten nicht mehr repräsentiert sieht, wird die Verbindung auch gekappt. Weil die Bunte vielleicht auf einmal seriösen Journalismus macht. So sieht Ihr „Recht auf Mitgestaltung journalistischer Inhalte“ doch aus! Und das findet tagtäglich statt, also stecken Sie Ihr Grundgesetz mal wieder ein!
@ST: Danke, dass Sie mir mit Ihrem Stil ein anschauliches Beispiel für meine unter #34 beschriebene Diskussionskultur im Netz liefern.
@Blunt, #37
Mein Satz „Spaß mit der Pressefreiheit“ war missverständlich formuliert. Die Bunte nennt solche Artikel „Pressefreiheit“ und führt diese somit ad absurdum. Wenn SO ein Artikel Pressefreiheit ist, dann ist diese nichts wert, dann sollte der Begriff mal neu definiert werden. So meinte ich das.
Und wie hier schon gesagt: Beim Dschungelcamp wird jeder mit seinem Einverständnis „vorgeführt“. Aber natürlich: Auch so eine Sendung kann gegen Ethik und moralische Grundsätze verstoßen. Dann sollen die Werbekunden ihre Konsequenzen daraus ziehen und in so einem Umfeld nicht werben. Genug Unternehmen halten sich ja auch daran. Dr. Oetker nennt sich ja selbst.
Bei der diesjährigen Promi-Big Brother-Staffel waren die Werbekunden auch zurückhaltend, nach dem Schrott im letzten Jahr. So läuft das Tag für Tag. Und genauso müsste es auch bei Bunte & Co. laufen. Aber von Einflussnahme soll gar keine Rede sein. Die Redaktionen werden von sich aus ihre Arbeitsweise ändern müssen, wenn sie große Werbekunden mit Unternehmensgrundsätzen halten wollen.
@Thomas K.: Da stimme ich Ihnen zu.
@all: wovon oder was ist hier die Rede?
Meine Fernbedienung reicht nur bis „ZDF_Neo“.
Danach kommen ein paar Nachrichtensender, nur für den Fall, dass irgendwelche Idioten Flugzeuge in Gebäude steuern.
[…] Stefan Niggemeier: Dr. Oetker und die Frage: Ist bunte.de ein „von Ethik geprägtes redaktionelles Umfeld“? (via @niggi / […]
Ich vermute, dass die eigenen Werbekunden die einzigen moralischen Instanzen sind, die solche Medien tatsächlich beeinflussen können. Und das an sich ist schon so widersinnig, dass es ein eindeutiges Licht auf unsere Medienwelt wirft. Was allerdings Dr.Oetker tatsächlich über derartige Artikel denkt, bleibt sicher für immer im Dunkeln…
BUNTE hat noch mehrere Folgeartikel rausgebracht. Hier wird endlich Ursachenforschung betrieben. Harper wird zu viel durch die Gegend getragen, weil »die Familie auf Schritt und Tritt von Fotografen verfolgt wird. Einem dreijährigen Mädchen macht so etwas natürlich Angst« (mit Foto). Das ist aber nicht der einzige Grund, so der »Münchner Heilpraktiker für Psychotherapie« Abbas Schirmohammadi, es gibt noch mehr Gründe: »schlechte Ernährung, zu wenig Bewegung oder eine Wachstums- und Entwicklungsphase. Doch der Autor betont auch: „Die Beckhams sind sehr körperbewusst, achten auf Ernährung und Sport, daher würde ich falsche Ernährung und zu wenig Bewegung ausschließen.