So sprach Günther Jauch, als er vor Jahren neben Carsten Maschmeyer vor einem großen AWD-Logo auf der Bühne stand:
Ich mach solche Veranstaltungen relativ selten. Zum einen, weil ich ja relativ viel zu tun habe, und zum anderen, weil man natürlich dann ja immer fragt: Was kommen da für Leute, wer ist da der Chef, in welchem Rahmen ist das?
In diesem Fall war das furchtbar einfach. Weil: Ich frage zu diesem Zweck immer den Kollegen Thomas und sage: „Pass mal auf. Da hat jemand angerufen und hat gefragt.“ Und dann runzelte er so ein wenig die Stirn. Und als ich ihm dann erzählte, wo ich da hingehe und mit wem das ist und für wen das ist, sagte er: „Kenn ich, kenn ich. War ich auch schonmal. Hab ich doch selber schon gemacht. Kannste hingehen, überhaupt kein Problem. Die Leute sind prima, und der Chef“ — hat er mir zumindest gesagt, ich weiß nicht, wie gut Sie sich kennen — hat er gesagt, „ist auch in Ordnung.“
Günther Jauch war jung, brauchte aber mutmaßlich damals schon nicht mehr das Geld. (Ich weiß natürlich nicht, ob er überhaupt Geld für diesen Auftritt vor AWD-Mitarbeitern bekommen hat, aber als reiner Freundschaftsdienst wäre es ja noch schlimmer.)
Das Video von diesem Besuch Günther Jauchs bei Carsten Maschmeyer machte in den vergangenen Tagen die Runde, als bekannt wurde, dass Carsten Maschmeyer zu Besuch bei „Günther Jauch“ sein würde. Es trägt bei YouTube die Überschrift „Auch Günther Jauch stand auf der Payroll des Drückerkönigs“.
Wer es gesehen hatte, fragte sich, wie Jauch in der Sendung mit seiner so dokumentierten eigenen Rolle umgehen würde, insbesondere weil das Verhältnis zwischen Jauchs Sender, dem NDR, und Maschmeyer sonst einigermaßen zerrüttet ist.
Jauch tat es fast beiläufig und mit einer Flucht in eine Achtelwahrheit. Nachdem er einen Film von einem Auftritt Maschmeyers gezeigt hatte, sagte er:
Ich hab selber mal vor mehr als 20 Jahren bei Ihnen erlebt, wie Sie da Leute motivieren.
Das war alles. Jauch hielt es offenbar für notwendig, die Sache nicht ganz unangesprochen zu lassen, aber nicht für zweckdienlich, irgendetwas zu sagen, das eine ehrliche Erklärung seiner eigenen Befangenheit dargestellt hätte.
Ich kann das schon verstehen. Er möchte nicht Thema seiner eigenen Talkshow werden. Das Problem ist nur: Er ist es längst.
Er war es schon, als er mit Peer Steinbrück über Transparenz redete, der ihn auf seinen eigenen geheimen Vertrag mit der ARD ansprach und Jauch sich in die Unwahrheit flüchtete, zu behaupten, der sei öffentlich.
Gestern in der Sendung mit dem Titel „Den Managern ans Gehalt! Brauchen wir ein Gesetz gegen die Gier?“ ging es sechzig Minuten lang um Chefs, die unfassbar viel mehr verdienen als ihre Mitarbeiter, um die Frage, unter welchen Voraussetzungen das gerecht sein könnte, und darum, wer darüber bestimmen sollte.
Im Englischen gibt es die schöne Redensart vom „Elefanten im Raum“: einer großen, eigentlich unübersehbaren Wahrheit, die trotzdem von allen ignoriert wird. Der Elefant in Günther Jauchs Studio war Günther Jauch: die Tatsache, dass all die kritischen Fragen, was denn jemand verdienen dürfe, nicht zuletzt ihm selbst gestellt werden müssten.
