Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
Wenn es nicht so absurd irreführende Assoziationen von Klasse und Kreativität mit sich brächte, könnte man Florian Stöhr ein Gesamtkunstwerk nennen. Er selbst nennt sich „It-Boy“ beziehungsweise, seit einer Brust-Operation, „It-Girl“. Angeblich ist er Millionenerbe, angeblich ist er zwanzig Jahre alt, angeblich arbeitet er als Model. In den Medien hat sich die Berufsbezeichnung „RTL-Transe“ durchgesetzt.
Das klingt abfällig, würdigt aber immerhin den Anteil, den der Sender daran hat, dass Stöhr statt in Therapie ins Fernsehen gehen und für einen Star halten kann. Mit fast beneidenswerter Ausdauer verfolgt die RTL-Nachrichtenmagazin-Parodie „Punkt 12“ seit einem Jahr das Leben dieser selbsterschaffenen Kunstfigur, die von sich sagt, Botox sei für sie das wichtigste in ihrem Leben. Die RTL-Leute sehen ihm begeistert angewidert zu, wie er sich den letzten Rest Natürlichkeit wegschminkt und operativ entfernen lässt, begleiten ihn zu Geburtstagsfeiern, wo er sich und anderen als Partyspaß die Lippen aufspritzen lässt, zeigen, wie er erzählt, dass er sich zwei Rippen brechen ließ, um dünner zu sein.
Stöhrs Traum ist es angeblich, Kleidergröße „minus zwei“ zu erreichen, das bedeutet, Kindergröße 176. Er sagt: „Ich bin kein Sänger, ich bin kein Schauspieler, ich bin Florian Stöhr, das macht mich aus“, nennt sich aber inzwischen Valencia Vintage.
Ganze Beiträge macht RTL daraus, wenn Stöhr versehentlich auf der gleichen Party in Frankfurt ist wie Tatjana Gsell (einer früheren Freundin, der er vorgeworfen hat, Drogen zu nehmen), selbst wenn sich die beiden, allen Bemühungen des Fernsehteams zum Trotz, nicht einmal begegnen. Und wenn es gerade mal keine Nachrichten gibt, lassen sich die, äh, Journalisten aufregende Experimente einfallen: „Für RTL ist Florian Stöhr zum ersten Mal seit Jahren ungeschminkt vor die Tür gegangen!“ Sie haben ihm einen Pulsmesser mitgegeben, um seinen Stress zu messen – und, womöglich, falls er kollabiert, einzuschreiten, also: weitere Kamerateams hinzuzurufen.
Die „Bild“ hat auch ihren Spaß mit diesem Geschöpf und erfand den interessanten Superlativ „der irrste Busen-Familien-Zoff Deutschlands“: Als Stöhr sich seinem Vater nach der Busen-OP vorgestellt habe, sei der „ein bisschen handgreiflich geworden“. Überschrift: „Millionär-Vater haut TV-Transe Florian Stöhr Lippe kaputt!“ Getoppt zwei Tage später durch: „Der Prügel-Papa der TV-Transe ist eigentlich der Onkel!“
Stöhr soll im Gespräch sein, für die neue Staffel der RTL-Show „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“, die am Freitag beginnt, in den Dschungel zu gehen. Falls nicht, wüsste man nicht, wohin sonst.