“ – See more at: http://www.bunte.de/stars/harper-beckham-diskussion-um-ihr-gewicht-geht-weiter-99537.html#sthash.1slecGoc.dpuf« Das ist zwar einerseits zwar fern von kritischer Selbstreflexion, andererseits muss es ja auch irgendwo den Nerv der Leser treffen, die sich solche Artikel gerne durchlesen. Das ist der moderne Journalismus. Genau wie dieser Blog-Artikel und ähnliche Artikel in online-Zeitungen nur den Shitstorm in den sozialen Netzwerken aufgreifen, ist auch der BUNTE-Artikel nichts anderes als die Wiederholung von hämischen Kommentaren in sozialen Netzwerken. Zwei Möglichkeiten, als Redaktion darauf zu reagieren: »Furchtbar, die kleine Harper wird im Internet gemobbt!« Oder eben: »Ist die kleine Harper zu dick?« Da hat sich die Reaktion verwürfelt. Die Themen werden aber nicht von der Redaktion, sondern vom Schwarm gesetzt. Drohungen, die durch »Werbung im Internet« mit unliebsamen Artikeln assoziierten Unternehmen nun ebenfalls mit einem Shitstorm zu überziehen (»moralische Verantwortung … mit Erlaubnis der Veröffentlichung in sozialen Netzwerken«) ist nur eine weitere Volte im Wirbelsturm der sich drehenden Internethysterie. Da soll also demnächst in irgendwelchen Hinterzimmergesprächen von Dr. Oetker und der BUNTE-Redaktion alles gerichtet werden? Na, dann Mahlzeit! Ein *Applaus* an die Öffentlichkeitsarbeit von Dr. Oetker, die mit der nach allen Seiten unangreifbaren Antwort den dräuenden Shitstorm dann doch nur in ein laues Lüftchen verwandelt hat. Dieses Mal.
@KMMTRX, #46
Was ist nun die Aussage? Wird der Bunte-Artikel dadurch irgendwie besser, dass es eine Nachfrage nach so etwas gibt? Oder dieser Blog-Artikel durch parallel stattfindende Shotstorms irgendwie schlechter oder weniger berechtigt?
Der Schwarm würde sich nicht von sich aus für dieses dreijährige Kind interessieren und darüber reden, wenn es nicht von einer Redaktion zum Thema gemacht worden wäre. Er würde sich sonst auch mit anderen Themen – z. B. volljährigen Promis, schlimm genug – begnügen.
@Pepito: Nein, die BUNTE bezieht sich ausdrücklich auf user-generierte Diskussionen in sozialen Netzwerken. Der Artikel ist nichts anderes als die entschärfte Version dessen, was in den sozialen Netzwerken ohnehin abgeht. Dann generiert der Artikel selbst wieder eine Diskussion in den sozialen Netzwerken, was wiederum neue Artikel generiert, die diese neue Diskussion in den sozialen Netzwerken in entschärfter Form wiederholt, usw. Das ist der moderne Journalismus. Der Blogartikel bereitet nun die Diskussion der Diskussion der Diskussion der Diskussion auf. Und bereichert diese und uns mit dem Wissen über den (offensichtlich misslungenen) Versuch, nun durch die (durch einen Screenshot belegten) raumzeitliche Nähe von einem Online-Artikel auf bunte.de und einer Werbeanzeige des Unternehmens Dr. Oetker eine moralische Verantwortung von Dr. Oetker abzuleiten und die Eskalationsschraube weiter zu drehen (Veröffentlichung der Antwort in sozialen Medien). Hat leider nicht funktioniert, aber vielleicht wird es ja noch. Die Verbindung dicke Kinder – Dr. Oetker hat nämlich in etwa genau so viel Charme wie dicke Kinder – Victoria Beckham, ist auch beides gleichermaßen durch nichts weiter gerechtfertigt als durch die Kunst der freien Assoziation und die unvorhersehbaren Massenbewegungen des Internets.
@KMMTRX, #47
Nun gehen aber ein paar Dinge durcheinander.