Jauch spielte den millionenschweren Anwalt des kleinen Mannes gegenüber den Millionären — mit der besonderen Ironie, dass er seinen unbekannten, aber mutmaßlich üppigen Lohn für diese Sendung von uns Zuschauern und Nicht-Zuschauern bekommt. Maschmeyer sprach das einmal kurz an, als er fragte, was wohl dabei rauskäme, wenn die Gebührenzahler über sein Honorar abstimmen dürften, aber zum Glück für Jauch fiel ihm jemand ins Wort, bevor er hätte antworten können oder müssen, und führte das Gespräch von ihm weg. Es gab auch später noch eine Situation, in der Jauch wirkte, als müsste er die Richtung fürchten, in die Maschmeyer den Ball dribbelte.
Wäre es nicht schön, wenn der Moderator der am wichtigsten gemeinten öffentlich-rechtlichen Talkshow im deutschen Fernsehen einem Carsten Maschmeyer frei von Angst und Interessenskonflikten gegenübertreten könnte? Wäre das nicht, genau genommen, das Mindeste?
Natürlich wäre es populistisch, Jauch zu fragen, ob es nicht gut wäre, wenn er mit der Sendung nicht mehr als das 20-fache eines Cutters verdienen würde. Aber genau das ist die Frage, die bei Jauch verhandelt wurde, und wo, wenn nicht bei einem von Gebührengeldern finanzierten Programm, wäre es legitim, sie zu stellen?
Jauch hat offenbar in keiner Weise das Gefühl, dass er seinen Zuschauern und den Finanzierern seines ARD-Einkommens Rechenschaft schuldig ist. Das ist schon traurig genug. Besonders scheinheilig wird es aber, wenn er glaubt, stellvertretend für seine Zuschauer anderen solche heiklen Fragen stellen zu können.
Ich weiß nicht, ob das Kalkül ist oder nur Selbstblindheit, weil er als einziger den Elefanten im Raum wirklich nicht sieht: Dass es eine Unmöglichkeit ist, als jemand, dessen mutmaßlich exorbitantes Einkommen in der Diskussion ist, über exorbitante Einkommen zu diskutieren, ohne die eigene Rolle in irgendeiner Weise zu thematisieren, und sei es, wenn schon nicht mit Transparenz, dann wenigstens mit einem Augenzwinkern und einem Hinweis auf die eigene Befangenheit.
Aber wenn er es nicht einmal schafft, offen und ehrlich mit einem zwanzig Jahre alten Werbe-Einsatz für Carsten Maschmeyer umzugehen, ist das natürlich viel zu viel erwartet.
- Die Sendung in der Mediathek (aber nur für sechs Tage; länger will Jauch das nicht)
Im Gegensatz zu Jauch ist Maschmeyer aber kein wichtiger Bewahrer der Demokratie in diesem Land…
Ich kenne ja nur einen einzigen, aber der Cutter jedenfalls verdient nicht schlecht, um nicht zu sagen, deutlich mehr als ich.
Günther Jauch ist ein wichtiger Bewahrer der Demokratie in diesem Land? Wichtig in dem Sinne, dass sie ohne ihn in erheblicher Gefahr wäre? Oder wie?
@Muriel
War als Replik auf die Aussagen von ARD-Verantwortlichen gemeint, die die Gebühren als „Demokratieabgabe“ bezeichnet haben…
@Johannes: Argh, ja, hätte ich mir denken müssen, dass das so gemeint ist. Tut mir leid.
Günther Jauch zu Besuch bei Carsten Maschmeyer…
Ich versuche, mein Blog von Stimmungsäußerungen, Rumgemeine und Wutgeheul möglichst frei zu halten. Angesichts des Videos oben muß ich mir permanent auf die Finger hauen, um zu verhindern,…
Jauch hat es schon bei SternTV geschafft, das Fehlen von Betriebsräten bei Lidl oder Aldi monieren zu lassen. In seiner eigenen Produktionsfirma gibt es, wenn ich nicht irre, auch keinen Betriebsrat (und das dürfte weniger mit einem Desinteresse der Beschäftigten zu tun haben). Jauch hat sich öffentlich über die gesetzlichen Kündigungsschutzregeln beklagt, man könne kaum flexibel neue Sendungen produzieren – gleichzeitig wurden – so hörte ich – Cutter über Monate und Jahre hinweg tageweise abgerechnet statt normal angestellt. Seine Firma macht jährlich Millionengewinne.
