Screenshots: NDR
Wir müssen noch einmal über die Rhododendron-Gärten im Ammerland sprechen. Die sind ja vom NDR um den ihnen eigentlich zustehenden Ruhm als zehntschönster Park des Nordens gebracht worden. Fernseh-Programmdirektor Frank Beckmann hatte am Freitag als Ergebnis angeblich akribischer Recherchearbeiten im Haus eine Stellungnahme veröffentlicht, in der es heißt:
Bei der Sendung „Die schönsten Gärten und Parks des Nordens“ wurde der Elftplatzierte „Planten un Blomen“ aufgrund besseren Bildmaterials bei sieben Stimmen Abstand zum Nächstplatzierten (Rhododendronpark Ammerland) auf Platz zehn vorgezogen. Der Rhododendronpark Ammerland war damit nicht mehr Teil der Sendung.
Das stimmt nicht.
Der Rhododendronpark Ammerland war auch auf Platz 11 Teil der Sendung.
Die Sendung „Die schönsten Gärten und Parks des Nordens“ (ausgestrahlt am 20. Dezember 2013, 1. Januar 2014, 21. April 2014 und 29. Mai 2014) ist nämlich 90 Minuten lang und besteht aus den Top-20, nicht nur den zehn Bestplatzierten.
Das lässt aber nun den Eingriff in die von den Zuschauern im Internet bestimmte Reihenfolge völlig rätselhaft erscheinen. Warum die Rhododendren der Familie Hobbie wegen des angeblich nicht so attraktiven Bildmaterials um einen Platz nach hinten verschieben, wenn es dann trotzdem in der Sendung ist?
Der NDR räumt auf Nachfrage ein, dass die Darstellung in der Stellungnahme der Programmdirektion falsch ist, hat aber eine Art Erklärung. In der Regel gebe es von den Hitlisten-Formaten jeweils zwei Versionen: eine in Spielfilmlänge und eine von 45 Minuten Länge. Die würden in einem Aufwasch produziert oder jedenfalls so geplant, dass im Grunde nur ein einziger Schnitt vor Platz zehn nötig ist, um aus dem 90-Minüter einen 45-Minüter zu machen. Auch von der Garten-und-Parks-Hitparade war eine solche kürzere Version geplant. Die hätte dann mit den Rhododendron-Gärten begonnen; die Redaktion fand dafür aber die Bilder von Planten un Blomen attraktiver.
Tatsächlich gibt es in der Sendung von dem Hamburger Park faszinierende historische Bilder der Gartenbau-Ausstellung 1963, die vielleicht einen reizvolleren Einstieg in die Sendung dargestellt hätten als die schnöden Rhododendren.
Es scheint also, als hätte die Redaktion am Ergebnis der Abstimmung herumgedoktert, um eine spätere Neukonfektionierung der Sendung ein bisschen attraktiver wirken zu lassen. Diese Kurzfassung wird aber nach den Worten eines NDR-Sprechers nun gar nicht mehr das Licht der Öffentlichkeit erblicken.
Und der Versuch des Senders, sich als Kämpfer für Transparenz und vorbildlicher Aufklärer in eigener Sache zu präsentieren, wirkt angesichts der falschen Darstellung in der Stellungnahme der Fernseh-Programmdirektion ein bisschen weniger überzeugend.
Mh, macht ja irgendwie skeptisch. Vielleicht ist da ja doch noch was mit „regionalem Ranking-Beliebtheit-Erfolg-Umsatz“ im Spiel…und alle gucken wieder mal nur so unschuldig drein…
Man kann es aber auch irgendwann mal lassen mit dem Gemecker und Krümelsucherei.
@Matthias: Sie meinen, wenn der NDR nach langer Recherche über Unregelmäßigkeiten im eigenen Programm eine Erklärung rausgibt, dann muss die ja nicht stimmen?
Es wundert mich immer mehr, wie viel Bedeutung die verschiedensten Sender ihren komischen Hitlisten beimessen, dass sie sich die Mühe machen, auch noch Listen-Kosmetik zu betreiben. Ich glaube, man könnte als Medienschaffender seine Energie manchmal besser nutzen.
