„Trash“ nennen Kritiker das, was RTL 2 zeigt. Eigentlich tun sie das fast immer schon, angesichts der Menschen-, Tier- und vor allem Zuschauer-verachtenden neuen Programme, die der Sender in diesen Tagen gestartet hat, aber gerade wieder besonders intensiv.
Heute hat RTL 2 in einer erstaunlichen (und bislang nicht als Fake enttarnten) Pressemitteilung seinen Kritikern recht gegeben und Besserung gelobt. Natürlich ist darin nicht von „Trash“ die Rede. Aber unter einer dünnglänzenden Oberfläche aus PR-Deutsch ist der Vorwurf unschwer zu erkennen. Indirekt räumt der mysteriös mit dem Chefsessel verwachsene, öffentlichkeitsscheue Geschäftsführer Jochen Starke sogar ein, dass es seinem Programm an Mitgefühl und gesellschaftlicher Verantwortung fehlte. Starke lässt sich mit den Worten zitieren:
„Wir legen Wert darauf, dass RTL II als ein Sender wahrgenommen wird, der Unterhaltung und innovative, auch kontroverse Formate mit einem Gespür für Mitgefühl und gesellschaftliche Verantwortung verbindet. Unser neues Qualitätsmanagement wird uns dabei helfen, dieses Bewusstsein im Programm täglich erlebbar zu machen.“
Neue Formate sollen künftig einen „standadisierten Evaluationsprozess“ durchlaufen, der den gesamten Sender, von der Redaktion über das Marketing und die Werbevermarktung bis zur Geschäftsführung, einbezieht. „Auf diese Weise wird sichergestellt“, formuliert der Sender weiter, „dass die Programme von RTL II künftig in größerem Maße als bisher den qualitativen Ansprüchen gerecht werden, die der TV-Sender mit dem Start seiner neuen Markenpositionierung ‚it’s fun.‘ im vergangenen Jahr Zuschauern und Werbekunden versprochen hat.“ So deutlich hat selten ein Sender formuliert, dass seine gegenwärtigen Programme erbärmlich sind.
Überhaupt ist von „qualitativen Ansprüchen“ im deutschen Fernsehen selten die Rede, und vermutlich wäre es auch zu dieser plötzlichen Erkenntnis nicht gekommen, wenn viele der neuen Sendungen nicht vor allem den quantitativen Ansprüchen der Werbekunden und der Gesellschafter nicht genügt hätten. Nur eine sympathisch überschaubare Zahl von Menschen wollte zusehen, wie sich RTL 2 auf bösartigste Weise über einfache, dicke Menschen lustig machte, die der Sender zu diesem Zweck ins „Abenteuer Afrika“ geschickt hatte, und auch der Versuch der Drag-Queen Olivia Jones, mithilfe von Plüschohren und einer Ganzkörpermaske aus Kamel-Dung unerkannt unter Dromedare leben zu können („Das Tier in mir“) stieß auf nachvollziehbar wenig Interesse.
Hinter den Erwartungen zurück blieb auch die Quote der Aufklärungs-Doku-Soap „Generation Ahnungslos“; die harmlos-doofe Mittelmeer-Game-Show „Der Kreuzfahrt-König“ ist nach nur drei Folgen aus dem Programm genommen worden. Die tägliche Vorabend-Fake-Dokumentation „X-Diaries“ hat zwar einige Zuschauer – ihre Zahl steht aber in keinem Verhältnis zur Blödheit der schlecht erfundenen Sex-Geschichten aus dem Urlaub.
Nun kann es natürlich sein, dass der Trash einfach nicht trashig genug war – andererseits müsste man dann angesichts des RTL-2-Programms die unter Wissenschaftlern noch umstrittene Frage klären, ob es nicht selbst bei Fernsehqualität einen absoluten Nullpunkt gibt oder es sich um ein tatsächlich bodenloses Phänomen handelt.
Zumindest für den Moment scheint RTL 2 die Antwort nicht herausfinden zu wollen. Zum „neuen“ „Qualitätsmanagement“ scheint auch zu gehören, dass man sich von der Unterhaltungschefin getrennt hat – „im gegenseitigen, freundschaftlichen Einvernehmen“ natürlich, aber offenbar doch mit Differenzen, was die Erlebbarkeit des „Gespürs für Mitgefühl und gesellschaftliche Verantwortung“ im Programm angeht.
Der Name von Programmdirektor Holger Andersen, der vor nicht einmal einem Jahr von RTL zum kleineren Halbschwestersender gewechselt ist, taucht in der Pressemitteilung nicht auf. Vor einem Monat hatte er in einem Interview gesagt: „Wir wollen auffallen, aber mit Qualität.“ Das klang damals schon irgendwie falsch.