Das alles sei ihm gegönnt, aber erweckt tatsächlich den Eindruck, dass er die eigenen Angelegenheiten für nicht öffentlich relevant hält. Wahrscheinlich empfindet er Fragen danach als eine Zumutung, womöglich hat sich um ihn herum eine Wagenburg-Mentalität entwickelt. Das ist wie bei Hofe.
Andererseits: man muss nicht Jesus sein, um über Religion diskutieren zu können. Man sollte auch an Jauch nicht einen höheren Moralanspruch stellen als an Andere (es fragt ja auch ein Steinbrück nicht einen FAZ-Redakteur, was der denn so bekomme). Natürlich kann und darf auch ein vermögender Moderator über Armut diskutieren lassen. Und warum sollte Jauch seine ARD-Einkünfte offenlegen, wenn man es von anderen Moderatoren auch nicht fordert? Warum wird bei Jauch ein besonderer Maßstab angelegt?
Aber wenn er schon Leute wie Maschmeyer einlädt, dann sollte er seinen eigenen (historischen) Part nicht so lässig nebenher einflechten. Damit schadet er sich selbst, das war schlecht durchdacht und gemacht. Seine hartnäckigen Fragen an Maschmeyer waren ja nicht schlecht (warum hat er ihn eigentlich überhaupt eingeladen?)
Interessant finde ich, dass Herr Maschmeyer jedenfalls als Vertreter „der Manager“ eigentlich sowieso gar nicht in die Runde gepasst hat:
Denn immerhin war er während seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender der AWD Holding AG ja zugleich auch selbst deren Mehrheitsaktionär, sein Privatvermögen also in diesem und an dieses Unternehmen gebunden. Hätte Herr Maschmeyer sich als AWD-Vorstand „verzockt“, wie man so schön sagt, hätte auch ihn das richtig Geld gekostet.
Kernpunkt der Problematik von Managergehältern ist aber meines Erachtens – und genau darum ging es in Wahrheit ja auch bei der erfolgreichen Volksinitiative in der Schweiz, nicht um die ethische oder gesellschaftspolitische Bewertung von Gehaltsunterschieden – dass diese an Vorstände fließen, die gerade im Wortsinne KEINE Aktien an den von ihnen geleiteten Unternehmen haben:
Sie streichen fürstliche Grundgehälter ein, die nicht minder fürstlichen Zulagen heißen im Erfolgsfalle Boni und im Misserfolgsfalle Abfindungen, das Risiko ihres Handelns tragen aber andere.
Sich durch eine solche für ihn „Win-Win-Konstellation“ bereichert zu haben, kann man Herrn Maschmeyer fairerweise jedoch nicht vorwerfen.
Wenn man ihn also als „Quotenunsympathen“ geholt hat, dessen Einladung wie in solchen Talkrunden üblich vortäuschen sollte, dass man alle Seiten einer Diskussion zu Wort kommen lassen will, dann war er der falsche Quotenunsympath zum wie schon gesagt ohnehin auch noch falschen Thema.
Hätte man über das zu diskutieren vorgetäuscht, worüber in der Schweiz tatsächlich abgestimmt wurde, hätte Herr Maschmeyer wiederum durchaus in die Runde gepasst. Nur eben nicht als Vorzeigebösewicht, denn auf ihn traf die vom Initiator der schweizerischen Volksabstimmung angegriffene Konstellation – die Manager bekommen ihre Millionen so oder so, und wenn etwas schiefgeht, bezahlen das die Kapitaleigner in Gestalt des Wertverlustes ihrer Anteile – genau nicht zu.