@Matthias: Es geht hier um Glaubwürdigkeit. Die ist ohnehin bereits angekratzt und gerät mit solch halbgaren Erklärungen noch mehr in Zweifel. Unterhaltung hat mit Haltung zu tun. Sie ist ernstzunehmen.
@Susanne: Das Problem ist ja nicht der laxe Umgang mit den lächerlichen Langweil-Listen (darf ich jetzt bei SpOn anfangen), sondern das, was sich daraus ableiten lässt: Wie akkurat wird in den restlichen Formaten, die tatsächlich größerere Relevanz – für was oder wen auch immer – haben, gearbeitet? Das ist es, was Sorge bereiten darf.
„Zapp“ meldet: WDR räumt Manipulationen bei zehn Rankings ein. Fernsehdirektor Schönenborn kündigt an: Hitlisten nun ohne Online-Votings.
Hier die zugehörige Erklärung des WDR: http://www1.wdr.de/unternehmen/fernsehen174.html
Jetzt wird es hier wieder ziemlich grundsätzlich und staatstragend. Der Fehler in der Erklärung wirft natürlich abermals kein gutes Licht auf den NDR. Ein echter Skandal ist es aber eben auch nicht, Stefan Niggemeier schrieb ursprünglich ja auch nur
Stimmt, ein bisschen. Und die Gründe für für diesen Eingriff in das Abstimmungsergebnis zu erfahren fand ich auch interessant.
Aber was war nun: Fernseh-Programmdirektor Frank Beckmann (der die akribische Recherchearbeiten vermutlich/hoffentlich nicht persönlich vornimmt) hat die Folge der Unterschlagung von sieben abgegebenen Stimmen schwerwiegender eingeschätz als sie war, weil er nicht weiß, dass es nicht nur die ersten zehn, sondern die ersten zwanzig Plätze in diese Sendung (oder in alle dieser Art?) geschafft haben.
Naja. Vielleicht wurde ihm das falsch zugetragen, oder er hat da was missverstanden. Da kann man ihm vorwerfen, dass er nicht auch so genau weiß, wie das Konzept exakt funktioniert, mit dem er da sein Programm füllt. Aber dieser Fehler beschädigt die Glaubwürdigkeit des NDR jetzt auch nicht riesig. Dafür sind diese Sendungen inklusive ihrer Ratings dann doch etwas zu egal.
Morgen sendet der WDR wieder eine Liste: Die beliebtesten Museen in NRW. Vielleicht auch nicht.
@Pepito: „Dafür sind diese Sendungen inklusive ihrer Ratings dann doch etwas zu egal.“
Offenbar sind die Sendungen nicht egal, sonst würden sie nicht produziert. Eine Million Zuschauer für „Die spannendsten Seen Norddeutschlands“ sind ne Menge Holz. Die Veränderung der Reihenfolge ist aber nur ein Teil der Publikumsverarschung. Der andere Teil besteht darin, die Zuschauer glauben zu machen, es gebe tatsächlich eine rege aktive Teilnahme an der Sendung. Die ist (beim WDR) aber leider so passiv, dass mit Gebührengeldern 1000 Personen zur Abstimmung rekrutiert werden mussten. Wenn die Sender ein wirklich aktives Publikum haben wollen, dann sollten sie es vielleicht nicht für dumm verkaufen.
Man sollte grundsätzlich keine Scheiße produzieren, egal ob sich einer aufregt, die Krümel zählt oder nicht; mich erschüttert immer wieder die zynische Reaktion einiger Kommentatoren auf den einen oder anderen Beitrag von Stefan Niggemeier; manche halten es ja noch nicht einmal aus, wenn tiefergehender diskutiert wird, dann wird schnell zur Ordnung gerufen. Verwahrlosung fängt aber da an, wo kaum noch einer hinguckt, und sich dann verselbstständigt und früher oder später noch zur Norm wird. Tolle Wursti. Also bitte: Weiter Krümel suchen.
@Oliver, #11
Der zitierte Satz bezog sich auf den von Stefan Niggemeier aufgezeigten Fehler, den Frank Beckmann in seiner Erklärung gemacht hat. Die Aussage, gerade im Hinblick auf Stefan Niggemeier (#3) und Sie (#5), sollte also in etwa sein: der Schaden für die Glaubwürdigkeit des NDR durch diesen Fehler ist überschaubar.