Zum Bunte-Artikel (um den es im Blog-Artikel ja eigentlich nur indirekt geht): zugegebenermaßen weiß ich nicht, wer mit dem Thema angefangen hat. Oft genug werden bestimmte Diskussionen ja von Bild & Co. („Ganz Deutschland diskutiert…“) einfach mal behauptet. Aber selbst wenn der Artikel tatsächlich „auf user-generierte Diskussionen in sozialen Netzwerken“ zurückgeht, stellt sich die Frage, wie so ein Bild in diese Netzwerke gelangt, sodass dort darüber diskutiert wird. Ich würde vermuten, dass solche Bilder in aller Regel nicht von Passanten stammen, die zufällig die Beckhams gesehen haben, sondern von Leuten, die von kommerziellen Medien wie Bunte Geld für solche Bilder bekommen. Und es bleibt in jedem Fall bei der (rhetorischen) Frage: muss ein Blatt wie Bunte bzw. Bunte.de die Lästereien in irgendwelchen sozialen Netzwerken auf diese Weise potenzieren? Macht es den Artikel irgendwie besser, dass anderswo in ähnlicher Weise
diskutiertgelästert wird?Und es ist m. E. auch nicht egal, ob die Aussage lautet „Furchtbar, die kleine Harper wird im Internet gemobbt!“ oder „Ist die kleine Harper zu dick?“. Mit „würfeln“ hat das in moralischer Hinsicht wenig zu tun.
Damit zum Blog-Artikel: dies ist der Blog eines Medienjournalisten. Dass es da mehr oder weniger direkt um in anderen Medien stattfindende Diskussionen geht, hat weniger mit „modernem Journalismus“ zu tun, als mit der Natur der Sache. Es ist richtig, dass es dabei von einer Meta-Ebene auf die nächste geht. Aber was ist daran kritikwürdig?
Und es ist auch ein Unterschied, ob „allgemeiner“ Journalismus einfach die Themen aus sozialen Netzwerken übernimmt und aufbauscht, oder ob Journalismus und Medien selbst Gegenstadn kritischer Betrachtung werden.
Zu Dr. Oetker: Was genau soll jetzt „nicht funktioniert“ haben? Der Zusammenhang zwischen dem, was in werbefinanzierten Medien publiziert wird und den Werbekunden geht über zufällige(?) „raumzeitliche Nähe“ von Artikel und Anzeige und „freie Assoziation“ schon etwas hinaus. Ob letztere deswegen eine Verantwortung tragen, bzw. wie diese jeweils ausgestaltet ist, darüber lässt sich diskutieren und dieses Schreiben an Dr. Oetker und der Blog-Beitrag darüber sind ein guter Schritt dahin. Auch Herr Schillinger scheint ja prinzipiell eine Verantwortung bei seinem Unternehmen zu sehen, auch wenn unklar bleibt, ob er diese auch auf die Qualität der Medien bezieht oder ob sie sich auf die Integrität des eigenen Unternehmens und seiner Marke beschränkt.
Der Besitzer (und erstklassige Koch) einer guten Pension in Süd-Tirol (‚Alpenhof‘ in St. Leonard) wird fuchtsteufelswild, wenn er nur ein „Dr.Oetker“-Produkt sieht oder wenn auch nur der Name fällt. Bei ihm kommen diese Plastikprodukte natürlich nicht ins Haus, in den Kochtopf oder auf den Teller.
„Dr.Oetker“ ist bei ihm inzwischen (und zu Recht) zum Synonym für alles Schlechte in der Welt der Gourmets geworden. Etwa so wie „Blödzeitung“ für einen Großteil der Journaille.
@kdm
Aha. Und was soll uns die Gourmetwelt-Untauglichkeit von Dr. Oetker im hier behandelten Zusammenhang sagen? Dass den Aussagen dieses Unternehmens nicht zu trauen ist? Dass die kleine Harper wegen Dr. Oetker-Produkten zu dick ist? Oder dass Dr. Oetker-Anzeigen für Beiträge von Qualitätsmedien ihrerseits kein von Ethik geprägtes Umfeld abgeben und die „Bunte“ sich überlegen sollte, ob sie weiterhin neben solchen Anzeigen ihre Artikel veröffentlichen will?