Das wäre ein für Günther Jauch übrigens ebenfalls keineswegs unproblematisches Thema gewesen, liegen die Dinge auch vor dessen Hintergrund auf ihn gemünzt durchaus nicht unähnlich:
Seine Produktionsfirma i&u TV erhält für die Sendung Millionen aus dem Rundfunkbeitragstopf, bestimmt ihren Gewinnanteil an dieser Summe selbst – und das Risiko, dass keine qualitativ zumindest akzeptable Sendung dabei herumkommt, tragen Das Erste und der NDR, die Zuschauer und Rundfunkbeitragszahler.
Seine Rolle als Elefant im Raum wäre Jauch auf diese Weise also auch nicht losgeworden, bloß hätte er es möglicherweise noch schwerer gehabt, einen Gast zu finden, der sich als fieser Gnom durch das Studio jagen ließ, um von dem Elefanten abzulenken …
(Klarstellung: Ich werbe mit diesem Kommentar keinesfalls um Sympathien für Herrn Maschmeyer oder den AWD. Die Geschäftspraktiken des AWD sind ein anderes Diskussionsfeld, Herr Maschmeyer saß gestern als ein Gast bei Jauch, der als Vorstandsvorsitzender eines Finanzunternehmens ein Millionenvermögen verdient hat, und sollte allein auf Grund dieser Eigenschaft einen „gierigen Manager“ verkörpern.)
Mag mir mal jemand den Unterschied zwischen Scientlogy und Heizdeckenverkäufer erklären? Danke.
Wo soll man die Grenzen des Akzeptablen ziehen?
Sind nicht die ganzen „wichtigen“ Talkformate der ÖR mittlerweile Produkte privater Produktionsgesellschaften?
Ich dachte immer Frau Will(-Obermann), Frau Maischberger und Herr Platzberg sind allesamt Chefs ebenjener Firmen, die die entsprechenden Sendungen produzieren?
(Ich fühle mich niemals auch nur Ansatzweise von einer der genannten Personen vertreten)
Vielleicht liegt ja in diesem Konzept (Konkurrenzkampf der Privatfirmen) auch EIN Grund für die Verflachung dieser Formate.
Keine Ahnung. Herr Niggemeier, übernehmen sie!
@Dexter: Ich glaube, Sie meinen Maybrit Illner(-Obermann). Laut Wikipedia ist die Produktionsfirma nicht ihre (und auch nicht Herr Obermanns). Anne Will allerdings hat ihre eigene.
Laut BILD resp. Maschmeyer hat Jauch für seinen Auftritt bei AWD 18.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer erhalten:
http://www.bild.de/geld/wirtschaft/guenther-jauch/attakiert-maschmeyer-29464812.bild.html
(Schreibweise „attakiert“ gemäß Original-URL)
Sibirischer Tiger,
den Elefanten im Raum sehe ich schon deswegen nicht, weil Jauchs Firma wie jede andere eine Kalkulation mit dem Sender auszuhandeln hat. Außerdem kann man jeder Firma konstatieren, den Gewinnanteil selbst bestimmen zu können.
Ich halte es zudem für nicht ehrenrührig, wenn Moderatoren via Produktionsfirmen eine Sendung fahren. Wer die Behäbigkeit von großen Teilen des öffentlich-rechtlichen Apparates kennt, die beamtengleiche Arbeitshaltung in den Häusern, die technokratischen Apparatschiks, der macht so etwas auch, aber nicht allein des Geldes wegen. Für die Sender wiederum kann das unter dem Strich sogar kostengünstiger sein.
Hallo,
Stefan, Sie vertippten sich in der ersten Zeile (Maschmayer statt Maschmeyer).
Ich hatte mich auf die Sendung des Jauchs gefreut – zu unrecht. Naja, das nächste Mal weiß ich’s besser – wobei, das dachte ich auch schon beim letzten Mal…
OT: großartiges Symbolbild bei SpOn:
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/europa-parlament-stimmt-ueber-porno-verbot-im-internet-ab-a-888273.html
Großes Lob mal an die doppelt doppeldeutige Überschrift!
Zu Maschmeyer kann man eigentlich nichts schreiben was nicht gelöscht werden müsste. Mit der Jauch-Verpflichtung hat man sich in der ARD ein tolles Ei ins Nest gelegt.
@15 Klasse!