„Offenbar sind die Sendungen nicht egal, sonst würden sie nicht produziert. „
Also ist alles relevant/nicht egal, was im Fernsehen läuft? Oder was von vielen Zuschauern gesehen wird? Irgendwie mag ich nicht recht glauben, dass die Zuschauer selbst diese Rankings wirklich ernstnehmen. Das soll nicht die Manipulationen rechtfertigen, aber in ihrer Tragweite einordnen.
Von ähnlicher Bedeutung ist für mich die Frage wie seriös der Anstrich war, der diesen Formaten jeweils gegeben wurde. Und da besteht für mich ein gewaltiger Unterschied zwischen so einem seichten Abspulen einer Reihenfolge ohne näheren Kommentar (ist das so?) und einem zur Samstagabend-Show aufgeblähten Ranking, dem mehrfach repräsentativer Charakter zugeschrieben wird wie im ZDF. Und auch das ist immer noch etwas anderes als eine Sendung, in der es um repräsentative Meinungsforschung zu politischen Fragen geht. Klar geht es immer auch um Seriosität und Glaubwürdigkeit, deswegen sind solche dummen Manipulationen auch ärgerlich.
Aber ich wäre trotzdem vorsichtig mit dem Schluss „wenn die das da schon machen, dann doch erst recht bei wichtigen Sachen“.
In dem Zusammenhang ist übrigens auch der Beitrag von Stefan Niggemeiers Kollgen Peer Schader leseswert. Da ist auch der Aufruf zur Abstimmung auf ndr.de zitiert:
„Wir wollen, dass die NDR Zuschauer abstimmen. Wen wählen Sie auf welchen Platz? (…) Aus dem Ergebnis gestaltet der NDR Ihr Programm.“
Ob das wirklich eine getreue Übernahme der Abstimmungsergebnisse in Aussicht stellt, finde ich zweifelhaft (wie auch andere Kommentatoren dort).
Ich finde in der WDR-Erlärung den Halbsatz „Obwohl es sich hier eindeutig um journalistisch begründete Korrekturen am Voting handelte,…“ so wunderbar absurd.
Was hat den Journalismus noch mit diesen Quatschsendungen zu tun?
Ist der Redakteur, der sich einen einseitigen, groben Handlungsablauf für die nachmittägliche Krawallsendung aus den Fingern saugt, auch Journalist, oder doch schon ein Drehbuchautor?
Vielleicht wäre die Sendung „Die 10 beliebtesten Tänze in NRW“ ehrlicher unter dem Namen „So tanzt man an Rhein und Ruhr“. Oder noch besser: Weg vom Voll- und wieder zurück zum 10-Stunden-Programm. Über die Mediathek hat man ja dann trotzdem 24h/Tag Zugriff.
Bei den Formaten, in denen Parteien noch mal an peinliche Momente erinnert werden (Skandale im Norden, Schlagzeilen, Rücktritte, …) , kann man sich auch „Stoppt das Band“-Einfluss vorstellen. „Was wäre es ihrer Partei wert gar nicht mehr auf der Liste zu sein?“ „…“ „Ja, das ist eine Summe, da sind sie aus der Kurzfassung schon mal raus. Ihre Konkurrenz wollte sogar von Platz 1 weg, da können Sie sich vorstellen dass das nicht für läppische Peanuts, verstehen Sie?“
Ich hoffe das Tor des Monats ist nicht betroffen.
wie wäre es denn zum krönenden abschluss für den 31.12.2014 eine Hitliste der best manipuliertesten Hitlisten zu manipulieren, äh, senden?
@MickDundee:
Eine Superidee! Auf unserer Liste derer, die diese Idee hatten, sind Sie Nr. 118 (chronologisch) aber wir können Sie, gegen eine kl. Aufmerksamkeit, ein wenig hochranken.
Vielleicht ist es egal, welcher See und welcher Tanz auf welchem Platz gelandet sind. Kritisch wird es nur, wenn bei Nachrichten und politischen Meinungsbarometern getrickst wird. So ließe sich eine weitere Jubelmeldung über sinkende Arbeitslosenzahlen z. B. dadurch begründen, dass auch alle Arbeitslosen aus der Berechnung gestrichen würden. Dann könnte die zuständige Ministerin erfreut reagieren, dass 0,0 Prozent erreicht worden seien.