Das heißt jetzt nicht mehr „Gebühr“, das heißt jetzt „Beitrag“!
Journalisten prüfen in solchen Fällen, um welchen Auftraggeber es sich da handelt und ob ihnen das später mal auf die Füße fallen kann: zum Beispiel, indem sie den fachkundigen Kollegen aus dem Verbraucherressort um eine vertrauliche Einschätzung bitten. Entertainer dagegen rufen ihren Kumpel aus Hollywood an.
Naja, wer wusste denn vor 20 Jahren, was Maschmeyer für ein Typ ist und der AWD für ein zweifelhafter Verein ist? Ohne gegoogelt zu haben, bin ich mir fast sicher, dass da auch noch keine Verbraucherzentrale vor gewarnt hat.
Nach 20 Jahren mit dem Finger auf ihn zu zeigen find ich bisschen billig.
Unabhängig davon ist es von Herrn Jauch natürlich lächerlich, sich als Moralapostel aufzuspielen.
Aber: Er, wie auch die anderen „Top“-Moderatoren, haben es verstanden, dass ÖR-System für sich zu nutzen. Ganz legal und von den Sendern so gewünscht und abgesegnet. Und dafür haben sie meinen Respekt. (Für ihre teilweise grottige Leistung aber nicht.)
Vor 20 Jahren war der Ruf von AWD, OVB und Konsorten nicht besser als heute. Jeder konnte es damals wissen. Daher hat Maschy im Video am Anfang auch so darauf hingewiesen, dass sein Verein es mittlerweile schafft Studierte, Finanzprofis und andere mit ein wenig mehr Hirn als Mitarbeiter zu rekrutieren. Der Ruf dieser Allfinanzfirmen war unterirdisch, die Mitarbeiter Glücksritter und Abzocker.
Werter Kollege,
großartiger Artikel und ein Appell, der vermutlich keine Chance hat, die große Medienbarriere zu durchbrechen.
Ungeachtet dessen: Der Elefant ist ja nicht weg. Und dass die verbliebenen Talkshow-Dinosaurier von ARD und ZDF in der Regel den „kleinen Mann im Volke“ nur vorgeben, ist hinlänglich bekannt.
Was mir bei der gesamten Sache zusätzlich auf die Nerven geht, ist die bisweilen triefende Betroffenheit, mit der öffentlicher Druck zu erzeugen versucht wird. Da will man am liebsten gleich den ganzen ÖR-Rundfunk abschaffen.
Andererseits müssen die gebührenfinanzierten Sender nachweisen, dass sie überhaupt noch eine relevante Zielgruppe erreichen und nicht zum Nischenprodukt mutieren. Die Alternative zum gebührenfinanzierten Fernsehen können wir täglich in Augenschein nehmen:
Es sind Duschungelprüfungen mit den Genitalien säugender Australienbewohner, sich willkürlich anschreiendes Periphervolk in den so genannten Doku-Soaps und Nachrichten, die deutlich mehr krasse Bilder enthalten als die der öffentlich-rechtlichen („Neue Studienrichtung: Krawalljournalismus“).
Trotzdem bleibt das Urteil:
Ein klasse Artikel, der mit der geschärften Klinge eines Präzisionschirurgen das Brät von der intransparenten Pelle trennt. Die Betroffenheit wäre in diesem Fall der Darm, und Herr Jauch mit seiner persönlichen Geschichte die Wurst. Das war vor diesem Artikel nicht jedem so klar wie danach.
Danke für dieses feine Stück Meinungsjournalismus.
Ein Kölner Kollege :-)
Tim,
vor ziemlich genau 20 Jahren bin ich von einem Bekannten, der bei AWD eingestiegen war, übelst abgezockt worden. Ich kann dir versichern: zu der Zeit war all das noch kein Thema wie heute. Es gab damals auch noch kein Internet. Man vergisst das leicht.
@Redaktion Köln Nachrichten: „Es sind Duschungelprüfungen mit den Genitalien säugender Australienbewohner…“ Da dürfen Sie bei dem hier (zu Recht) so gelobten Kollegen allerdings nicht auf Zustimmung hoffen: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/dschungeltexter-jens-oliver-haas-ein-jahr-pause-waere-jetzt-gut-fuer-das-format/
Hmmm, soll Herr Jauch sich denn immer auf die Seite der Ausbeuter und Millionäre schlagen und nie wieder Transparenz in Gehaltsfragen anmahnen? Ist doch ein nobler Zug, wenn er quasi Propaganda gegen sich selbst betreibt. Brauchen wir wirklich einen weiteren Fernsehmoderator, der sich selbst (selbst ironisch) zum Thema der Sendung macht? Ab welcher Gehaltsgrenze darf man denn „die da oben“ nicht mehr kritisieren? Bekommt Frau Wagenknecht dafür nicht auch schon zuviel von uns?
Ansonsten ist der Text mal wieder Dialektik vom Feinsten:
(1) „Natürlich wäre es populistisch, Jauch zu fragen, ob es nicht gut wäre, wenn er mit der Sendung nicht mehr als das 20-fache eines Cutters verdienen würde.“
Gut, dass das (bis jetzt) niemand gefragt hat.
(2) „Aber genau das ist die Frage, die bei Jauch verhandelt wurde…“
Kurze Erinnerung: Der Text kritisiert gerade, dass Jauch diese Frage nicht zum Thema seiner Sendung gemacht hat.
(3) „… wo, wenn nicht bei einem von Gebührengeldern finanzierten Programm, wäre es legitim, sie zu stellen?“
Ja, genau, wo, wenn nicht im Gebührengeldern finanzierten Programm ist der Ort, populistische Fragen zu stellen?
Hier vielleicht? Nach derselben Logik dürfte jemand, der anlasslos über das Sexualleben von CDU-Politikern spekuliert hat, auch nicht mehr die englische Boulevard-Presse für ihre Spekulationen über den royalen Nachwuchs kritisieren. Oder jemand, der vermeintlich anonyme Kommentarschreiber seines Blogs geoutet hat, dürfte nicht mehr Verletzungen der Privatsphäre seitens der BILD anprangern. Usw.
@nothing: Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Insofern muss Herr Jauch trotz dieses Auftritt auch künftig Transparenz in Gehaltsfragen anmahnen dürfen, da stimme ich Ihnen völlig zu. Er muss sich auch nicht gleich selbst zum Thema der Sendung machen. Aber die eigene Verstrickung in selbiges (Thema) offenzulegen und zu dieser Verstrickung eine Haltung einzunehmen, ist schon wichtig. Ich finde beispielsweise, dass sich Frank Plasberg in diesem Punkt souverän verhält. Da wird etwa bei einer Sendung zu Wulffs Rabattjagd der Aspekt der Presserabatte angesprochen, von denen der Moderator auch schon profitiert hat: Eine kleine Klarstellung, die der journalistischen Hygiene dient und niemandem wehtut.
Ohne selbst die Sendung gesehen zu haben (nur ne Nachtkritik aus der SZ gelesen) behaupte ich, dass hier nicht richtig hingehört wurde. Hatte Jauch nicht gefragt, wieso zahlreiche Menschen mit seinem Fonds in den Ruin getrieben würden oder zumindest haufenweise Geld verlieren, Maschmeyer dagegen aber Millionen verdiene? Maschmeyers Handeln hat eine besonders kriminelle Note, während Jauch „einfach nur“ viel Geld verdient (die ÖR-Debatte außen vor gelassen). Ich wüsste nicht, wie jemand an Jauch pleite gehen sollte.
Außerdem sollte man eventuell die eigene Ungehaltenheit über hohe Gehälter trennen von der Ironie, dass ein Reicher einen Reichen fragt, ob er nicht zu viel verdiene. Ich würde das mit der Frage an sich selbst gleichsetzen, ob man nicht abnehmen sollte. Am Ende lässt man es doch. Immerhin ist da noch ein winziges positives Zeichen darin zu sehen, dass man überhaupt noch ans Abnehmen denkt.
[…] http://www.stefan-niggemeier.de/blog/guenther-jauchs-gebuehrend-finanzierte-gehaltlosigkeit/ […]
@Torsten (#13):
Ich überlege so herum: Welches eigene wirtschaftliche Risiko geht Günther Jauch mit seiner Sendung „Günther Jauch“ ein?
Ich behaupte: gar keines.
Selbst wenn die Sendung vom Feuilleton unisono in Grund und Boden geschrieben würde, und die Quoten auf ein für Das Erste am Sonntagabend nach dem „Tatort“ nicht mehr hinnehmbares Niveau einbrächen, wäre das für Herrn Jauch sowohl als Moderator, als auch als Produzent kein ernsthafter Beinbruch.
So lange er die Muße hat, sich für eine entsprechende Gage als Moderator vor die Kamera zu stellen, stellt ihn auch immer mindestens einer der „großen“ Sender (oder notfalls eben Sat.1, ha ha ha) vor die Kamera.
Seine Produktionsfirma i&u TV stellt vor allem für Das Erste und für RTL alljährlich eine größere Anzahl Sendungen her, woran sich im Falle eines Misserfolges von „Günther Jauch“ unterstellt auch nichts ändern würde.
Vielleicht, vielleicht auch nicht, hat der NDR mit i&u TV für den Notfall eine Ausstiegsklausel aus dem Vertrag über die Produktion von „Günther Jauch“ vereinbart.
Selbst wenn, stellt sich dabei immer noch die Frage, wer im Falle deren Inanspruchnahme das Risiko nicht mehr verwertbarer bzw. refinanzierbarer Investitionen für die Produktion trägt. Ich persönlich glaube aber nicht, dass ein Günther Jauch in der Position ist, dieses übernehmen zu müssen.
Natürlich enthalten diese Überlegungen einige Vermutungen und Spekulationen, aber diese sind zumindest nicht völlig abwegig oder gar aus der Luft gegriffen, sondern beruhen auf Fakten und Erfahrungen, und wären somit bereits ausreichend, Herrn Jauchs Glaubwürdigkeit als Moderator einer Diskussion zum Thema: „Hoher Profit für wenige bei zugleich alleinigem Risiko für viele andere“, anzuzweifeln.
Und schon wenn man als Rezipient eines Themas schlüssig begründete Zweifel an der Glaubwürdigkeit eines Journalisten zu diesem Thema hat, ist der Journalist für dieses Thema nicht (mehr) geeignet.
Denn es geht eben nicht darum, ob der Journalist bei dem betreffenden Thema objektiv unglaubwürdig IST, sondern bloß darum, ob es objektiv nachvollziehbar ist, seine Glaubwürdigkeit bei dem betreffenden Thema ANZUZWEIFELN.
Und das würde ich für Günther Jauch als Moderator einer Diskussion zum Thema „Gewinn- und Risikoverteilung in der Wirtschaft“ bejahen.
Tiger,
für Jauch wäre das vermutlich kein Beinbruch. Aber wie Brecht fragen würde: macht er denn die Sendung ganz allein? Daran hängen viele Arbeitsplätze für stinknormale Leute, das sollten sie nicht ganz vergessen.
Das Video ist super. Jauch ist auf dieser Bühne unangenehm. Erst schiebt er sein Erscheinen auf den Thomas und dann versucht Jauch, sich im Rückwärtsgang von Maschmeyer zu entfernen. Der nimmt aber die Verfolgung auf, hat ja auch gezahlt. Zu schön.
[…] [text] lesenswerte gedanken von stefan niggemeier zu günther jauch und carsten maschmeyer […]
Großartiger Artikel! Jedoch sollte man nicht bei Günther Jauch und seinem Gehalt aufhören. Es gibt wesentlich relevantere Befangenheiten: der Staat lässt sich den Staatsfunk durch Gebühren bezahlen und nennt es unabhängige Information.(Zu SPD und Grünen gibt es sicher auch Beispiele, fällt mir nur gerade keines ein.)
– Peter Frey war beim ZDF der Nachrichtenchef und ist in der CDU. Kann die Redaktion unbefangen über das bürgerliche Lager berichten?
– Andersrum: kann das ZDF unbefangen über den Regierungssprecher berichten, einen Ex-Kollegen?
– Der Intendant des BR, Ulrich Wilhelm, war vorher auch Regierungssprecher unter Merkel. Kann der ganz plötzlich auf neutral umschalten?
Ein verwandter Punkt dazu, alle Medien betreffen:
– Kann ein Medium als Teil eines Unternehmens, das Gewinne erwirtschaften muss, unbefangen über politische Strömungen berichten, die für die starke Besteuerung von Unternehmensgewinnen ist? Oder Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich?
Ich sage dazu: in Einzelfällen ja, aber im Großen und Ganzen wird so ein Medium auch unternehmer- bzw. konzernfreundlich berichten.
@Beppo Levi: Wozu die Einschränkungen?
Schon die Frage „Kann ein Medium unbefangen berichten“ ist klar mit Nein zu beantworten. Ob es nun Gewinne erwirtschaften muss oder nicht, spielt da nur in den Details hinein.
Aber das macht ja nichts, solange wir verantwortungsvoll damit umgehen, was wir sowieso sollten.
@torsten (#29):
Keine Sorge, das vergesse ich schon nicht.
Und Herrn Jauch ist das menschlich sicherlich auch nicht egal, was aber ebenso wenig an der Konstellation ändert, bzw. diese praktisch trotzdem und erst recht bestätigt:
Er kann wirtschaftlich nur Gewinn machen, bzw. wird das wahrscheinlich sowieso, völlig unabhängig von seinem objektiven Erfolg.
Das wirtschaftliche Risiko tragen allein andere.
@ Muriel
Wenn man an massenhaften verantwortungsvollen (was immer das heißt) Umgang glaubt, dann ist es doch auch mit Jauch kein Problem. Dann wäre fast gar nichts auf der Welt mehr ein Problem.
Auch Leute, die ihren Umgang für verantwortungsvoll halten, können sich einer Grundstimmung nicht entziehen wenn sie von allen Seiten immer wieder damit in Kontakt kommen. Schon gar nicht als Mitwirkender in der Branche.
Wo und wie soll z.B. die Problematik unternehmerischer Medien bzw. Verflechtungen mit der Politik/Wirtschaft öffentlich (also dauerhaft und sehr viele Leute erreichend) diskutiert werden, wenn alle Medien, denen das möglich wäre, von Leuten organisiert werden, die selbst „mitdrinhängen“ oder viele Leute kennen, die „mitdrinhängen“, und deshalb ein Teufel tun werden?
@Beppo Levi:
Naja. Aber so ungefähr.
Hervorragender Kommentar! Die Zusammenarbeit zwischen Jauch und Maschmeyer war mir neu. Während der Sendung imponierte es mir jedoch, dass Jauch Maschmeyer so in die Zange nahm. Das passiert in Talkshows viel zu selten. Meist dürfen bekanntlich die ewig gleichen Nasen ihre vorhersehbaren interessegeleiteten Statements abgeben und die Diskussion plätschert mal mehr, mal weniger munter weiter. Persönliche Verwicklungen wie in diesem Fall werden kaum offen gelegt.
Schade eigentlich…
dieser Beitrag hat 37 Kommentare. Katja R & Co. hat 255 – obwohl zwischen beiden Welten liegen.
Frustriert Sie das nicht irgendwann?
Ich empfinde es als erschütternd.
Sehr interessant: Die Choreographie/Fußarbeit von Jauch und Maschmeyer in dem alten Video: Jauch unsicher, tippelt nervös, tänzelt, schwankt und weicht aus, nimmt Gesagtes mit den Füßen zurück und entlarvt seinen schalen Humor, indem unsicher vor und zurück hoppelt. Maschmeyer, ganz der Profi, versucht zu folgen, auszugleichen, aufzugreifen.
Ein schöner Kontrast zwischen Einem, der sich in seinen lauen Improvisationen unwohl fühlt, und Einem, der es nicht nötig hat, die gut sitzende Maske abzulegen und die Rolle zu verlassen
Und heute?